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Schach-WM 2016: Spannend für den Kopf – warum auch Unentschieden nicht langweilig sein muss

Ganz klar: Wer die Regeln von Schach nicht kennt; oder vielleicht auch noch ein klein wenig tiefer in die Welt des Denksports Nummer eins (zumindest in der westlichen Hemisphäre…) eingedrungen ist, wird wenig Spannung beim aktuellen WM-Match zwischen Weltmeister Magnus Carlsen und Herausforderer Sergei Karjakin empfinden – trotz der diesmal ziemlich intensiven medialen Abdeckung (die sozusagen umgekehrt proportional ist zum diesmal etwas mageren Preisfonds. In den Vorjahren kamen die einst höheren Millionen-Summen aber auch gerne aus der Privat- Staatsschatulle von autokratisch agierenden Fantasy-Staatslenkern und Weltschachverbands-Präsidenten 🙂 …)

Wer die Regeln von American Football oder von Cricket nicht kennt, wundert sich ja auch, was die Akteure auf dem Platz eigentlich machen, außer zusammenzuprallen oder mit komisch geformten Prügeln komisch geformte Bälle durch die Gegend zu dreschen. Und wie gesagt – wer die Schachregeln nicht kennt, oder wer eine Aufmerksamkeitsspanne von  höchstens einer Aktion pro 20 Sekunden hat, braucht sich nicht mit dem “Spiel der Könige” zu beschäftigen. Aber ab dieser Schwelle ist klar: Beim Schach sind Unentschieden (Remis) zwar weniger spektakulär als entschiedene Partien. Aber beim Schach kommt es halt (wie im richtigen Leben…) nicht nur auf das nackte Endresultat an, sondern auch darauf, wie dieses denn zustandegekommen ist.

Die bisherigen Remis-Partien im aktuellen Match waren ja nicht etwa “keine-Lust”-Veranstaltungen, sondern drückten eher aus, dass die beiden Kontrahenten sich halt recht ebenbürtig sind. Kein Wunder bei einem Blick auf die bisherigen Begegnungen und die Platzierung in der Weltrangliste; ganz oben wird die Luft eben etwas dünner. Ein Trost nach dem bisherigen Verlauf auch für Ungeduldige: Einen potentiell endlosen Match-Verlauf a la Karpov gegen Kortchnoi wird es in diesem WM-Wettkampf nicht geben – die Regeln sehen bei einem eventuellen Gleichstand nach 12 Partien einen Tie-Break aus Schnellschach-, dann aus Blitzschachpartien vor.

Und wenn es dann immer noch unentschieden steht, bringt eine “Sudden-Death-Partie” die endgültige Entscheidung: Bei einem Remis auch im allerletzten Spiel hat am Ende Schwarz gewonnen (ausgleichende Gerechtigkeit; weil Weiß mit dem Recht auf den ersten Zug einen winzigen, aber existenten “Anzugsvorteil” hat…) Bis dahin ist ja noch etwas Zeit – mal sehen, ob einer der beiden Kontrahenten noch einen entscheidenden Geistesblitz auf Lager hat…

DRadio Wissen · Schach: Spannend für den Kopf

DRadio Wissen – Redaktionskonferenz vom 21.11.2016 (Moderation: Thilo Jahn)

Nachklapp 22.11.2016 – Da haben wir den Salat, kaum haben wir über “zu viele” Remispartien gesprochen, schon will Magnus Carlsen mit dem Kopf durch die Wand und verliert die achte Partie. 😉

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass: Facebook gegen Fake-News

Jetzt hat auch Mark Zuckerberg eingelenkt – Facebook sagt Fake-News den Kampf an. Das Grundproblem: Facebook ist längst mehr als eine Plattform.

