Eine App für das mentale Wohlbefinden, um Stress oder Depressionen zu lindern? Das klingt erst einmal nach dem berühmten Bock als Gärtner, weil der ständige Tunnelblick auf Monitor oder Smartphone-Display viele Leute ja sehr effektiv vom eigentlichen Leben oder einer guten alten Mensch-zu-Mensch-Kommunikation abhält 🙂 …
Aber Koko will ein Hilfsmittel zur (problembezogenen…) menschlichen Kommunikation sein; für eine „crowdbasierte kognitive Verhaltenstherapie“ . Die Idee, wohlmeinende Zeitgenossen im Netz anderen gute Ratschläge geben zu lassen (und dabei auch wiederum selbst mental zu profitieren…) hatte der Psychologe Rob Morris am Media Lab des MIT entwickelt, an Versuchspersonen getestet und im Rahmen seiner Dissertation veröffentlicht.
Die App bringt den Hilfesuchenden dazu, sein Problem kurz und klar darzustellen und liefert den Ratgebenden Formulierungshilfen, wie sie im Sinne der Verhaltenstherapie zu einer neuen, positiveren Sicht der Dinge beitragen können. Wie bei Tinder können App-Anwender per Fingerwisch die (Problem-)Profile durchblättern und bei Interesse reagieren, wie bei Reddit kann man hilfreiche Lösungsvorschläge an die Spitze einer Liste „hochvoten“.
Das Ganze läuft anonym ab, auf Wunsch bzw. für manche Funktionen gibt man eine Emailadresse an (möglicherweise sollte das am besten ein quasi anonymer Instant-Account und nicht der am Arbeitsplatz sein 🙂 ) – und natürlich ist die von den Anbietern hoch und heilig versprochene Anonymität auch der Knackpunkt: Zwar wird ja in der Öffentlichkeit immer feierlich postuliert, dass mentale Probleme eine ganz normale Krankheit seien und man doch bitteschön professionelle Hilfe in Anspruch nehmen soll. Wenn dann allerdings bekannt wird, dass man eine Therapie macht oder gemacht hat, dann kann man sich eine eine private Krankenversicherung oder eine Verbeamtung abschminken…
Laut Auskunft des Mit-Gründers Fraser Kelton gibt es bei Koko langfristig durchaus eine Geschäftsidee: Eventuell könne man nämlich Organisationen mit hohen Mitgliederzahlen eine maßgescheiderte App verkaufen; Kelton nennt zum Beispiel Universitäten, die ihren Studenten ein Streß- oder Krisenbewältigungstool an die Hand geben wollen. Andererseits drängt sich natürlich auch der Gedanke an große Firmen auf – die ebenfalls aus verschiedensten Gründen am Innenleben ihrer Mitarbeiter interessiert sind.
Fazit: Eine plausible Idee, ein anscheinend seriöses Team dahinter – und trotzdem bleibt das Netz-Outing auch hier eine Sache mit Restrisiko.
DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 17.12.2015 (Moderation: Marlis Schaum)