Das Netz in seiner ganzen Pracht und Schönheit; Webseiten, bei denen eben auch oben, links und rechts irgendwas großes Buntes prangt und blinkt; Fenster, die den Text verdecken und beim Scrollen mitwandern und den Text weiter verdecken und bei denen man den winzigen Knopf zum Wegklicken erst eine halbe Stunde lang suchen muss – dass alles sehe ich eigentlich nur, wenn ich bei der Arbeit im Sender sitze.
Weil ich zuhause natürlich nur mit AdBlocker und NoScript-Plugin unterwegs bin. Im Sender läuft auf den Rechnern paradoxerweise der Browser “pur” – obwohl doch eigentlich kein Mitarbeiter auf irgendeine Werbung klicken dürfte. Und eigentlich auch nicht draufschauen, denn das vergeudet ja Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung für außerdienstliche Belange, da die Anzeigen zu 99% private Konsumenten ansprechen.
Dass das kommerzielle Netz auf dem Deal “Pseudo-Gratis-Zugang gegen Werbung bzw. Datenauswertung” beruht, ist nun einmal etwas, womit alle Seiten leben müssen und ja ganz offenbar auch leben wollen – aber der Deal ist halt ein extrem heikler Balanceakt. Mit dazu gehört auch der Umgang mit den Deal-Verweigerern. Wenn eine Seite wie Geo.de Adblock-Nutzer aussperrt, als Alternative aber einen explizit bezahlten Zugang anbietet, dann ist das völlig in Ordnung. Und anscheinend auch eine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung.
Wenn eine Seite wie Wired.com das jetzt auch so handhaben will, dann ist das ebenso in Ordnung, aber angesichts der technikaffinen Zielgruppe wesentlich riskanter. Kein Wunder, dass hier der alternative Wochen-Nutzungspass billiger ist als bei Geo.de – die durchschnittlichen Wired-User werden ihren Adblocker aus guten Gründen eben nicht so bereitwillig abschalten wie die Nutzer auf G&J-Seiten. Alles eine Preis- und Balancefrage.
Ich selbst bin natürlich bereit, für bestimmte Angebote zu zahlen, habe Zeitungen abonniert und teilweise deren digitale Ableger. Dafür gibt es ein bestimmtes Budget, sowohl monetär als auch von meiner Zeit und meinem Interesse her. Und dieses Budget kann nur umgeschichtet werden, aber nicht beliebig ausgeweitet. Wer als Anbieter dieses Budget ausloten und möglicherweise davon profitieren will, darf das gerne tun. Mit Appellen, Spendenaufrufen, Flattr- oder Blendle-Buttons. Von mir aus auch mit Adblock-Blockern.
Und dann gibt es da natürlich noch einen Player in dem heiklen Balance-Gefüge: Die Anbieter von AdBlockern. Dass ein offenbar sehr beliebtes Produkt, AdBlockPlus von der Kölner Firma Eyeo, eben auch wieder nicht zu einem bestimmten Preis verkauft, sondern auch pseudo-gratis und umwegfinanziert wird, ist ebenso skurril wie folgerichtig. Die Geschäftsidee von Eyeo, dass sich Firmen gegen Bezahlung auf eine Whitelist setzen lassen und dann mit ihren Anzeigen wieder zum Kunden durchdringen können, ist grenzwertig – aber laut einer Reihe von Gerichtsurteilen nicht illegal.
Angeblich hat Eyeo jetzt mit Big Playern der Werbebranche irgend einen Deal von epochalem Ausmaß ausgehandelt. Da bin ich sehr gespannt. Aber für den Software-Anbieter gilt das Kosten-Nutzen-Szenario und Geschäftsrisiko genauso wie für die Content-Anbieter. Wenn die Whitelist sich nicht mehr abschalten lässt, der Blocker also nicht mehr blockt, dann wechseln die User zu einem Konkurrenzprodukt. Oder meinetwegen auch zu einer Bezahlversion. Kann man alles gerne mal ausloten.
G+J zwingt User Adblocker abzuschalten · DRadio Wissen
DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 10.02.2016 (Moderation: Till Haase)