Facebook gegen Fake-News · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 21.11.2016 (Moderation: Till Haase)

Russland sperrt LinkedIn

Im Juni hat ja Microsoft mal ganz tief in die Portokasse gegriffen und das Karriere-Netzwerk Linkedin gekauft, für schlappe 26 Milliarden US-Dollar. Ob das wirklich ein richtig guter Deal war, das wird sich noch zeigen. Jetzt gerade gibt es aber etwas Kummer für Linkedin bzw. für Microsoft. Denn die russische Medienaufsichtsbehörde hat dem Netzwerk die Leitung gekappt – oder anders herum gesagt,  russische Nutzer haben jetzt keinen Zugriff mehr auf ihren Linkedin-Account. (Obwohl sich die Blockade vermutlich mit einem VPN und Proxy recht einfach umgehen lässt…)

Eine Sperre in Russland für ein US-Unternehmen, kurz nach der Präsidentschaftswahl – da könnte man spontan an Zensur oder an politische Motive denken. Andererseits: So furchtbar überraschend kann die Aktion eigentlich für die Linkedin- bzw. Microsoft-Führung nicht gewesen sein. Da war doch mal was? Richtig – ein mittlerweile nicht mehr taufrisches Internet- bzw. Datenschutzgesetz, das nun tatsächlich auch einmal zur Anwendung gelangt. (Selbstverständlich ohne irgendeine Einmischung von Vladimir Putin; die Verwaltung und die Justiz arbeiten in Russland bekanntlich völlig unabhängig.)

Da werden blumige “Visionen einer globalen Wohlstandsvermehrung durch Business-Kontaktbildung” wohl nicht weiterhelfen, sondern bestenfalls Gespräche in Moskau. In China ist Linkedin offenbar mit einer vergleichbaren Vorschrift zum Serverstandort klargekommen – dann wird das in Russland wahrscheinlich doch auch gehen. Und die User? Die werden eh abgeschnorchelt, von welchem Drei-Buchstaben-Verein auch immer…

DRadio Wissen · Soziale Netzwerke: Russland sperrt LinkedIn

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 18.11.2016 (Moderation: Diane Hielscher)

“Fix Windows 10 Privacy” – Knopfdruck-Maulkorb für die Microsoft-Plaudertasche

Dass Facebook oder Google eifrig Daten darüber abgreifen, wofür man sich so interessiert, was man treibt im Netz und auf dem eigenen PC – das ist vielleicht nicht schön, aber irgendwie nachvollziehbar. Die Firmen verdienen Geld mit Werbung und müssen ihre “kostenlosen” Produkte monetarisieren. Außerdem steht es einem ja frei, da mitzumachen – oder eben auch nicht. Von einem Betriebssystem, das man gekauft hat, erwartet man aber doch schon etwas mehr Zurückhaltung. Und zumindest, dass man selbst entscheiden kann, ob und wenn ja; welche Informationen über das eigene System und die eigenen Aktivitäten an den Hersteller übermittelt werden.

Bei Windows 10 ist das leider nicht der Fall. Das aktuelle Betriebssystem von Microsoft “telefoniert” pausenlos nach Hause – sprich, es übermittelt Daten an Server des Herstellers. Und perfiderweise lässt sich das zumindest in den “einfacheren”/”billigeren” Versionen von Windows 10; der “Home” oder auch “Professional”-Edition auch nicht abstellen. Wenn man dort in die “Systemsteuerung” geht, Rubrik “Datenschutz”, dann verweigert Microsoft die vollständige Deaktivierung der Übermittlung von Daten mit dem “Argument”, das würde die Funktionsfähigkeit von Windows Update und der Microsoft-eigenen Antiviren-Lösung “Defender” beeinträchtigen. Und – natürlich – die “Benutzererfahrung” verschlechtern.

Totaler Bullshit. Bei der “Enterprise”-Edition, am teuersten und für Unternehmen vorgesehen – da geht das Abschalten plötzlich doch. Und natürlich kursieren seit dem Launch der ersten Windows 10-Testversionen diverse Anleitungen und Tools im Netz, wie man auch in der Home- oder Professional-Version die willkürliche “Geht nicht”-Behauptung bzw. Sperre von Microsoft wieder aushebeln kann. Der Haken dabei: Das ist etwas aufwendig, erfordert etwas Know-How. Oder man muss unbekannten Anbietern vertrauen, die eine Lösung versprechen, aber theoretisch ja auch den Super-Trojaner auf das System platzieren könnten.

Beim Tool “Fix Windows 10 Privacy” sieht das erfreulicherweise anders aus.

