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Facebook in 50 Jahren: Mehr tot als lebendig

Dass Soziale Netzwerke und der ständige (vorwiegend mobile…) Zugriff darauf Zombies produzieren, ist eh klar 🙂 Aber dass die Toten oder eben vielmehr die Untoten (verstorbene Nutzer mit verwaisten oder in den Gedenkzustand versetzten Accounts…) irgendwann bei Facebook in der Mehrzahl gegenüber den Lebenden sein werden, darauf muss man erst mal kommen. Aber klar; im Gegensatz zu Mikroben oder sonst was pflanzt sich der Mensch nicht exponentiell fort, es gibt also auch trotz eines gewissen oder vielleicht sogar besorgniserregenden Bevölkerungswachstums insgesamt schon mehr Gestorbene als noch Lebende.

Und zweitens: Facebook hat eine so gewaltige Userzahl, dass es überhaupt erst Sinn macht, deren Entwicklung mit der prognostizierten Entwicklung der Weltbevölkerung zu korrelieren: Im “optimistischen” Szenario der beiden Forscher Carl Öhman und David Watson vom Oxford Internet Institute wächst das Netzwerk mit der derzeitigen Rate von 13% jährlich bis zur “Marktsättigung” – soll heißen; jeder Mensch auf der Erde, der einen Facebook-Account haben will, hat dann einen. Mehr Wachstum geht nicht, und insofern setzt dann der oben erwähnte Mechanismus ein: Die Nutzer sterben, und auch wenn es eine Generation neue User geben sollte, stehen denen erst eine, dann zwei, dann drei Generationen tote User (bzw. eben deren Gedenk- oder vergessene Profile…) gegenüber…

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Unmittelbar einsichtig wird der Effekt beim Extrem-Szenario der Wissenschaftler: Wenn von heute auf morgen kein neuer Nutzer mehr zu Facebook dazu käme, dann ginge das Sterben sofort los – dann würden übrigens asiatische User den größten Teil der Toten/Untoten stellen. Beim zweiten, realistischeren Szenario (eine vielleicht ja angebrachte Facebook-Kernschmelze infolge eines noch mal potenzierten Cambridge-Analytica-Effekts halten die Autoren für unwahrscheinlich; ich stimme da zu..) inklusive weiteren Wachstums wären das hingegen die Afrikaner: Das reflektiert schlicht und ergreifend die derzeitigen und prognostizierten User-Zuwachsraten und die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung in den betroffenen Regionen.

Aber eigentlich ist das Ganze nur ein Big-Data-Rechenexempel, das zeigt: Das digitale Erbe, die digitalen Hinterlassenschaften von Menschen im Netz; nicht nur bei Facebook – die sind in ein paar Jahren kein exotisches Szenario mehr, sondern Mainstream. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob ein User-Profil eines stinknormalen Menschen überhaupt erhalten werden muss oder sollte, oder im Gegenteil im Daten-Nirvana am besten aufgehoben ist – nur; die Entscheidung darüber, das meinen die Autoren der Studie wahrscheinlich zu Recht – die sollte vielleicht besser nicht in der Entscheidungsgewalt eines privaten, gewinnorientierten Unternehmens wie Facebook liegen.

Wie in anderen Disziplinen auch (Einflussnahme auf Wahlen, Mobilisierung von durchgeknallten Extremen…) – ab einer bestimmten Größe ist ein Privatunternehmen mit privaten Nutzungs-Regeln eben nicht mehr privat – und das gilt auch für die toten User.

Facebook in 50 Jahren: Mehr tot als lebendig

DLF Nova – Hielscher oder Haase vom 29.04.2019 (Moderation: Diane Hielscher)

Das Glyphosat-Gutachten und das Informationsfreiheitsgesetz

Heute gab es ja so ein ziemlich irritierendes Urteil bzw. eine “einstweilige Verfügung” vom Landgericht Köln (das für seine konservative, um das mal vorsichtig auszudrücken…)Tendenz bekannt ist und deshalb auch von den Anwälten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bzw. der übergeordneten Behörde, des Bundeslandwirtschaftsministeriums gerne als Gerichtsstand ausgewählt wird…) Meiner Meinung nach ist der Spruch völlig irre; ebensowie die Idee des Ministeriums, von Beamten oder anderen öffentlich besoldeten Mitarbeitern erstellte Gutachten der interessierten Öffentlichkeit mit dem Argument “Urheberrechtsschutz” vorzuenthalten…

Ich würde jetzt allzugern auf den Link klicken, den die in dieser Sache aktive Gruppe “Frag den Staat” propagiert und das Glyphosat-Gutachten selbst anfordern und die bescheuerten Paragrafen-Reiter etwas lahmlegen – leider bin ich nicht so ganz sicher, ob das dann tatsächlich kostenfrei ist oder ob die Ministeriums-Vollhorste mir dann 500 Ocken abzuzocken versuchen… Nach heldenhafter Vernachlässigung ihrer sonstigen Aufgaben und erzwungener Hingabe an die Anforderungen einer sicherlich missbräuchlich aufgehetzten Internet-Renegaten-Crowd.

