Archiv für den Monat: Oktober 2015

Netzneutralität: Telekom-Geschäftsideen sorgen für Riesen-Aufregung

Dass die Sache mit der am Dienstag vom EU-Parlament zwar im Grundsatz bekräftigten, aber zugleich in Details gelockerten Netzneutralität ein “Minenfeld” ist, das ist Telekom-Chef Timotheus Höttges natürlich klar. Und dieses explosive Terrain hat er denn auch recht zügig, eindrucksvoll und flächendeckend hochgehen lassen mit seiner am Mittwoch vorgestellten Geschäftsidee, Start-Up-Unternehmen bei Bedarf eine Internet-Überholspur – also eben die demnächst zulässigen “Spezialdienste” – gegen eine kleine Umsatzbeteiligung verkaufen zu wollen.

Seitdem tobt “das Netz”, in Schlagzeilen und Kommentaren in der Presse liest man von “abkassieren”, Internet-Maut oder Schutzgelderpressung. Bei Twitter wollen erboste Eiferer dem Telekom-Pressesprecher ins Gesicht spucken oder schlimmeres antun, weil der die These für einen “Mythos” hält, die von seinem Chef angesprochene “Infrastruktur” sei dereinst aus Steuergeldern finanziert worden.

Ob die Sache mit der Umsatzbeteiligung jetzt eine charmante oder eher abschreckende Idee ist, sei dahingestellt. Letzlich geht es um einen bestimmten Kostenfaktor x. Und wenn man Höttges “Vision” noch einmal ohne Schaum vor dem Mund liest, dann zielt er doch ausdrücklich auf solche Start-Up-Unternehmen ab, die sich teure externe Dienstleistungen wie etwa Content Delivery Networks (CDNs) nicht leisten können – das heißt, das Telekom-Angebot würde dann logischerweise preislich unterhalb dieser Angebote liegen.

Und wer weder CDNs noch die Telekom-Spezialdienste braucht oder sich leisten kann, der hat eben wie bisher die “normale” Internet-Anbindung zu einem bestimmten Preis, der sich ja auch jetzt schon nach gewissen Kapazitäts- und Verfügbarkeitskriterien bemisst. Und die halt “normal” funktioniert, mit der gleichen Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit wie bisher. Dass die Telekom diesen “normalen” Zugang demnächst dann für Nicht-Premium-Kunden verschlechtern wird, offen oder gar als versteckte Drohung, das ist doch eine ziemlich gewagte Spekulation. Im Zweifelsfall würde das gegen die gerade beschlossene “grundsätzliche” Netzneutralität verstoßen oder ganz einfach imagemäßig (siehe “Drosselkom-Affäre”…) und wirtschaftlich nach hinten losgehen: Ein bisschen Konkurrenz gibt es ja auch noch am Markt. Und notfalls sind da noch die Wettbewerbs- und Verbraucherschützer der EU, die einem wirklich mafiös-monopolistisch agierenden Provider dann schon auf die Finger klopfen werden.

Übrigens – genauso wenig, wie die Spezialdienst-Ausnahmen nun alle europäischen Start-Ups zwangsläufig in die Provider-Knechtschaft und ins wirtschaftliche Verderben führen werden, genauso wenig hat die in den USA beschlossene strikte Netzneutralität die dortigen Provider an den Bettelstab gebracht oder wie angedroht zu einem Investitionsstopp gezwungen 🙂 …

DRadio Wissen: Locker bleiben

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 30.10.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

US-Senat winkt umstrittenes CISA-Gesetz durch

Für die Befürworter ist der “Cybersecurity Information Sharing Act” (CISA) ein notwendiges und im Hinblick auf die Rechte von US-Bürgern auch völlig “harmloses” Projekt – ein Koordinierungs-Werkzeug, das Unternehmen bessere Abwehrchancen gegen Hackerangriffe aus dem Netz bieten soll. Für die Kritiker ist CISA ein Vehikel für eine totale digitale Überwachung, das im Schafspelz einer angeblichen Gefahrenabwehr daherkommt.

Denn im Gegensatz zur hierzulande kürzlich eingeführten Cyberangriff-Meldepflicht für “infrastrukturrelevante” Unternehmen versteht der CISA-Gesetzentwurf unter “Informationsaustausch” auch die Weiterleitung von größeren Datenmengen an die koordinierenden Behörden wie das DHS, das Department of Homeland Security, aber auch an FBI und die CIA. Das soll ausdrücklich “ungeachtet jeglicher anderer gesetzlicher Vorbehalte” möglich sein – ein so weit gefasster Blankoscheck hebelt aber sämtliche Datenschutzregelungen aus, monieren die Kritiker.

Und wie um deren Argwohn noch bestätigen zu wollen: Der Senat lehnte die Änderungsvorschläge ab, die das Gesetz in dieser Hinsicht präzisiert oder entschärft hätten.

Alles übrigens keine inneramerikanische Diskussion: Selbstverständlich wären auch nicht-US-Kunden von einer Datenweitergabe nach CISA betroffen, wenn das Gesetz letztendlich in Kraft tritt. Möglicherweise tut sich da nach “Safe Habor” schon die nächste Datenschutz-Baustelle zwischen der EU und den USA auf.

DRadio Wissen · Cisa: Mehr Daten für US-Geheimdienste

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 28.10.2015 (Moderation: Till Haase)