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Email von Hillary Clinton: Hastu mal nen Dollar?

OK, das war klar, das ich Post bekommen würde. Als ich gestern die neue Hillary-Clinton-Unterstützer-App getestet habe, musste ich ja erstmal mit gefaketer US-Anschrift eine neue Apple-ID einrichten, um im US-Appstore „einkaufen“ zu können. Und dafür brauchte ich ja auch noch eine neue Emailadresse – die hab ich dann auch brav in der Clinton-App angegeben. Ich habe dann zuerst mal eine Mail von Apple bekommen – da sei ein App-Download mit meiner ID gemacht worden, und zwar aus Deutschland. Ob das in Ordnung sei. Ja, ist in Ordnung.

Und heute hat mir Hillary Clinton geschrieben. Höchstpersönlich. (Gestern hatte ich nämlich zunächst nur eine Mail vom „Hillary for America“-Team erhalten, dem Herausgeber der App.) Hillary, das muss man sagen, redet nicht lange um den heißen Brei herum. Denn die Situation ist bekanntlich sehr, sehr kritisch:

Marcel —

Thank you for being a part of this campaign. I’m thrilled to have you on my team, especially at such a critical time.

I’m counting on you to make sure we have the resources we need to take on Donald Trump. Can you chip in $1 right now?

It’s time to act on raising wages and reforming our immigration system. It’s time to change our gun laws and make education more affordable for our children. It’s time to make sure that all people are an equal part of our political process and our communities, regardless of your gender, race, or who you love.

It’s time we make sure that every single child has the chance to live up to their God-given potential.

We can’t wait any longer. I need you to stand with me by chipping in again to support that vision right now, Marcel. It’s the only way we can get this work done and keep Donald Trump out of the White House:

Donate $1

Thank you,

Hillary

Also ich mag ja, wenn Frauen direkt sind. Aber das ist jetzt doch etwas sehr direkt. Anstatt erstmal ein bisschen zu plaudern über die Situation, vielleicht über die App und was ich damit noch an Support leisten könnte, vielleicht über die politischen Interessen, die ich da per Slider eingestellt habe, vielleicht über das LGBT-Plakat oder über den Kühlschrank im Vintage-Look, die ich virtuell gekauft hab – nein, ich soll einen Dollar reinchippen. Einen Dollar? Einen lumpigen Dollar? In der App ging’s doch mit 3$ Untergrenze los? Irgendwie fühle ich mich da etwas beschmutzt. Wobei – Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist.

Aber ich habe eigentlich eher den Verdacht, das ist ein Fake-Check. Hillary will rauskriegen, ob es sich lohnt, mir weiter Mails zu schreiben. Ob ich nicht in Wirklichkeit doch ein verkappter Trump-Anhänger bin. Oder ein deutscher Journalist, der nur die App getestet hat. Das ist wie bei diesen 1-Cent-Testüberweisungen. Ganz bestimmt. Oder steht ihr das Wasser wirklich schon total bis zum Hals? Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich überhaupt was spenden darf, ohne Hillary am Ende in übelste Schwierigkeiten zu bringen. Wenn Donald rauskriegt, dass Marcel gar nicht Marcel heißt und seine Anschrift in Wirklichkeit die einer US-Universität ist.

Wenn man auf den Link klickt, dann soll man plötzlich wieder 5$ abdrücken. Und man muss bestätigen, US-Bürger zu sein. Dachte ich es mir doch. Aber geht das nicht über einen Umweg, über diese Spenden-Sammelstellen, diese PACs? Ich glaube, ich probier das mal aus. Am Ende hab ich Weltgeschichte geschrieben und werde ins Weiße Haus eingeladen. Fragt sich nur noch, von wem. 🙂

