Der letzte, eigentlich vorgesehene Satz in meinem Script für das Netzreporter-Gespräch heute morgen lautete: “Ich persönlich tippe darauf, dass wir da relativ schnell etwas von den Ermittlungsbehörden hören werden.” Und dann kam beim Reingehen ins Studio die Eilmeldung: “Polizei hat Verdächtigen festgenommen”; SPON (und nicht die Witwenschüttler von BILD 🙂 , s.u.) hatte, so der Blick auf den Monitor dann im Studio, schon ein paar Details: Ein 20jähriger Schüler aus Mittelhessen (ein “Mittelhesse” 🙂 also…) war es offenbar, der die Republik für einige Tage in Schnappatmung versetzt hatte.
So richtig prophetische Gaben waren für meine Prognose nicht erforderlich – mit der Durchsuchung bei Jan Schürlein war ja schon klar, dass die Polizei da ziemlich sehr nah am Täter dran war – ich hätte jetzt auch ganz ehrlich gesagt meine Hand nicht ins Feuer gelegt dafür, wie eng da der Zeuge mit dem Urheber der Aktion verbunden war 🙂 und lege auch jetzt in Bezug auf eine eventuelle Mitwisser- oder Mittäterschaft noch nicht meine Hand ins Feuer; das soll man ja bekanntlich auch nie tun – selbst meine Sportreporter-Kollegen halten sich an diese Regel, auch wenn es in der 93zigsten Minute 3-0 steht 🙂
Aber wie dem auch alles sei – dass die ganze Aktion eine totale Luftnummer, ein lächerlicher “Heranwachsenden”-Streich (gottlob bringt das ja Ermäßigungen beim Strafmaß…) war, das war doch von Anfang an klar. Als die ersten Meldungen reinkamen, war ich gerade im Skiurlaub – aber ich hab direkt nach den anfänglichen Informationen gedacht: Das ist keine “Hacking”-Affäre, sondern der ganz normale Alltag – da hat sich bestenfalls jemand annähernd zielgerichtet die Mühe gemacht, die ganz normale Schlampigkeit bei den Passwörtern von “Prominenten” mal auszunutzen.
Ich wiederum hab mir auch noch nicht mal die Mühe gemacht, die Daten-Konvolute runterzuladen. Was interessiert mich, ob ein YouTuber, von dem ich noch nie was gehört habe, sich entgegen seines im Netz postulierten Saubermann-Images für Scat- und Piss-Videos begeistert? Kleiner-Jungen-Kram. Was interessiert mich die private Kommunikation von Grünen-Chef Robert Habeck? Null. Gar nicht. Aber klar – da haben jetzt ein paar zigtausend Leute draufgeguckt – das ist definitiv unangenehm.
Wie der von Habeck angekündigte Rückzug aus den Social Media zu bewerten ist, da kann man noch lange drüber streiten – fest steht: Eine Pflicht, an dem ganzen Exhibitionismus- und Pseudo-Relevanz-Scheiß teilzunehmen, besteht nicht. Für Normalbürger jedenfalls; wie es bei Spitzenpolitikern aussieht, ist noch mal eine andere Frage. Fazit: Es war überhaupt nix los. Es gab keinen herbeigeschwafelten “Angriff auf die Demokratie”; es gab kein Versäumnis bei Ermittlungsbehörden oder beim BSI oder beim Innenminister. Klar, die Opposition ist natürlich verpflichtet, wohlfeil in die Pseudo-Schwachstelle reinzutröten – schon mal die eigenen Passwörter auf Nachhaltigkeit abgeklopft??
Klar, die Regierung ist verpflichtet, Pseudo-Gegenmaßnahmen einzuleiten – das Cyber-Abwehrzentrum Plus. Ich mach da bei etwaigem Personalbedarf gerne mit; eine anständige Bezahlung vorausgesetzt, eine gute Pension brauch ich auch noch. Alles Bullshit. Es gab nur den ganz normalen Alltag. Jeden Tag werden Accounts “gehackt”, ob das jetzt Lieschen Müller oder Robert Habeck ist. Aber eines können wir natürlich alle aus der ganzen Sache lernen – es ist ziemlich unangenehm, wenn einem das passiert; zielgerichtet wie im vorliegenden Fall oder einfach zufällig.
Die Plattformen machen dabei auch keine gute Figur – sie sind in dem Dilemma: Account kapern soll nicht so einfach klappen. Den Zugang zu einem Account (nach einem vergessenem oder geklautem Passwort…) wiederherstellen soll aber auch nicht so schwierig sein. Also – wie steht es denn um Ihr Passwort für Ihren Haupt-Mail-Account? Ein Wort, das in einem Wörterbuch steht? (Ich gestehe zu meiner Schande, ich hab so was mal bei einer Freundin von mir, deren Account ich eingerichtet habe, zugelassen. Der wurde dann auch im Dezember “gehackt”…) Ein Geburtsdatum, das sich aus Social-Media-Quellen erschließen lässt? Böse, ganz böse.
Überprüfen Sie das mal. Jetzt. Fügen Sie mal zu Ihrem “leicht zu merkenden” Schrott-Passwort (das Sie aber eh nicht jedesmal neu eingeben müssen, sondern in Ihren Mail-Programmen oder Ihren Geräten gespeichert haben…) ein paar Sonderzeichen hinzu – Sie brauchen das ja schließlich nur ein einziges Mal überall zu aktualisieren. Und können anschließend wieder besser schlafen.
Robert Habeck: Datenklau, Shitstorm, Twitter-Ausstieg
Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 08.01.2019 – Moderation: Diane Hielscher