Eine einigermaßen lustige Aktion in meinem Wohnviertel

Als ich am Samstag nach Hause gekommen bin nach der Sprachaufnahme für meinen Schwerpunkt in “Computer und Kommunikation” im DLF, da habe ich dieses einigermaßen lustige Flugblatt in meinem Briefkasten vorgefunden:

Eigener Scan

Ich habe dazu mal eine kleine Mail an die Initiatoren geschrieben:

Liebe Pappnasen –

Ich habe am Samstag euer – na ja, einigermaßen lustiges – Flugblatt in meinem Briefkasten in Marienburg, am Südpark 23 vorgefunden. Nachdem ich gerade von meiner Arbeit im DLF zurückgekommen bin.

Jetzt kann ich natürlich euer Flugblatt als allgemeinen Denkanstoß auffassen – wobei ich mich natürlich dann fragen müsste – warum bekomme ich das denn in meinen Briefkasten? Oder als posthumen Hinweis auf eure Demo in Marienburg – da werden vermutlich hunderttausende durch unseren Ortsteil gezogen sein. 🙂 Leider habe ich das nicht mitbekommen, weil ich da gerade weg war wegen Arbeit.

Oder ich könnte euer Flugblatt vielleicht auch als Beschuldigung oder Anschiss auffassen. Ganz ehrlich gesagt – diesen kleinen intuitiven Eindruck habe ich gerade.

Nur mal zu eurer Info: Da seid ihr bei mir ganz falsch. Ich wohne hier zur Miete. Zu einer sehr hohen Miete, die ich allerdings auch mit Arbeit verdiene. Ich habe kein geerbtes Vermögen, bin nicht mit goldenen Löffeln im Mund geboren, muss selber putzen und das Klo reinigen, esse keinen Kaviar, bin Gewerkschaftsmitglied und habe keinen SUV, sondern nur einen ganz kleinen schnuckeligen Mini, mit dem ich auch nur ab und zu Golfturnieren fahre. Unter 10.000km pro Jahr. Ansonsten Fahrrad. Früher bin ich immer Bahn gefahren, aber die ist einfach nur Scheiße.

Dass es in Marienburg leerstehende Häuser gibt, ist mir auch klar. Die hab ich in der Scheiß-Corona-Zeit sozusagen mal selbst entdeckt, als ich hier rumgelatscht bin. Danach hab ich mich auch mal informiert und eben genau diese Geschichten erfahren, dass da Erbstreitigkeiten vorliegen – teilweise aber auch Schwierigkeiten bei den Erben, die notwendigen Sanierungskosten zu stemmen.

Das ist irgendwie suboptimal – aber eure Suggestion, eine Lösung hier könnte irgendwie substantiell zur Lösung irgendwelcher Wohnungsprobleme in Köln beitragen – die ist doch völlig absurd und Banane. Wenn diese Häuser irgendwie wieder saniert und belebt werden, dann werden da garantiert keine Sozialwohnungen entstehen. Auch vom Platz her werden da bestenfalls ein paar wenige Wohnungen möglich sein – der Effekt auf das generelle Problem wird also marginal sein.

Und dann komme ich mal gerne – obwohl eben nicht mit goldenen Löffeln geboren, Mieter und Arbeiter und Journalist und Gewerkschaftler auf eure tolle Agenda zurück: Ich könnte euer tolles, einigermaßen lustiges Flugblatt ziemlich easy mal variieren auf die „unverschuldet und vermeintlich arme“ Klientel. Die in der sozialen Hängematte. (Mir ist total klar, dass das bei vielen Leuten nicht zutrifft. Bei vielen aber eben doch.) Viele eurer Programmpunkte kann man da direkt unverändert stehen lassen. („Arbeiten, und zwar selber.“ / Spülen, waschen, kloputzen, staubsaugen./Es muss nicht immer Kaviar sein./ Tausche geliehenen Ferrari zum Wettrennen-Fahren und Fußgänger-Killen gegen ÖPNV/ Dan-ke, tei-len, wir“) Zu eurer zweiten, auch einigermaßen witzigen Seite fällt mir auch entsprechend was ein, ich habe gerade nur keinen Bock, das grafisch umzusetzen, weil ich morgen früh wieder arbeiten muss.

Fazit – ihr seid echt etwas; oder vielmehr sogar sehr naiv, so eine Sozialkritik hier mit plakativem „witzigem“ Sozialneid in ein Wohnviertel reinzutragen.