App „Hillary 2016“ – virtuelles Wahlkampfbüro für Clinton-Fans

Ein alternativer Account für den US-amerikanischen iOS-Appstore ist ja nicht so gaaanz konform mit den Nutzungsbedingungen von Apple, aber u.U. doch sehr praktisch. Wenn man z.B. Pokemon Go spielen will, bevor die App in Deutschland gelauncht wird. Oder wenn man mal – aus welchen Gründen auch immer – in den normalerweise dem amerikanischen Publikum vorbehaltenen Angeboten herumstöbern möchte. Zum Beispiel, um die Welt vor dem wahnsinnigen wandelnden Herrenwitz namens Donald Trump zu bewahren – und dafür lieber auch eine Vertreterin des Polit-Establishments zu unterstützen, die sicher ihre Schwächen hat, aber ganz bestimmt nicht wahnsinnig ist. (Das mit den charismatischen Lichtgestalten und Friedensnobelpreisträgern im Weißen Haus war ja auch schon etwas ernüchternd…)

Also eine GTA-V-Alternative ist die „Hillary 2016“-App jetzt nicht direkt geworden. Wäre ja auch gerade wenig opportun. Ein nettes Motivations- und Mobilisierungs-Vehikel für eh schon Überzeugte, die möglicherweise noch ein paar andere mobilisieren können, aber schon. Die LGBT-Plakate in der App habe ich übrigens „gekauft“, um den Aktivitäten von Peter Thiel und Milo Yiannopoulos etwas entgegenzuhalten. 🙂  Die beiden haben sich ja gerade aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen in ein Boot gesetzt mit Leuten, die ihnen aktuell nicht mal eine Hochzeitstorte verkaufen – und sie „an sich“ wahrscheinlich auch lieber gleich ertränken, teeren und federn würden, von wegen widernatürliche Unzucht und so. Ob der Donald sein Schutzversprechen auch nach der Wahl noch einhält? Oder vielleicht löst das toupierte Haupthaar ja bei den beiden auch irgendeinen Schlüsselreiz aus?

Alles Wahnsinn – „Hill is my girl“. Dummerweise haben ungebildete Nicht-Checker auch eine Stimme. Thiel ist ja auch für die Diktatur – jetzt läuft das aber hier in unverantwortlichen Zirkelschlüssen. Kohle abdrücken kann man in der App übrigens auch.

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Aber letzlich geht es eben um Menschen, die ihr Kreuzchen an der richtigen Stelle machen. Hoffentlich.

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App „Hillary 2016“ ausprobiert: Und welchen Unsinn hat Trump noch mal verzapft? – SPIEGEL ONLINE

Spiegel Online – Netzwelt vom 25.07.2016

Wikileaks-AKP-Email-Leak: Seltsame Tweets, bislang keine Sensationen

Auch einen Tag nach der Veröffentlichung des „ersten Teils“ von Mails der türkischen Regierungspartei AKP zeichnet sich nicht ab, dass Wikileaks mit der jüngsten Aktion Weltgeschichte schreiben wird. Im Gegenteil – ganz offenbar machen sich viele Türken, die das Material gesichtet haben, auf Twitter über die Belanglosigkeit lustig. Motherboard.vice.com hat den Stand der Dinge erst einmal zusammengefasst: „Das Saftigste, was der AKP-Leak bisher enthüllt hat, ist diese Grießspeise“. Und stellt erneut zu Recht die Frage, ob die Verletzung der Privatsphäre hier eigentlich in Verhältnismäßigkeit zum Erkenntnisgewinn steht.

Bei Wikileaks hatte man die Veröffentlichung ja wegen des Putsches in der Türkei vorgezogen – das mag eine kleine Entschuldigung sein dafür, dass man selbst offenbar nichts strukturiertes zum Inhalt des Materials vorzutragen hat. Zumindest die für den Twitter-Account von Wikileaks Verantwortlichen scheinen jedenfalls keine übermäßige journalistische Kompetenz zu haben – warum man eine selbst mit Google Translate als völlig unseriös identifizierbare Quelle wie „Yeni Safak“ über die angebliche Planung des Putsches durch die USA retweetet, ist ein Rätsel.