Ich wollte halt gern ein Werkzeug haben, was ich eben mit einer Benutzeroberfläche bedienen kann, so dass ich das halt auch Leuten geben kann, die keine Techniker sind und jetzt auch nicht so genau wissen wollen, was sie da tun müssen…

Der Programmcode ist “Open Source”, lässt sich also überprüfen und ggf. auch verbessern. Der Programmierer Thorsten Schröder, IT-Sicherheits-Experte von der Firma modzero.ch, bürgt mit seinem Namen (und seiner Signatur…) für die Integrität des Tools. Insofern kann ich also “Fix Windows 10 Privacy” empfehlen – auch wenn ich mangels Programmiersprachen-Know-How den Sourcecode nicht selbst überprüfen kann. Und ganz offen gestanden: Ich  habe das Tool bislang auf meinem eigenen Produktivsystem nicht installiert. Die aktuelle, erste Version macht nämlich alle Windows-10-Schotten dicht – ich nutze aber den Microsoft-Cloud-Service OneDrive. (Außerdem hatte ich eh schon “per Hand” ein paar Änderungen in meiner Registry eingetragen und eine Blacklist in meiner Fritzbox für die bekannten Microsoft-Server angelegt…)

Das Problem mit dem “alles oder nichts” ist Thorsten Schröder bewusst – er verspricht, in Kürze ein Update zu liefern, das Anwendern dann auch eine individuellere Einstellung erlaubt, welche Verbindungen zu Microsoft-Servern sie zulassen oder unterbinden wollen. Eine “Garantie” dafür, dass bei installiertem “Privacy Fix” überhaupt keine unerwünschte Datenübermittlung mehr stattfindet – die kann auch Thorsten Schröder nicht geben. Aber das Tool sieht im Vergleich zu den Alternativen und dem “Mitbewerb” schon einmal ganz gut aus.

Wenn da noch irgendetwas auffällt, bin ich bereit, die Definitionen der Regeln noch anzupassen. Das ist kein Werkzeug, wo ich sage, das ist fertig und bleibt liegen. Da muss man natürlich weitermachen, und das werde ich auch tun, mit der Hilfe hoffentlich von einer Community, die das benutzt und mich darauf hinweist, wenn sich irgendwo ein neues Leck aufgetan hat …

Eine auch für nicht-Nerds sehr brauchbare Quasi-auf-Knopfdruck-Lösung also. Was nichts daran ändert, dass auch Microsoft mal Farbe bekennen müsste, was das Zwangs-Plaudern eigentlich soll. Notfalls gern mit einem kleinen (Bußgeld-bewehrten…) “Anschubser” von der EU 🙂

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 17.11.2016 – Moderation: Diane Hielscher

#systemkrank – Twitter-Trend lockt Trittbrettfahrer und Trolle

Ein richtiger Meme wird #systemkrank nun wohl doch nicht. Neue Tweets träufeln nur noch im Minuten-Abstand ein – dafür hat sich mittlerweile das thematische Spektrum von persönlicher Miss-Befindlichkeit über Maskulismus, von Sponsorensuche bis hin zum plumpen Clickbait so weit aufgefächert, dass #systemkrank nun für alles steht. Beziehungsweise für nichts mehr. Aber egal – für die “Erfinderin” und ihr Anliegen hat es wieder einmal gereicht, um die Filterblase Twitter nach außen hin zu durchstoßen.

Insofern ist Christine Finke auf jeden Fall eine Twitter-Versteherin, während wir von der Lügenpresse 🙂 ja immerhin noch ganz gut als Blasen-Durchstoß-Helfer taugen. Es ist also nicht nur so, dass man seine Meinung wohl doch noch sagen darf – wenn man das pointiert macht, kommt man sogar ins Radio oder Fernsehen. Das einmal als Ermutigung an die Systemkranken. Alle – auch etwas populär oder pauschal daherkommende – “System”-Kritik gleich als “rechts” einzuordnen, ist wiederum ein Filterblasen-Phänomen.

Klar gibt “die da oben” oder “das System” gar nicht, wir leben ja schließlich in einer repräsentativen Demokratie – sagt Andreas Zick von der Universität Bielefeld im DRadio- Wissen-Interview. Das mit dem möglichen Engagement und der Teilhabe ist allerdings zunächst mal eine theoretische Angelegenheit. Drüber reden (z.B. als Angehöriger der Medien 🙂 ) ist ja schon viel leichter als selbst politisch aktiv werden. Nur drüber twittern oder den #Aufschrei gleich dem Bot überlassen, bringt praktisch gar nix. Ausnahmen bestätigen die Regel.

