Es ist schon erstaunlich – oder auch gruselig, was man mit den Daten herausfinden kann, die wir alle produzieren und die über uns erhältlich sind. Zum Beispiel, dass letztes Jahr in US-amerikanischen Familien mit gemischter politischer Präferenz – dort, wo es also sowohl Anhänger von Donald Trump als auch von Hillary Clinton gab, tendenziell der Haussegen schief hing: Das Dinner mit dem traditionellen „Turkey“ fiel kürzer aus als sonst, und viele Leute blieben anscheinend lieber gleich zuhause – ulkigerweise war dieses „ohne mich“-Phänomen nur bei Republikaner-Wählern zu verzeichnen, die Demokraten-Anhänger machten sich immerhin auf den Weg zu ihren Lieben.
Woher Keith Chen von der University of California und Ryne Rohla von der Washington State University das so genau wissen wollen? Die beiden Wirtschaftswissenschaftler mit Faible für psychologische und soziologische Phänomene haben Smartphone-Daten ausgewertet, haben die Bewegungsmuster der Handies (bzw. deren Besitzer…) am Thanksgiving-Day 2016 nachverfolgt und mit den Daten aus 2015 verglichen. Wenn da 12 Smartphones für 3 Stunden am Abend beisammen saßen, dann war das wohl eine Familie beim Truthahn-Schmausen. Und wenn ein Teil der Handies (bzw. deren Besitzer…) in Bezirken zuhause war, in denen 75% der Stimmen für Donald Trump abgegeben worden war, und ein anderer Teil in Orten, die für Hillary Clinton gestimmt hatten – dann saßen da offenbar Verwandte mit unterschiedlicher politischer Präferenz am Tisch. Zumindest mit einer entsprechenden statistischen Wahrscheinlichkeit.
Außerdem haben die Forscher noch die (ebenfalls öffentlich verfügbaren…) Informationen über die geschalteten bzw. gesendeten TV-Wahlwerbespots hinzugezogen – das Ergebnis: In den Regionen mit intensiver Wahlwerbung (also insbesondere in den „Swing States“, den Bundesstaaten mit „unentschlossener“ Wählerschaft war der Effekt „kürzere Thanksgiving-Dinner, weniger Anreisen“ deutlich – in anderen Regionen nicht. Das spricht für eine Kausalität (und damit für einen „Erfolg“ der Wahlwerbung…) – der US-Wahlkampf 2016 hat auf Polarisierung gesetzt – anscheinend haben die Russen da auch noch mal einen draufgesetzt – und der Polarisierungs-Effekt ist in den amerikanischen Familien angekommen.
Natürlich gehen bei solchen Studien immer die Alarm-Leuchten an: Ist die vermeintliche Kausalität tatsächlich haltbar? Ganz spontan fallen einem da natürlich sofort zwei andere Faktoren ein, die ebensogut wie die politischen Meinungsverschiedenheiten die Anreise-Freude oder die Verweildauer beim Truthahn-Essen hätten beeinflussen können: Das Wetter. Und eventuelle Grippe-Epidemien – theoretisch könnten solche Einflüsse zufällig exakt parallel zu der Werbespot-Intensität aufgetreten sein, und damit eine Kausalität nur vorgegaukelt haben.
Die Forscher haben allerdings diese Fehlerquelle sehr wohl im Auge gehabt und nach Kräften auszuschließen gesucht: Sie haben nur Familien ausgewertet, die räumlich relativ nahe beieinander gewohnt haben und keine großen Reisestrecken zurücklegen mussten – wenn es also Faktoren wie Wetter oder Grippe gegeben haben sollte, dann hätte dies Familien mit „einheitlicher“ und Familien mit „gemischter“ politischer Präferenz gleichermaßen betroffen. Das alles sieht also ziemlich plausibel aus. 🙂
Weniger Familientreffen: US-Wahlkampf hat Thanksgiving verdorben · Deutschlandfunk Nova
Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 13.11.2017 (Moderation: Diane Hielscher)