Bei der grundsätzlichen Problematik bin ich ganz d’accord. Klar gibt es ein gesellschaftliches Problem. Aber nicht nur eines von „unverdient Reichen“.

Lg,

Michael Gessat – leider kein Kapitalist…

 

P.S. Die Mail an die Pappnasen an die unter Kontakt angegebene Kontakt-Adresse ist zurückgekommen, ich probiere jetzt mal die zweite. Ich bin ja zum Glück kein Rechtsanwalt, sonst würde ich euch schon direkt kostenpflichtig abmahnen. 😛

2 Gedanken zu „Eine einigermaßen lustige Aktion in meinem Wohnviertel

  1. Pappnasen Rotschwarz

    Lieber Michael Gessat,
    Zunächst einmal freut es uns, wenn unsere Aktion ein solche umfassende Reaktion zeitigt – wir haben damit offenbar einen empfindlichen Punkt angerührt, und dafür ist so etwas ja gedacht. Und dann haben Sie unser Flugblatt immerhin als “einigermaßen lustig” klassifiziert, ebenso auf Ihrer Homepage die ganze Aktion – man könnte also sagen etwa drei-minus und damit Versetzung nicht gefährdet, das beruhigt uns doch gleich.
    Aber nett, dass Sie sich davon so angesprochen fühlen, wo Sie es nach eigenen Angaben nicht einmal zu einem richtigen Kapitalisten gebracht haben, nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden und dazu noch, Potzblitz, gar selber arbeiten (danke, dass Sie alle an Ihrem Stolz darauf teilhaben lassen)! Darüber hinaus Radfahrer, Kleinwagenbesitzer sowie Gewerkschafter – wieso lassen die so jemanden in Marienburg rein?
    Gut, man muss ordentlich was auf den Tisch legen, um dort etwas zu mieten. Allein, wirklich ein Mitglied der Reichen-und-Schönen wird man so zwar nicht, aber eine Bewerbung dafür kann man ja abgeben, zum Beispiel indem man gegen “die ‘unverschuldet und vermeintlich arme’ Klientel, (die) in der sozialen Hängematte” giftet. Ist das die Lösung? Außerdem: wenn wenigsten die die Kohle nicht kriegen, landet der ganze Zaster doch eh irgendwann bei den Reichen!
    Es zeigt sich: ein paar von uns bekäme man dort in den leeren Villen schon unter, Bewerber gäb’s genug und wir würden auch verdichten. Das wären jetzt noch keine Wiener Verhältnisse (und die kriegen wir leider auch nicht so schnell), aber es wäre ein Anfang, dem ein gewisser Zauber innewohnte – und das Zauberwort wäre: “umverteilen”. Denn schon mit ein bisschen Vermögenssteuer ließen sich so viele schöne Dinge finanzieren, von der Sanierung der Schulen und Krankenhäuser bis zur Zahlung einer Grundrente, von der man (frau!) leben kann.
    Und schließlich: wir und “Sozialneid”??? Aber iwo! Wir wollen das alles gar nicht: diesen fiesen Nachgeschmack von Kaviar, abgestandenen Champagner, die Spritrechnung für einen SUV einmal volltanken, der Ärger mit dem Hauspersonal, beim Golf das passende Eisen zuhause gelassen – das ist doch kein Leben, das ist am Existenzmaximum herumhummern.
    Man wird uns weiterhin auf den Straßen antreffen:
    Pappnasen Rotschwarz Alaaf
    i.A. Tilman Lenssen-Erz

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    1. mgessat Beitragsautor

      Lieber Tilman Lenssen-Erz,

      nö, Sie haben mit Ihrer Aktion in meinem Fall eben nicht „einen empfindlichen Punkt angerührt“, für den „so etwas ja gedacht“ war. Außer Sie wollten eben ganz pauschal ganz normale Leute dissen, bloß weil die zufällig in einem „Reichenviertel“ wohnen.

      Ich wundere mich so ein bisschen, warum Sie sich so eloquent als Rächer der Enterbten und Entrechteten gerieren. (…“ein paar von uns bekäme man in den leeren Villen schon unter…“) Ich habe mir mal auf Google Maps angeschaut, wo Sie wohnen – und so richtig nach Sozialfall sieht das hübsche Altbau-Haus im top-angesagten und begehrten Belgischen Viertel doch auch gar nicht aus. Wenn Sie da ausziehen wollen – bitte sagen Sie mir dann doch mal kurz Bescheid. Ob Ihre Miete tatsächlich weit unter meiner liegt, das wage ich mal zu bezweifeln. Da muss man also auch „ordentlich was auf den Tisch legen“. Sagen wir mal so: das Belgische Viertel ist vielleicht kein Reichen-Viertel, sondern nur eins von „Besserverdienenden“. 🙂

