Archiv für den Monat: Februar 2016

Nachtrag zu: “Ist Michael Gessat als Journalist noch haltbar?”

Inzwischen hatte ich einen Mailwechsel mit Dr. Sebastian Lüning, der sich als Autor des Artikels bei kaltesonne.de herausgestellt hat. Wir sind nach wie vor nicht einer Meinung, ob aus meinem DLF-Beitrag oder der (wie gesagt von mir gar nicht zu verantwortenden…) Anmoderation in der Sendung “Forschung aktuell” vom 27. Januar die auf kaltesonne.de behaupteten Dinge wie “Ehrverletzung”, “Rufmord”, “perfide Strategie” oder “Mobbing” sachlicher- oder redlicherweise ableitbar sind. Ich halte diese Idee weiterhin, übrigens auch was die Rolle des Moderators oder des Senders angeht, für einigermaßen absurd.

Immerhin hat Herr Dr. Lüning jetzt meinen Namen aus dem Artikel und der Überschrift entfernt (die URL ist allerdings unverändert und stellt nach wie vor die Gretchenfrage ins Netz 🙂 … – Nachklapp: die URL ist jetzt auch geändert 🙂 🙂 ); auch die von mir kritisierte (und schlichtweg eine unrichtige Tatsachenbehauptung darstellende…) Passage mit der angeblich im Vergleich zur Audiofassung entschärften Schriftversion ist entfallen. Durch die Kürzung wird der Artikel allerdings nicht unbedingt nachvollziehbarer – jetzt steht ein Satz wie

In der Audio-Radioversion langt der DLF-Autor kräftig hin.

ein wenig verloren im ewigen Hyper-Raum; ein interessierter Nach-Hörer wird da vergeblich rätseln, wo die versprochene Deftigkeit eigentlich zu finden ist … 🙂

Ich nehme die Änderung trotzdem einmal als Zeichen des guten Willens von Herrn Dr. Lüning. Um das auch noch einmal umgekehrt klarzustellen: Herr Prof. Vahrenholt und Herr Dr. Lüning vertreten offensichtlich eine Minderheitenposition in der Klimadiskussion. Als Journalist würde ich die Tatsache, dass ihre Thesen von den führenden Vertretern der wissenschaftlichen Forschung nicht geteilt bzw. für falsch gehalten werden, als “warnendes” Indiz auffassen. Ich würde aber andererseits nicht auf die Idee kommen, sachlich begründete Argumente oder Thesen oder Minderheitenpositionen von vornherein als absurd oder “verschwörungstheoretischen” Unsinn abzutun.

Wohlgemerkt: Sachliche Argumente. Wer polemisiert, sägt sich selbst den Ast des Ernstgenommenwerdens ab und muss sein Dasein in den vordergründig populären, aber letztlich unfruchtbaren Niederungen und Nischen des Internet-Anti-Mainstreams fristen 🙂 …

Ich habe das auch Herrn Dr. Lüning geschrieben: Es ist unwahrscheinlich, dass ich selbst in die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten in der Klimadiskussion oder vielmehr in die Berichterstattung über sie einsteigen werde, so interessant die Sache auch ist. Und zwar schlicht, weil hier eine gewaltige Einarbeitung und Recherche notwendig wäre – und weil dem Zeitaufwand dafür eine entsprechende finanzielle Kompensation entgegenstehen müsste – ich verfüge ja weder über eine Festanstellung noch über einen Vorstandsposten…

Ich stehe aber natürlich als selbstständiger freier Mitarbeiter gerne für neue Aufgaben und thematische Herausforderungen zur Verfügung. Für einen ersten, aber schon ganz ordentlich fundierten Faktencheck einer Minderheitenposition in einer wissenschaftlichen Frage würde ich erst einmal eine Woche Arbeitszeit veranschlagen, also 5 (oder besser 7…) Tage a 390,- zzgl. Umsatzsteuer.  Selbstverständlich ohne Voreingenommenheit und mit der Gelegenheit zur Diskussion und Modifikation der Befunde. 🙂

Klima-Realisten besorgt: Ist Michael Gessat als Journalist noch haltbar?

