(einmal ausnahmsweise der Nachklapp zu Beginn: Inzwischen hat kaltesonne.de den zur Diskussion stehenden Artikel „entschärft“ …)
Ist Michael Gessat als Journalist noch haltbar? Das ist nun endlich einmal eine wirklich bedeutende Frage (nicht zuletzt aus pekuniären Gründen wohl am allermeisten für mich selbst…), die da heute auf der (mir bislang unbekannten…) Seite kaltesonne.de aufgeworfen wird.
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und/oder Dr. Sebastian Lüning (die Herren zeichnen jedenfalls laut Impressum verantwortlich, wenn auch ohne eigene Anschrift und Kontaktdaten; die angegebene Verlagsadresse dürfte kaum hinreichend sein… 😉 ) hegen hier offenbar erhebliche Zweifel, denn sie prangern rund um meinen Beitrag „Mathematisches Risikomodell – Zu viele Mitwisser verderben die Verschwörung“ vom 27. Januar ein „Ehrverletzendes Klimaskeptiker-Mobbing im Deutschlandfunk“ an.
Zum Glück bin ich im skizzierten Szenario nicht der einzige Bösewicht, denn auch der Sender steckt nach Ansicht der Artikelverfasser bis zu den Ellenbogen (die der Onlineredakteure nämlich oder vielleicht noch höherer Chargen…) mit drin in einer „Rufmord-Kampagne“:
Hochinteressant: Die Schriftversion des Beitrags wurde offenbar kräftig entschärft. Hier tauchen die Klimaskeptiker nur unter ferner liefen auf. In der Audio-Radioversion hingegen langt Autor Michael Gessat kräftig hin. Die bösartige Verknüpfung von Anti-Mondlandungs-Fantasten und Klima-Realisten beginnt bereits bei der Anmoderation der Gesamtsendung, wird abermals ab 5:48 Laufzeit vertieft und schliesslich noch ein drittes Mal gegen Ende des Beitrags. Somit ist die vom DLF gesendete akustische Propaganda gegen Klima-Realisten weitaus schärfer, als nur die schriftliche Fassung des Beitrags.
Eine wirklich „hochinteressante“ These von Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und/oder Dr. Sebastian Lüning – die aber bedauerlicherweise komplett zusammenphantasiert ist. Die Schriftversion meines Beitrages ist in diesem Fall absolut identisch mit der „Audio-Radioversion“ – mein Beitrag ist nämlich das, was ich ja auch im Sendungsmitschnitt bzw. Einzel-Audiofile mit meiner Stimme von mir gebe. Das andere nennt sich „Moderation“ und wird vom Moderator der Sendung geschrieben, gesprochen (mit einer anderen Stimme, in diesem Falle die von meinem geschätzten Kollegen Ralf Krauter 🙂 ) und auch redaktionell verantwortet.
Auf der DLF-Website schriftlich dokumentiert wird hingegen nur der reine Beitragstext (manchmal sogar eher umgekehrt in einer längeren Version, wenn nämlich der Audiobeitrag für die Sendung aus Längengründen gekürzt werden musste…) – und das ist selbstverständlich nicht nur bei diesem Beitrag, sondern durchweg der Fall; an sich sehr leicht feststellbar. Und um ganz genau zu sein: Die Überschrift und der „Teaser“ des Onlineartikels werden von der Online-Redaktion verfasst und verantwortet, auch wenn hier meist Elemente der Beitragsmoderation verwendet werden. Aber mal ein Zwischen-Fazit hier: Da wurde überhaupt nichts entschärft, und ich habe auch im Audio nicht „hingegen“ kräftig (oder kräftiger…) hingelangt.
Was mich ja bei gewissen Radio-Hörern, und darunter sogar studierten Herren, immer wieder von neuem erstaunt: Dass sie offenbar einen Bericht über ein Thema nicht von einer Meinungsäußerung zu einem Thema unterscheiden können. Dass sie also wie selbstverständlich annehmen, ich als Journalist würde mir jeweils das Anliegen oder die Theorie oder die wissenschaftliche Forschung eines Studienautors zu eigen machen. Das ist aber natürlich nicht der Fall. Selbstverständlich hat ein Radiobeitrag über ein bestimmtes Thema möglicherweise einen gewissen „werbenden“ Effekt in dem Sinne, als er dem Thema oder seinem Protagonisten ein Sprachrohr verschafft. Und deswegen ist bei einem seriösen Sender wie dem DLF insofern ein journalistischer Filter vorgeschaltet, als völlig absurder Quatsch eher nicht so zur Sprache kommt 🙂 . Und bei kontroversen Themen, gerade auch im Wissenschaftsbereich, wird im Zweifelsfall eine Zweitmeinung oder Gegenstimme im Beitrag erscheinen.