Und ein ziemlicher Hammer ist dieser Tweet hier:

Der angebliche Beleg für die Relevanz des AKP-Leaks verweist auf die Website thecanary.co; in dem dortigen Artikel wird über ein Treffen des türkischen Innenministers mit dem Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan, Masoud Barzani referiert. Eine Suche nach dieser Passage im AKP-Material bleibt aber ohne Treffer – kein Wunder, denn die „hacked mail, courtesy of Wikileaks“ stammt aus den Cables-Leaks und aus dem Jahr 2010. Keine Spur von einem (neueren) „geheimen Treffen“ also, keine Spur von einem Bezug auf die aktuelle Situation und auf den neuen Leak – das grenzt stark an Desinformation. In den Reaktionen auf den Tweet gibt es diverse entsprechende Bemerkungen – mittlerweile auch von mir – aber natürlich wird so etwas erst einmal ungeprüft retweeted und geliked.

Ich nehme einmal zugunsten von Wikileaks an, dass die Fehlleistungen auf Schlampigkeit beruhen („oh, da kommt ein Hashtag Wikileaks rein, da hat jemand was gefunden in unserem Material, das hauen wir sofort raus“…) und nicht etwas bewusst in die Irre führen sollen.

Mittlerweile steht das geleakte Material übrigens auch bei Archive.org zur Verfügung, die Website von Wikileaks hingegen wurde heute zeitweise von Mozilla als mit Schadsoftware verseucht gemeldet.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 21.07.2016 (Moderation: Diane Hielscher)

 

Und Tusch – wie schon gestern aufgrund der Wikileaks-Formulierung zur Quelle des Materials gemutmaßt – es war wahrscheinlich ein Hack eines renommierten Hackers 🙂 (der selbstverständlich eine nur allzu bekannte Maske trägt 🙂 …)

 

P.S. 22.07.2016:  Wikileaks hat eingestanden, einen Fehler gemacht zu haben:

Ich denke allerdings, da hat hat nicht „someone“ etwas falsch zitiert, sondern die Fehlinterpretation geht auf die Kappe von Wikileaks – bei thecanary.co stand an der Stelle nur „Mail“, nicht AKP-Mail (siehe Screenshots). Mittlerweile hat die Website ihren Text dort auch geändert, jetzt heißt es (zutreffend…) zur Herkunft der Passage, es sei „an extract from a cable, courtesy of Wikileaks“.

P.S. 2 Beim Hochladen auf Archive.org hat es auch noch eine fette Datenschutzpanne gegeben. Das sind halt die Transparenz-Kollateralschäden.

P.S. 3 Edward Snowden hat sich von der „alles raushauen, Kollateralschäden egal“-Mentalität von Wikileaks distanziert. Volle Zustimmung.

Wikileaks veröffentlicht 300.000 Mails der türkischen Regierungspartei AKP

Theoretisch könnte Wikileaks mit seiner jüngsten Aktion Weltgeschichte schreiben. Wenn man nämlich in den 294548 Mails irgendwo Hinweise darauf finden würde, dass der gescheiterte Militärputsch in Wahrheit eine Inszenierung von Präsident Erdogan war. Oder dass ihm zumindest die Pläne vorab bekannt waren und er die Verschwörer ins Messer laufen ließ, um nun durchzuregieren. Aber die Chance für eine solche Sensation geht gegen Null. Denn der gehackte oder geleakte Account war, wie die Enthüllungsplattform ja auch schreibt, der für die Außenkommunikation – nicht etwa ein interner Kommunikationskanal für möglicherweise vertrauliche oder heikle Angelegenheiten der Partei.

 

Dass da also irgendjemand nach außen herumposaunt hat „so machen wir das mit der Verschwörung“, ist so gut wie ausgeschlossen – dass die Mails „irgendwie“ interessant sein könnten, davon kann man hingegen ausgehen. Interessant wäre es ja allerdings auch irgendwie, die Mails von CDU und SPD zu lesen, oder die Post von Oma Kruppke aus der Parkallee 🙂 . Wie immer bei Wikileaks-Veröffentlichungen stellt sich die Frage nach der Legitimität – die jedesmal nur darin bestehen kann, dass man abwägt und das Interesse der Öffentlichkeit höher einschätzt als das Recht auf Vertraulichkeit bzw. als die negativen Folgen für die Betroffenen. Das war schon bei den „Botschafts-Depeschen“ zweifelhaft.