“Ein Hashtag bietet Identität” · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 16.11.2016

Entsperrte Videos: FAQs zum Youtube-Gema-Deal

„Die Hölle ist zugefroren“ – “ein großer Tag für das Internet” – “ein Meilenstein für Musiknutzer” – ausgerechnet am heutigen 1. November, an dem ja in weiten Teilen des Landes und auch in vielen Redaktionen Feiertagsruhe angesagt ist, kommt die Knallermeldung: YouTube und die GEMA haben ihren seit 2009 laufenden Rechtsstreit beigelegt, haben sich auf eine Vergütung, eine Lizensierung für urheberrechtlich geschützte Musik geeinigt. Und die berüchtigten roten Sperrtafeln „Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar“ nerven uns nicht länger. Zumindest die, die auf das Kräftemessen zwischen dem Videoportal und der deutschen Verwertungsgesellschaft zurückgingen.

Die Einigung wird in praktisch allen ersten Reaktionen gutgeheißen, auch wenn man nun natürlich trefflich darüber spekulieren kann, welche Seite denn nachgegeben oder gar “gewonnen” hat. Nach den bisherigen Informationen (die Vertragsparteien haben Stillschweigen über die genauen Konditionen vereinbart…) sieht es so aus, dass YouTube letztlich sein Bezahlkonzept durchsetzen konnte – laut der (eigentlich ebenfalls vertraulichen, aber natürlich im Netz auffindbaren) Mail der GEMA an die Mitglieder umfasst der Lizenzvertrag “eine prozentuale Beteiligung sowohl an den Werbeerlösen, als auch an den zukünftigen Abonnementerlösen, die YouTube mit der Nutzung urheberrechtlich geschützter Musikwerke erwirtschaftet.” Damit auch bei weniger populären Titeln noch etwas Geld fließt, gibt es eine “Minimumgarantie”, außerdem zahlt YouTube einen vermutlich erheblichen Betrag für die “lizenzlosen” Jahre ab 2009 nach.

Aber das Paket dürfte wohl deutlich unterhalb der “offiziellen” GEMA-Tarife zustandegekommen sein, und ganz ausdrücklich bleibt YouTube auch bei seinem juristischen Standpunkt, es sei als Plattform eigentlich nicht zahlungspflichtig – im schier endlosen Marsch durch die Gerichte und Instanzen hatte die Google-Tochter ja zuletzt im Januar 2016 vor dem OLG München damit einen weiteren Punktsieg verbucht. Rechtssicherheit für andere Betreiber schafft der “Deal” also nicht. Aber für YouTuber, die eigene Clips mit GEMA-Musik hochladen – vorausgesetzt, sie achten darauf, nicht eventuelle andere Leistungsschutz- oder Herstellerrechte zu verletzen. Und die GEMA-Mitglieder dürften sich auf die nächste Ausschüttung freuen, nachdem die Taube jetzt schon so lange auf dem Dach saß 🙂 …

Entsperrte Videos: FAQs zum Youtube-Gema-Deal · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Redaktionskonferenz vom 01.11.2016 (Moderation: Sonja Meschkat)

Nachklapp 03.11.2016: Es gibt ja “formaljuristisch” korrekte Erläuterungen, auch von Pressestellen. Und es gibt “formaljournalistisch” korrekte Darstellungen von komplizierten Sachverhalten. Insofern könnte ich mich, glaube ich, noch einigermaßen gut aus der Affäre ziehen in Bezug auf meine Darstellung am 1.11. bei DRadio Wissen nach der Einigung zwischen GEMA und YouTube. Bei der für viele User ja höchst interessanten Frage, ob sich nach der Lizensierung nun irgendetwas verändert, wenn man einen eigenen Videoclip mit Musik untermalen will und dann hochladen – da habe ich ja die Einschränkung erwähnt, die mir auch die GEMA-Pressesprecherin so gesagt hat: Ja, das geht jetzt – wenn man die gegebenenfalls weiteren bestehenden Leistungsschutz-, Mitwirkenden- oder Herstellungsrechte beachtet bzw. abklärt.

