Ransomware legt Überwachungskameras und Hotelschließanlage lahm

In einem größeren Betrieb ist das nach wie vor fast unvermeidlich – irgendein Mitarbeiter klickt auf einen Link in einer mehr oder weniger überzeugend formulierten Phishing-Mail, und holt sich Ransomware auf den Rechner und ins Netzwerk. Und wenn der Verschlüsselungsalgorithmus dann sein unheilvolles Werk beendet hat und die Erpressungsbotschaft aufpoppt, hat man einen recht kurzen Entscheidungsbaum: Top-aktuelles Backup auf einem nicht betroffenen Speicherort vorhanden? Nein. Schlüssel des Trojaners schon im Netz bekannt? Nein. Zahlen oder nicht zahlen? Tja…

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Die Stadtverwaltung oder der Secret Service (oder wer auch immer für die befallenen Überwachungskameras in Washington D.C. zuständig war…) hat jedenfalls angeblich nicht gezahlt. Das klingt plausibel – zumindest solange nicht etwas besonderes vorgefallen ist, dürfte der Verlust von ein paar Tagen Kameraaufzeichnungen verschmerzbar sein. Viel dramatischer war hingegen die Situation im österreichischen “Seehotel Jägerwirt”, als das hauseigene IT-System (wieder einmal…) von Ransomware heimgesucht worden war. Die 180 Gäste in dem ausgebuchten Hotel seien nicht mehr in ihre Zimmer, und noch viel schlimmer, nicht mehr aus ihren Zimmern heraus gekommen – so konnte man das auf einer Reihe von Websites lesen. Höchste Panikstufe also – der Hotelchef hätte keine andere Möglichkeit gehabt, als das geforderte Erpressungsgeld unverzüglich zu zahlen.

Ich hatte die Story bei Fefe gesehen, und die Sache mit den eingeschlossenen Gästen kam mir sofort spanisch vor. Natürlich muss sich bei einer Codekarten-Schließanlage in jedem denkbaren Havariefall (Stromausfall, Feuer…) die Zimmertür von innen mit dem Drehknopf öffnen lassen – aber ok, wer weiß, was Hersteller von modernen Gadgets alles verbocken. Die verlinkte Website und die sonstigen Fundstellen fielen aber alle in die Kategorie “Quelle von journalistisch fragwürdigem Wert”, um das mal vorsichtig auszudrücken. Erst auf der “wer-weiß-wievielten” Folgeseite bei Google kam dann mal ein vernünftiger Treffer – der ORF hatte schon vor einer Woche berichtet; und da war von eingeschlossenen Gästen nicht die Rede.

Daraufhin habe ich einmal selbst beim „Seehotel Jägerwirt“ angerufen und wurde auch gleich zum Chef Christoph Brandstätter durchgestellt.

Ich glaub, das ist a bisserl die stille Post der Presse – es war niemand eingeschlossen, es konnten auch alle Gäste in ihre Zimmer hinein. Eigentlich hat es der Gast gar nicht bemerkt, die meisten Gäste haben es dann aus der Presse erfahren. Es ist so, dass die Computer unten waren und dass wir keine neue Schlüssel ausstellen konnten für anreisende Gäste.

Die Code-Türschlösser im Seehotel Jägerwirt funktionieren jedenfalls so, wie sie sollen und müssen:

Von innen kommt man immer raus. Das ist ja auch feuerpolizeilich so vorgeschrieben.

Unangenehmerweise waren durch die Verschlüsselung aber auch das Kassensystem und die aktuellen Reservierungen betroffen – Brandstätter entschloss sich also, die geforderten 1500 Euro per Bitcoin-Transfer zu “überweisen”. Wonach der Erpresser “freundlicherweise” die Hotel-IT wieder entsperrte.

Weil so viele Kollegen gesagt haben “Ist mir auch schon passiert”, haben wir uns bewusst dazu entschieden, dass wir damit an die Presse gehen. Dass das Ding so groß wird, damit haben wir nicht gerechnet.

Screenshot vom 29.01.2017, 15.34 Uhr

Bei “Russia Today” war beispielsweise gleich einmal von 1,5 Millionen Euro Lösegeld die Rede; zur Erheiterung von Christoph Brandstätter:

Wenn ich 1,5 Millionen übrig hätte für Schutzgelderpressung, dann würde ich wahrscheinlich was anderes machen (lacht…) zum Geldverdienen (lacht…) …

Mittlerweile hat RT eine Korrektur gebracht – vermutlich war die um den Faktor 1000 erhöhte Summe eine “Lost in Translation”-Panne (bekanntlich benutzt man im Englischen beim Schreiben von höherstelligen Geldsummen ein Komma, wo im Deutschen ein Punkt steht…). Neben einigen verbliebenen sprachlichen Holprigkeiten 🙂 ist allerdings die Artikelüberschrift und Bildunterschrift z.Z. immer noch falsch. Fefe hat übrigens inzwischen seinem Blogeintrag auch ein Update verpasst.

​​Das Geschäft mit dem Hack · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 30.01.2017 (Moderation: Till Haase)

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