Bis türkischsprachige Journalisten das Material gesichtet und ausgewertet haben, dürften noch ein paar Tage ins Land gehen – und in der Türkei selbst dürfte diese Sichtung bzw. eine Publikation der Ergebnisse zur Zeit eher nicht stattfinden. Wer in diesen Tagen dort Internetblockaden (der Zugang zu Wikileaks ist momentan gesperrt) umgeht und das bekannt werden lässt, bringt sich möglicherweise in Lebensgefahr. Und in den türkischen Redaktionen im Ausland hat die aktuelle Berichterstattung über Erdogans Antwort-Maßnahmen nach dem Putsch Priorität.

Eine erste Einschätzung aber gibt es aber inzwischen auch von türkischen Kollegen und Kolleginnen – das geleakte Material scheint ziemlich banal zu sein. Offenbar sind die Hälfte der Mails lediglich Bounce-Messages, und überwiegend scheint es sich wohl auch um Nachrichten von Außenstehenden an AKP-Politiker zu handeln und nicht umgekehrt. Immerhin: Wer nach dem berühmten „Böhmermann-Gedicht“ sucht, wird fündig 🙂 .

DRadio Wissen · Türkei: 300.000 Mails der AKP geleakt

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 20.07.2016 (Moderation: Diane Hielscher)

iAWACS: Hacker versucht Krisen-Vorhersage am heimischen PC

Als vor ein paar Tagen in den USA ein Schwarzer bei einer Polizeiaktion erschossen wurde, als danach die Proteste starteten, die Demonstration in Dallas, dann dort die Schüsse auf die Polizei – da zeigte sich wieder einmal, dass eigentlich mittlerweile im Netz – über Twitter oder Facebook; über die Live-Postings von Bildern und Videoclips – eine Live-Dauerschalte läuft. Und zwar zu allen Orten und Themen gleichzeitig, von belanglosem bis hin zum dramatischen. Da kommt natürlich immer wieder die Idee auf den Schirm, ob man nicht aus diesem Informationsdauerfeuer im Netz ablesen kann, was gerade passiert – oder besser noch, was gleich passieren wird. Der US-amerikanische Hacker „Jester“ hat eine Seite ins Web gestellt, die genau so etwas verspricht.

Das InternetAWACS ist allerdings momentan noch eine Beta-Version, die offenbar auch gar nicht ständig „scharfgeschaltet“ ist – das dürfte nicht zuletzt mit den Kosten zu tun haben, die ein möglichst globales Abgreifen und Auswerten von Tweets verursachen würde. So etwas kann man sich auch als Privatperson etwa in einer AWS-Instanz bei Amazon einrichten – allerdings nicht in einer der Billigversionen. Die übrigen Komponenten von iAWACS sind in der jetzigen Form nicht viel mehr als Gimmicks – das Flugbewegungs-Overlay macht optisch etwas her, dürfte aber in den allermeisten Fällen wenig Informationsgewinn bringen, die Watson-KI ist nicht integriert, sondern kann nur gesondert aufgerufen werden.

Man darf aber getrost davon ausgehen, dass bei NSA und Konsorten die „Profiversionen“ eines Netz-Frühwarnsystems im Einsatz sind – nur ob sie da schon irgendwelche sinnvollen Ergebnisse bringen, darf bislang bezweifelt werden. Und selbstverständlich – auch wir Journalisten hätten gern so ein Tool. Im Grunde gilt aber unser methodisches Dilemma dann auch wieder für die Schlapphut-Branche (und auch für „Cyber-Vigilanten“ 🙂 ): Eine Netzquelle, die sich nicht verifizieren lässt, ist in Prinzip völlig wertlos. Oder schlimmer; Bullshit, Fake und Desinformation.

Terrorgefahr: Hacker versucht Krisen-Vorhersage am heimischen PC – SPIEGEL ONLINE

Spiegel Online – Netzwelt vom 12.07.2016

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 11.07.2016 (Moderation: Till Haase)

Wenn Software über Leben und Tod entscheidet

Es gibt ein erstes Todesopfer in einem Auto mit eingeschaltetem Autopiloten, einem Tesla. Der Fall ereignete sich bereits im Mai, das Unternehmen gab den Vorfall nun mit dem Ausdruck des tiefsten Bedauerns bekannt. Und man darf wohl annehmen, dass jedenfalls einigen Insidern und Silicon-Valley-Nachbarn von Tesla das Unglück schon bekannt war, während sie in dieser Woche auf der Fachmesse ConCarExpo 2016 in Düsseldorf ungebrochenen Technik-Optimismus verbreiteten.