In dem Fall ist alles paletti, habe ich gesagt – und hier habe ich aber zugegebenerweise die Gewichtung zwischen “irgendetwas geht ab jetzt” und ” es bleiben aber noch Vorbehalte” völlig falsch interpretiert. In Wirklichkeit ist nämlich überhaupt nichts paletti, weil in praktisch der völlig überwältigend überwiegenden Mehrzahl der Fälle diese “gegebenenfalls bestehenden” weiteren Rechte so gravierend sind, dass sich für die allermeisten User durch die GEMA-YouTube-Einigung überhaupt nichts ändert. Die Sache ist nämlich nach wie vor ziemlich komplex bzw. desaströs: Erstens: Es gibt keine Einigung oder Lizensierung oder überhaupt Zuständigkeit zwischen YouTube und der Verwertungsgesellschaft der Mitwirkenden, der GVL – wie man das ja analog zu Rundfunksendern oder auch Webradios vermuten oder hoffen könnte.

Die GVL erteilt Lizenzen im Fall von linearen Sendungen (diese aus der analogen Zeit stammende Prämisse führt schon bei der Podcast-Bereitstellung von Rundfunksendern zu etwas abenteuerlichen juristischen Hilfs-Konstruktionen…) – ein “öffentlich zugänglich machen” wie im Fall eines Hochladens auf YouTube ist aber schon eine andere, viel weitgehendere Hausnummer. Zweitens: Wer ein Video produziert und mit Musik unterlegen will, sendet nicht einfach mit irgendwie vielleicht lizensierten Komponenten, sondern bewegt sich im Bereich des “Erstverwendungsrechts”. Da kommt dann plötzlich so etwas wie das “Synchronisationsrecht” ins Spiel – wenn z.B. eine Nazi-Gruppe ihren Werbespot mit dem Song einer Band unterlegen will, dann braucht sie deren Einverständnis – und das kann die Band auch verweigern – unabhängig von irgendwelchen finanziellen Aspekten.

Die Einigung zwischen YouTube und GEMA bzw. die Lizensierung führt eigentlich nur in ein paar Spezialfällen dazu, dass Uploads erleichtert bzw. legal werden: Bei alten, nach 70 Jahren abgelaufenen Mitwirkenden-Rechten. Bei Coverversionen von GEMA-Stücken – wobei ulkigerweise das Cover wirklich 1 zu 1 sein muss; ansonsten kommt wieder ein “Bearbeitungsrecht” bzw. eine dementsprechende Genehmigungspflicht ins Spiel… Und eben bei Leuten, die alle kompletten “weiteren” Rechte selbst haben – Judith Holofernes z.B. oder andere Bands oder Labels – die dürfen jetzt netterweise ihre selbst komponierten und gespielten und produzierten Stücke auch auf YouTube hochladen, ohne dass die gesperrt werden.

So etwas in der Art ” Vorsicht, es ändert sich eigentlich gar nichts, von ein paar Ausnahmefällen abgesehen” würde ich eigentlich auch gerne kommuniziert bekommen, wenn ich als Journalist und juristischer Laie mit genau der Frage “was ändert sich für User-Uploads?” an die Pressestelle der GEMA herantrete. Anscheinend ist aber den Pressevertretern der GEMA der unterschiedliche Auftrag zwischen sich selbst als Interpreten eines (zugegebenermaßen komplizierten…) Sachverhaltes und dem Justiziar der GEMA als Gralshüter der juristischen Exaktheit bzw. Spitzfindigkeit noch nicht ganz klar. Der Job der Pressestelle ist aber, nicht nur eine formaljuristisch korrekte Darstellung zu liefern, sondern eine allgemeinverständliche – die dann vielleicht auch schon naheliegende Missverständnisse nicht befördert, sondern proaktiv zu vermeiden sucht.

Aber natürlich habe ich da als Journalist auch meine Mitverantwortung, selbst auf naheliegende Missverständnisse nicht hereinzufallen. Ist manchmal etwas schwierig; speziell an Feiertagen und unter Zeitdruck 🙂 . Wie dem auch sei – immerhin sieht die GEMA inzwischen wohl auch in ihrem Factsheet einiges Fehlinterpretations-Potential

Upload von Musikwerken auf YouTube: Soweit die von der GEMA wahrgenommenen Nutzungsrechte betroffen sind, können Nutzer Musikwerke auf YouTube hochladen oder ihre Uploads mit Musik untermalen.

