Das melden die Tagesschau und die Taz:
Das Engagement für die Demokratie hat sie das Leben gekostet, die Wahlzettel werden per Hand ausgezählt, bis tief in die Nacht, oft in unerträglicher Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit.
Und das klingt ja erst einmal ungeheuerlich, zumal auch noch etwa 2000 Wahlhelfer und Wahlhelferinnen erkrankt sein sollen. Ich muss einfach mal als lang gedienter abnehmender Redakteur sagen: Meine erste Reaktion war – das glaube ich nicht, da stimmt was nicht. Vielleicht hat da irgendwer irgendwas übertrieben? Also rechnen wir mal nach.
7 Millionen Wahlhelfer bei „knapp 200 Millionen“ Wahlberechtigten – das bedeutet, auf 28,57 Wahlberechtigte kommt ein(e) Wahlhelfer(in) – das ist eine hohe Quote. In Deutschland kommen auf ca. 61,5 Millionen Wahlberechtigte ca. 500.000 Wahlhelfer (Zahlen von 2013 und 2017 zusammengemixt…), das ist ein Wahlhelfer pro 123 Wahlberechtigte. Wenn man jetzt allerdings die (z.B.im Tagesschau-Artikel beschriebene…) Topografie Indonesiens berücksichtigt, die entlegenen Orte und Inseln; dann klingt das mit den 7 Millionen Wahlhelfern ziemlich plausibel.
7 Millionen Helfer – das ist natürlich auch einfach absolut betrachtet eine gewaltige Menschenmenge. Und setzt man dazu 272 Verstorbene ins Verhältnis, dann sind das 0,0038%. Ist das viel oder ist das wenig oder ist das „normal“; so makaber das klingt? Die gleiche Quote ergäbe bei den 500.000 deutschen Wahlhelfern immerhin noch 19 Tote – davon habe ich allerdings noch nie gehört, dass in Deutschland jemand aufgrund der Wahlhelfer-Tätigkeit verstorben ist. Nun ist allerdings die Lebenserwartung in Indonesien auch signifikant niedriger als in Deutschland (69,19 Jahre im Vergleich zu 80,64 Jahre laut Google/Weltbank…).
In diesen Wert ist ja der allgemeine Gesundheitszustand der Bevölkerung und der Zustand des Gesundheitssystems, sind die Lebensbedingungen und die Lebensrisiken „eingepreist“ – das heißt, auch eventuelle Vorerkrankungen, die im Falle mancher der indonesischen Verstorbenen vielleicht die „wahre“ Todesursache waren. Mit dem allgemeinen Lebenserwartungs-Korrekturfaktor kommen wir jetzt auf 16,3 verstorbene Wahlhelfer, die bei einer Wahl in Deutschland vergleichbar wären.
Auch eine solche Zahl wäre natürlich in Deutschland undenkbar bzw. völlig skandalös. Die spezifische Belastung und das spezifische Risiko eines Wahlhelfers in Indonesien würde ich allerdings noch einmal deutlich überproportional über dem der gemittelten indonesischen Normalbevölkerung einschätzen; im Gegensatz zu der Belastung und dem Risiko eines Wahlhelfers in Deutschland. Von daher mein Fazit: Jetzt glaube ich die Zahlen dann doch.
Möglicherweise hat sich die indonesische Regierung auch tatsächlich etwas zuschulden kommen lassen, wenn es keine Gesundheitschecks der Wahlhelfer gab. (Von Gesundheitschecks für deutsche Wahlhelfer ist mir wiederum auch nichts bekannt – wie gesagt würde ich natürlich auch das Risiko nicht besonders überproportional zum „normalen Leben“ einschätzen…) Aber letztlich: So monströs, so ungeheuerlich wie beim allerersten Anschein ist die Zahl der Toten nicht. Trotzdem ist das Ganze auch wieder unfassbar: Die „ganz normale“ Demokratie fordert soviel Opfer wie ein Mega-Terroranschlag.
Und noch mal ein Schwenk: Der „ganz normale“ Straßenverkehr natürlich auch.