(einmal ausnahmsweise der Nachklapp zu Beginn: Inzwischen hat kaltesonne.de den zur Diskussion stehenden Artikel “entschärft” …)

Ist Michael Gessat als Journalist noch haltbar? Das ist nun endlich einmal eine wirklich bedeutende Frage (nicht zuletzt aus pekuniären Gründen wohl am allermeisten für mich selbst…), die da heute auf der (mir bislang unbekannten…) Seite kaltesonne.de aufgeworfen wird.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und/oder Dr. Sebastian Lüning (die Herren zeichnen jedenfalls laut Impressum verantwortlich, wenn auch ohne eigene Anschrift und Kontaktdaten; die angegebene Verlagsadresse dürfte kaum hinreichend sein… 😉 ) hegen hier offenbar erhebliche Zweifel, denn sie prangern rund um meinen Beitrag „Mathematisches Risikomodell – Zu viele Mitwisser verderben die Verschwörung“ vom 27. Januar ein „Ehrverletzendes Klimaskeptiker-Mobbing im Deutschlandfunk“ an.

Zum Glück bin ich im skizzierten Szenario nicht der einzige Bösewicht, denn auch der Sender steckt nach Ansicht der Artikelverfasser bis zu den Ellenbogen (die der Onlineredakteure nämlich oder vielleicht noch höherer Chargen…) mit drin in einer „Rufmord-Kampagne“:

Hochinteressant: Die Schriftversion des Beitrags wurde offenbar kräftig entschärft. Hier tauchen die Klimaskeptiker nur unter ferner liefen auf. In der Audio-Radioversion hingegen langt Autor Michael Gessat kräftig hin. Die bösartige Verknüpfung von Anti-Mondlandungs-Fantasten und Klima-Realisten beginnt bereits bei der Anmoderation der Gesamtsendung, wird abermals ab 5:48 Laufzeit vertieft und schliesslich noch ein drittes Mal gegen Ende des Beitrags. Somit ist die vom DLF gesendete akustische Propaganda gegen Klima-Realisten weitaus schärfer, als nur die schriftliche Fassung des Beitrags.

Eine wirklich „hochinteressante“ These von Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und/oder Dr. Sebastian Lüning – die aber bedauerlicherweise komplett zusammenphantasiert ist. Die Schriftversion meines Beitrages ist in diesem Fall absolut identisch mit der „Audio-Radioversion“ – mein Beitrag ist nämlich das, was ich ja auch im Sendungsmitschnitt bzw. Einzel-Audiofile mit meiner Stimme von mir gebe. Das andere nennt sich „Moderation“ und wird vom Moderator der Sendung geschrieben, gesprochen (mit einer anderen Stimme, in diesem Falle die von meinem geschätzten Kollegen Ralf Krauter 🙂 ) und auch redaktionell verantwortet.
Auf der DLF-Website schriftlich dokumentiert wird hingegen nur der reine Beitragstext (manchmal sogar eher umgekehrt in einer längeren Version, wenn nämlich der Audiobeitrag für die Sendung aus Längengründen gekürzt werden musste…) – und das ist selbstverständlich nicht nur bei diesem Beitrag, sondern durchweg der Fall; an sich sehr leicht feststellbar. Und um ganz genau zu sein: Die Überschrift und der „Teaser“ des Onlineartikels werden von der Online-Redaktion verfasst und verantwortet, auch wenn hier meist Elemente der Beitragsmoderation verwendet werden. Aber mal ein Zwischen-Fazit hier: Da wurde überhaupt nichts entschärft, und ich habe auch im Audio nicht „hingegen“ kräftig (oder kräftiger…) hingelangt.

Was mich ja bei gewissen Radio-Hörern, und darunter sogar studierten Herren, immer wieder von neuem erstaunt: Dass sie offenbar einen Bericht über ein Thema nicht von einer Meinungsäußerung zu einem Thema unterscheiden können. Dass sie also wie selbstverständlich annehmen, ich als Journalist würde mir jeweils das Anliegen oder die Theorie oder die wissenschaftliche Forschung eines Studienautors zu eigen machen. Das ist aber natürlich nicht der Fall. Selbstverständlich hat ein Radiobeitrag über ein bestimmtes Thema möglicherweise einen gewissen „werbenden“ Effekt in dem Sinne, als er dem Thema oder seinem Protagonisten ein Sprachrohr verschafft. Und deswegen ist bei einem seriösen Sender wie dem DLF insofern ein journalistischer Filter vorgeschaltet, als völlig absurder Quatsch eher nicht so zur Sprache kommt 🙂 . Und bei kontroversen Themen, gerade auch im Wissenschaftsbereich, wird im Zweifelsfall eine Zweitmeinung oder Gegenstimme im Beitrag erscheinen.