Möglicherweise ja vielleicht sogar zurecht – denn das Argument lautet schlicht und ergreifend: In der Gesamtbilanz werden selbstfahrende Autos (mit assistierenden Autopiloten wie im Fall Tesla oder eben als nächste Perspektive völlig autonom agierende Vehikel…) die Zahl der Unfälle und Opfer senken.

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Vortrag „Impact Assessment Methods for Automated Driving with regard to Road Safety“, 29.6.2016

Was nicht heißt, dass es nicht ab und zu tödlich verlaufende Crash-Szenarien geben könnte und weiter geben wird – sei es durch Soft- oder Hardware-Unzulänglichkeiten, sei es in tatsächlich „ausweglosen“ Situationen, in denen der Algorithmus nur noch zwischen zwei Übeln wählen bzw. abwägen kann.

Das kürzlich in „Science“ noch einmal prominent dargestellte ethische Dilemma spielte auch auf der ConCarExpo eine Rolle – immerhin beschäftigten sich mehrere Vorträge im Konferenzprogramm mit dem Thema. Einer der Referenten war Jason Millar, der Philosophie (mit dem Schwerpunkt Technik- und Robotik-Ethik) an der Carleton-Universität im kanadischen Ottawa lehrt. Eine „Patentlösung“ hat natürlich auch Millar nicht anzubieten – er plädiert aber ganz klar für maximale Transparenz, wie Algorithmus-Entscheidungen eigentlich zustande kommen. (Eine besondere Herausforderung, wenn neuronale Netzwerke und Deep Learning mit im Spiel sind…)

Und dann müsse eine politisch-demokratische Diskussion und Konsens- (oder zumindest Mehrheits-) findung einsetzen und Regeln festlegen. Wie bei allen Regeln oder Gesetzen mit eventuellen Härten für Einzelne, aber mit einer grundsätzlichen Akzeptanz durch die Gesellschaft.

At least if regulators are making decisions about how these problems get solved in engineering, people can make choices whether they participate in using this type of technology, they can feedback into the legislation or regulation process and provide their input. As the sense right now companies are doing this behind closed doors. So we don’t really know how they are thinking about solving these problems. And we do know that they are thinking about solving these problems.

Wenn der Gesetzgeber hier Entscheidungen trifft, wie diese Probleme in der technischen Entwicklung gelöst werden sollen, dann können die Leute zumindest ihre Wahl treffen, ob sie eine solche Technologie nutzen wollen. Sie können auf den Gesetzgebungs- oder Regulierungsprozess reagieren und ihre Argumente vorbringen. Momentan läuft das Ganze bei den Firmen hinter verschlossenen Türen ab. Wir wissen nicht genau, was sie denken, wie sie diese Probleme lösen wollen. Wir wissen aber, dass sie schon konkret darüber nachdenken.

Sowohl das ausweglose-Situation-Dilemma als auch der aktuelle Todesfall (bei dem die „Schuld“ ohnehin zu einem erheblichen Teil auch beim verunglückten Fahrer liegen dürfte, weil das Tesla-System ja kein wirklicher „Autopilot“ ist, sondern immer noch die menschliche „Hand am Lenkrad“ und den Fuß an den Pedalen voraussetzt…) zeigen aber in den Reaktionen eines doch sehr deutlich: Wir Menschen sterben „lieber“ durch den Fehler oder durch die Unzulänglichkeit eines anderen Menschen als durch den Fehler oder die Unzulänglichkeit einer Software oder eines Roboters. Jedenfalls zur Zeit noch.

