Irrsinnig viel Kohle machen, in kürzester Zeit und ohne jegliche Anstrengung oder Aufwand – wer möchte das nicht? Kein Problem, da gibt es jetzt auch ein Vehikel für, eine regelrechte Gelddruckmaschine mit dem etwas sperrigen Namen „Non-fungible Tokens“, kurz NFT. Und damit werden Sie reich, blitzschnell. Vorausgesetzt, Sie sind jetzt schon berühmt und beliebt. Was ja in den Zeiten von Social Media schon eine Definitions- oder Skalierungsfrage ist; einigermaßen berühmt und beliebt reicht.
Künstlerin oder Künstler ist optimal, die Sparte ist relativ egal – Musik, Malerei oder Fotografie; das passt alles. Sportlerin oder Sportler passt auch gut, einfach irgendwie prominent sein geht aber auch. Es muss nur Leute geben, die etwas von Ihnen exklusiv besitzen wollen. Und wie das dann funktioniert mit dem easy Kohle machen, das lässt sich bei der Versteigerung eines digitalen Kunstwerks noch am leichtesten nachvollziehen:
DLF Nova – Hielscher oder Haase vom 03.03.2021 (Moderation: Thilo Jahn)
Der Zusammenhang zwischen Unikat oder limitierter Auflage und einem zugeschriebenen oder akzeptierten Wert ist bei Kunst geläufig oder sogar konstituiv – natürlich ist es jederzeit möglich, sich ein hochaufgelöstes Digitalisat der Mona Lisa runterzuladen und ggf. auch auszudrucken oder eventuell sogar als strukturiertes Gemälde-Remake in 3D zu rekonstruieren. Obwohl das eventuell eher oder weniger einen ähnlichen optischen Eindruck erzeugen wird – das Remake, die Kopie ist praktisch wertlos. Denn das Original hängt nun mal im Louvre.
Auch von Beeple’s alias Mike Winkelmanns Kunstwerk „Everydays: The First 5000 days“ können wir problemlos eine Abbildung herunterladen und uns die ausdrucken oder auch nicht – das „Original“; genauer gesagt das NFT, welches den Besitz des „Originals“ dokumentiert – das hat bei der Versteigerung beim renommierten Auktionshaus Christie’s glatte 69 Millionen Dollar erzielt.
Die erzielte Summe hat den Künstler selbst ein bisschen erschreckt – der Käufer soll ein „Krypto-Fondsmanager“ sein. Möglicherweise hat der eh ein bisschen zu viel leicht verdiente Kohle, oder auch seine Ether eben in alten, billigen Zeiten generiert/verdient. Für die Bitcoins, für die man am Anfang des Hypes eine Pizza bekam, bekommt man jetzt ein Einfamilienhaus. So weit, so schön und nachvollziehbar im Bereich „Kunst“ – wo eben auch nicht für alle Laien nachvollziehbar ist, warum ein Gemälde von Gerhard Richter Millionen-Beträge erzielt. Und ein Werk eines jungen Nachwuchs-Künstlers eben nicht unbedingt. 🙂
Was vielleicht für Laien noch mal wieder ein Stück schwerer nachvollziehbar ist – nicht nur für Kunst, sondern auch für die digitalen Pendents von schnöden Sport-Sammelbildchen können Unsummen über den Tresen gehen. Stichwort „NBA Top Shots“: Da kann der geneigte (mit 99%er Wahrscheinlichkeit männliche Kunde…) eine digitale Wundertüte mit sogenannten „Moments“ erwerben. Das sind kurze, speziell konfektionierte Videoclips. An sich völlig wertlos, weil ja die Videos der Basketball-Partien eh frei oder „raubkopiert“ im Netz stehen. Aber ein „digitales Echtheitszertifikat“ für die speziell konfektionierten Clips, ein NFT, macht die wertlosen Clips plötzlich wertvoll. Wenn man dran glaubt.
Genau wie bei analogen Sammelbildchen: Die sind natürlich „an sich“ wertlos, von den Druck- und Marketingkosten einmal abgesehen – aber wenn es den Herausgebern gelingt, die vollkommen willkürliche „künstliche Verknappung“ bei der Kundschaft zu etablieren, dann ist das eine wunderbare Gelddruck-Maschine. Ein Panini-Bild von Beckenbauer war eben mehr wert als eines vom Verteidiger vom FC Castrop-Rauxel, weil die Auflage – ganz frei aus Daffke – geringer war.