Auch beim zur Diskussion stehenden Beitrag habe ich also wieder mal keine eigene Agenda verfolgt, schon gar keine breit orchestrierte „Klimaskeptiker-Mobbing“-Agenda. Klimaforschung und die Diskussionen rund um die Klimaerwärmung sind überhaupt nicht mein Thema – da gibt es andere fachkundige Kollegen & Kolleginnen 🙂 . Thema des Beitrages war ein mathematisches Modell zur Haltbarkeit von Verschwörungen, und im PLOS-One-Paper und im Interview hat der Studienautor David Robert Grimes nun einmal die „Klimawandellüge“ als ein Beispiel einer wissenschaftsskeptischen Verschwörungstheorie beleuchtet. (Einmal in meiner Definition aus meinem Beitrag bei DRadio Wissen: Die Klimawandel-Lüge ist ja die sehr beliebte Verschwörungstheorie, der zufolge der Klimawandel nicht existiert, sondern von Wissenschaftlern nur vorgetäuscht wird. Und zwar schlicht und ergreifend, um sich damit ihre Forschungsgelder und ihre Einkommen zu sichern.)

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und Dr. Sebastian Lüning bezeichnen sich selbst als „Klima-Realisten“ (aber fühlen sich offenbar auch als “Klimaskeptiker” zutreffend bezeichnet bzw. ehrverletzt…). Ich muss gestehen, dass mir dieser Begriff bislang nicht geläufig war; wie gesagt gehört die ganze Sache nicht zu meinen Themengebieten. Und nun führen die Herren aus:

Das Perfide an der ehrverletzenden DLF-Vorgehensweise ist, dass es kaum ernstzunehmende Klimarealisten gibt (es gibt also möglicherweise auch nicht ernstzunehmende, Anmerkung von mir 🙂 ), die am Klimawandel selbst zweifeln oder auf die absurde Idee kämen, dass der momentane Klima-Hype eine Verschwörung wäre.

Dann ist doch alles bestens, jedenfalls in Bezug auf die „Klima-Realisten“. Denn in der Studie, im Beitrag und in der Moderation war doch von jenen Leuten die Rede, die an die Klimawandel-Lüge als eine Verschwörung glauben. Und die gibt es zweifellos. Wie sich jetzt die Herren Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und Dr. Sebastian Lüning, offenbar stellvertretend für die gesamte „Klima-Realisten“- und Klima-Skeptiker-Community, „ehrverletzend“ angegriffen und „gemobbt“ und gerufmordet fühlen können, ohne überhaupt erwähnt worden zu sein, das ist mir ein Rätsel. Vielleicht melden sich nächstens auch noch irgendwelche Kritiker der bemannten Raumfahrt als “Mondlandelüge-gemobbt und ehrverletzt” bei mir?

Um hier zum Schluss mal eine kleine Analogie anzubringen: Wenn ein Hund erst verzweifelt nach einem Stöckchen sucht, über das er anschließend unbeholfen hinüberhopsen kann,  um endlich eine angeblich verstauchte Pfote reklamieren zu können – dann handelt es sich insgesamt eher nicht um einen Fall von schwerer Tierquälerei.

Aus meiner Sicht bleibt die Frage nach der Haltbarkeit von Michael Gessat als Journalist also derzeit weiter unbeantwortet, jedenfalls was die Ausführungen auf kaltesonne.de betrifft.

Wenn ich mich umgekehrt frage, wie zwei gelehrte Herren denn quasi aus der hohlen Hand so eine Geschichte zusammenschustern können, die wenn überhaupt in meine Richtung ehrverletzend oder mobbend ist – dann fällt mir spontan eine Erklärung ein: Könnte da am Ende ein verschwörungstheoretisches Weltbild dahinterstecken, wo man sich halt passend macht, was eigentlich nicht passend ist? Ist jetzt nur so eine Idee, weil ich da mal kürzlich was drüber geschrieben habe.