Algorithmus soll über Leben und Tod entscheiden · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Grünstreifen vom 01.07.2016 (Moderation: Steffi Orbach)

Einreise in die USA: Behörden wollen Social-Media-Accounts abfragen

Fällt demnächst der Urlaub in den Staaten flach, wenn man nicht ein unverdächtiges Facebook- oder Twitter-Konto vorweisen kann? Eine geplante Erweiterung des berüchtigten Einreisefragebogens sorgt für Aufregung.

Einreise in die USA: Behörden wollen Social-Media-Accounts abfragen – SPIEGEL ONLINE

Spiegel Online – Netzwelt vom 27.06.2016

Facebook und Youtube wollen extremistische Videos automatisch löschen

Tapfere Wüstenkrieger im vollen Galopp, in der rechten Hand den Säbel oder die grüne Fahne des Propheten – das Ganze gibt’s natürlich auch in der modernen Version mit dahinbrausenden Pick-Up-Kleinlastern und Kalaschnikoff statt Schwert: Die Werbevideos des „Islamischen Staates“ und anderer Extremistengruppen sind für manch einen jungen Mann der Auslöser, sich aufzumachen in den „heiligen Krieg“; entweder im Nahen Osten oder halt direkt zuhause. Kein Wunder also, dass Facebook und YouTube unter einigem Druck stehen, solches Material möglichst schnell zu erkennen und nach einem Upload wieder zu löschen.

Wie Reuters berichtet, haben beide Plattformen jetzt offenbar einen Algorithmus eingeführt, der extremistische Videos automatisch blockt – und technisch gesehen funktioniert der allem Anschein nach ähnlich wie beim Aussieben von „urheberrechtlich geschützten Material“ oder von Kinderpornografie. Zwei Probleme gibt es allerdings dabei: Zum einen liefert der „Islamische Staat“ im Gegensatz zur Content-Industrie die digitalen Fingerabdrücke, die Hash-Werte den Internetplattformen nicht frei Haus, zum anderen ist die manuelle Einstufung „was ist extremistisch, was nur problematisch, aber noch von der Meinungsfreiheit gedeckt?“ äußerst heikel.

Elegant, sinnvoll und auch theoretisch möglich wäre natürlich auch die automatische Detektion oder Klassifizierung von Terror-Videos – aber ob so etwas beim Facebook- und Google-Verfahren derzeit schon zum Einsatz kommt, darüber schweigen sich die Anbieter mit gutem Grund aus. Zum einen wollen sie den extremistischen Uploadern keinen Hinweis geben, wie die Blockade zu umgehen ist, zum anderen den „lupenreinen Demokratendieser Welt auch keine Blaupause an die Hand geben, wie sie missliebige Stimmen der Opposition mit einem Mausklick (bzw. eben einem Algorithmus im eigenen Netz-Herrschaftsbereich…) mundtot machen können.

DRadio Wissen · Neue Software: Youtube will automatisch extremistische Videos löschen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 27.06.2016 (Moderation: Till Haase)

Selbstfahrende Autos – wen soll der Algorithmus sterben lassen?

Im Moment, da gondelt ein Google-Prototyp durch Kalifornien – einen kleinen Blechschaden hat das Auto-Auto ja schon verursacht. Wobei – da war noch ein Fahrer mit an Bord; für den Notfall. So ähnlich ist das auch bei den streng kontrollierten Experimenten anderer Hersteller. Im Moment ist also die ganze Diskussion noch ein Gedankenspiel. Aber eigentlich auch schon nicht mehr – denn die Software, die Steuerungs-Algorithmen für selbstfahrende Fahrzeuge werden ja jetzt gerade entwickelt. Und in ein ein paar Jahren wird das Ganze kommen. Definitiv.

Denn völlig klar: selbstfahrende Autos (also richtige Autos…) sparen jede Menge Ressourcen. Sie sind in einem optimierten Tempo unterwegs, in optimierten Abständen zu anderen Fahrzeugen (was z.B. Staus zu vermeiden hilft…). Der Passagier oder die Passagiere können die Transferzeit zu sinnvolleren Dingen nutzen, als sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Sie können arbeiten, entspannen, schlafen. Wie mit einem Chauffeur halt. Und wenn dazu dann ein Car-Sharing-Modell kommt, dann haben die Vehikel auch eine vernünftige Nutzungsfrequenz und stehen nicht nur teuer herum.

