Das Testprojekt zur automatischen Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz ist ohnehin umstritten – und Anfang der Woche kam noch mal zusätzliche Aufregung in die Sache: Die rund 300 freiwilligen Teilnehmer, so der Vorwurf der Aktivisten vom Verein Digitalcourage, hätten statt eines passiven RFID-Transponders einen aktiv sendenden Blutooth-Beacon untergeschoben bekommen, der rund um die Uhr Daten sammele, die weit über den eigentlichen Zweck des Transponders hinausgingen. Der Test sei also umgehend abzubrechen – eine Forderung, der sich sogar die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff anschloss.
Bundesinnenminister Thomas de Maziere konterte kühl, die vorgebrachten Bedenken beruhten auf “fehlerhaften Informationen” – und wie es aussieht, hat er damit Recht. Alexander Merz und Friedhelm Greis vom IT-Portal Golem.de werfen nämlich den Datenschützern von Digitalcourage diverse Fehlannahmen, Kenntnislücken und Ungenauigkeiten vor – mit dem (Fehl-)Alarmruf hätten die Aktivisten der Sache einen Bärendienst erwiesen. Die Analyse bei Golem.de liest sich für mich plausibel – im Übrigen hatte ich den vermeintlichen Skandal ohnehin eher für einen Sturm im Wasserglas gehalten: Wer sich als Testperson für den Pilotversuch gemeldet hatte, im Gegenzug für einen kleinen Amazon-Gutschein, der hat ja offenbar kein exorbitantes Problem mit einer gewissen temporären Aufgabe seiner “Privacy”.
Denn wohlgemerkt – mit dem eigentlichen eventuell kommenden Regelbetrieb der automatischen Gesichtserkennung hat die Transponder-Karte ja überhaupt nichts zu tun. Die Golem-Autoren betonen, dass auch sie – wie Digitalcourage – die geplante biometrische Erfassung und Speicherung unbescholtener Bürger sehr kritisch sehen, ich schließe mich dem an. Ob die Methode tatsächlich einen ungeheuren Sicherheitsgewinn bringt, darf man einstweilen bezweifeln, wie aber die Kollateralschäden funktionieren – der britische Datenschutzbeauftragte hat gerade wieder einmal nachgewiesen und heftig kritisiert, dass einmal bestehende Einträge in Polizei-Datenbanken rechtswidrig praktisch nie gelöscht oder korrigiert werden – das haben die Vorgänge rund um die Akkreditierungen von Journalisten beim G20-Gipfel gezeigt.
Die Aufregung darüber ist übrigens kein selbstverliebtes Gejammere einer privilegierten Berufsgruppe, wie man zuweilen lesen konnte. Entsprechende Einträge in Behörden-Datenbanken gibt es natürlich nicht nur bei Journalisten, sondern bei Jedermann und Jederfrau. Und die fragen sich halt dann irgendwann, warum sie eigentlich den angestrebten Job oder die Wohnung nicht bekommen oder warum ihr Visa- oder Kontoeröffnungsantrag abgelehnt wird.
Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 25.08.2017 (Moderation: Thilo Jahn)