Es gibt sehr wohl Verschwörungen – nur keine großen, die ewig halten

Über die Verschwörungs-Haltbarkeitsformel von David Robert Grimes hatte ich ja schon letztens beim DLF berichtet

Irgendwie scheint vielen sehr ernsthaften Kritikern der in PLOS One veröffentlichten Studie entgangen zu sein, dass zuweilen auch in seriösen Wissenschaftspublikationen mit Peer Review-Verfahren Artikel erscheinen, die nicht völlig bierernst gemeint sind. Die Gefahr ist besonders hoch, wenn es sich um englische Autoren handelt – ich rate zum Beispiel bei Veröffentlichungen des British Medical Journal rund um die Weihnachtszeit zu erheblicher Ironiedetektor-Funktionsprüfung. 🙂 Also mal O-Ton David Robert Grimes auf meine allererste Frage an ihn, in wieweit seine Studie und seine Formel nämlich humoristisch zu verstehen sind:

Part of this is fun. As I scientist I find a question interesting and I start playing with the question and sometimes fun comes out – but there is a more serious nature as you point out correctly: In my other job I am science journalist and write for the Guardian and the Irish Times and BBC, and we need turn out right important science topics like vaccination or climate change – you often encounter a committed very developed group who believe science can’t be trusted because it’s all a big conspiracy. And sometimes that’s funny. I mean if you dealing with someone who doesn’t believe the moon landings are real that’s funny. But if you are dealing with someone who believes that vaccination is a conspiracy by the government or scientists – that’s really dangerous.

Auf die methodische Schwäche mit den fehlenden Werten aus nicht aufgeflogenen Verschwörungen hat Grimes ja im Paper schon selbst hingewiesen (S. 12: “There is also an open question of whether using exposed conspiracies to estimate parameters might itself introduce bias and produce overly high estimates of p…), nur ist eben an das geheime Datenmaterial leider so schwer dranzukommen:

That would be fantastic. It would be fantastic. It was very hard to get the parameters. So the one problem with the paper is the lot of parameters I had to estimate as best I could from the literature. Because obviously by definition there is conspiracies we don’t know about.

Der britische Krebsforscher und Wissenschaftsjournalist hat dann seinen augenzwinkernd gemeinten Ansatz mit einem “seriösen” Instrumentarium durchexerziert. Wenn ihm dabei Fehler unterlaufen sind, ärgert er sich bestimmt am meisten – aber das Ganze ist natürlich eine methodologische Etüde, die mit zwei Nachkommastellen angegebenen “exakten” Werte sind natürlich letztlich ein Gag; und die “großzügige” Verwendung irgendwelcher pi-mal-Daumen-Parameter gehört zum Konzept. Zugegebenermaßen – mit einer wasserdichten Statistik wäre die Sache noch schöner.

Und um das angesichts verschiedener “enthusiastischer Reaktionen” von Verschwörungsgläubigen und Artikel-Nichtlesern 🙂 in der Zwischenzeit (und auch in den Kommentarspalten anderer Medien…) noch einmal zu betonen – Grimes hat nie behauptet, dass es keine Verschwörungen gäbe. So kleinere professionelle (z.B. das täglich Brot der Geheimdienste…) haben sogar bei einem kleinen Mitwisserkreis nach seiner Formel eine ziemlich gute Haltbarkeitschance. (Aber natürlich keine Haltbarkeitsgarantie… 🙂 )

Und selbst im Wissenschaftsbereich können Mini-Verschwörungen unentdeckt bleiben – z.B. gefälschte Forschungsarbeiten. Grimes ist (wie ich…) absolut der Meinung, dass in diesem Sektor viel zuwenig Arbeiten und Experimente nachgeprüft und wiederholt werden – Forscher sehen sich einem ständigen Publikationsdruck ausgesetzt, und das bringt halt jede Menge Leute auf dumme Gedanken.

I still think if you make a big enough plan like the climate change or vaccination very quickly other people will find out that the results don’t work. But on a smaller scale it could absolutely happen.

Aber wer an universelle und omnipräsente Verschwörungen glaubt, der sieht die Welt wohl komplizierter (oder eher noch: einfacher), als sie ist. Immerhin tut es den “Gläubigen” ja gut, im Gegensatz zu ahnungslosen, naiven Mitmenschen um die schlimme Sache zu wissen. Zu den völlig ahnungslosen und unbelehrbaren Naiven gehören natürlich auch wir Schreiberlinge. Kleiner Scherz. Wir sind natürlich eingeweiht. 😉

Verschwörungen: Mehr Mitwisser, weniger geheim · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Grünstreifen vom 12.02.2016 (Moderation: Sebastian Sonntag)

 

Nachklapp 14.02.2016: David Robert Grimes hat als Reaktion auf die geäußerte Kritik eine Korrektur seiner Formel und der veröffentlichten Grafiken verfasst – diese wird in Kürze auf der PLOS One-Website erscheinen.