Ein menschlicher Chauffeur allerdings lenkt sich selbst und seinen Chef eher nicht vor eine Betonwand, wenn unverhofft Fußgänger die Fahrbahn betreten und ein Bremsen nicht mehr möglich ist. Wenn es also darum geht, Entscheidungen zu treffen: Leben gegen Leben, Gesamtschaden gegen Gesamtschaden. Soll ein autonomes Vehikel seinen Fahrgast/seine Fahrgäste um jeden Preis schützen und dann im Zweifelsfall eine Mehrzahl anderer Leben auslöschen? Oder „nüchtern“ kalkulieren und dann im Zweifelsfall den eigenen Passagier oder die Passagiere opfern (solange das Ding kein eigenes Bewusstsein hat, ist der eigene Exitus ja kein Problem…) für die bessere Gesamtbilanz?

Ja, sagen Testpersonen in einem Experiment von Wissenschaftlern, das in der aktuellen Ausgabe von „Science“ veröffentlicht ist; die Schadensabwägung ist grundsätzlich ethisch plausibel und wünschenswert. Nur – wenn die Befragten selbst in dem fraglichen Vehikel sitzen würden, oder ihre Verwandten oder Freunde? Dann fällt die Entscheidung plötzlich anders aus. Wie völlig heikel die Abwägungen sind, die der Algorithmus in jedem selbstfahrenden Vehikel treffen muss, das lässt sich sehr eindrucksvoll selbst nachvollziehen – auf der Website moralmachine.mit.edu. Dass man normalerweise drei Hunde eher „opfern“ würde als drei Menschen, ist klar. Aber lieber Männer oder Frauen? Alte oder junge Personen? Eine Schwangere eher als einen Alten-Sack-Einzelfahrer?

Das Ganze ist keine technische, sondern eine ausschließlich moralisch-ethische Frage und vielleicht trotzdem der Knackpunkt, ob und wie schnell sich die (im Sinne der Ressourcen-Gesamtbilanz…) wünschenswerte Innovation durchsetzen kann. Regulative, gesetzgeberische Vorgaben in Richtung „Schadensgesamtbetrachtung“ wären kontraproduktiv, sagen die Wissenschaftler: Zumindest nach der Tendenz der Befragten würden Autos, die im Zweifelsfall ihre Eigner opfern (müssen…) schlichtweg nicht gekauft. Möglicherweise aber verändert sich diese Perspektive, wenn Autos nicht mehr Privatbesitz, Statussymbol oder Liebesobjekt sind, sondern nur noch gesharetes Transportvehikel.

Und noch ein Gedanke, der in dem Experiment nicht vorkam: Was ist eigentlich mit einer eventuellen Schuldfrage? Sollte es für den Algorithmus nicht (ebenso wie zurzeit bei posthum-Gerichtsverhandlungen…) eine Rolle spielen, ob die Todeskandidaten ihr Ableben durch Fahrlässigkeit und Regelüberschreitung selbst herbeigeführt haben? Die bei-Rot-über-die-Ampel-Renner und die aufs-Smartphone-Starrer – soll ich als Insasse eines selbstfahrenden Vehikels für die sterben müssen, wenn die gerade in der Mehrzahl, aber eigentlich nur schlicht zu blöd zum Überleben sind?

Fragen über Fragen. Da kommt dann auch noch die Haftung eines Vehikel-Herstellers mit ins Spiel. Ist alles momentan ein Gedankenexperiment. Aber – so schreiben das auch die Forscher: Eines, das von fundamentaler Bedeutung ist. Auch für andere Gebiete, wo Algorithmen zu Akteuren werden.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 24.06.2016 (Moderation: Thilo Jahn)

Terrorprognose mit Social Media – origineller Ansatz, vage Resultate

Was sich in den vermeintlich virtuellen Welten von Facebook, Twitter, dem chinesischen Baidu oder dem russischen Vkontakte abspielt, das spiegelt die Interessen, Überzeugungen und Stimmungen von realen Menschen wider. Es kann aber auch Entscheidungen und Handlungen von realen Menschen verändern, verstärken oder überhaupt erst auslösen – vom Kauf eines Produkts, der Wahl eines Politikers bis hin zur Ausführung eines Terroranschlags. Und dementsprechend interessieren sich nicht nur Werbeindustrie, Versicherer und Finanzwelt brennend dafür, wie solche dynamischen Prozesse in den Social Networks funktionieren, sondern auch Regierungen, Sicherheitsbehörden und Geheimdienste.

