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Das Gehirn gewöhnt sich daran, andere zu betrügen

„Wenn man einmal auf die schiefe Ebene gekommen ist, dann gibt es kein Halten mehr.“ Die Warnung vor einem Dammbruch bei moralischen Prinzipien ist eine beliebte Argumentationsfigur von Theologen bis hin zu Kriminalwissenschaftlern und von ihnen beeinflussten Politikern. Aber offenbar ist der „Slippery Slope“, wie die Sache im Englischen heißt, nicht nur eine moralphilosophische These, sondern lässt sich sogar belegen – mit einem Blick auf neuronale Mechanismen in unserem Denkorgan. „Das Gehirn gewöhnt sich an Unehrlichkeit“, so lautet der Titel einer Studie in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts „Nature Neuroscience“.

Das klingt gar nicht gut, vom Standpunkt des Moralischen aus betrachtet. Tatsächlich erscheint es ja bereits intuitiv bzw. von den eigenen Lebenserfahrungen her ziemlich plausibel, was Tali Sharot und Neil Garrett vom University College London nachzuweisen versuchen: Der gleiche sinnvolle neuronale Mechanismus, der dafür sorgt, dass wir bei einem anhaltenden Sinneseindruck nicht ewig im Alarmmodus bleiben, bewirkt, dass auch unsere emotionale Reaktion auf einen gleichbleibenden Stimulus immer schwächer ausfällt.

Wenn dafür eine neuronale Adaption in der Amygdala verantwortlich sein sollte, wie das die Experimente der britischen Forscher nahelegen, dann heißt das ja noch nicht einmal, dass da ein “schleichender Werteverlust” im Gehirn stattfindet, wie das die Kollegen im DLF getextet haben. Noch schlimmer – es bedeutet wahrscheinlich, dass das eigene Unbehagen über einen Verstoß gegen Werte, vielleicht auch die Angst vor Sanktionen oder sozialen Reaktionen schwächer wird. Und das würde heißen: Unsere Moral beruhte dann nicht auf positiven Motiven (“Edel sei der Mensch, hilfreich und gut”), sondern würde mit negativen Emotionen (“Schuld, Angst und Sünde”) notdürftig und offenbar auch nicht nachhaltig im Zaum gehalten.

Natürlich gehen momentan bei einer wissenschaftlichen Studie, die sich auf fMRI-Auswertungen stützt, alle Alarmglocken an. Zweifel an der Kausalität zwischen der nachlassenden Amygdala-Aktivität und der wachsenden Lügen-Bereitschaft der Versuchspersonen können die Londoner Psychologen aber recht plausibel kontern: Wenn die neuronale “Abschlaffung” etwas mit nachlassender Konzentration oder beginnender Langeweile zu tun hätte, müsste sie auch bei den Versuchen nachweisbar sein, bei denen kein eigener unfairer Vorteil zu erwirtschaften war. War sie aber nicht.

Das sind also alles recht unerfreuliche Perspektiven, die sich aus der Studie ergeben – zum Beispiel ja auch der Gedanke, dass die neuronale Anpassung oder Abstumpfung der emotionalen Reaktion auf Unehrlichkeit oder vielleicht auch auf Gewalt ziemlich plausiblerweise auch durch Input aus Filmen oder Computerspielen ausgelöst werden könnte. Aber vielleicht ist das auch der Punkt, die Reißleine zu ziehen: Das menschliche Verhalten in der Realität dürfte doch noch etwas komplexer ausfallen als bei einem sehr reduzierten Spiel-Experiment um Pennies in einem Glas.