Aber ich bin da feige; das Gebühren-Risiko der Behörden-Horste ist mir etwas zu teuer; das politische Leben ist eh gerade ziemlich pittoresk (Brexit….) Deswegen postuliere ich das mal hier gratis: Das Landwirtschaftsministerium geriert sich meiner Meinung nach (mit der teuren Beauftragung privater, externer Anwaltskanzleien) als Informationsfreiheits-Arschloch -Verhinderer/Abschrecker; die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln ist rechtsfehlerhaft.

Doxing-Affäre war wie erwartet Dummer-Jungen-Streich, bitte Hyperventilation jetzt einstellen

Der letzte, eigentlich vorgesehene Satz in meinem Script für das Netzreporter-Gespräch heute morgen lautete: “Ich persönlich tippe darauf, dass wir da relativ schnell etwas von den Ermittlungsbehörden hören werden.” Und dann kam beim Reingehen ins Studio die Eilmeldung: “Polizei hat Verdächtigen festgenommen”; SPON (und nicht die Witwenschüttler von BILD 🙂 , s.u.) hatte, so der Blick auf den Monitor dann im Studio, schon ein paar Details: Ein 20jähriger Schüler aus Mittelhessen (ein “Mittelhesse” 🙂 also…) war es offenbar, der die Republik für einige Tage in Schnappatmung versetzt hatte.

So richtig prophetische Gaben waren für meine Prognose nicht erforderlich – mit der Durchsuchung bei Jan Schürlein war ja schon klar, dass die Polizei da ziemlich sehr nah am Täter dran war – ich hätte jetzt auch ganz ehrlich gesagt meine Hand nicht ins Feuer gelegt dafür, wie eng da der Zeuge mit dem Urheber der Aktion verbunden war 🙂 und lege auch jetzt in Bezug auf eine eventuelle Mitwisser- oder Mittäterschaft noch nicht meine Hand ins Feuer; das soll man ja bekanntlich auch nie tun – selbst meine Sportreporter-Kollegen halten sich an diese Regel, auch wenn es in der 93zigsten Minute 3-0 steht 🙂

Aber wie dem auch alles sei – dass die ganze Aktion eine totale Luftnummer, ein lächerlicher “Heranwachsenden”-Streich (gottlob bringt das ja Ermäßigungen beim Strafmaß…) war, das war doch von Anfang an klar. Als die ersten Meldungen reinkamen, war ich gerade im Skiurlaub – aber ich hab direkt nach den anfänglichen Informationen gedacht: Das ist keine “Hacking”-Affäre, sondern der ganz normale Alltag – da hat sich bestenfalls jemand annähernd zielgerichtet die Mühe gemacht, die ganz normale Schlampigkeit bei den Passwörtern von “Prominenten” mal auszunutzen.

Ich wiederum hab mir auch noch nicht mal die Mühe gemacht, die Daten-Konvolute runterzuladen. Was interessiert mich, ob ein YouTuber, von dem ich noch nie was gehört habe, sich entgegen seines im Netz postulierten Saubermann-Images für Scat- und Piss-Videos begeistert? Kleiner-Jungen-Kram. Was interessiert mich die private Kommunikation von Grünen-Chef Robert Habeck? Null. Gar nicht. Aber klar – da haben jetzt ein paar zigtausend Leute draufgeguckt – das ist definitiv unangenehm. 

Wie der von Habeck angekündigte Rückzug aus den Social Media zu bewerten ist, da kann man noch lange drüber streiten – fest steht: Eine Pflicht, an dem ganzen Exhibitionismus- und Pseudo-Relevanz-Scheiß teilzunehmen, besteht nicht. Für Normalbürger jedenfalls; wie es bei Spitzenpolitikern aussieht, ist noch mal eine andere Frage. Fazit: Es war überhaupt nix los. Es gab keinen herbeigeschwafelten “Angriff auf die Demokratie”; es gab kein Versäumnis bei Ermittlungsbehörden oder beim BSI oder beim Innenminister. Klar, die Opposition ist natürlich verpflichtet, wohlfeil in die Pseudo-Schwachstelle reinzutröten – schon mal die eigenen Passwörter auf Nachhaltigkeit abgeklopft??

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Klar, die Regierung ist verpflichtet, Pseudo-Gegenmaßnahmen einzuleiten – das Cyber-Abwehrzentrum Plus. Ich mach da bei etwaigem Personalbedarf gerne mit; eine anständige Bezahlung vorausgesetzt, eine gute Pension brauch ich auch noch. Alles Bullshit. Es gab nur den ganz normalen Alltag. Jeden Tag werden Accounts “gehackt”, ob das jetzt Lieschen Müller oder Robert Habeck ist. Aber eines können wir natürlich alle aus der ganzen Sache lernen – es ist ziemlich unangenehm, wenn einem das passiert; zielgerichtet wie im vorliegenden Fall oder einfach zufällig.

