Archiv für den Monat: Januar 2015

Big Data: Vermeintliche Anonymität ist schnell ausgehebelt

Im Wissenschaftsmagazin „Science“ findet man normalerweise Publikationen zu den neuesten Erkenntnissen in Physik, Chemie oder Biologie, und normalerweise sind die Science-Artikel denn auch für Nicht-Experten reichlich schwierig und speziell. In der aktuellen Ausgabe allerdings gibt es einen Themenschwerpunkt, der erstens allgemein verständlich ist, und der zweitens auch praktisch alle angeht: „Privacy in a Data-Driven World„, also „Die Privatsphäre in einer daten-gelenkten Welt“ lautet die Überschrift.

Keine schlechte Idee – denn zum einen ist die wissenschaftliche Community in gewisser Weise eine gesellschaftliche Elite mit Multiplikatoren-Potential, die wachzurütteln sich lohnt. Und zum anderen nutzen Wissenschaftler ja mittlerweile selbst sehr eifrig Big Data als Quelle neuer Erkenntnisse – sicher mit allerbesten Absichten, aber nicht unbedingt immer mit dem nötigen Blick für die damit verbundenen Gefahren.

Ein sehr konkretes Beispiel geben Forscher aus den USA und Dänemark: Wir alle erteilen als Kunden tagtäglich (überwiegend gezwungenermaßen…) unsere Einwilligung zur Nutzung unserer Daten – gegenüber dem Internet- oder Mobilfunkprovider, gegenüber der Versicherung, der Krankenkasse oder dem Kreditkartenunternehmen. Nur gehen wir dabei immer noch davon aus (und so ist das auch in Datenschutzregeln und -vereinbarungen vorgesehen…), dass aus der Big Data-Gesamtheit nicht auf uns als konkrete Einzelperson zurückgeschlossen werden kann.

Das ist offenbar eine Illusion, zeigt der Science-Artikel – schon ein paar wenige nicht anonyme zusätzliche Einzelinformationen (die sich im Netz sehr leicht auffinden lassen…) reichen aus, um uns in einem anonymisierten (bzw, pseudonymisierten) Datensatz wiederzufinden. Das Muster unseres Verhaltens; beim Autofahren, Einkaufen oder beim Googlen ist sehr viel einzigartiger, als man intuitiv annehmen würde. Und je mehr Datenfacetten in den Big Data-Topf hinzukommen, umso geringer wird die Chance, noch in der Masse unterzugehen.

Das Fazit des Science-Themenschwerpunktes: Die geltenden Datenschutzvorschriften reichen nicht aus, weder in den USA noch in Europa – wenn wir unsere Privatsphäre nicht komplett abschreiben wollen.

DRadio Wissen · Datenschutz: Warum scheinbar anonymisierte Daten im Netz nicht sicher sind.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 30.1.2015

Per Aspera ad Astra

Sie haben jede Menge Kohle – und sie wollen hoch hinaus. Der britische Multimilliardär Richard Branson, Chef der Virgin Group und der amerikanische Multimilliardär Elon Musk, Mitgründer von Paypal und Gründer des Elektroautoherstellers Tesla. Vergangene Woche verkündete zunächst Richard Branson seine Pläne, hunderte Satelliten in den Orbit schießen zu wollen, um der ganzen Erde einen Breitband-Internetzugang zu liefern. Und zwei Tage später bekräftigte dann Elon Musk, er habe etwas ganz ähnliches vor.

Völlig utopisch sind die Pläne keineswegs – schließlich haben beide Player einige Expertise in der nach wie vor nicht ganz trivialen Aufgabe bewiesen, kleinere Himmelskörper in relativ niedrige Umlaufbahnen zu schießen. Ob allerdings im Orbit und im Risiko-Raum der wirtschaftlichen Kalkulation zwischen Aufwand und Ertrag genügend Platz ist für zwei sehr ähnliche Modelle, das ist sehr fraglich. Vielleicht wäre ja doch ein Joint-Venture der zwei ambitionierten Milliardäre die vernünftigere Lösung…

DRadio Wissen · Liveblog: Pegida-Demo abgesagt.

Dradio Wissen – Schaum oder Haase vom 19.1.2015

Cyberwar und das Schlachtfeld Internet

Es sind „ganz normale“, also ganz normal durchgeknallte Hacker, die sich tagaus, tagein unermüdlich beharken und auszustechen versuchen.  Nur sitzen sie halt nicht mit fettigen Haaren und fast aufgegessener Pizza im verwahrlosten Studi-Appartements, sondern in mit netter Hardware ausgestatteten Behörden-Großraumbüros. In den USA, in Russland oder in China, übrigens auch mit ganz nettem Einkommen – keine Privat-Freaks, sondern Cyber-Soldaten in staatlichem Auftrag.