Zur Ehrenrettung der Probanden der “Nature Neuroscience”-Studie sei erwähnt: In einer weiteren Spielvariante, in der sowohl sie selbst als auch die Partner eine höhere Belohnung erhalten sollten, wenn das Ergebnis der Schätzung über dem tatsächlichen Inhalt des Glases liegen würde, schummelten die Ratgeber noch heftiger. Eine “Win-Win-Situation” war den Teilnehmern also noch lieber, als den Partner übers Ohr zu hauen. (Möglicherweise, weil nun etwas abstrakter geworden war, wer eigentlich betrogen wurde – die Veranstalter des Experiments? Gott? 🙄 )

Fest steht: Wer als Mensch für sich reklamiert, zurechnungsfähig zu sein, muss auch noch ein paar andere Gehirninstanzen hinzuziehen, um sein Verhalten zu steuern und zu rechtfertigen – das Argument “Herr Richter, ich kann nichts dafür, meine Amygdala war ausgeleiert” dürfte nicht so recht ziehen 🙂 …

Schleichender Werteverlust – Wie sich das Gehirn ans Schummeln gewöhnt

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 25.10.2016 (Moderation: Ralf Krauter)

Menschenaffen können irrtümliches Handeln vorhersehen

Wenn man mit Kleinkindern den Test macht, ob sie bereits über eine “Theory of Mind” verfügen, bei anderen Personen also abstrakte Handlungsmotive wie Gefühle, Meinungen oder auch falsche Annahmen vorhersehen können, dann geht das relativ einfach – die Sprache hilft. Das klassische Experiment geht ungefähr so: Das Kind bekommt eine Keksdose gezeigt und wird gefragt, was wohl darin sei. Kekse, ist die Antwort. Beim Öffnen stellt sich heraus: Es sind aber Buntstifte darin. Die Dose wird wieder verschlossen. Eine neue Person kommt hinzu. Und das Kind wird gefragt, was diese Person wohl in der Dose erwartet.

Schon bei den Experimenten mit Kleinkindern hatte sich herausgestellt, dass das ausdrückliche sich entscheiden oder Auskunft geben müssen zu Unsicherheiten und Blockaden führt und zu einem vermeintlichen Scheitern in der Abstraktionsleistung. Wie dann aber Versuche mit einem Verfolgen der Blickrichtung, dem Eyetracking zeigten, waren auch sehr junge Kinder in Wirklichkeit doch schon auf der richtigen Spur. Bei entsprechenden Experimenten mit Tieren können diese leider nicht Auskunft darüber geben, was sie denken – das Studiendesign ist also extrem schwierig.

Das große Problem ist nämlich: Ist ein Verhalten, das einen erfolgreichen Wechsel der Perspektive, einen schlauen, abstrahierten Blick durch die Augen eines anderen suggeriert, nicht in Wirklichkeit ein relativ simples, erlerntes Ursache-Wirkung-Verhalten? Es ist zum Beispiel schon lange bekannt, dass Rabenvögel registrieren, ob sie beim Verstecken von Nahrung beobachtet werden. Und dass sie dann entweder ein neues Versteck suchen oder zumindest die Mitwisser gezielt im kritischen Areal attackieren. Aber ist das schon ein Beweis für den Perspektivwechsel im Sinne der “Theory of Mind”? Die Vögel könnten ja einfach ganz allgemein folgern: Wenn ich beobachtet werde, ist das schlecht, weil erfahrungsgemäß hinterher oft das Futter weg ist.

Im Februar 2016 konzipierte Thomas Bugnyar von der Uni Wien ein Experiment mit Kolkraben (die auf einem mit Primaten ebenbürtigen Intelligenzniveau sein dürften), in dem eine weitere Abstraktionshürde dazwischengeschaltet wurde: Die Raben registrierten bei ihren Versteck-Aktivitäten ein entweder offenes oder geschlossenes Guckloch, hinter dem sich akustischen Eindrücken zufolge neugierige Artgenossen befanden. Und mussten also die Transferleistung erbringen: Ich kann durch so ein Loch Dinge erspähen, also können es andere Raben wohl auch.