Nachklapp 1.3.2016: Die Korrektur ist jetzt online.

Auf GitHub schreiben Frauen den besseren Programmcode

Es gibt ja plausible Erklärungen, warum Frauen in manchen Berufen unterrepräsentiert sind – z.B. wenn die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Es gibt auch plausible Erklärungen, warum Frauen in manchen Branchen durchschnittlich weniger verdienen als Männer. Zum Beispiel ist da die These, sie würden sich insgesamt weniger für Führungspositionen interessieren, weil ihnen weder exzessive Überstunden noch die latent aggressiven Statusspielchen besonders attraktiv vorkommen.

Auf der rein fachlichen Ebene, etwa bei einem Spezialisten-Job wie dem Programmieren ist beides kein Argument – trotzdem gibt es den Gehaltsunterschied auch in der Softwarebranche. Und das dürfte kaum daran liegen, dass Frauen schlechteren Code schreiben. Im Gegenteil, sagt eine Studie von Informatikern der California Polytechnic State University und der North Carolina State University. Auf der Open-Source-Plattform GitHub finden nämlich „Pull requests“, also zur Beurteilung eingereichte Code-Verbesserungsvorschläge von Frauen mehr Resonanz als die von Männern – sie haben offenbar im Durchschnitt eine etwas höhere Qualität. Wobei anzumerken ist: Die allermeisten GitHub-Zulieferer sind mit einem neutralen Nickname unterwegs, das Geschlecht ist normalerweise nicht erkennbar.

Was ist also die Ursache für die leicht bessere Performance? Möglicherweise sind Programmiererinnen einen Tick selbstkritischer als ihre Kollegen und reichen nur etwas ein, was sie zuvor sehr gründlich durchdacht und getestet haben. Oder, so mutmaßen die Studienautoren, werfen durchschnittlich begabte Frauen in der Branche eh irgendwann das Handtuch – und nur die fachlichen Überflieger bleiben dabei; „survivorship bias“ heißt dieser Effekt.

Auch auf GitHub gibt es offenbar Vorurteile und Diskriminierung: Code von als Frauen erkennbaren Neueinsteigern findet weniger Akzeptanz als der von männlichen Unbekannten. Aber wenn eine Frau in einem Software-Projekt erst einmal als Mitakteurin bekannt ist, dann wird ihr Code auch vorurteilsfrei mit einbezogen – ein sehr ermutigendes Signal an alle Frauen, sich nicht von der (zahlenmäßigen!) Männerdominanz in der Informatik einschüchtern zu lassen.

Das Können weiblicher Programmierer · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 12.02.2016 (Moderation: Till Haase)

G+J sieht Adblocker-Sperre als Erfolg, Wired.com blockt auch zurück

Das Netz in seiner ganzen Pracht und Schönheit; Webseiten, bei denen eben auch oben, links und rechts irgendwas großes Buntes prangt und blinkt; Fenster, die den Text verdecken und beim Scrollen mitwandern und den Text weiter verdecken und bei denen man den winzigen Knopf zum Wegklicken erst eine halbe Stunde lang suchen muss – dass alles sehe ich eigentlich nur, wenn ich bei der Arbeit im Sender sitze.

Weil ich zuhause natürlich nur mit AdBlocker und NoScript-Plugin unterwegs bin. Im Sender läuft auf den Rechnern paradoxerweise der Browser “pur” – obwohl doch eigentlich kein Mitarbeiter auf irgendeine Werbung klicken dürfte. Und eigentlich auch nicht draufschauen, denn das vergeudet ja Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung für außerdienstliche Belange, da die Anzeigen zu 99% private Konsumenten ansprechen.

Dass das kommerzielle Netz auf dem Deal “Pseudo-Gratis-Zugang gegen Werbung bzw. Datenauswertung” beruht, ist nun einmal etwas, womit alle Seiten leben müssen und ja ganz offenbar auch leben wollen – aber der Deal ist halt ein extrem heikler Balanceakt. Mit dazu gehört auch der Umgang mit den Deal-Verweigerern. Wenn eine Seite wie Geo.de Adblock-Nutzer aussperrt, als Alternative aber einen explizit bezahlten Zugang anbietet, dann ist das völlig in Ordnung. Und anscheinend auch eine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung.

