Ende Januar hatte die chinesische Regierung bekanntgegeben: VPN-Anbieter brauchen ab sofort eine behördliche Genehmigung, wenn sie ihre Dienste fortführen wollen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Denn natürlich ist eine solche „Genehmigung“ in einem nicht-demokratischen Staat keine reine Formsache oder Qualitätskontrolle, sondern bedeutet: Vor dem mitlauschenden WLAN-Betreiber mag ein behördenkonformer VPN-Dienst vielleicht noch schützen, nicht aber vor der mitlauschenden Behörde.
Die wichtigsten, beliebtesten und von ihren Usern bislang als vertrauenswürdig eingeschätzten VPN-Apps, laut Informationen der BBC mindestens 60 an der Zahl, hat Apple jetzt aus dem chinesischen App-Store geworfen – sie enthielten, so die Erklärung des Unternehmens, „unzulässige Komponenten“. Soll heißen – sie hatten keine Genehmigung oder Zulassung und verstießen also gegen die gesetzliche Regelung. Apps müssen die gesetzlichen Bestimmungen des Landes einhalten, in dem sie verfügbar gemacht werden, zitiert Apple aus seinen Geschäftsbedingungen.
Und trotz dieser Erläuterungen: Natürlich steht der Vorwurf im Raum, Apple hätte Kotau vor einem Unrechtsregime gemacht, nur um sein Geschäft fortführen zu können. Das Unternehmen habe seinen eigenen Anspruch unterminiert, allen Begehrlichkeiten von Regierungen – demokratischen wie nicht-demokratischen – zu trotzen und die Sicherheit und Verlässlichkeit von iPhones und iOS und der damit abgewickelten Kommunikation zu schützen. Wie soll Apple in Zukunft – fragt Techcrunch – gegen die Entschlüsselungs- und Backdoor-Wünsche der eigenen Regierung argumentieren?
Die Kritik ist natürlich ganz und gar nicht abwegig, das Dilemma für Apple ist unverkennbar und schmerzhaft – und doch gibt es noch ein paar wichtige Details, warum ein Nachgeben auf einem einen Schauplatz noch nicht ein Einknicken auf der ganzen Linie bedeuten muss. Punkt eins: es macht einen gewaltigen Unterschied, ob es in einem bestimmten App-Store bestimmte Apps nicht mehr gibt – oder ob das ganze Betriebssystem kompromittiert ist. Punkt zwei: es macht einen gewaltigen Unterschied, ob ein Widerstand gegen eine unliebsame Regulation überhaupt Sinn macht.
Das hört sich opportunistisch an – aber einmal ganz ehrlich: Seit wann ist ein Unternehmen, dass seinen Aktionären Rechenschaft über den Geschäftserfolg schuldig ist, eine Freiheitskampf-Organisation? Sollten nicht alle deutschen (und amerikanischen…) Firmen alle Geschäftsbeziehungen zu China, zum Iran, vielleicht auch zur Türkei aus „moralischen Gründen“ abbrechen? Das ist relativ naiv und vielleicht auch einfach kontraproduktiv – und auf jeden Fall eine politische, nicht primär eine Entscheidung von Unternehmen – außer die „Moral-Dividende“ ist höher als der entgangene Gewinn 🙂 .
Ich bin ja selbst gespalten in der Sache: Von Google und Facebook erwarte ich einerseits, dass sich die Herrschaften gnädigerweise an deutsches oder europäisches Datenschutzrecht halten, wenn sie hier Geschäfte machen. Andererseits: Urteile wie das aus München, Wien oder aus Frankreich zur Löschpflicht bei Facebook und Google, demzufolge nationales Recht weltweit umzusetzen ist, die machen mir wieder Bauchschmerzen. Weil dann natürlich eigentlich auch Urteile aus Istanbul, Riad oder Pjöngjang weltweit umzusetzen wären. Im Moment versucht ja gerade Google, ein Urteil aus Kanada in den USA wieder kassieren zu lassen. 🙂
Warum dem lupenreinen Demokraten Vladimir Putin die VPNs ebenfalls ein Dorn im Auge sind, ist klar. Zumindest unsere Politiker im „freien Westen“ täten also gut daran, nicht unter der Flagge „Terrorbekämpfung“ in die gleichen Gefilde zu dampfen.
Virtual Private Networks: Apple wirft VPN-Apps aus dem chinesischen App-Store · Deutschlandfunk Nova
Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 31.07.2017 (Moderation: Till Haase)