Die Versuche von Christopher Krupenye und Fumihiro Kano greifen den Eyetracking-Ansatz aus dem Kleinkind-Experiment auf. Die alternative Erklärungshypothese – die Affen folgen einem früher erlernten Verhalten – können sie trotz ihres auf den ersten Blick überzeugenden Experiment-Designs nicht völlig ausschließen. Sie halten diese für “nicht unmöglich, aber doch für unwahrscheinlich.”

Fumihiro Kano gibt dazu zwei Begründungen:

There is a so-called blindfold experiment for human infants, basically replicating the original eye-tracking False-Believe (FB) task, but with one change. The actor wore a blindfold instead of looking away when the object was relocated. There are two conditions; in one condition infants experienced that the blindfold was opaque. In another condition infants experienced that the blindfold was transparent. In the former condition (actor has FB), infants anticipated the actor’s reach based on FB. In the latter (actor does know what happened when wearing blindfold), infants were confused and made no prediction. This is a strong evidence that “the last location that actor saw” isn’t a explanation at least for human infants.

Recently, a similar evidence came from ape studies. It’s not an eye-tracking but a behavioral task in a food competition.

Another reason is that we intentionally used novel situations that apes have never seen. “King Kong” was novel. The social conflict with KK and Actor was novel. Then it is unlikely that apes have learnt the individual rules that can be used to predict the human actor’s behavior because apes have never seen such scenarios before.

Die Forscher wollen versuchen, ihre Ergebnisse durch weitere Experimente mit modifizierter Aufgabenstellung für die Affen zu belegen. Was die Sache natürlich noch einmal komplizierter macht: Selbst bei Menschen scheint der Perspektivwechsel und die “Theory of Mind” ja gar keine klar definierbare objektive Erkenntnisfähigkeit zu sein, sondern von sozialen und kulturellen Faktoren abzuhängen. Anscheinend ist es so, dass bestimmte Lebensumstände (etwa auch der permanente Druck durch diebische Artgenossen bei Rabenvögeln…) bestimmte geistige Leistungen befördern. Und wem es sehr bequem und ohne großen Aufwand einfach nur gut geht, der ist offenbar tendenziell nicht am allerhellsten im Kopf 🙂 …

Biologie – Menschenaffen können irrtümliches Handeln vorhersehen

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 07.10.2016 (Moderation: Uli Blumenthal)

Die Strategien von Männern und Frauen bei Tinder sind (eigentlich…) inkompatibel

Tinder gilt gemeinhin nicht gerade als die Plattform zur Anbahnung einer “seriösen, auf Dauer angelegten Lebenspartnerschaft” – wobei das natürlich auch nur eine Einschätzung ist, die in der Mehrzahl der Fälle stimmt, aber nicht immer: Wie mir heute morgen ein Arbeitskollege erzählte, hat er nämlich dort seine Freundin gefunden. Und im Grunde ist es ja tatsächlich eine mindestens ebenso realistische Partnersuch-Strategie, erstmal mit der Optik anzufangen und dann zu inneren Werten überzugehen wie umgekehrt 🙂 …

Und trotzdem – wer bislang schon vermutet hat, dass Männer insgesamt eher etwas weniger wählerisch sind bei der Suche nach einem Sexualpartner als Frauen, liegt vollkommen richtig – das bestätigt auch eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern verschiedener Universitäten. Das Team aus London, Rom und Ottawa hat mangels Unterstützung durch Tinder selbst mit Fake-Profilen und Scripts gearbeitet – und insgesamt auch völlig vorhersehbare Ergebnisse herausgefunden. Die Zahlen sind allerdings schon teilweise drastisch: Durchschnittlich hat ein Mann nur 0,6% “Rücklaufquote” oder eben Relikes auf seine Likes, bei den Frauen beträgt der Wert hingegen 10%.