Wenn eine Seite wie Wired.com das jetzt auch so handhaben will, dann ist das ebenso in Ordnung, aber angesichts der technikaffinen Zielgruppe wesentlich riskanter. Kein Wunder, dass hier der alternative Wochen-Nutzungspass billiger ist als bei Geo.de – die durchschnittlichen Wired-User werden ihren Adblocker aus guten Gründen eben nicht so bereitwillig abschalten wie die Nutzer auf G&J-Seiten. Alles eine Preis- und Balancefrage.

Ich selbst bin natürlich bereit, für bestimmte Angebote zu zahlen, habe Zeitungen abonniert und teilweise deren digitale Ableger. Dafür gibt es ein bestimmtes Budget, sowohl monetär als auch von meiner Zeit und meinem Interesse her. Und dieses Budget kann nur umgeschichtet werden, aber nicht beliebig ausgeweitet. Wer als Anbieter dieses Budget ausloten und möglicherweise davon profitieren will, darf das gerne tun. Mit Appellen, Spendenaufrufen, Flattr- oder Blendle-Buttons. Von mir aus auch mit Adblock-Blockern.

Und dann gibt es da natürlich noch einen Player in dem heiklen Balance-Gefüge: Die Anbieter von AdBlockern. Dass ein offenbar sehr beliebtes Produkt, AdBlockPlus von der Kölner Firma Eyeo, eben auch wieder nicht zu einem bestimmten Preis verkauft, sondern auch pseudo-gratis und umwegfinanziert wird, ist ebenso skurril wie folgerichtig. Die Geschäftsidee von Eyeo, dass sich Firmen gegen Bezahlung auf eine Whitelist setzen lassen und dann mit ihren Anzeigen wieder zum Kunden durchdringen können, ist grenzwertig – aber laut einer Reihe von Gerichtsurteilen nicht illegal.

Angeblich hat Eyeo jetzt mit Big Playern der Werbebranche irgend einen Deal von epochalem Ausmaß ausgehandelt. Da bin ich sehr gespannt. Aber für den Software-Anbieter gilt das Kosten-Nutzen-Szenario und Geschäftsrisiko genauso wie für die Content-Anbieter. Wenn die Whitelist sich nicht mehr abschalten lässt, der Blocker also nicht mehr blockt, dann wechseln die User zu einem Konkurrenzprodukt. Oder meinetwegen auch zu einer Bezahlversion. Kann man alles gerne mal ausloten.

G+J zwingt User Adblocker abzuschalten · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 10.02.2016 (Moderation: Till Haase)

Kein Geld von Google für das Entschlüsseln von Captchas

Was wäre eigentlich die faire Bezahlung für das Lösen von Captchas? Zumindest was “der Markt” dafür zu zahlen bereit ist, kann man ziemlich genau feststellen: Bei Crowdworking-Plattformen wie Amazons Mechanical Turk oder anderen Betreibern wird ja genau diese Arbeit regelmäßig als Job ausgeschrieben; meist übrigens zu zweifelhaften Zwecken.

Reich werden kann man damit nicht, aber Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist. Und wenn eine Riesencrowd im Netz Tag für Tag die Arbeit kostenlos erledigt, dann kommt in der Summe schon wieder ein nennenswerter Betrag heraus. Und um den betrügt Google die User, die reCaptchas lösen, argumentiert eine Klägerin in den USA. Denn der milliardenschwere Konzern profitiert letztlich natürlich davon, dass seine Dienste Google Books und Google Maps mithilfe der menschlichen Captcha-Erkennungshilfe immer zuverlässiger werden.

Kein Betrug, sondern ein faires Kompensationsgeschäft für die  kostenlose Nutzung der entsprechenden Dienste, wies eine kalifornische Richterin die Klage zurück. Wobei die Klageseite ja noch einmal nachhaken könnte – selbstverständlich sind die Angebote von Google, Facebook und Konsorten nicht wirklich gratis, sondern werden mit den Nutzerdaten bzw. deren Werbevermarktung bezahlt.

Hier allerdings zu sagen, was denn der faire Preis für das “Gesamtpaket” sein könnte, ist schon weit schwieriger. Paradoxerweise würden viele Menschen “eigentlich” für einen zuverlässigen, datenschutzkonformen Dienst ohne Belästigung durch Anzeigen einen vielfach höheren Betrag zahlen, als die Betreiber momentan bei der Werbefinanzierung kalkulieren. “Eigentlich” – aber nicht in der Realität.