      Natürlich, als „wissenschaftlicher Mitarbeiter“ an der Uni Köln in einem „Orchideenfach“ sind Sie Teil des berühmten „akademischen Prekariats“, dem der Aufstieg zu höchsten Weihen und Gehaltsstufen offenbar verwehrt geblieben ist. Aber mal ganz ehrlich – Sie haben ja erstens das wohlverdiente Rentenalter offenbar unbeschadet erreicht. Ich vermute mal, dass Ihr Einkommen nicht so wahnwitzig viel geringer war/ist als meines. Ich vermute auch mal, dass Ihre Rente wahrscheinlich höher ist als meine. Und Sie haben ein – davon gehe ich mal aus – erfülltes, aber auch privilegiertes Leben geführt. Mit spannenden Reisen in ferne Weltgegenden und dem entsprechenden CO2-Ausstoß – ich würde mal als Wissenschaftsjournalist den Anlass dazu höher gewichten als die SUV-Tour in Marienburg zum Flaschencontainer. 🙂

      Wobei das übrigens viele Leute nicht so sehen dürften – ok; viele Leute halten auch den ÖR-Rundfunk für verzichtbar. Aber das nur mal zur gesellschaftlichen Einordnung unserer Lebens-Entwürfe.

      Ihr Leben wurde finanziert aus öffentlichen Geldern, genauso wie meines – vielen Dank für Ihre Rundfunkbeiträge übrigens. 🙂 Wir beide haben uns offenbar dazu entschlossen, in unserer Berufswahl inhaltliche Prioritäten zu setzen – und nicht finanzielle. Eine andere Entscheidung ist aber auch völlig legitim. Und so leben eben hier in Marienburg auch Leute, die nicht mit goldenen Löffeln geboren wurden, sondern einfach BWL und Jura studiert, entsprechende Karrieren verfolgt haben und jetzt eben unfassbar viel mehr Zaster verdienen als Sie und ich. Warum „die Gesellschaft“ das so honoriert; oder ob da eben eine Eigen-Dynamik bestimmter tonangebender Schichten eine Rolle spielt – das ist die große Frage.

      Ich selbst habe z.B. nach dem Lehman-Brothers-Crash gedacht – ok, das gibt jetzt eine totale gesellschaftliche Revolution. Dieses Prinzip, nach dem eine Elite da Geld scheffelt und die Allgemeinheit die Risiken tragen lässt – das wird jetzt weggefegt. Passiert ist: Nix. Sie sehen – ich bin da gar nicht so weit entfernt von Ihren Sichtweisen.

      Wenn Sie mir aber unterstellen, ich würde „giften“ gegen “die ‘unverschuldet und vermeintlich arme’ Klientel, in der sozialen Hängematte”, um mich für die „Reichen-und-Schönen-Mitgliedschaft“ zu bewerben – das ist schon ziemlich unverschämt und lächerlich. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass es ebenso wie die von Ihnen angeklagten Reichen auch vermeintlich Arme in der „Hängematte“ gibt. Und dass man die ebenso vermeintlich lustig aufs Korn nehmen könnte.

      Lieber Herr Tilman Lenssen-Erz – ich glaube, Sie sind zwar vermeintlich eloquent, aber trotzdem etwas unterkomplex unterwegs „auf den Straßen“. (Mit der „drei-minus“ treffen Sie es so ungefähr – aber ok; angesichts der heutigen verbreiteten Tendenz zur Unterkomplexität gebe ich Ihnen sogar gerechter- und gnädigerweise eine zwei-minus.)

      Vielleicht sollten Sie aber noch mal neu auf Spurensuche gehen – mit Ihrer nachgewiesenen Expertise. 🙂 Und vielleicht im Südpark in Marienburg versuchen, die Fußstapfen von Super-Reichen mit goldenen Löffeln, Reichen aufgrund eigener beruflicher Tätigkeit, Besserverdienenden und Normalos zuverlässiger auseinanderzuhalten.

      Mit freundlichen Grüßen,

      Michael Gessat

      P.S. Sie sind ja auch top-informiert über die relevanten Probleme beim Golf. “Das passende Eisen zuhause gelassen.” Genau. Sie sind doch hoffentlich nicht heimlich selbst bei diesem Reichen-“Sport” unterwegs? Das am Ende der Runde fehlende Pitch liegt übrigens immer irgendwo neben einem Grün.

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