Vielleicht etwas irritierend für alle heterosexuellen Männer (wobei ja immer die Chance zum Erkunden neuer Ufer besteht…): 86% der Antwort-Matches an die männlichen (Fake-)Profile kam von Männern. Tinder scheint also möglicherweise am ehesten etwas für Schwule zu sein, da dann beide Seiten die gleiche Strategie verfolgen: Alles matchen und liken, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Versuchen kann man es ja mal.

Oder muss man es ja mal, denn an sich ist die quasi wahllose Massen-Anquatsch-Strategie der Männer nur die logische Antwort auf die mauen Rücklaufquoten. Dummerweise ist die eher zurückhaltende Frauen-Reaktion wiederum die logische Antwort auf das wahllose Anmach-Feuer der Männer. Und so könnte der ganze Tinder-Algorithmus also theoretisch gegen die Wand donnern und die Plattform und das Geschäftsmodell obsolet machen – aber offenbar ist dies nicht der Fall, offenbar hat sich das Anfrage-Antwort-Verhältnis doch auf einem Level eingemendelt, das einen weiteren Match- und Paarungserfolg zulässt, schreiben die Wissenschaftler; Tinder muss es selbst am Besten wissen.

Ein paar praktische Ratschläge haben die Forscher auch noch aus ihren Daten ableiten können; auch die sind wieder nicht sehr überraschend: Mehrere Fotos bringen mehr Match-Erfolg als ein einziges (da lässt sich nämlich eher abschätzen, ob die Person überhaupt echt ist oder nur ein Fake mit Stock-Foto-Profilbild…) Und eine klitzekleine Biografie einstellen hilft auch immens – das machen aber allen Ernstes viele Leute nicht; vielleicht sind das also Spaßvögel, oder sie bauen auf eine absolut überwältigende Optik. Männer und Frauen unterscheiden sich auch in ihrem Message-Verhalten nach einem ersten gegenseitigen Matchen – auch das vielleicht keine ganz große Überraschung.

Völlig nebulös ist nur ein Ergebnis – auch die angeblichen Männer, die statt einem Foto eine gefakete Fehlermeldung in ihrem Profil hatten “dieser Account wurde gesperrt”, bekamen Matches. Und zwar entgegen dem “normalen” Trend nur von Frauen. Da sind wahrscheinlich ein paar sehr abenteuerlustige Mainstream-Verächterinnen unterwegs. Oder so.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 19.07.2016 (Moderation: Diane Hielscher)

Entenküken lassen sich auf abstrakte Konzepte prägen

Abstrakte Konzepte erfassen können – das gilt gemeinhin als Voraussetzung und im Umkehrschluss auch als Zeichen für Intelligenz. Im Tierreich hat man die Fähigkeit vor allem bei solchen Spezies erforscht und gefunden, die ohnehin im Verdacht standen, etwas mehr auf dem Kasten zu haben: bei Menschenaffen, Delphinen oder Elefanten, auch bei Rabenvögeln. Aber dass frisch geschlüpfte Entenküken schon mit abstrakten Kategorien wie „Gleich“ oder „Verschieden“ umgehen können, das hätte man vielleicht eher nicht vermutet. Die kleinen Federknäuel sind schlauer als gedacht, so steht das jedenfalls in der Presseankündigung für die aktuelle Ausgabe von „Science“.

A duckling imprinted on two cubes approaches two spheres during testing. [Credit: Antone Martinho]

A duckling imprinted on two cubes approaches two spheres during testing. [Credit: Antone Martinho]

Das Experiment von Antone Martinho III und Alex Kacelnik von der Universität Oxford ist bestechend einfach – so einfach, dass sich die Frage aufdrängt, warum es bislang noch niemand versucht hat. Die Antwort von Antone Martinho:

Maybe that is the bias you come in with thinking imprinting which is happening in baby birds must not be very complicated, must not be very sophisticated. So I think we maybe have been guilty as anybody else of these biases, and if other people think that way it may be they like us they thought “oh, it’s impossible”, no one would ever do that. And I think this is a very surprising result, even I now think there a good biological reasons why the result is what we found it still surprises me and it still surprise most people who hear it.