und will das jetzt “entsprechend” anpassen. Eine FAQ-Liste samt nicht juristisch spitzfindiger, sondern allgemein verständlicher Antworten soll es auch geben auf der GEMA-Website. Das ist doch schon mal sehr begrüßenswert…

DRadio Wissen – Redaktionskonferenz vom 03.11.2016 (Moderation: Sonja Meschkat)

Facebook startet Image-Werbekampagne in Deutschland

Dass bei Werbung und PR ein klitzekleiner Unterschied zwischen Dichtung und Wahrheit bestehen könnte, das preisen verständige Bürgerinnen und Bürger ein. So ist Mariacron gewiss ein “großer deutscher Weinbrand”, die Hoch-Zeit eines ähnlichen Produktes (“erst mal einen Dujardin”) ist auch schon ein Weilchen her, aber ein richtiger Cognac ist möglicherweise dann doch noch etwas anderes… Wie dem auch sei. Bei der aktuellen Facebook-Kampagne treten hippe Testimonials ins Bild, die erstmal gewisse Bedenken gegenüber dem Datenkraken Nr. 1 artikulieren.

Aber diese Bedenken lassen sich natürlich ganz leicht ausräumen. Mal was peinliches gepostet? Einfach löschen. Sorgen wegen nicht an die ganze Welt gerichteter Messages oder Bilder? Kein Problem, einfach die Empfänger etwas feiner einstellen in den Facebook-Optionen. Dass das jetzt nur im “sichtbaren” Ergebnis etwas ändert, nicht aber in Bezug auf die von Facebook gespeicherten, ausgewerteten und an Werbetreibende weitergegebenen Persönlichkeitsprofile – geschenkt. Wenn irgendjemand von den “Freunden” einen “peinlichen” Post weiterverbreitet hat vor der “Lösch”aktion, dann bleibt das “wollte ich eigentlich nie, nie, nie teilen” trotzdem im Netz, trotz aller treuherzigen Blicke in die Kamera.

Die Testimonials; jung, hip und gar nicht Oettinger, die sind jedenfalls überzeugt. Oder wie? Es ist halt eine Werbekampagne, das Ganze. 🙂

Einmal löschen – alles weg? · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 31.10.2016 (Moderation: Diane Hielscher)

Fotografieren verboten? Wikipedia verliert Prozess gegen Mannheimer Museum

Vor Gericht ist es bekanntlich wie auf hoher See – entweder man erreicht wohlbehalten den Zielhafen, oder der eigene Kahn geht unter. Der günstige oder traurige Ausgang des eigenen Schicksals hängt an den zuständigen Richtern und ihrer Interpretation der Gesetze. Das Schifflein der Wikipedia ist jedenfalls gerade wieder einmal versenkt worden, oder hat zumindest ein happiges Loch in der Bordwand. Wobei gar nicht die Enzyklopädie selbst oder ihr Trägerverein Wikimedia der Beklagte war, sondern ein eifriger Wikipedia-Autor.

Ort des Scharmützels: das Landgericht Stuttgart. Und wieder mal ging es um einen Daueraufreger: Welche Fotos darf ich ins Netz stellen und welche nicht? Die Reaktion des Museums auf den Urteilsspruch ist ja irgendwie passiv-aggressiv 🙂 – vielleicht wäre da also doch mal eine höchstrichterliche Einschätzung hilfreich.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 14.10.2016 (Moderation: Till Haase)

Geofeedia: US-Polizei nutzte Daten aus Twitter und Instagram über Demonstranten

In den USA ist das ja leider schon fast ein trauriger Standard-Ablauf: Ein Schwarzer wird bei einem Polizeieinsatz erschossen, die Umstände sind nach Aussagen von Zeugen oder Aufnahmen von Kameras zumindest fragwürdig. Und anschließend kommt es zu tage- oder wochenlangen Protesten mit zum Teil bürgerkriegsartigen Szenarien. Im Moment sorgt gerade ein Bericht der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation ACLU für Aufsehen: Die US-Polizei nutzt Daten von Twitter, Facebook  und Instagram, um Demonstranten und Aktivisten zu überwachen bzw. sogar von dem Marsch auf die Straße abzuhalten. Geliefert werden diese Daten von einer Firma mit dem Namen Geofeedia.

