Archiv für den Monat: Mai 2018

EU-Datenschutzgrundverordnung: Last-Minute-Aktionen, Erpressung und Resignation

Ich habe ja meine Impressum/Datenschutz-Seite auch erst vor zwei Tagen angepasst, wobei ich natürlich meinen unheimlich lustigen und lockeren Duktus beibehalten hab, den ich dort bislang auch schon gepflegt hatte. Damit erfülle ich die Anforderungen der DSGVO in Hinsicht auf „verständliche Sprache“ selbstredend viel besser, als die gutgemeinten Muster-Datenschutzerklärungen, die es jetzt im Netz so gibt und in denen aber noch viel herumgeschwurbelt wird a la „unser Unternehmen ist selbstverständlich bemüht, Ihnen ein ganz tolles datenschutzkonformes Benutzererlebnis beim Besuch unserer Special-Interest-‚Perverse‘-Sexpraktiken-sind-total-ok-Website“ zu liefern. 🙂

Muster-Datenschutzerklärungen „einfach so“ unverändert zu übernehmen, zeugt vielleicht von gutem Willen, ist aber andererseits Wasser auf die Mühlen von Abmahnanwälten. Denn deren schon immer ziemlich „gefickt eingeschädelte“/völlig absurde Argumentationsfigur ist ja: Der Datenschutz-Delinquent hat den (auch finanziellen…) Aufwand gescheut, einen datenschutzkonformen Webauftritt zu generieren – und sich damit einen wettbewerbsrechtlichen Vorteil gegenüber unseren ach so gesetzestreuen Auftraggebern verschafft. Ich schätze mal, dass es wahrscheinlich schon ein paar Anwalts-Arschlöcher geben wird, die auf diese Weise versuchen werden, etwas Kohle abzuzocken.

Das Abmahn-Business beruhte ja immer schon zu einem Gutteil auf Bluff – auf jeden Fall liefert die DSGVO keinerlei neue Aspekte für wettbewerbsrechtliche Ansprüche oder Abmahnungen – rein datenschutzrechtliche Verstöße dürfen nur Behörden oder zugelassene Verbände bemängeln. Wer also tatsächlich in nächster Zeit ein entsprechendes Schreiben oder eine entsprechende Mail von einem Anwalt erhält, sollte relativ gelassen bleiben und sich erst mal informieren – mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ist die Abmahnung missbräuchlich, das behauptete Wettbewerbsverhältnis und der angeblich erzielte Wettbewerbsvorteil gar nicht existent. Einfach nicht reagieren ist leider wie immer aufgrund der juristischen Automatismen auch keine gute Idee.

Ich habe in der Sendung gesagt: „Keine Panik.“ Bei Fotografen – und generell halt bei allen, die Fotografien von anderen Personen online veröffentlichen – da bin ich mir allerdings auch noch nicht ganz sicher. Sind die bislang gültigen „Privilegien“, die wohlgemerkt Fotografen überhaupt erst ermöglichen, Aufnahmen mit irgendwelchen – auch zufällig oder beiläufig abgebildeten Personen – ins Netz zu stellen, weiterhin gültig? Oder „toppen“ die Vorschriften der DSGVO die bislang gültigen „Privilegien“? Nach gesundem Menschenverstand dürfte das „eigentlich“ nicht sein. Eigentlich. 🙂

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Noch mal ganz klar: Die DSGVO ist natürlich nicht dazu eingeführt worden, um uns Normal-Usern Probleme zu bereiten. Sondern um den „Big Playern“ in den Arsch zu treten. 🙂 Max Schrems, der Facebook-Nerver und mittlerweile Chef bei der Datenschutz-NGO-Gruppe „NOYB“ (die ich übrigens finanziell unterstütze, das mal als Disclaimer…) hat direkt kurz nach Mitternacht losgelegt und gegen die „Friss-Vogel-oder-stirb-Datenschutz-Policy„, die gegen das „Koppelungsverbot“ der DSGVO verstößt, Einspruch eingelegt.

EU-Datenschutzgrundverordnung · Dlf Nova

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 25.05.2018 (Moderation: Till Haase)

US-Gericht: Trump darf keine Twitter-Follower blocken

Ich selbst, das ist kein Geheimnis, bin ja eher kein großer Fan von Donald Trump. Von daher bin ich natürlich auch kein Follower von @realdonaldtrump; in dem speziellen Fall schafft da schon allein die semantische Konnotation („Führer, wir folgen dir“…) eine definitive No-Go-Condition – obwohl man das aus journalistischem Interesse auch alles viel pragmatischer sehen könnte. Wobei ich selbstredend die härtesten Kracher aus der Zwitscher-Tastatur des „Orange One“ auch so mitbekomme, wenn Kollegen darüber berichten – und die Timeline des Präsidenten-Darstellers angucken kann ich ja auch eh.