Das liegt vielleicht an der Tendenz, mit der man an das Phänomen “Prägung” herangeht; das passiert bei Baby-Vögeln und kann ja dann wohl nicht sehr kompliziert sein. Diese Vorurteile haben wir wahrscheinlich genauso gehabt wie alle anderen, und so haben alle anderen wir wir gedacht “das ist unmöglich” – und so hat es niemand ausprobiert. Ich denke, es ist ein sehr überraschendes Resultat, und obwohl ich mittlerweile denke, dass es sehr gute biologische Gründe für das gibt, was wir herausgefunden haben – es überrascht mich immer noch und eben auch die meisten Leute, die davon hören.

Und die zweite Frage, die sich aufdrängt – was sagt das Experiment bzw. sein Ergebnis eigentlich wirklich aus? Sind die Enten wirklich “schlauer als gedacht” – auf welcher Ebene findet denn eigentlich die Abstraktion statt? Antone Martinho ist sich da sehr sicher: “jenseits der rein physischen oder visuellen Ebene”. Aber die Enten hatten ja nur mit einem visuellen Stimulans zu tun, das sie möglicherweise – die Idee hatte etwa auch Prof. Manfred Gahr vom Max-Planck-Institut für Ornithologie – gar nicht als Objektpaar, sondern als ein Objekt wahrgenommen haben, und zwar eben als ein symmetrisches oder assymmetrisches Objekt.

Wie komplex oder vielleicht auch wie relativ simpel sind denn die neuronalen Mechanismen, die die Grundlage für die “Abstraktionsfähigkeit” der Entenküken bilden? Könnte man eine ähnliche Leistung nicht auch relativ unaufwendig mit einem künstlichen neuronalen Netz nachvollziehen? Ist das Ganze nicht vielleicht doch eine relativ unspektuläre Verarbeitung von Sinneseindrücken? Ganz trivial wären entsprechende Generalisierungen auch für ein Computermodell nicht, sagt Philipp Berens, auf Perzeption und neuronale Verarbeitung spezialisierter Forscher an der Universität Tübingen. Erst in den letzten Jahren hätten die Fortschritte in der Computertechnologie vergleichbare Leistungen künstlicher neuronaler Netze möglich gemacht.

Und möglicherweise, so sein Hinweis, kommen bei der Bewertung von Experimenten wie dem der Oxforder Wissenschaftler auch unterschiedliche semantische Konzepte mit ins Spiel: Kognitionsforscher würden bei der Erklärung von Experimenten wie dem von Antone Martinho von “Abstraktion”, “Konzepten” oder abstrakten “Kategorien” sprechen; Neurophysiologen oder Spezialisten für künstliche neuronale Netze eher bei der schlichten Feststellung bleiben – was kann das künstliche oder natürliche Netz denn eigentlich erkennen oder kategorisieren (bzw. “generalisieren”) und was nicht?

Aber vielleicht geht es gar nicht um die Frage, wie schlau oder nicht schlau die Entenküken nun wirklich sind – wahrscheinlich beruhen eben auch vermeintlich exklusive menschliche Geistesleistungen letztlich auf ganz elementaren, kognitiv nützlichen Grundlagen.