Das klingt nach einem Skandal oder nach einem Eingriff in Bürgerrechte, und der Eindruck wird ja verstärkt durch die Reaktion der betroffenen Social-Media-Firmen: Instagram und Facebook hatten Geofeedia schon im September den Zugriff auf die Daten gekappt, und nachdem am Dienstag der ACLU-Report publik gemacht wurde, kam dann auch von Twitter postwendend die Message: Der Zugang von Geofeedia wird auf der Stelle beendet.

Aber “privilegiert” oder “besonders” ist dieser Zugang überhaupt nicht. Was Geofeedia weiterverkauft, ist schlicht und ergreifend die Nutzung von sogenannten APIs. Das steht für „Application programming interface“, auf Deutsch also „Anwendungs­programmier­schnittstelle“. Und über solche Schnittstellen hat man dann Zugang zu den Rohdaten des jeweiligen Dienstes, also z.B. auf Tweets oder Postings, aber ohne die normale grafische Aufbereitung oder Filterung oder Gewichtung. Einen solchen API-Zugang gibt es je nach Nutzungsintensität gratis oder gegen Gebühr.

Wer sich jetzt darüber aufregt, dass Polizeidienststellen über Geofeedia-Daten vermeintlich oder tatsächlich gewaltbereite Demonstranten abfängt, verkennt die Tatsache, dass Pepsi-Cola eben ansonsten unzufriedene Coca-Cola-Trinker zu identifizieren versucht 🙂 . Social-Media-Nutzer werden nun eben mal abgeschnorchelt und ausgewertet. Ob Konsumenten, Demonstranten oder Terroristen.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 14.10.2016 (Moderation: Till Haase)

Die Rückkehr der Avatare: Facebook zeigt Social-Virtual-Reality

Eigentlich fällt mir spontan kein größerer Flop in der IT- und Netz-Geschichte ein als “Second Life”. Das war jene flache, bunte Welt, in der man sein digitales Abbild, einen Avatar durch die Gegend latschen lassen konnte. Und selbstverständlich konnte dieser Avatar vielleicht auch ein bisschen schicker, jünger oder reicher sein als man selbst in Wirklichkeit. (Noch mal zur Erinnerung – da konnte man sich ja virtuelles Eigentum kaufen in Second Life – gegen echte, reale Kohle, versteht sich.) Damals, 2003, redeten allen ernstes irgendwelche Netz-Berater völlig verdatterten Dax-Vorständen ein, ihre Unternehmen müssten unbedingt in dieser Parallelwelt präsent sein, mit Filialen, um dort Beratungsgespräche durchzuführen oder vielleicht sogar richtige Geschäfte abzuwickeln.

Absolut irre. Das einzige, was die Leute da letztlich interessiert hat in Second Life, war natürlich Sex. Andere Avatare anquatschen (hinter der vollbusigen Blondine steckte natürlich in Wirklichkeit auch nur ein anderer triebgestauter pickeliger Nerd…) und vielleicht kopulieren, digital. Nur war das eben rein optisch so ultra-weit entfernt von den mittlerweile im Netz verfügbaren Alternativ-“Erotik”angeboten, dass da nur sehr phantasie- und imaginationsbegabte Leute auf ihre Kosten kommen konnten. (Es soll allerdings nach wie vor Spuren von Leben geben im ausgehypten Alt-Universum 🙂 …)

Jetzt sind wir ein paar Jährchen weiter, es gibt 3D und Virtual-Reality-Brillen. Im Film- und TV-Bereich ist 3D eigentlich schon wieder gefloppt, und wieder bzw. weiterhin ist das plausibelste inhaltliche Angebot: Sex. Das ist aber bekanntlich etwas, was es nicht gibt im Universum Facebook. Insofern ist die Frage noch nicht beantwortet, was eigentlich die Avatare den lieben langen Tag über machen sollen in Mark Zuckerbergs VR-Reich, außer im Idle-Modus hin-und-her zu schwanken. Interessante Orte soll man besuchen in 3D, zusammen mit seinen Freunden. Karten spielen. Laserschwertduelle ausfechten. Werbung angucken. 🙂

Irgendwann wird das mit den Avataren und dem kompletten Ausklinken aus der Realität mal kommen, davon bin ich auch überzeugt. Momentan sieht es noch ganz stark nach Deja-Vu aus.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 07.10.2016 (Moderation: Diane Hielscher)