Der Fall Julian Assange liefert dankbaren Stoff für juristische Seminare und Fachdiskussionen – jetzt kommt auch noch eine Stellungnahme der „UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftungen“ hinzu. Der Wikileaks-Mitgründer hatte bei dem Gremium Beschwerde eingelegt – aus seiner Sicht jetzt erfolgreich. Assange sei in der Botschaft Ecuadors in London „de facto“ unrechtmäßig inhaftiert und habe Anspruch auf Freilassung und Haftentschädigung, so die UN-Experten – deren Votum ist allerdings nicht bindend. Ein widerstreitendes Rechtsgut ist nämlich auch der EU-Haftbefehl, den Schweden erwirkt hat. Andererseits sind die Befürchtungen Assanges, sich dort nicht nur einem Prozess wegen Vergewaltigungsvorwürfen stellen zu müssen, sondern anschließend in die USA ausgeliefert zu werden (wo ihm für seine Wikileaks-Aktivitäten im Extremfall die Todesstrafe droht…) nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Ein Votum eines UN-Gremiums, das von UN-Mitgliedsländern nicht befolgt wird, kann wiederum nicht gerade als „Auszeichnung des UN-Menschenrechtssystems“ angesehen werden, meint Christoph Safferling, Professor für internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Der Fall bleibt spannend, im Laufe des Tages stehen Erklärungen (und ggf. Aktionen) Assanges bzw. der englischen Regierung an.
DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 05.02.2016 (Moderation: Marlis Schaum)
Nachklapp: Inzwischen hat Assange sich in einer Pressekonferenz geäußert – er fühlt sich bestätigt oder gar „rehabilitiert“ ; verwechselt aber wohl (absichtlich?) das Votum mit einem Urteil und die nun erforderliche Stellungnahme der englischen und schwedischen Behörden mit einem angeblich erforderlichen Einspruch. Die Botschaft verlässt Assange wohlweislich einstweilen nicht. Der britische Außenminister Philip Hammond hatte zuvor mit der Einschätzung geglänzt, das Votum der UN-Experten sei „lächerlich“. Eine Formulierung, die offizielle Stellen in China, Saudi-Arabien oder Nordkorea sicherlich bei nächster Gelegenheit gerne wieder aufgreifen.