Die Plattformen machen dabei auch keine gute Figur – sie sind in dem Dilemma: Account kapern soll nicht so einfach klappen. Den Zugang zu einem Account (nach einem vergessenem oder geklautem Passwort…) wiederherstellen soll aber auch nicht so schwierig sein. Also – wie steht es denn um Ihr Passwort für Ihren Haupt-Mail-Account? Ein Wort, das in einem Wörterbuch steht? (Ich gestehe zu meiner Schande, ich hab so was mal bei einer Freundin von mir, deren Account ich eingerichtet habe, zugelassen. Der wurde dann auch im Dezember “gehackt”…) Ein Geburtsdatum, das sich aus Social-Media-Quellen erschließen lässt? Böse, ganz böse.

Überprüfen Sie das mal. Jetzt. Fügen Sie mal zu Ihrem “leicht zu merkenden” Schrott-Passwort (das Sie aber eh nicht jedesmal neu eingeben müssen, sondern in Ihren Mail-Programmen oder Ihren Geräten gespeichert haben…) ein paar Sonderzeichen hinzu – Sie brauchen das ja schließlich nur ein einziges Mal überall zu aktualisieren. Und können anschließend wieder besser schlafen.

Robert Habeck: Datenklau, Shitstorm, Twitter-Ausstieg

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 08.01.2019 – Moderation: Diane Hielscher

Antisemitische Schmierfink-Kampagnen von Facebook? Blödsinn!

Jetzt ist mal Schluss. Mit dem Quatsch.

Ich bin ja wirklich nicht im Verdacht, irgendwie Fan von Facebook zu sein; da kann man einfach mal meine diversen Beiträge zu dem Laden Revue passieren lassen. Ich bin aus gutem Grund nicht selbst bei dem Verein angemeldet (bis auf einen uralten Gag-/Testaccount, der bezeichnenderweise niemals von Facebook gelöscht worden ist; trotz des offensichtlichen Fake-Usernamens und der Null-Interaktion; soviel zur Relevanz der Userzahlen  🙂  ) Facebook ist für mich die Nummer eins im No-Go-Datenabgreif- und Privacy-Schändungs-Konzept dieser modernen Zeiten – bei dem die User ja bereitwillig mitmachen; insofern sind die Alarmrufe von Bedenkenträgern wie mir ja auch vielleicht einfach eine Minderheitsposition.

Ich habe am 16.11. über den NYT-Artikel berichtet, in dem die PR-Strategie von Facebook beleuchtet wurde – eine offensive “Gegenangriffs-Strategie” als Reaktion auf den vielfältigen Gegenwind, dem Facebook beginnend mit der Cambridge-Analytica-Affäre ausgesetzt war. Dass die “Kotau/wir haben verstanden” – Geste von Mark Zuckerberg auch nur eine Geste oder vielleicht nur ein Fake war: geschenkt. Aber jetzt noch mal zu den Fakten der PR-Kampagne zurück: Der “Multimilliardär und Philantrop” (nein, nicht Mark Zuckerberg, sondern George Soros) hat sich diverse Male, z.B. in Davos, äußerst kritisch zu Facebook (und Google…) geäußert und eine Regulierung bzw. Zerschlagung der Unternehmen gefordert.

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Danach soll dann Sheryl Sandberg Facebook-Mitarbeiter damit beauftragt haben, herauszufinden, “weshalb Soros die Tech-Unternehmen angegriffen habe und ob er daraus einen finanziellen Vorteil erzielen wollte“. Ist diese Idee vollkommen absurd? Nein. Herr Soros hat durchaus in den vergangenen Jahren/Jahrzehnten immer wieder diverse Kampagnen angeschoben; wir können es auch nennen: Meinungspositionen in den öffentlichen Raum gestellt; um daraus finanzielle Vorteile zu generieren. In ziemlich happigen Dimensionen; ein Multi-Milliardär-Vermögen und eine daraus resultierende nennenswerte philantropische Kapazität (die möglicherweise auch wieder eine politische Agenda verfolgt…) entstehen normalerweise nicht aus einer Kassierer-Tätigkeit bei Aldi.

George Soros ist Jude. Daraus; aus seinem Reichtum, und aus seinen vielleicht philantropischen oder vielleicht auch politisch motivierten Aktionen und Engagements erwächst natürlich sofort ein häßlicher Gegenpol: Antisemitismus. Gegen die aktuelle ungarische Regierung; leider auch gegen sehr populäre Positionen in der ungarischen Bevölkerung; vielleicht sogar eben gegen  die Mehrheitsmeinung dort lässt sich einiges argumentieren. George Soros hat das getan; die ungarische Regierung hat im Gegenzug die wohlfeile Antisemitimus-Karte gezogen; mittlerweile hat die Soros-Stiftung das Land verlassen.