Kein Geld für das Entschlüsseln von Captchas · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 09.02.2016 (Moderation: Till Haase)

Twitter will an der Timeline schrauben – oder doch nicht?

Niemand hat vor, eine Timeline umzustellen.

(Jedenfalls nicht diese Woche.)

Das Dementi von Twitter-Chef Jack Dorsey hatte diese berühmte, ziemlich verdächtige Duftnote; oder wurde jedenfalls von vielen Beobachtern als reichlich interpretationsfähig verstanden. Denn das von Buzzfeed kolportierte Gerücht, Twitter wolle schon ab dieser Woche die Timeline von einer chronologischen auf eine “algorithmische” Sortierung umstellen, war ja sehr plausibel. Zum einen experimentiert Twitter bei einer Reihe von Testpersonen mit dem Feature, zum anderen kann Twitter mit seiner wirtschaftlichen Perfomance nicht zufrieden sein. Im Gegensatz zu Facebook.

Ob daraus aber schon als Erfolgsrezept abzuleiten ist, man müsse das Konzept des Rivalen am besten einfach nachahmen, ist höchst fraglich. Twitter ist nicht Facebook, und Twitter-Kunden (oder zumindest sehr viele von ihnen…) sind ganz bewusst auf einer anderen inhaltlichen Schiene unterwegs. Zu der die Live-Anzeige und halt die chronologische Timeline gehört, um live über Ereignisse berichten oder crowd-chatten zu können. Pech für Twitter, dass sich solche kurzen und prosaischen Tweets schlechter monetarisieren lassen als ein ausführlicher Beneidet-mich-jetzt-Bericht bei Facebook über die letzte Shoppingtour in den Luxus-Läden der glitzernden Metropole…

Kein Zweifel aber auch, dass das neue Konzept für gelegentliche, nicht ständig eingeloggte Nutzer gar nicht so übel ist. Fazit also: Die nicht-chronologische Timeline muss unbedingt optional sein und darf nicht als Zwangsbeglückung daherkommen. Wie sehr Twitter da auf dem Grat wandert, haben die Userreaktionen am Wochenende gezeigt. Und übrigens auch die US-Börsen am Montag.

DRadio Wissen · Twitter: Gerüchte um Timeline Aenderungen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 08.02.2016 (Moderation: Till Haase)

 

Nachklapp 10.02.2016: Twitter will doch schrauben. Das neue Feature wird “in den kommenden Wochen” freigeschaltet. Klar. Diese Woche geht das ja jetzt nicht mehr so gut. 🙂

Frauen lassen Männer den ersten Schritt machen – auch beim Online-Dating

Hier bei uns in Köln ist gerade der Straßenkarneval ausgebrochen. Und wenn man sich da nicht ausgesprochen blöd anstellt oder sich allzu früh oder allzu nachhaltig dem ortsüblichen obergärigen Gerstentrunk hingibt, dann stehen die Chancen auf einen kleinen Flirt oder auf mehr so gut wie in keiner anderen Jahreszeit. Trotzdem wäre es wissenschaftlich gesehen spannend, einmal genau zu ermitteln, ob wenigstens im Karneval die Kontaktanbahnung vollkommen emanzipiert abläuft.

Eine aktuelle (oder zumindest eine kürzlich publizierte 🙂  ) Studie nämlich behauptet: Frauen überlassen Männern immer noch gern den ersten Schritt. Und zwar nicht nur im analogen Nahgefecht, sondern sogar beim Onlinedating. Und deswegen senden Frauen auch auf einer Flirt-Plattform lieber erst mal nur ein “schwaches Signal”, in Form eines Profilbesuchs nämlich, anstatt direkt eine explizite Kontaktanfrage zu schicken. Und die Männer? Die agieren bekanntlichermaßen nach dem Schrotflinten- oder Gießkannenprinzip; es sind halt durchschnittlich schlichtere Gemüter mit einer durchschnittlich etwas fokussierteren Stoßrichtung. Deswegen kann man sie ja auch so herrlich mit Fakeprofilen und Chatbots abzocken.