So ist das auch bei den „Yu-Gi-Oh!“-Karten, wo ja auch eine Werthaltigkeit der künstlich verknappten seltenen Karten einfach behauptet/erzeugt wird – aus meiner Sicht eine völlige Perversion und eine abartige Indoktrinierung von Minderjährigen in ein „marktwirtschaftliches“ Schema, hinter dem eben nur völlige Willkür und (irrationalerweise akzeptierte…) Selbstdefinition steckt. Genauso, wie die Gesellschaft merkwürdigerweise mitmacht, dass Typen in der Finanzbranche völlig überdimensionierte Gehälter und Boni kassieren…
Irgendwie scheint mir das ganze Phänomen so ein bisschen mit dem (ich bin jetzt hier mal sexistisch 🙂 ) typisch männlich infantilen Motivations-Topos „unfassbar viel Kohle machen mit null Aufwand“ oder „high risk, high reward“ zusammenzuhängen. Klar, wer ganz am Anfang in Bitcoin eingestiegen ist und das Investment auch gehalten hat, trotz so kleiner Verlockungen zwischendurch wie 100% Gewinn oder 500, oder 1000 Prozent Gewinn – der ist jetzt reich. Wer am Anfang in NBA-Sammelkarten eingestiegen ist und die jetzt wieder verkauft hat, hat auch einen sehr netten Gewinn gemacht. (Versteuern nicht vergessen, das Finanzamt ist auch nicht von gestern… 🙂 )
Bei den NBA-Sammelkarten bin ich auf lange Sicht skeptisch:
DLF Nova vom 11.03.2021 – Grünstreifen (Moderation: Steffi Orbach)
Aber auch für die digitalen Sammelkarten gilt natürlich: Solange Leute denen einen Wert zumessen und bereit sind, den auch zu bezahlen, haben die einen Wert.
Ich habe darüber mit Prof. Alfred Taudes, dem Leiter des Forschungsinstitutes für Kryptoökonomie in Wien gesprochen. Und er erklärt das so:
„Ein ganz wichtiger Punkt, um Eigentum und Wert zu erzeugen in einer digitalen Welt, ist Beschränkung und Eigentum, das durch den Besitz des Schlüssels symbolisiert wird. Und beides gilt auch für Non Fungible Tokens. Das heißt, wenn man das einmal akzeptiert hat und den Glauben hat an das Protokoll, das das wirklich einzigartig ist, dass das Eigentum repräsentiert, dann wird es ein Repräsentant von Wert. Und der Wert bestimmt sich durch Angebot und Nachfrage, so wie bei realen Kunstwerken oder realen anderen Audios und Sammelkarten.“
Ein ganz wichtiger Aspekt, so Prof. Taudes ist natürlich die völlig neue Unabhängigkeit von Kreativen, ihre Produkte ohne die kostentreibenden Dienste von „Intermediären“ zu vermarkten:
Sehr viel vom Preis, von z.B. Kunst, von klassischer Kunst wird von Galerien und von Versteigerungshäusern gemacht, die klassische Intermediäre sind. Und die Blockchain generell hat ja die Eigenschaft, dass man die Intermediäre eigentlich nicht mehr braucht. Und es ist jetzt sehr interessant zu sehen, welche neue Arten von Wertbestimmungsmechanismen, also besondere Auktionen und ähnliche sich hier bilden. Und das ist natürlich insbesondere für die Wirtschaftswissenschaften auch hochinteressant.
Für Künstlerinnen und Künstler kann das großartig sein und vollkommen neue Vermarktungschancen bringen – ein personalisierter Song eines „Stars“ wird einem wahren Fan locker vier- bis fünfstellige Summen wert sein; zumal da ja per NFT jederzeit ein profitabler Verkauf möglich ist. Aber wenn ich jetzt versuchen würde, eine am Klavier eingespielte Version von „Alle meine Entchen“ per NFT zu vermarkten, wäre das wahrscheinlich nicht so der Burner. Die ganze Story hängt halt am Popularitäts-Maßstab.
Von daher: „Intermediäre“ können wiederum höchst interessant sein, um Vertrauen und Information über „Krypto“- oder NFT-Assets sicher zu stellen. Eine Versteigerung bei „Christie’s“ ist halt ein Gütesiegel in Richtung auf den etablierten Kunstmarkt, und ein Zertifikat eines klassischen Finanzmarkt-Emittenten auf den Bitcoinkurs ist möglicherweise als Investment sinnvoller als ein Direkteinstieg mit den diversen Risikofaktoren. Aber noch mal als Fazit: Jegliche Investments in Cyberwährungen, NFTs oder ähnliche Assets sind hoch spekulativ. Eine größere Investition verbietet sich „eigentlich“ von selbst; und damit sind „eigentlich“ auch wirklich signifikante Gewinne nicht in Sicht.
Oh, sorry – wir hatten ja eigentlich am Anfang von „easy unermesslich reich werden“ gesprochen. Das funktioniert natürlich weiterhin. Wenn Sie berühmt sind wie Elon Musk (der eh den ganzen Krypto-Markt mit seinen Tweets und seiner Kohle manipuliert…), oder wenn Sie so eine tolle Idee haben wie die Transformation eines analog knappen Gutes in ein digital knappes Gut; mit zusätzlichem Grusel-Faktor 🙂
Vielleicht sollten Sie (männlich, vermute ich…) sich auch nur mal auf die Basics des Lebens fokussieren. Es geht nicht nur um billige Kohle. 🙂