Intelligenz – Entenküken ziehen abstrakte Schlüsse

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 15.07.2016 (Moderation: Ralf Krauter)

Die KI spielt das Game of Thrones

Wovon hängt es ab, welcher Charakter in der Kultserie “Game of Thrones” als nächster (mehr oder weniger grausam…) ins Gras beißen muss? Das lässt sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an Faktoren wie dem Alter, Geschlecht, Nobilitätsrang oder Beziehungsstatus der Figuren festmachen, behaupten Bioinformatiker von der TU München und liefern auf ihrer Website gleich handfeste Zahlen, die manchen Fan in Verzweiflung stürzen könnten. Die Prognose beruht auf einem Maschinenlern-Algorithmus. Und da klingeln ja gleich die Alarmglocken. 🙂

Zuweilen liefern die modernen Methoden bekanntlich wunderbare statistische Korrelationen, hinter denen aber bei Licht (bzw. mit gesundem Menschenverstand) betrachtet keine Kausalitäten stecken, sondern Artefakte (sprich Bullshit…). Und auf dieser potentiell sehr wackeligen Basis werden dann unter Umständen Entscheidungen von erheblicher Tragweite getroffen: Maschinenlernverfahren liefern Prognosen zur Kreditwürdigkeit, zu Sicherheitserwägungen oder zum Erfolg von medizinischen Behandlungen – ohne dass sich immer nachvollziehen oder begründen ließe, wie diese Einschätzungen eigentlich zustande kommen und wie verlässlich sie sind.

Auf den ersten Blick scheint auch das Datenmaterial der GoT-Modellierung geradezu irrwitzig zu sein: In einem realen Szenario würden biologische und soziologische Parameter natürlich sehr viel mit der Fitness oder der Überlebenswahrscheinlichkeit einer Person zu tun haben – wer gut isst und trocken schläft, lebt gesünder als der Bettler im Schlammloch. Aber in einem Roman, in einer fiktiven Welt, in einer TV-Serie gar? Da sollte sich doch doch der freie Wille der Autoren jederzeit über Plausibilitäten (und über Abbildungen realer, “biologischer” Wahrscheinlichkeiten…) hinwegsetzen können – sei es aus “Willkür”, sei es als Reaktion auf Publikumserwartungen, sei es aufgrund realer Fakten wie der Verfügbarkeit oder der Gagenforderung von Schauspielern.

Stimmt alles – und trotzdem macht die Modellierung der TU-Informatiker Sinn: Die Prognose bezieht sich halt nur auf interne, nicht offensichtliche Spielregeln oder Muster der fiktiven Welt; möglicherweise also auf die “Schreibstrategie” des Autors – und sie gilt natürlich nur, solange keine externen, “realen” Faktoren ins Spiel kommen, die in dem Maschinenlern-Datenmaterial nicht enthalten waren.

Deutschlandfunk – Wissenschaftliches Projekt zur Serie “Game of Thrones”

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 2.5.2016 (Moderation: Arndt Reuning)

Gefahr durch WLAN-Strahlung?

Hamburg stoppt ein Schulprojekt mit Tablet-Einsatz; und zwar wegen Bedenken über die eventuelle Gefährdung der Schüler durch die WLAN-Strahlung – so lautete am 1.12. die Meldung in verschiedenen Online-Medien. In Umlauf gebracht hatte die Geschichte die Schleswig-Holsteinische Zeitungsgruppe, am Abend dementierte dann die Hamburger Schulbehörde. In der Tat wäre die Sache auch seltsam gewesen, denn anders als bei den zahllosen Studien und Gegenstudien über mögliche Gefahren der elektromagnetischen Strahlung beim Handy-Gebrauch war die WLAN-Nutzung eigentlich nie besonders im Fokus der Diskussion – aus guten Gründen, denn zum einen ist die Strahlungsintensität geringer, zum anderen hält man ein Tablet oder auch Smartphone beim Surfen nicht an den Kopf. Trotzdem empfiehlt das Bundesamt für den Strahlenschutz durchaus auch beim Umgang mit WLAN eine so weit als mögliche Minimierung der Strahlen-Exposition.

Letztlich bleibt das ganze Thema ein Stück weit Glaubenssache – denn auch wenn man bei Einhaltung aller Grenzwerte nach jetzigem Stand der Erkenntnisse davon ausgehen kann, dass all die fröhlich umherfunkenden Dinger uns nicht schaden; erwiesen ist das auch noch keineswegs. Schließlich läuft das Experiment mit der selbstgebastelten elektromagnetischen Exposition unserer Spezies ja erst seit ein paar Jährchen.