DRadio Wissen · Online-Dating: Männer machen den ersten Schritt

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 05.02.2016 (Moderation: Marlis Schaum)

UN-Arbeitsgruppe sieht Julian Assange “unrechtmäßig festgehalten”

Der Fall Julian Assange liefert dankbaren Stoff für juristische Seminare und Fachdiskussionen – jetzt kommt auch noch eine Stellungnahme der “UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftungen” hinzu. Der Wikileaks-Mitgründer hatte bei dem Gremium Beschwerde eingelegt – aus seiner Sicht jetzt erfolgreich. Assange sei in der Botschaft Ecuadors in London “de facto” unrechtmäßig inhaftiert und habe Anspruch auf Freilassung und Haftentschädigung, so die UN-Experten – deren Votum ist allerdings nicht bindend. Ein widerstreitendes Rechtsgut ist nämlich auch der EU-Haftbefehl, den Schweden erwirkt hat. Andererseits sind die Befürchtungen Assanges, sich dort nicht nur einem Prozess wegen Vergewaltigungsvorwürfen stellen zu müssen, sondern anschließend in die USA ausgeliefert zu werden (wo ihm für seine Wikileaks-Aktivitäten im Extremfall die Todesstrafe droht…) nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Ein Votum eines UN-Gremiums, das von UN-Mitgliedsländern nicht befolgt wird, kann wiederum nicht gerade als “Auszeichnung des UN-Menschenrechtssystems” angesehen werden, meint Christoph Safferling, Professor für internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Der Fall bleibt spannend, im Laufe des Tages stehen Erklärungen (und ggf. Aktionen) Assanges bzw. der englischen Regierung an.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 05.02.2016 (Moderation: Marlis Schaum)

Nachklapp: Inzwischen hat Assange sich in einer Pressekonferenz geäußert – er fühlt sich bestätigt oder gar “rehabilitiert” ; verwechselt aber wohl (absichtlich?) das Votum mit einem Urteil und die nun erforderliche Stellungnahme der englischen und schwedischen Behörden mit einem angeblich erforderlichen Einspruch. Die Botschaft verlässt Assange wohlweislich einstweilen nicht. Der britische Außenminister Philip Hammond hatte zuvor mit der Einschätzung geglänzt, das Votum der UN-Experten sei “lächerlich”. Eine Formulierung, die offizielle Stellen in China, Saudi-Arabien oder Nordkorea sicherlich bei nächster Gelegenheit gerne wieder aufgreifen.

Project Natick: Microsoft will Datencenter im Meer versenken

Eine interessante Untersuchung steht ja immer noch aus – in welchem Maße eigentlich die Supercomputer- und Cloudberechnungen von Klimaforschern dazu beitragen, das Klima zu erwärmen. Aber ok; wahrscheinlich sind sogar die Milliarden Katzenbilder und Dummschwätz-Statusmeldungen der Social-Media-User in ihrer Masse doch noch schlimmer. Fest steht nämlich: Die ganzen Rechen- und Datencenter – und mit dem “Internet der Dinge” werden ja noch etliche dazu kommen – machen jede Menge warme Luft.

Logisch, dass Facebook, Microsoft, ECC und Amazon ihre Neubauten mit Vorliebe in kalten Gegenden wie Nordschweden oder Finnland postieren, das senkt die Kosten und verringert ökologisch gesehen wenigstens den zusätzlich negativen Effekt durch Kühlungsmaßnahmen – womöglich noch mit Kohlestrom und CO2-Produktion.

Auch bei der Kühlung durch Meerwasser, wie sie Microsoft jetzt ganz ernsthaft vorschlägt, löst sich die Wärmeenergie nicht in Wohlgefallen auf – aber zumindest falls die Stromversorgung der “versenkten Datencenter” tatsächlich mit Turbinen oder Gezeiten-Kraftanlagen hinzubekommen ist (woran ich ja noch gelinde Zweifel habe…), ginge die energetische Bilanz so gut wie möglich auf.

Hinzu kommen noch die übrigen Argumente von “Project Natick” – flexible und schnelle Bereitstellung und geringe Latenzen bei der Datenübertragung. Auch Schnüffler mit etwas exquisiterer technischer Ausstattung (U-Boote z.B.) werden sich mit dem Konzept anfreunden können: Warum ein Datencenter mühsam abhören, wenn man es auch komplett mitnehmen kann 🙂 ?

Project Natick: Server unter Wasser · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 01.02.2016 (Moderation: Till Haase)