Es gibt also, klarer Fall,  jede Menge antisemitische Angriffe gegen George Soros. Aber heißt das jetzt, dass jeder Angriff gegen George Soros antisemitisch ist? Das ist so totaler Bullshit, dass ich kotzen könnte. Mark Zuckerberg ist Jude. Sheryl Sandberg ist Jüdin. Wenn die beiden jetzt eine PR-Agentur beauftragt haben, die Journalisten mit Material darüber versorgen, dass George Soros eine angebliche Grassroot-Gruppe finanziell unterstützt haben soll, die gegen Facebook agitiert – ist das dann eine “antisemitische Schmierfink-Kampagne“? Bullshit!!

Noch mal mein Fazit: Facebook agiert nicht moralisch, sondern geschäftlich. Aber antisemitisch bestimmt nicht. Wie kann man nur auf so einen völlig abstrusen Quatsch kommen? Überdosis “political correctness”? Oder eben einfach das ungeprüfte “Stille Post”-Weitergeben von vereinfachten, verkürzten oder falschen anderen News-Quellen? Das ist dann im Resultat genau das, was unsere allseits beliebten Freunde (leider in dem Fall berechtigt…) als “Fake-News” taggen können.

New York Times wirft Facebook Meinungsmanipulation vor

„Delay, Deny and Deflect“ –  „Verzögern, abstreiten, ablenken“, hat die NYT am Mittwoch auf Seite eins einen Artikel über Facebook überschrieben; „Verzögern, abstreiten und ablenken“, das sei nämlich die Unternehmens- und Kommunikationsstrategie des Social Networks. Der Artikel ist ein richtiger Riemen. Wenn man ihn ausdruckt, sind das 20 Seiten Text. Mit über 50 Informanten hat die Zeitung gesprochen, die meisten davon sind ehemalige oder aktuelle hochrangige Facebook-Mitarbeiter, die wohlweislich anonym bleiben. Und das Bild, das in dem Artikel entsteht, ist äußerst kritisch: Facebook gehe nicht offen und ehrlich mit seinen vielen Problemen um, sondern versuche mit anrüchigen PR-Kampagnen die öffentliche Meinung zu manipulieren, so das NT-Fazit.

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Inzwischen hat Facebook, hat Mark Zuckerberg auf den Artikel reagiert. Und hat zumindest versucht, sich selbst und seine Geschäftsführerin Sheryl Sandberg aus der Schusslinie zu nehmen. Der vielleicht heikelste Punkt in dem NYT-Dossier war ja, dass Facebook eine PR-Agentur namens „Definers Public Affairs“ damit beauftragt haben soll, nicht nur das eigene Image möglichst reinzuwaschen, sondern quasi auch noch einen Gegen- oder Entlastungsangriff zu fahren: Facebook-Kritiker schlecht zu machen, und negative Stories über Konkurrenten zu lancieren.

Mark Zuckerberg hat in einer eiligst einberufenen Pressekonferenz gesagt, er selbst und auch Sheryl Sandberg hätten von solchen Aufträgen an die PR-Agentur nichts gewusst. Den Vertrag mit „Definers Public Affairs“ hatte Zuckerberg ja praktisch unmittelbar nach Veröffentlichung des NYT-Artikels gecancelt. Halten wir einmal fest – das Schlechtmachen von Konkurrenten (oder zumindest mal Ablenkungsmanöver a la “die haben aber auch Dreck am Stecken”…) sind völlig normal in der Welt der PR. Sie passen nur halt relativ schlecht in die Demuts-Message von Facebook “wir haben verstanden”.

Aber auch das nochmal: Die Vorstellung, Facebook würde und könne vorwiegend nach hehren moralischen Kriterien agieren, ist halt ziemlich naiv. (Keine Ahnung, ob Mark Zuckerberg das selbst glaubt, zuviel Gras geraucht hat oder ein totaler Zyniker ist… 🙂 ) Das versuchen vielleicht kirchliche Organisationen. Und selbst da klappt das ja nicht immer.

New York Times wirft Facebook Meinungsmanipulation vor

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 16.11.2018 – Moderation: Diane Hielscher

Die dreisteste Crowdfunding-Idee ever: Trink-Genosse

Ok, ok. Wir saufen alle. Obwohl wir das nicht tun sollten. Alkohol ist schlecht für den Teint, für die Leber und für die Libido – wobei andererseits unter Alkoholeinfluss auch wiederum vieles passiert, was besser nicht hätte passieren sollen. Kurzum – Alkohol ist das Werk des Teufels, des Shaitans, vor dem ja Allah sei dank unsere bärtigen Freunde mit den handgehäkelten Strickmützchen gefeit sind. Aber was rede ich denn da? Fest steht – die Crowdfunder vom “Seminar für Genossenschaftswesen der Universität zu Köln” (gibt es das echt???) (*siehe die Korrektur unten) huldigen dem Alkohol und der Geselligkeit – und haben eben mal schnell die dreisteste Crowdfunding-Aktion der Weltgeschichte lanciert…