Auch beim zur Diskussion stehenden Beitrag habe ich also wieder mal keine eigene Agenda verfolgt, schon gar keine breit orchestrierte „Klimaskeptiker-Mobbing“-Agenda. Klimaforschung und die Diskussionen rund um die Klimaerwärmung sind überhaupt nicht mein Thema – da gibt es andere fachkundige Kollegen & Kolleginnen 🙂 . Thema des Beitrages war ein mathematisches Modell zur Haltbarkeit von Verschwörungen, und im PLOS-One-Paper und im Interview hat der Studienautor David Robert Grimes nun einmal die „Klimawandellüge“ als ein Beispiel einer wissenschaftsskeptischen Verschwörungstheorie beleuchtet. (Einmal in meiner Definition aus meinem Beitrag bei DRadio Wissen: Die Klimawandel-Lüge ist ja die sehr beliebte Verschwörungstheorie, der zufolge der Klimawandel nicht existiert, sondern von Wissenschaftlern nur vorgetäuscht wird. Und zwar schlicht und ergreifend, um sich damit ihre Forschungsgelder und ihre Einkommen zu sichern.)
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und Dr. Sebastian Lüning bezeichnen sich selbst als „Klima-Realisten“ (aber fühlen sich offenbar auch als „Klimaskeptiker“ zutreffend bezeichnet bzw. ehrverletzt…). Ich muss gestehen, dass mir dieser Begriff bislang nicht geläufig war; wie gesagt gehört die ganze Sache nicht zu meinen Themengebieten. Und nun führen die Herren aus:
Das Perfide an der ehrverletzenden DLF-Vorgehensweise ist, dass es kaum ernstzunehmende Klimarealisten gibt (es gibt also möglicherweise auch nicht ernstzunehmende, Anmerkung von mir 🙂 ), die am Klimawandel selbst zweifeln oder auf die absurde Idee kämen, dass der momentane Klima-Hype eine Verschwörung wäre.
Dann ist doch alles bestens, jedenfalls in Bezug auf die „Klima-Realisten“. Denn in der Studie, im Beitrag und in der Moderation war doch von jenen Leuten die Rede, die an die Klimawandel-Lüge als eine Verschwörung glauben. Und die gibt es zweifellos. Wie sich jetzt die Herren Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und Dr. Sebastian Lüning, offenbar stellvertretend für die gesamte „Klima-Realisten“- und Klima-Skeptiker-Community, „ehrverletzend“ angegriffen und „gemobbt“ und gerufmordet fühlen können, ohne überhaupt erwähnt worden zu sein, das ist mir ein Rätsel. Vielleicht melden sich nächstens auch noch irgendwelche Kritiker der bemannten Raumfahrt als „Mondlandelüge-gemobbt und ehrverletzt“ bei mir?
Um hier zum Schluss mal eine kleine Analogie anzubringen: Wenn ein Hund erst verzweifelt nach einem Stöckchen sucht, über das er anschließend unbeholfen hinüberhopsen kann, um endlich eine angeblich verstauchte Pfote reklamieren zu können – dann handelt es sich insgesamt eher nicht um einen Fall von schwerer Tierquälerei.
Aus meiner Sicht bleibt die Frage nach der Haltbarkeit von Michael Gessat als Journalist also derzeit weiter unbeantwortet, jedenfalls was die Ausführungen auf kaltesonne.de betrifft.
Wenn ich mich umgekehrt frage, wie zwei gelehrte Herren denn quasi aus der hohlen Hand so eine Geschichte zusammenschustern können, die wenn überhaupt in meine Richtung ehrverletzend oder mobbend ist – dann fällt mir spontan eine Erklärung ein: Könnte da am Ende ein verschwörungstheoretisches Weltbild dahinterstecken, wo man sich halt passend macht, was eigentlich nicht passend ist? Ist jetzt nur so eine Idee, weil ich da mal kürzlich was drüber geschrieben habe.