Firefox-Feature könnte Lebensdauer von SSDs verkürzen

Eine SSD als Systemlaufwerk ist heutzutage fast schon der Normalfall – der Performanceschub gegenüber einer normalen Festplatte ist gewaltig. Gewaltig sind allerdings auch die Datenmengen, die ein ganz normal vor sich hinlaufendes Betriebssystem so produziert, das am Netz hängt. Da werden im Hintergrund Updates gezogen, Inhalte aktualisiert, dazu kommen dann natürlich Mails und der komplette Traffic beim Surfen. Und dabei läppert sich einiges zusammen, wohlgemerkt ohne dass man jeden Tag ein paar BluRay-Filmchen aus obskuren Quellen heruntersaugt 🙂 …

Auf dem Systemlaufwerk spielen sich üblicherweise auch alle temporären Schreibprozesse ab – also die Zwischenspeicherung von Downloads, auch wenn die anschließend auf der externen “Datengrab”-Festplatte landen. Oder das Auspacken von Zip-Dateien, auch wenn die auf anderen Laufwerken liegen. Und genau deswegen, weil all diese Prozesse nun mit wesentlich höheren Schreib- und Leseraten auf der SSD ablaufen, fühlt sich der ganze Rechner schneller an. Soweit, so gut – selbstverständlich sind aktuelle SSDs auch so konstruiert, dass sie in einem normalen Nutzungs-Szenario jahrelang ihren Dienst tun. “Unkaputtbar” sind die Festplatten-Nachfolger hingegen keineswegs.

Die Anzahl der Schreibzyklen, die eine Flash-Speicherzelle verkraftet, ist endlich. Und deswegen geben die Hersteller für ihre Produkte – und zwar aufgeschlüsselt für die billigeren “Consumer” und die teureren “Professional”-Produktlinien – eine zulässige durchschnittliche Schreibrate z.B. pro Tag an, die dann zu einer bestimmten Lebenserwartung der SSD führt. Wenn ein Nutzer diese Schreibrate überschreitet, dann darf er mit einem vorzeitigen Ableben des Laufwerks rechnen. Und genau das könnte Firefox-Usern drohen – zumindest “Heavy-Usern”, die schon mal drei Browserfenster parallel aufmachen und darin jeweils eine Reihe von Tabs geöffnet haben.

Das nämlich führt offenbar zu ziemlich exzessiven Schreibaktivitäten, die schon einmal locker die Hälfte der “zulässigen” Tagesdosis verbraten – so die Analyse von IT-Fachmann Sergei Bobik. Verantwortlich ist ein Feature von Firefox, das nach einem Absturz des Browsers oder des Systems (oder auch nach einem versehentlichen Schließen des Browserfensters) die Fenster und Tabs wiederherstellt. In den Kommentaren unter dem Blogartikel bestätigt ein Firefox-Programmierer, man sei sich des Problems bewusst – andererseits sei das Feature für viele Anwender absolut unverzichtbar. Als Hotfix schlägt Bobik vor, das Sicherungsintervall in der Firefox-Konfiguration (about:config) etwa von den standardmäßigen 15 Sekunden auf eine halbe Stunde zu erhöhen. Dann könne man die “sessionstore”-Funktion aber auch ebensogut ganz abschalten, lautet eine Gegenstimme.

Fazit: Ein SSD-Killer ist Firefox (Chrome verhält sich übrigens ähnlich…) damit noch nicht. Aber ernstnehmen sollte man die Sache schon – und gegebenfalls die Balance zwischen dem Nutzwert des Sicherungsfeatures und der Lebensdauer der SSD neu austarieren. Übrigens – haben Sie eigentlich ein aktuelles Backup bzw. Image Ihres Systemlaufwerks? Sollten Sie aber haben.

P.S. 27.09.2016 – Wir haben das Thema heute auch bei DRadio Wissen besprochen. Firefox-Hersteller Mozilla hatte auf Anfrage die Aussagen des Programmierers unter dem Artikel von Bobik bestätigt. Das Ganze sei aber kein Bug, sondern ein Feature:

„Firefox schreibt die Daten der Browsersitzung regelmäßig auf das Laufwerk, damit wir sie im Falle eines Absturzes oder Stromausfalls wiederherstellen können. Die Standardeinstellung von Firefox räumt dabei der Sicherheit der Nutzerdaten einen höheren Stellenwert ein als der Schreibleistung des Laufwerks.“