So ungefähr könnte man zusammenfassen, was in einem weiteren Kapitel aus Edward Snowdens NSA-Konvolut zu lesen ist – ob da aber schon das Wort vom Cyber-Krieg tatsächlich angemessen ist, ist noch die Frage. Besonders konstruktiv ist das Rumgehacke, Verschleiern und Sabotieren jedenfalls ganz gewiss auch nicht – es wäre schon einmal interessant herauszufinden, ob der „Nutzen“ am Ende tatsächlich schwerer wiegt als die in Kauf genommenen, aber nicht klar kommunizierten Kollateralschäden. Ein klassisches Geheimdienst-Problem, nicht nur im Netz…

DRadio Wissen · Liveblog: Pegida-Demo abgesagt.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 19.1.2015

1000 Hiebe für Raif Badawi – Saudi-Arabien hat ein Problem mit liberalen Bloggern

Zehn Jahre Haft, ein anschließendes Reiseverbot von zehn Jahren, eine Geldstrafe von umgerechnet knapp 200000 Euro – und obendrein noch 1000 Peitschenhiebe, zu verabreichen in Etappen zu jeweils 50 Schlägen – das ist ein ganz amtliches Urteil.

Allerdings hat Raif Badawi weder andere Personen getötet oder verletzt, noch Terroranschläge vorbereitet oder unterstützt, noch hat er Banken ausgeraubt oder Anleger um ihr Erspartes gebracht – Raif Badawi hat eine Internetseite betrieben und gebloggt.

Seine Sichtweise auf die saudi-arabische Gesellschaft, das Königshaus und den islamischen Klerus war dabei wohl etwas zu kritisch; etwas zu liberal – das Regime oder die Geistlichkeit sorgte dafür, den Kritiker zum Schweigen zu bringen – wobei das in Ländern mt Scharia-Gesetzgebung ebenso beliebte, wohlfeile; aber auch extrem gefährliche Motiv der „Beleidigung des Islams“ eine entscheidende Rolle spielte.

Interessant allerdings, dass der Westen ja durchaus intensive Beziehungen unterhält zu der von internen Instabilitäten und Streitigkeiten gebeutelten Monarchie, die einerseits als strategischer Partner gilt, andererseits durchaus auch „fruchtbare“ Verbindungen hat zu bei uns gemeinhin als terroristisch geltenden Organisationen oder Personen…

DRadio Wissen · Liveblog: Bei Houellebecq rettet der Islam Europa.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 16.1.2015

P.S. Die zweite Etappe der Auspeitschung von Raif Badawi ist wohl einstweilen verschoben worden – allerdings aus „medizinischen Gründen“ …

Brauchen wir den Dschihad-Filter für soziale Netzwerke?

Sascha Pallenberg ist sauer: Twitter schlägt alternativ zum Solidaritäts-Hashtag mit den Opfern der Terroranschläge von Paris #JeSuisCharlie #JeSuisKouachi vor. Auch die Solidarisierung mit den Attentätern ist offenbar zumindest in gewissen Kreisen sehr trendy.

Und bekanntermaßen gibt es auch bei Facebook und YouTube die einschlägigen Filmchen, bei denen weißgekleidete Typen mit Strickkäppchen und Zauselbärten den Zeigefinger recken und die gottgefällige Abschlachtung von Ungläubigen, Juden, Christen, Jesiden; oder auch von Moslems; Sunniten oder Schiiten postulieren – das letztere je nach theologischer Geschmacksrichtung bzw. Finanzierung aus Saudi-Arabien oder aber im Gegenteil aus dem Iran.

Das alles ist natürlich ein attraktives Angebot für geistig verwirrte und sozial gescheiterte: Eben war man noch ein kleines, unbedeutendes und kriminelles Arschloch in irgendeinem Knast – schon ist man ein erhabener Rächer des Propheten.

Sollten die von US-amerikanischen Unternehmen betriebenen Plattformen nicht einfach den islamistischen Eiferern den Saft abdrehen, die Postings und Accounts postwendend löschen, so wie das ja auch ansonsten bei denen passiert, die – horribile dictu – Fotos einer weiblichen Brust posten? Eine gewisse Rolle spielt da das ganz spezielle und weitgefasste amerikanische Verständnis von Meinungsfreiheit.

Aber auch bei uns in Europa  – die Meinungsfreiheit würde natürlich bei einer restriktiveren Handhabung oder Überwachung in sozialen Netzwerken in Gefahr geraten. Wer entscheidet, was noch ein legitimes Posting einer religiösen Gruppe ist, und was schon Aufruf zur Gewalt? Ein Algorithmus? Menschen? Droht als Kehrseite der beabsichtigten Terrorabwehr nicht Massenüberwachung und Zensur? Sascha Pallenberg kann letztlich auch nur ein Resümee ziehen: „Es ist eine verdammte Zwickmühle.“

Und wahrscheinlich steckt sogar Kalkül hinter der relativ „entspannten“ Haltung der Social Networks, extremistische Postings nicht schärfer zu bekämpfen: Schließlich liefern die Aktivitäten der Eiferer auf den Standardplattformen Polizei und Geheimdiensten eine optimale Beobachtungsgrundlage, die man tunlichst nicht abschaltet – es ist schon vorgekommen, dass Gotteskrieger ihre Geo-Koordinaten beim Tweeten versehentlich mitgeschickt haben. Das erleichtert dann das Drohnenprogrammieren…

DRadio Wissen · Internet: Brauchen wir den Dschihad-Filter.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 15.1.2015

Facebook at Work – das Intranet bei Zuckerberg

Werkzeuge und Software-Lösungen für die unternehmensinterne Kommunikation gibt’s viele – teilweise sehr teuer und teilweise längst nicht so intuitiv wie ein modernes Social Network. Warum sollen also die Leute am Arbeitsplatz nicht genau damit arbeiten, womit sie privat ihre „Freunde“ organisieren und ihre Lebensgeschichte „kuratieren“ – mit Facebook?