DRadio Wissen · Liveblog: Burka.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 2.12. 2014

Epidemie-Trends im Netz: Wikipedia statt Google?

Die Tage werden kürzer und kälter, und mit dem Schmuddelwetter kommt auch die saisonale Schnief- Hust- und Krächz-Phase – in der leichteren Form als grippaler Infekt, in der schwereren als richtige Virusgrippe. Eine schnelle Lageeinschätzung gibt es ja seit ein paar Jahren im Netz – bei Google. Im Grunde beruht die bekanntlich auf bei Google eingegebenen Suchbegriffen – eben nach z.B. Grippe, Husten, Fieber, oder auch nach Medikamenten. So ganz besonders gut ist diese Einschätzung bzw. Vorhersage allerdings wohl doch nicht – das könnte z.B. daran liegen, dass viele Menschen eben aus reinem Informationsinteresse die Begriffe aufrufen, und nicht, weil sie selbst betroffen sind. Auch Googles Auto-Vervollständigen-Funktion tendiert dazu, populäre Anfragen zu verstärken. Fakt ist jedenfalls, dass Flutrends bislang zur Übertreibung neigt. Möglicherweise könnten daher Wikipedia-Anfragen der bessere Indikator sein, schreiben Wissenschaftler in PLOS Computational Biology; und zwar nicht nur für Grippe, sondern auch für diverse andere Infektionskrankheiten.

DRadio Wissen · Liveblog: Bilanz vom G20 in Brisbane.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 17.11.2014

Beluga als Imitator

Mit Tieren zu kommunizieren, ist ein alter Traum von Menschen – nicht erst seit dem heiligen Franziskus von Assisi… Dabei gibt es ja gleich zwei sehr gravierende Probleme: Zum einen ist die Frage, wie weit die Viecher intellektuell überhaupt kommunizieren können, von grundlegenden Äußerungen wie “ich habe Hunger” und “danke fürs Leckerli” einmal abgesehen. Und zum zweiten – die anatomisch angelegten Artikulationsmöglichkeiten, vor allem eben die Sprache sind beim Menschen so ziemlich exklusiv. Aber auch in der Entwicklung von Menschenbabys spielt Imitation eine wichtige Rolle – wer weiß also, was uns Belugas eigentlich sagen wollen würden. Wenn sie nur könnten. (Unübertroffen ist natürlich Hoover, der sprechende Seelöwe

– der sich immerhin wie ein Mensch mit fehlendem Gebiss, Alkoholproblem und Tourette-Syndrom anhört…)

Beluga als Imitator.

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 23.10.2012

Ein helfender Rüssel

Elefanten sind ziemlich schlaue Biester. Sie erkennen ihr eigenes Spiegelbild, haben ein gutes (und wohl auch auch nachtragendes Gedächtnis 🙁 …), und sie sind anscheinend zur Kooperation und planmäßigen Handlung mit Artgenossen fähig – auch wenn noch nicht wirklich klar ist, wie weit sie eine Problemstellung abstrahieren können.

Ein helfender Rüssel.

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 8.3.2011

Vernalisation: Frühlingsgefühle bei Pflanzen

Den richtigen Moment für die Fortpflanzung abzupassen, das ist nicht nur für Menschen, sondern für alle Lebewesen eine höchst bedeutsame Angelegenheit. Eine Pflanze zum Beispiel darf nicht ein paar warme Tage im Spätherbst oder im Winter für den Frühling halten und vorzeitig blühen. Tatsächlich gibt es einen Mechanismus, der Pflanzen dabei hilft, den “richtigen Winter” zu erkennen und lange genug abzuwarten.

Frühlingsgefühle bei Pflanzen (Archiv)

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 8.1.2004