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Alleine trinken macht keinen Spaß

Klar- ne eigene Bar ist total geil; weil man da halt Kölsch und Cocktails gratis bis zum Abwinken oder bis zum Delirium reinkippen kann; möglicherweise sogar (solange man nicht völlig abgefüllt und unzurechnungsfähig ist…) mit einem kommunikativen Kennenlern-Faktor. Open Source, Ode an die Genossenschaft, Solidarität (diesmal nicht mit der Internationale, sondern einfach nur so…), ein Abgesang an die kollektive Vereinzelung und vielleicht sogar an das Alleinenachhausegehen – das sind natürlich die Schlagworte, die in uns allen und speziell auch in uns junggebliebenen Mitt-Fünfzigern die Lebensgeister und die Extremitäten-Aktivatoren erneut – vielleicht zum letzten Mal – erwachen und sprießen lassen. Dafür tausend Dank!

Völlig klar also, dass ich für diese super-geile Crowdfunding-Aktion sofort zehn Ocken rausgerückt habe, für die ich – nach einem erfolgreichen Start des Projektes (woran ich ja noch gewisse Zweifel habe…) – mit einem crowdgefundeten Kölsch sehr teuer, aber auch sehr avantgardistisch profitieren werde. Ihr trefft mich also bald immer abends in der Trink-Genossen-Bar, wo ich meine basisdemokratischen Pflichten erfüllen werde. Nastrowje!

 

P.S. 18.10.2018:  Die Trink-Genossen haben direkt mal ein paar Dinge in meinem Post richtiggestellt – der wichtigste Lapsus: Die Genossen sind keineswegs identisch mit den Genossenschaftswesen-Studierenden 🙂 , sondern haben sich lediglich von denen beraten lassen. Da hab ich wahrscheinlich schon einen zuviel in der Alleintrinker-Mütze gehabt. (Obwohl ja auch noch ein gewisser wissenschaftlich-aufklärerischer Impetus bei den Genossen verankert zu sein scheint: “Im Verlauf von Gründung und Betrieb der Genossenschaft werden also Methoden ausgearbeitet, ausprobiert, analysiert, verbessert und nicht zuletzt dokumentiert.” (auf nem Bierdeckel wahrscheinlich…) Jetzt wüsste ich natürlich auch noch gern, ob die Beratungs-Stundensätze der Genossenschaftswesen-Studierenden unter denen von McKinsey liegen – dann wär das ja auch noch eine Idee für die SPD, die Raiffeisenbank, Edeka und Erich Honecker.

Das mit dem “Gratis-Saufen in der eigenen Bar” hab ich natürlich nur so aus der allgemeinen Lebenserfahrung (Es gibt ja da diesen furchtbar diskriminierenden Spruch, den ich persönlich selbstverständlich vollständig ablehne: “Wer nichts wird, wird Wirt 🙂  ) heraus geschöpft; der Wirt oder die Wirtin oder das Wirt-Wesen (gender-neutrale Bezeichnungen sind ganz wichtig; insofern bin ich mir bei “Genossen” nicht so ganz sicher, ob da wirklich alle inkludiert sind…) oder der Miteigentümer (“Genosse”) hinter der Theke könnte(n) sich eben relativ einfach einen unbemerkt, unregistriert und unversteuert hinter die Binde kippen. Das fänd ich zumindest einigermaßen menschlich und naheliegend.

Auf der Trink-Genossen-Website (die ich noch mal zur Korrektur meiner Irrtümer konsultiert habe…) scheint mir übrigens eine gewisse Aversion gegen die Komma-Setzung vorzuherrschen. Ich stelle hier noch mal etwas Material zur Verfügung. (,,,,,,,,,,,)

Top-geheime Spam-Botschaften. Codeknacker, bitte übernehmen!

In meinem Emailpostfach kommt ja so einiges rein, und dankenswerterweise sortiert Outlook den übelsten Spam direkt ins Abfall-Fach ein. Aber in den letzten Tagen schaffen es doch so manche Botschaften, in der Inbox zu landen. Der Inhalt und auch die Absicht sind etwas kryptisch:

https://bit.ly/zensiert

zivcorz zaragoanb biwieibu
auqeiaguj wuygqo ia

Das ist bestimmt chinesisch, die schlitzäugigen Typen da sind ja eh die schlimmsten Hacker ever. Ich habe da erst mal nicht auf den Link geklickt. Danach ging es aber weiter:

quzop vysomw
haatipuqc ityfy

Aztekisch, keine Frage. Und immer noch etwas sehr lakonisch.