Wenn ein Nutzer das anders gewichten möchte, empfiehlt auch Mozilla die Verlängerung des Sicherungsintervalls – möglicherweise wird auch in einer kommenden Firefox-Version der Default-Wert nach oben angepasst.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 27.09.2016 (Moderation: Till Haase)

P.S. 29.09.2016 – Für den Artikel bei Spiegel Online hatte ich auch noch bei Samsung um eine Erläuterung gebeten – die Spezifikationen auf den Produktwebseiten des Herstellers sind nämlich zunächst einmal nicht ganz einfach zu interpretieren: Die zulässigen Höchstwerte gibt Samsung in drei verschiedenen Größeneinheiten an: In „TBW“, was mal für „Terabytes Written“, mal für „Total Bytes Written“ steht. Im Datenblatt für das ältere Modell 840 Pro ist hingegen z.B. von „5 Jahren Garantie bei maximaler Schreibleistung von 40 GB/Tag“ die Rede.

Laut Samsung kann TBW “sowohl als ‘Total Bytes Written’ wie auch als ‘Terabyte Written’ aufgefasst werden, wobei ersteres gängiger ist.” Tatsächlich ist es aber so, dass innerhalb einer Baureihe die SSDs mit höheren Speicherkapazitäten für einen höheren TBW-Wert innerhalb der Garantiefrist spezifiziert sind:

Der Rechenweg lautet hier:

(TBW-Wert / (Garantiejahre*365))*1000 (wir sind hier mit SI-Einheiten unterwegs – die Multiplikation mit 1000 benötigen wir für die Umrechnung von TB in GB)

Im Konkreten Fall der 850 EVO 250 GB und 120 GB lautet der Rechenweg folgendermaßen: (75 TB / (5 * 365)) * 1000 = 41,1 GB pro Tag

Die 500 GB und 1 TB Varianten haben 150 TB TBW. (150 TB / (5 * 365)) * 1000 = 82,2 GB pro Tag

Die 2 TB und 4 TB Varianten haben 300 TB TBW. (300 TB / (5*365)) *1000 = 164,4 GB pro Tag

Das heißt im Klartext: Auf SSDs mit höheren Kapazitäten fällt die von Firefox bzw. anderen Browsern durch die Sitzungswiederherstellung erzeugte Schreibbelastung verhältnismäßig weniger stark ins Gewicht. Samsung gibt also Entwarnung:

Für Samsungs SSDs stellt aber auch die höhere Schreibbelastung von 12 GB am Tag kein Problem dar. Die von den Browsern verursachte Schreiblast ist zwar ärgerlich, aber nichts, was die Lebensdauer von Samsungs SSDs bedroht.

Zumindest wenn man Lebensdauer mit dem Garantiezeitraum gleichsetzt, hat Samsung hier bei den größeren Modellen bestimmt recht. Und fairerweise muss man auch anmerken – selbst nach den Erfahrungen von Datenrettungsunternehmen ist es keineswegs so, dass eine SSD nach Überschreiten der garantierten Schreiblast von heute auf morgen ausfällt – da ist eine Menge “Luft nach oben” mit einkalkuliert. Aber zumindest bei kleinen SSDs (viele SSD-Einsteiger oder-Aufrüster dürften solche Laufwerke eingebaut haben, weil sie ja das Gesamtsystem signifikant beschleunigen und große SSDs im Vergleich zu Festplatten immer noch erheblich teurer sind…) ist das “kein Problem” nicht so einfach nachvollziehbar. Denn wie schon erwähnt – die 12 GB (oder mehr…) sind ja eine zusätzliche Belastung zu der “normalen” und auch schon sehr datenintensiven Nutzung eines Systemlaufwerks.

Und die kann offenbar (es kommt natürlich immer auf die individuellen Nutzungsgewohnheiten an…) bei 30 GB/Tag liegen – das ist jedenfalls der Wert, den mir mein Samsung-Diagnosetool als tägliche Belastung meines Systemlaufwerks anzeigt, wenn der Rechner durchläuft. Und mit meinem Firefox-Anteil bin ich dabei weit unter den bei Bobik angegebenen Werten, obwohl ich auch oft mehrere Browserfenster und zig Tabs regelmäßig geöffnet habe. Möglicherweise liegt das am Adblocker und NoScript 🙂 .

Firefox-Funktion belastet SSDs – SPIEGEL ONLINE

Spiegel Online – Netzwelt vom 29.09.2016

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