Ungebrochener Technik-Optimismus auf der ConCarExpo

Der erste tödliche Unfall mit einem PKW, der mit eingeschaltetem „Autopilotsystem“ unterwegs war – auf der ConCarExpo, wo sich alles um vernetzte Fahrzeuge und Mobilitätssysteme der Zukunft drehte, spielte er zumindest an den beiden offiziellen Messetagen noch keine Rolle. Aber natürlich dürften einige Insider von dem fatalen Ereignis gewusst haben, dass auch  – wie Experten anschließend offen zugaben – „irgendwann zu erwarten“ gewesen war. Möglicherweise wussten Insider und Experten dann auch schon Bescheid über eine eventuelle Mitschuld des verunglückten Fahrers und waren sich auch der konzeptuellen Unterschiede zwischen teil- und vollautonomem Fahren bewusst. Zumindest in der Darstellung nach außen herrschte in Düsseldorf jedenfalls völlig ungebrochener Technik-Optimismus – das sah am Freitag, als BMW seine Pläne für ein selbstfahrendes Modell vorstellte, schon deutlich anders aus.

ConCarExpo 2016 - der Eingangsbereich mit der Start-Up-Booth

ConCarExpo 2016 – der Eingangsbereich mit der Start-Up-Booth

Bei BMW ist Intel mit im Boot, bei anderen Herstellern Nvidia – in Assistenzsystemen und den Steuerungen für autonome Vehikel haben die Prozessorschmieden nun einen neuen, potentiell sehr lukrativen Absatzmarkt für ihre CPUs, vor allem aber für ihre GPUs in Sicht. Und der dürfte sehr viel höhere Umsatzzahlen versprechen als das Geschäft mit Gaming-PCs, Workstations oder auch die immerhin prestigeträchtige Supercomputing-Sparte. Wobei die Automobilbranche bekanntermaßen sehr spitz kalkuliert, wenn sie Komponenten zukauft – beim Steuerungssystem aber doch hoffentlich mit sehr viel Augenmaß; hier geht es nun einmal um Leben und Tod.

Nvidias „Drive PX“-Steuerungssystem beruht auf „Deep Learning“ und neuronalen Netzen – das eröffnet einerseits einen Weg, der Maschine menschliches Fahr-Know-How einzupflanzen, bietet andererseits auch zumindest theoretisch die Chance, im Fahrbetrieb laufend dazuzulernen – und vielleicht von einer anfangs sehr defensiven Strategie zu einer flüssigeren Fahrweise überzugehen, die immer noch sicher ist. Aber die Kehrseite der Medaille ist natürlich die potentielle Intransparenz, was in den Schichten des neuronalen Netzes eigentlich vor sich geht und wie der Algorithmus eigentlich letztlich entscheidet – im „worst case“ eben mit fatalen Konsequenzen. Da dürften sich wie beim ganzen Thema „autonomes Fahren“ im Zweifelsfall allerhand Fragen stellen – grundsätzliche in Richtung Ethik; und ganz pragmatische in Richtung „wer haftet eigentlich“?

Keine "Black Box", sagt der Leiter der Automotive-Sparte von Nvidia, Danny Shapiro: Die Drive-PX-2-Steuerungseinheit von Nvidia

Keine „Black Box“, sagt der Leiter der Automotive-Sparte von Nvidia, Danny Shapiro: Die Drive-PX-2-Steuerungseinheit von Nvidia

Danny Shapiro von Nvidia sieht hier die Verantwortung erst einmal beim Autohersteller, der Komponenten und Algorithmen zu einem Endprodukt zusammenstellt – man liefere mit einem Steuerungssystem wie dem „Drive PX“ keinesfalls eine „Black Box“ aus. Ob die Hersteller allerdings schon so weit sind, und die zu ihrem klassischen Metier hinzugekommene Welt „IT und Software“ tatsächlich adäquat im Griff haben, das kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Im Konferenzprogramm der ConCarExpo ging es in vielen Vorträgen um die vielen neuen Fallstricke – da versuchen offenbar die Ingenieure mancher Autohersteller, beim Design ihrer Software das Rad neu erfinden und machen Anfänger-Fehler. Da schotten sich die Firmen argwöhnisch von der Konkurrenz ab, wo doch vielleicht eher eine gemeinsame Standard-Entwicklung, möglicherweise nach dem Open-Source-Prinzip, allen mehr Sicherheit bringen würde.

Denn natürlich lauern wie in der herkömmlichen IT-Welt Hacker auf die Schwachstellen in den Produkten, vom Autoklau bis zum tödlichen Eingriff in den Straßenverkehr ist alles drin. Und angesichts von Visionen einiger Firmenvertreter, wonach die Kunden dann später die On-Air-Updates für die Steuerungen ihrer teil- oder vollautonomen Fahrzeuge als begeisternde User-Experience-Erweiterungen aufnehmen werden, kommt einem das Grausen – für einen kurzen Realitätscheck würde es ja schon einmal genügen, sich klarzumachen, wie fehlerhaft Software auf PC und Smartphones ausgeliefert wird. Nur das ein Blue Screen oder App-Absturz halt noch keinen Exitus bedeutet. Im selbstfahrenden Auto könnte das anders sein.

Hinter der Euphorie stecken natürlich Geschäftshoffnungen und Gewinnabsicht. Und mit nüchterner Ökonomie wird wahrscheinlich auch die Kosten-Nutzen-Bilanz von eventuellen Opfern autonomer Fahrzeuge und im Gegenzug von vermiedenen Unfälle kalkuliert werden. So dass vielleicht am Ende das letzte Wort, wie die automobile Welt der Zukunft aussehen soll, weder bei Ingenieuren noch Ethikern noch Politikern liegen wird – sondern bei den Risikomanagern und Mathematikern in den Versicherungen.

Verkehrskonzepte – Ohne Stau und Stress

Deutschlandfunk – Computer und Kommunikation vom 02.07.2016 (Moderation: Manfred Kloiber)

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