Ok. Mal etwas weniger hyperventiliert. Das ist aber echt schwer mittlerweile – außer man ist eben gar nicht betroffen, wie immer noch die Mehrzahl der Bevölkerung.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich nehme Bezug auf Ihre Entscheidung https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/104_201223/index.php und speziell auf die weiteren anhängigen Eilanträge. Ich halte Ihre Entscheidung (die Entscheidung des 13. Senats…) für grob rechtsfehlerhaft und habe darüber einen Blogartikel verfasst – von dem ich einmal hoffe, dass er trotz aller Emotionalität nicht die Grenze zu justiziablen Einlassungen überschreitet :)…
Ich will mich einmal im direkten Kontakt zu Ihnen etwas moderater ausdrücken. Sie haben in Ihrer Ablehnung des Eilantrages argumentiert, die „Infektionszahlen seien trotz des Teil-Lockdowns im November nicht gesunken … und anschließend seit Anfang Dezember wieder deutlich angestiegen“ und daher sei „nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber nunmehr einen umfassenderen Ansatz gewählt habe, der auf die Reduzierung nicht zwingend erforderlicher persönlicher Kontakte durch ein weitgehendes ‚Herunterfahren‘ des öffentlichen Lebens ziele“. Sie behaupten, die explizite Schließung von Individualsportart-Anlagen wie Golfclubs „füge sich“ hier „schlüssig ein“.Sie belegen allerdings nicht oder liefern auch keinerlei Indizien, warum die Schließung von Golfanlagen hier tatsächlich eine signifikante Rolle spielen könnte. Kein Wunder, denn dies ist auch nicht der Fall. Wie auch „unverdächtige Quellen“ wie meine öffentlich-rechtlichen Kolleginnen und Kollegen berichten (ich selbst bin öffentlich-rechtlicher Wissenschaftsjournalist…) – die besorgniserregende Zunahme bei Inzidenzwerten und Todesfallzahlen (wohlgemerkt „im Zusammenhang“ mit Corona) geht seit dem „Lockdown-light“ weit überwiegend auf das Konto von Infektionen bei sehr betagten Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Pflegeheimen.
Wie kommen Sie auf die Idee, Begegnungen in Golfanlagen könnten einen auch nur irgendwie signifikanten Beitrag zum Infektionsgeschehen leisten? Sie argumentieren in ihrer Ablehnung des Eilantrages, eine Individualsportart wie Golf (die bei ihrer Ausübung eben absolut sicher ist, das können Sie nicht leugnen. Wir Golfspieler laufen eben aufgrund der Gefahren des Ballspielens immer in einem Mindestabstand und immer auch in nur einer Richtung ohne Begegnungsmöglichkeit über den Platz…) sei nicht „gänzlich unbedenklich.“ Es gehe nicht „allein um den Kontakt zu einem möglichen Mitspieler, sondern auch zu anderen Spielern, die die Anlagen zum gleichen Zeitpunkt nutzten und denen man etwa auf dem Parkplatz oder am Eingang begegne. Eine solche Begegnung könne – „weil sich viele Mitglieder eines Vereins oder Clubs auch kennen dürften – den Anreiz bieten, zu einem Gespräch zu verweilen.“
Jetzt muss ich Sie einmal fragen: Sind denn Begegnungen und Gespräche außerhalb eines Golfplatzes verboten? Nein. Welche Erkenntnisse haben Sie, dass erstens von kurzen Begegnungen und Gesprächen an der frischen Luft bei eingehaltenem Mindestabstand überhaupt eine Infektionsgefahr ausgeht? Und welche Erkenntnisse haben Sie, dass kurze Begegnungen und Gespräche auf dem von Ihnen hypothetisch als Gefahrenherd konstruierten „Parkplatz“ einer Golfanlage gefährlicher wären als kurze Begegnungen und Gespräche mit Nachbarn und Bekannten auf der Straße oder im Park? Welche Erkenntnisse haben Sie, dass das Gefahrenszenario auf einer Golfanlage überproportional gefährlicher sein könnte als das Normalszenario auf der Straße oder im Park? Welche Erkenntnisse haben Sie, dass die unbestrittenen psychischen und physischen Benefits der Ausübung des Golfsports – ohne Begegnungen – gegenüber der Ausübung von weiterhin erlaubtem Individualsport auf der Straße und im Park – mit Begegnungen – verboten werden müssten? Welche Erkenntnisse haben Sie dazu, warum der Golfsport in NRW verboten werden muss, nicht aber in anderen Bundesländern?
Ich bitte Sie, diese Fragen spätestens bei Ihren nächsten Entscheidungen in Erwägung zu ziehen.
Ich bin bislang ein demokratie-überzeugter Bürger und öffentlich-rechtlicher Journalist mit Vertrauen in die Justiz. Das kommt allerdings gerade leider schwer ins Wanken.
P.S. Es geht übrigens nicht um irgendeine vermeintlich elitäre Extrawurst für eine vermeintlich elitäre Community, die „sich mal nicht so anstellen soll“. Es geht bei den ganzen Corona-Maßnahmen um schwerwiegendste Einschnitte in unsere Bürgerrechte, um die Zerstörung von Existenzen und Lebensentwürfen. Das Austarieren dessen, was verhältnismäßig ist, ist eine schwierige Aufgabe für die Politik – die von Popularität und der Frage der Wiederwahl abhängig ist. Es ist die Aufgabe der Justiz, hier ggf. nachzujustieren – und zwar eben nicht mit einer Agenda, sondern mit einer ganz objektiven Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Gessat
Am Südpark 23
50968 Köln
Herr Gessat, Sie sprechen mir und vielen anderen aus dem Herzen und setzen sich mit überzeugenden Ausführungen mit einer letztlich liederlichen Begründung des OVG Münster auseinander. Ja, ich finde in solchen Fällen ist harsche Kritik erlaubt, sie muß erlaubt sein. Immerhin rütteln Entscheidungen wie diese an den Grundsätzen unserer FDGO und stützen etwas was unsere Bürgerrechte zutiefst verletzt.
Der Bürger hat auch ein Pflichtenheft notfalls zu erfüllen, nicht aber, wenn sie „Bar Jeder Vernunft“ sind!
Die Bar jeder Vernunft finden wir ganz leicht in Berlin (im Speckgürtel des Bundeskanleramtes).