Aber “Paula Meier” (eot@gmail.com; richten Sie ihr schöne Grüße aus von mir…) wurde dann schon etwas ausführlicher:

https://bit.ly/schonwiederzensiert

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gkoerozo lubpexx xz
iojey ncaaweua cmwptpyih
jqolajyok khijlmuby oluucyar
yagfohon ikiiboyr liveqm
rehbyutik nhhiyb nyqure
emencv xa wovyusgy
ygoaoba atiulo su
vfsdpily veobhuaik oqiqfylwy

Und dann heute der bisherige Höhepunkt, von Michael Wolff (jqy@fastmail.fm):

https://bit.ly/undschonwiederzensiert

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pipugsmuh bivak qukropui
adysreji rlri bjxaitlv
osiqrpp xud odustoiey
oqokusuwo oruayta jekpuiqox
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cuvoroin cat cjpzquim
wsqasuz wosovgeak zulsaqpo
rgi faevubepo bylhsjy
ufofed uuu butn
wiaqpt vqyzauaj uqbipy
ci uf cs

Das ist schon ziemlich präzise und zugleich erschöpfend umfangreich formuliert. Bitte unbedingt so weitermachen! Ich führe ja bekanntlich die an mich gerichteten Spam-Mails einem umweltfreundlichen Recycling zu. Oh Mist, die uralte Gag-Website muelltonne.de ist anscheinend auch schon offline.

 

Der Banksy-Shredder digital

Mir ist ja noch nicht ganz klar, ob die Shredder-Maßnahme bei der Sotheby’s-Auktion…

https://www.instagram.com/p/BomXijJhArX/

…jetzt wahnsinnig genial, subversiv und aufklärerisch war oder aber abgeschmackt, abgesprochen und anbiedernd (dass das Objekt etwas schwerer war als normal und dass sich auf der Unterseite des Rahmens ein Schlitz befand, wird den scharfsinnigen Auktionären wohl kaum verborgen geblieben sein…) – ein “Clickbait de luxe” sozusagen… Eine kleine Explosion nach dem dritten Hammerschlag wäre natürlich auch ganz nett und ebenfalls per Fernsteuerung im Saal “zündbar” gewesen (komisch, dass der Typ rechts mit der antiken Digitalkamera schon direkt geistesgegenwärtig nicht auf das Kunstwerk, sondern auf die angeblich konsternierten Auktionsgäste hält…)

Aber wie dem auch alles sei, geshreddert werden kann mancher Ikone zu neuem Leben verhelfen – umso schöner, wenn sich dies ganz einfach digital bewerkstelligen lässt.

See the Pen Banksy Shredder by Lee Martin (@leemartin) on CodePen.

Ein bisschen Material:

oder:

Smava wirbt weiter – ich fürchte, es ist weiterhin Verarsche

Der Online-Kreditvermittler Smava ist ganz unverzagt und kann auch mit etwas polemischer Kritik bestens umgehen. Mir schicken die Freunde nämlich emsig und täglich weitere gefühlt hunderttausend Werbemails zu, obwohl ich doch nur mal vor einiger Zeit interesse- und recherchehalber das Minuszins-Versprechen ausprobieren wollte – das war ja offenbar ein Lockvogel bzw. Verarsche-Angebot. Jetzt gehen die Berliner aber in ihrer jüngsten Mitteilung über ihr bisheriges, schon sehr ambitioniertes Risiko-Profil weit hinaus, jetzt stehen plötzlich nicht nur glatte 6 Euro bei einer lächerlichen Kreditsumme von 1000 Euro , sondern sogar 41,73 Euro bei einer Kreditsumme von 10.000 Euro im Feuer!!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das ist der absolute Hammer, aber zugegebenerweise immer noch mickrig im Vergleich zu den typischen Werbe-Angeboten bei einem Kontowechsel oder der Einrichtung eines Online-Depots. Ich hoffe trotzdem, das ist gut abgesprochen mit der Werbe- und Controlling-Abteilung und mit Herrn Draghi. Wobei – ach ja, es besteht ja gar kein Risiko, die ausgelobte Kunden-Werbeprämie (etwas anderes ist das ja weiterhin nicht…) auch zahlen zu müssen. Denn – oh Wunder – es werden sich wahrscheinlich nur sehr wenige 🙂 bonitätsmäßig für das großartige Angebot qualifizieren können.

Also, ich probier das jetzt erst gar nicht mehr aus, dafür ist mir meine Zeit zu schade. Denn: Wer einmal lügt (und das ist ja angesichts der vielfältigen Rückmeldungen im Netz offenbar noch sehr zurückhaltend ausgedrückt…), dem glaubt man nicht. (Und wenn er auch weiterhin nur versucht, die Leute zu verarschen, har, har, har! 🙂 ) Aber liebe Freunde bei Smava, wir können es ja mal anderes herum probieren: Ihr könnt mir gerne die 10.000 Ocken auf mein Konto überweisen, die Daten habt ihr ja noch. Anschließend fülle ich die Teilnahmebedingungen für mein “Geld-Geschenk” aus. Von mir aus können wir das auch gerne zu den gleichen Konditionen auf 100.000, 1.000.000, 10.000.000 oder 100.000.000 etc. Kreditsumme hochskalieren; je nach dem, was ihr so auf der Pfanne habt. Ich sag immer – zuviel kann die Kredit-Kohle eigentlich nicht sein – jedenfalls nicht bei den Minuszinsen. Gell? Vielen Dank!