Nur reagieren auf Trumps Tweets, direkt in seiner Timeline, kann ich so natürlich auch nicht; aber das wäre wahrscheinlich vom journalistischen Neutralitäts-Standpunkt her eh keine gute Idee – wobei, hier in meinem privaten Blog bin ich ja auch nicht neutral. Das ist aber wiederum mein privater digitaler Raum, wo ich die Regeln setze. Schwierige Abwägungen – und genau darum ging es eben auch beim juristischen Streit um die Frage: Ist @realdonaldtrump ein privater Account oder ein öffentliches Forum der US-Regierung? Natürlich letzteres, hat eine US-Bundesrichterin jetzt entschieden und der Klage von Beschwerdeführern stattgegeben, die nicht hinnehmen wollten, vom POTUS (bzw. seinem PR-Team…) wegen ihrer unliebsamen Tweets oder Meinungen einfach „geblockt“ zu werden.

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Ein sehr interessanter Aspekt, darauf haben Experten bei Wired hingewiesen, ist die Frage nach der eventuellen Übertragbarkeit des Richterinnenspruchs auf andere Streitfälle von digitalem Hausrecht und „Aussperrung“. Aber es gibt ja noch einen weiteren Riesen-Knackpunkt: Unzweifelhaft (wie im Fall von @realdonaldtrump…) oder auch diskutierbar öffentliche digitale Foren laufen nicht auf eigenem Webspace und eigenen Domains, sondern auf privaten Plattformen – eben auf Twitter oder Facebook, bei Google oder Apple. Und theoretisch oder eben auch praktisch können die privaten Plattformen jeden dieser Accounts von heute auf morgen abschalten, weil da angeblich oder vermeintlich gegen die TOS verstoßen wurde.

Und nicht jeder Betroffene kann wie der Präsidenten-Darsteller im Weißen Haus im Zweifelsfall den Secret Service oder die Ledernacken losschicken, um einem herumzickenden linksintellektuellen Verhökerer des digitalen Raumes ein paar behutsame Denkanstöße zu geben.

Trump darf keine Follower blocken · Dlf Nova

Deutschlandradio Nova – Hielscher oder Haase vom 24.05.2018 (Moderation: Till Haase)

Zuckerberg vor EU-Parlamentariern: Schaulaufen ohne Erkenntniswert

Am Vortag hatte es das übliche Aufplustern gegeben: Die Zustimmung von Mark Zuckerberg, die Anhörung dann doch nicht hinter verschlossenen Türen ablaufen zu lassen, zeige die Bedeutung und auch die Macht der EU, hatten sich mehrere Parlamentarier gefreut; “Druck wirkt” hatte Sven Giegold von den Grünen getwittert.

Aber der Facebook-Boss hatte da offenbar schon einen cleveren Deal mit Parlamentspräsident Tajani geschlossen: Die Befragung sollte öffentlich sein, nämlich per Livestream übertragen werden, aber dafür nicht im schnöden Frage-und-Antwort-Wechsel (womöglich mit sofortigem Nachbohren…), sondern hübsch getrennt: Erst alle Fragen en bloc, dann Antworten nach eigenem Gusto und a la carte.

Und da war die gute Laune von Sven Giegold logischerweise auch wieder verflogen:

Tja, so schnell kann das gehen. 🙂 Ein extrem entspannendes Arrangement also für Mark Zuckerberg, der nun einfach aus seinem gut einstudierten Statement-Fundus rezitieren konnte – und dann, da viele der Fraktionschefs die knapp bemessene Zeit für eitle Selbstdarstellung verballert hatten, anstatt auf den Punkt zu kommen – dann blickte der Facebook-Boss einfach ganz trocken auf die Uhr. Time over, der Flieger wartet. Schließlich hatte er ja eh nur auf der Durchreise zum Technologiegipfel in Paris einmal kurz vorbeigeschaut. Und die noch offenen Fragen würden nachträglich schriftlich beantwortet, ganz großes Indianerehrenwort.

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Ob das jetzt also wirklich die große Machtdemonstration des Europäischen Parlaments war, das erscheint sehr fraglich. Und angesichts der doch sehr unterschiedlichen Positionen und Interessen der verschiedenen politischen Fraktionen gegenüber Facebook – die waren nämlich durchaus auch atmosphärisch spürbar bei der Anhörung: Dass die Vorsitzenden nun wissen, “dass es keinen Sinn macht, mit diesem Unternehmen zu reden, sondern dass sie zu scharfer Regulierung greifen müssen” – diese Sichtweise von Jan-Philipp Albrecht scheint mir auch reichlich “optimistisch” 🙂 Die Rechtspopulisten z.B. werden sich trotz ihrer “Zensur”-Vorwürfe an Facebook hüten, ausgerechnet das Medium ernsthaft zu beschädigen, das sie zur Ansprache und Mobilisierung ihrer Klientel so dringend brauchen wie die Luft zum Atmen.