Nach der Untersuchung zur besonderen Rolle von Frauen bei IS-Aktivitäten im Netz legt das selbe Wissenschaftlerteam In der aktuellen Ausgabe von Science eine zweite Studie vor, die ebenfalls auf der Beobachtung von islamistischen Unterstützergruppen auf VKontakte beruht. Sie baut zum Teil auf einer früheren Arbeit aus dem Jahr 2013 auf, die bezeichnenderweise im Rahmen des IARPA-Programms des US-amerikanischen Geheimdienstkoordinators initiiert und gefördert wurde. In der Projektausschreibung wird deutlich, welche Informationen bzw. Prognosen die US-Dienste (und nicht nur die…) gerne aus Social-Media-Quellen herausdestillieren würden, nämlich zu:

  • Unruhen (aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen, gewaltsam oder nicht)
  • Wahlen und Referenden (bzw. deren wahrscheinlicher Ausgang)
  • Epidemien oder Pandemien (Grippe, Cholera, Gelbfieber etc.)
  • Wirtschaftsereignisse von großer Relevanz (Aktienmarkt- oder Währungseinbrüche)

Tatsächlich eignet sich das aus der Physik bzw. Chemie entlehnte mathematische Modell der „Phasenübergänge“ offenbar ganz gut zur Beschreibung der Social-Media-Aktivitäten von regierungskritischen Bürgergruppen in mehreren südamerikanischen Staaten bzw. dann auch zur zeitlich treffenden Prognose von Massenprotesten. Die liegen in einem solchen politischen Szenario aber auch logischerweise „in der Luft“ und können als erwartbares und weitgehend legitimes Ausdrucksmittel einer Zivilgesellschaft gesehen werden.

Die Presseankündigung zu der Science-Veröffentlichung (und vielleicht auch die Äußerungen des Hauptautors) versprechen nun allerdings mit dem Fokus auf islamistischen Extremismus mehr, als das mathematische Modell halten kann – von der Möglichkeit, „größere gewaltsame Ereignisse“ aus IS-Social-Media-Aktivitäten heraus vorherzusagen war da die Rede. Da denkt man natürlich an Terroranschläge und konkrete Warnsignale, de facto hat das mathematische Modell aber im Untersuchungszeitraum nur ein einziges signifikantes bzw. zuordenbares Signal geliefert. Es passt zeitlich auf die IS-Offensive auf Kobane 2014 – die Forscher hätten aber weder den Ort noch die Art des Ereignisses „liefern“ können.

Das wird Interessenten beim Geheimdienst nicht gerade aus ihren Sesseln fegen, und auch das Editoren-Team bei Science wünschte sich da wohl noch etwas mehr „Butter bei die Fische“, wie Koautor Stefan Wuchty mit charmanter Offenheit verrät:

Die haben gemeint; das ist ja alles recht gut und schön, aber was heißt das jetzt?

Und so bringen die Wissenschaftler noch eine zweite naturwissenschaftliche Analogie mit ins Spiel bzw. in ihr Modell – das gruppendynamische Verhalten der IS-Unterstützer unter Verfolgungsdruck (von Plattformbetreibern, Hackern und Geheimdiensten) trägt Züge einer Jäger-Beute-Balance und der dabei auftretenden Kosten-Nutzen-Erwägungen. Herauskommt eine zweite Empfehlung für nachhaltigere Anti-IS-Aktionen im Netz (neben der aus dem anderen Paper, bei den Frauen anzusetzen…): Besser die kleinen Gruppen attackieren, als die großen – auch hier bleibt der praktische Wert reichlich vage.

Internet – Terrorprognose mit Socia Media

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 17.06.2016 (Moderation: Uli Blumenthal)