(Ich vermelde die erfolgreiche Transaktion natürlich dann auch hier ganz groß und werbewirksam im Blog. Ganz großes Indianer-Ehrenwort von eurem Top-Influencer!)

EU-Parlament beschließt Urheberrechtsreform

Es ist schon einigermaßen lustig. Da gibt es einen höchst kontroversen Streit, der mit allen Argumenten (und allen Pseudo-Argumenten, Übertreibungen und Tatsachenverdrehungen; übrigens durchaus von beiden Seiten…)  über Monate hinweg ausgetragen wird, in aller Öffentlichkeit. In Diskussionsrunden, in Blogs, in Zeitungen, im Rundfunk, im Netz. Mit massivem Einsatz aller Lobby-Instrumente, mit Massen-Mails und angeblich oder tatsächlich auch mit Todes-Drohungen irgendwelcher durchgeknallter Eiferer.

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Und dann fällt die Entscheidung im EU-Parlamentin zweiter Instanz” nach all diesen Argumenten; vorgetragen ja jeweils von höchst respektablen Parteigängern: auf der einen Seite Verleger, Kreativschaffende und Gewerkschaften; auf der anderen Seite “Netzaktivisten”, Internet-Wirtschaftsverbandsvertreter, Verbraucherverbände, andere Kreativschaffende und natürlich auch (eher hinter den Kulissen…) die “Betroffenen”, also allen voran Google. Die Entscheidung fällt also in einem klaren Ergebnis zugunsten der “Pro-Providerhaftung und Pro-Leistungsschutzrecht”-Fraktion; ich referiere das und gebe wie immer als Netzautor meinen – wohlgemerkt aber auch als persönliche Meinung gekennzeichneten – Senf dazu ab; und wir (DLF Nova…) bekommen prompt eine Hörer-Zuschrift eines “Musikautors, Fachjournalisten, Buchautors” und offenbar auch Dozenten, der meint, ich würde in meiner Beurteilung der Kontroverse “falsche Schlüsse” ziehen.

Ich könnte vielleicht die Reklamation an die 226 EU-Parlamentarier weiterleiten, die mit “Nein” gestimmt haben, oder an die “Netzaktivisten”, Internet-Wirtschaftsverbände, Verbraucherverbände, andere Kreativschaffende oder Kommentatoren, die eben anderer Meinung sind. Ich selbst bin ja auch Kreativschaffender, und auch auch Gewerkschaftsmitglied – und in diesem Fall muss ich einfach sagen: Ich teile die Meinung meiner Gewerkschaft und meiner ansonsten hochgeschätzten Kollegen hier einfach nicht. Nach Auffassung des Hörerbriefschreibers sollten wir “als Journalisten hier eine eindeutigere Interessenslage haben.”

Es geht aber – mit Verlaub – gar nicht immer um die individuelle Interessenslage. Ich bin selbstverständlich VG-Wort-Mitglied und würde theoretisch (praktisch glaube ich eher nicht…) von der beschlossenen Reform profitieren – und trotzdem halte ich die für falsch. Auf der Payroll von Google stehe ich auch nicht. Wahnsinn, was? Ein “erheblicher” Mangel an Expertise, wie vom Hörermail-Autor vermutet, liegt bei mir auch nicht vor – mit einer kleinen Google-Suche 🙂 hätte er bestimmt auch schnell herausgefunden, dass ich kein “einfacher Korrespondent, der seine Meinung kund tut” bin, sondern schon ein Weilchen über Netzthemen berichte – tendenziell sehr kritisch gegenüber Google, Facebook und Konsorten.

Vielen Dank in diesem Zusammenhang für die Aufklärung über die Monetarisierung von Google durch unsere User-Daten – da hab ich ja noch nie etwas drüber gehört. 🙂 Das Problem ist nur, dass der Hörerbriefschreiber – genau wie die Apologeten der Verleger-Seite (wobei das bei FAZ-Angestellten klar ist, dass sie das Lied ihres Brötchengebers singen müssen, während ich als ÖR-Beschäftigter einigermaßen gut pfeifen habe…) – stocksteif nur bei der einen, der eigenen “Interessenslage” geschuldeten Sichtweise bleibt. Ich habe in der Sendung die Frage aufgeworfen, ob es denn eigentlich einen Anspruch auf die kostenfreie Dienstleistung “aufgelistet werden in einer Internet-Suchmaschine” geben kann.