Noch mal „tja“: Nigel Farage konnte seine Message wenigstens fokussiert rüberbringen – und bekam sogar eine Antwort von Mark Zuckerberg (der ja wie die meisten seiner Silicon-Valley-Kollegen im nicht allzu facettenreichen US-Politspektrum eher im demokratischen als im republikanischen/populistischen/Trump-freundlichen Lager zu verordnen ist…):

Entscheidungen darüber, welche Inhalte erlaubt sind oder wie sie gerankt werden auf Basis der politischen Orientierung zu treffen – das haben wir nie getan, und das werden wir auch nie tun.

 

Zuckerberg vor EU-Parlamentariern · Dlf Nova

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 23.05.2018 (Moderation: Till Haase)

 

Das Desaster hatte sich „ein Stück weit“ bereits am Dienstag morgen angekündigt:

Europäisches Parlament: Zuckerberg gegen die EU · Dlf Nova

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 22.05.2018 (Moderation: Till Haase)

Tidal soll Streamingzahlen gefälscht haben

Es läuft etwas gewaltig schief beim Musikstreaming-Dienst Tidal, und das schon seit geraumer Zeit – das ist jedenfalls das Bild, das beim Blick auf die Berichterstattung der norwegischen Finanz- und Wirtschaftszeitung Dagens Næringsliv entsteht. Nun ist die Dagens Næringsliv erstens keine Klitsche oder Gossip-Schleuder, und zweitens gibt es auch für die sehr hartnäckige und intensive Berichterstattung der Zeitung ausgerechnet über den Streamingdienst des Rappers Jay Z einen ganz naheliegenden Grund: Tidal hat ja norwegische Wurzeln; höchstwahrscheinlich sind weiterhin eine Reihe von Mitarbeitern der übernommenen Firma Aspiro an Bord – und aus diesem Kreis dürfte die Dagens Næringsliv mit allergrößter Wahrscheinlichkeit seit jeher die Insiderinformationen gesteckt bekommen haben.

Ende letzten Jahres hatte die Zeitung Details über die wirtschaftliche Situation von Tidal vermeldet – die Abonnenten- und Streamingzahlen seien weiterhin viel zu gering, um aus der Verlustzone herauszukommen und zu den Big Playern wie Spotify aufzuschließen, Tidal gehe schlicht und ergreifend in sehr absehbarer Zeit das Geld aus. Die jüngste Veröffentlichung von Dagens Næringsliv ist noch einmal deutlich brisanter – wirtschaftlicher Misserfolg ist eine Sache; Manipulation von Streamingzahlen, Bereicherung und Betrug eine ganz andere. Tidal weist die Vorwürfe empört zurück – das dürfte wohl ein Fall für die Staatsanwaltschaft werden.

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Bleibt ein kurzer Blick auf die berühmte Überlegung „cui bono“. Szenario eins: Die Daten auf der von Dagens Næringsliv präsentierten Festplatte sind gefälscht (und zwar sehr aufwendig und wiederum mit immensem Insiderwissen…), das Ganze ist eine Racheaktion von Mitarbeitern oder der Versuch, Tidal sturmreif zu schießen, als Konkurrenten auszubooten oder billig zu übernehmen. Szenario zwei: Die Manipulation ist tatsächlich so passiert, Tidal steht das Wasser tatsächlich bis zum Hals und die Abzocke ist irgendwie der Versuch, vor der Pleite oder dem Notverkauf noch etwas Saft aus dem Laden zu pressen.

Wenn man die Meldungen der letzten Jahre noch einmal Revue passieren lässt – die gescheiterten Verkaufsgespräche mit Apple  oder Samsung  (die wohl nach einem intensiven Blick auf die Zahlen von Tidal und die Preisvorstellung abgewunken haben…), die Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Engagements von Sprint, die seit jeher ständigen Querelen um Streaming-Zahlen und Ausschüttungen, am prominentesten vom möglicherweise ja jetzt „entschädigten“ Jay Z-Buddie Kanye West, dann die Vorwürfe der Tidal-Gründer an die Vorläuferfirma, deren Zahlen hätten schon nicht gestimmt und man selbst sei bei der Übernahme übers Ohr gehauen worden – dann kommt man schon irgendwie ins Grübeln.

Immerhin; sollten sich die Manipulationsvorwürfe bestätigen: Ein als Betrüger ertappter Gangster-Rapper hat im Gegensatz zu einem Automobilmanager oder Banker wenigstens ein dickes Plus – seine Street Credibility geht wieder rasant nach oben 🙂

Musikstreaming: Tidal soll Abrufzahlen gefälscht haben · Dlf Nova

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 11.05.2018 (Moderation: Till Haase)