Aus der Sicht von Mark Zuckerberg eine logische Frage, die er mit „Facebook at Work“ beantwortet – angeblich bleiben die Firmen-Daten streng abgeschottet auch nur für Mitarbeiter sichtbar und werden nicht etwa mit privaten Accounts zusammengebracht.

Für europäische Firmen dürfte das Ganze aber wohl datenschutzrechtlich problematisch sein, und auch Firmen-Admins und Security-Verantwortliche müssten schon ein reichlich sonniges Gemüt haben, um dem Lockruf in die Zuckerberg-Cloud zu folgen.

DRadio Wissen · Internet: Brauchen wir den Dschihad-Filter

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 15.1.2015

Charlie Hebdo, Pegida und die Vorratsdatenspeicherung

Nach den Anschlägen von Paris beziehen die Menschen Stellung, mit „Ich bin Charlie Hebdo“-Buttons (oder „Ich bin nicht Charlie Hebdo“-Bekenntnissen…), mit Analysen, Kommentaren und Karikaturen in der Presse und natürlich auch mit politischen Statements. Und je nach eigenem politischen oder gesellschaftlichen Background werden das Ereignis und seine möglichen Ursachen durchaus unterschiedlich interpretiert – oder eben auch instrumentalisiert.

Medienjournalist Stefan Niggemeier hat an der konzertierten Aktion der deutschen Zeitungsverleger am Wochenende, bei der in einer Karikatur und einem Text eine Brücke von Pegida-Demonstranten zu den Pariser Attentätern geschlagen wird, einiges auszusetzen; Frank Lübberding und Richard Gutjahr sehen das ähnlich kritisch.

DRadio Wissen · BDZV: Charlie Hebdo und die Meinungsfreiheit.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 12.1.2015

Dass nach der Gewalttat der Ruf nach der Vorratsdatenspeicherung wieder zu vernehmen sein würde, war vorhersagbar – und auch die von Bild.de-Chef Julian Reichelt kolportierte These, die Enthüllungen Edward Snowdens hätten den Mördern von Paris ihre Arbeit erleichtert, ist weder völlig neu noch völlig absurd, sondern gibt halt eine ganz bestimmte Weltsicht wieder – und zwar in diesem Fall durchaus wieder mit einem „nützlichen“ Hintergedanken: Krawall ist gut fürs Boulevard-Geschäft.

DRadio Wissen · Liveblog: Nach der Anti-Terror-Demo.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 12.1.2015

P.S. Versprecher-Disclaimer: Heiko Maas ist natürlich Bundesjustizminister… 🙂

P.S. 2 – Auch Großbritanniens Premier David Cameron trötet in das Snowden-ist-Schuld-Horn und will (wirksam…) verschlüsselte Kommunikation verbieten.

Künstliche Intelligenz – Das fast perfekte Poker-Programm

Wenn im Film der Held gegen den Superschurken am Pokertisch sitzt, dann geht es natürlich immer um den ganz großen Einsatz – um die Milliardensumme, die schöne Frau oder um Leben und Tod. Und natürlich entscheidet immer der größte Bluff, die coolste Coolness beim Showdown für die Sache des Guten. Beim richtigen Spiel geht es zwar auch spannend und spektakulär, aber vor allem auch sehr rational zu. Natürlich kann auch der beste Pokerspieler genauso wie das beste Poker-Programm ein paar mal miserable Karten bekommen – aber der Faktor Glück spielt nur auf kurze Sicht eine Rolle.

Vom Standpunkt der Spieltheorie her ist Poker sogar viel anspruchsvoller als das als „Spiel der Könige“ geltende Schach – weil nicht alle spielrelevanten Informationen verfügbar sind. Genau das macht aber auch Algorithmen wie die von Michael Bowling und Kollegen, die mit solch lückenhafter Ausgangsbasis gut zurecht kommen, für Alltagssituationen interessant – das richtige Leben ist schließlich ein einziges Entscheiden-Müssen und Herumstochern im Ungefähren…

Ob „Künstliche Intelligenz“ allerdings tatsächlich in sicherheitskritischen Situationen hilfreich ist, das bleibt noch nachzuweisen. Beim Atomkrieg zum Beispiel könnte bei einem spieltheoretischen Optimierungsversuch auch herauskommen, dass beide Seiten tot sind.

Künstliche Intelligenz – Das fast perfekte Poker-Programm.

Deutschlandfunk – Forschung Aktuell vom 9.1.2015