Der Hörermail-Verfasser wendet den Aspekt “kostenfreie Dienstleistung” prompt wieder in die Gegenrichtung und merkt an:

“Ganz genau! Google News nutzt die Lead-Sätze/Teaser-Texte und schafft dafür für sich einen Mehrwert. Es gibt Erhebungen, dass Google News-User gar nicht mehr auf die Seiten der Zeitungen/Contentanbieter gehen, sondern sich nur die Kurzversionen durchlesen. Damit ist der Vorteil von Google & Co schon hinweg.”

Entschuldigung – trotz des Dauerfeuers in der von mir geschätzten und abonnierten FAZ erschließt sich mir immer noch nicht, wie denn die angebliche unmittelbare Mehrwert-Schaffung bzw. der Content-Diebstahl hier aussehen soll – bei Google News schaltet Google ja eben keine Werbung. Dass es mittelbar einen gewissen Mehrwert allein schon durch die Datenauswertung der Google News nutzenden User gibt, ist mir mit meiner vorhandenen Expertise 🙂 durchaus klar. Dass es Leute geben mag, denen das Lesen von Überschrift und Teaser (“Kurzversionen” -:) ) reicht, mag ja sein – aber das ist natürlich eher ein tragischer Kulturverfall als ein Problem von Google. Das sind aber dann eben Leute, die das eigentliche Qualitätsprodukt auf den Verleger-Seiten eh nicht mehr lesen und die Seiten eh nicht mehr ansteuern.

Meiner Meinung nach ist das Verhältnis zwischen Content-Produzenten (sowohl private als auch geschäftliche…) und Google eine Symbiose, und zwar eine höchst heikle – das ist mir völlig klar. Ob die vollkommen austariert ist – keine Ahnung. Ich bin da ja eigentlich eher radikal und habe immer dafür plädiert, das furchtbar nervende Internet-Geschäftsmodell “Werbung” mit dem absolut problematischen Deal “Daten gegen Pseudo-Gratis-Dienste” aufzugeben. Leider sieht das die Masse der User anders.

Ich selbst befürworte den Einsatz von Werbeblockern, ich würde mir wünschen, dass andere Geschäftsmodelle – Content-Flatrates, Pay-Modelle funktionieren; ich selbst abonniere nach wie vor diverse Zeitungen samt Online-Ausgaben, obwohl ich die auch “gratis” im Sender lesen könnte; leider sieht das die Masse der User anders – und liest eben überhaupt keine Artikel mehr, sondern bestenfalls noch eine Überschrift oder einen Clickbait-Teaser und drückt dann mit letzter Kraft auf den “like”-Button. 🙂 Solche Leute kommen aber eh nicht mehr auf die Seiten der “Qualitätsjournalismus”- Anbieter – wobei ja ulkigerweise das Haus Axel Springer am lautesten jammert 🙂

Aber ist Google für diesen Kulturwandel verantwortlich? Ich glaube nicht. Das Pech für die Verleger ist nur, dass ihr angestammtes Finanzierungsmodell – eben das Schalten von Werbung, von Anzeigen den Bach runter geht bzw. jetzt in anderen Kanälen stattfindet. Das Glück von Google ist, dass das Schalten von Werbung insgesamt immer noch funktioniert – trotz aller Fragwürdigkeiten in Bezug auf die Wirksamkeit, trotz aller Manipulation wie Clickbait und Klickbetrug; und trotz meines eingeschalteten Werbeblockers. 🙂

Aber jetzt noch mal mein Argument: Wieso glauben denn Verleger und andere Akteure im Netz, dass die bislang immer kostenfreie Dienstleistung von Google, sie bzw. ihre Webseiten auffindbar zu machen, auch für immer kostenfrei bleiben muss? Die Akteure bezahlen doch auch teures Geld für SEO-Maßnahmen und ggf. natürlich auch für Werbe-Kampagnen; die Auffindbarkeit ist absolut existenziell für ihr Geschäftsmodell. Wie ich schon in der Sendung gesagt habe – wenn Google als Monopolist mit einer radikalen Auslistung von allen Kohle-Anforderern drohen würde, wäre das vielleicht wettbewerbswidrig. Aber wieso sollte nicht Google von allen kommerziellen Akteuren eine kleine Gebühr für das Auflisten im Suchindex fordern dürfen, eventuell zufällig in gleicher Höhe wie die anders herum verlangten Leistungsschutzrechts-Abgaben? 🙂

Das mal so als meine selbstverständlich völlig “expertiselose und uninteressante” Meinung. Aber die Schlacht ist ja eh geschlagen. Warten wir mal ab, was die Trilog-Besprechungen aus dem Quark noch machen. Notfalls tröstet mich ja meine nächste VG-Wort-Abrechnung 🙂

Was die Urheberrechtsreform der EU für das Netz bedeuten könnte

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 13.09.2018 (Moderation: Till Haase)