Archiv für den Monat: April 2019

England und Wales: Opfer von Straftaten sollen Zugriff auf Smartphone gewähren

Ganz klar – was auf unseren Smartphones gespeichert ist, das ist normalerweise ein ziemlich aussagekräftiges Abbild unserer Existenz. Das ist extrem unangenehm oder peinlich oder vielleicht sogar existenz-gefährdend, wenn uns das Smartphone abhanden kommt; wir haben da hoffentlich eine wirksame(!) Verschlüsselung eingerichtet.

Ein neues Verfahren der britischen Staatsanwaltschaft sieht jetzt vor: Ab sofort soll jeder/jede, die/der eine Anzeige bei britischen Polizeidienststellen erhebt, der Polizei Zugriff auf das persönliche Smartphone einräumen. Also inklusive des Zugriffs auf Mails, Chats oder Fotos – das Konzept gilt für alle Anzeigen, zielt aber offenbar insbesondere auf Anzeigen wegen Vergewaltigung oder sexueller Belästigung. Bei denen ist die Hemmschwelle zur Anzeigenerstattung extrem hoch und die tatsächliche Strafverfolgungsquote extrem niedrig – andererseits; es gibt offenbar eine Reihe von Fällen, bei denen die Anschuldigung ungerechtfertigt war – die drastischen Folgen ersehen wir in Deutschland z.B. im Fall Kachelmann…

Ohne jeden Zweifel wird das neue Verfahren wie beabsichtigt ein paar Fälle von ungerechtfertigter Beschuldigung aufklären oder von vornherein verhindern. Ob dieser positive Effekt allerdings den negativen Effekt kompensiert, dass zweifellos zukünftig noch weniger Vergewaltigungen/sexuelle Belästigungen überhaupt zur Anzeige gebracht werden – da bin ich völlig ratlos…

England und Wales: Opfer von Straftaten sollen Zugriff auf Smartphone gewähren

DLF Nova – Hielscher oder Haase vom 29.04.2019 – Moderation: Diane Hielscher

Da gibt’s noch mal einen interessanten Nachklapp von einem der Smartphone-Auswerter zu.

Facebook in 50 Jahren: Mehr tot als lebendig

Dass Soziale Netzwerke und der ständige (vorwiegend mobile…) Zugriff darauf Zombies produzieren, ist eh klar 🙂 Aber dass die Toten oder eben vielmehr die Untoten (verstorbene Nutzer mit verwaisten oder in den Gedenkzustand versetzten Accounts…) irgendwann bei Facebook in der Mehrzahl gegenüber den Lebenden sein werden, darauf muss man erst mal kommen. Aber klar; im Gegensatz zu Mikroben oder sonst was pflanzt sich der Mensch nicht exponentiell fort, es gibt also auch trotz eines gewissen oder vielleicht sogar besorgniserregenden Bevölkerungswachstums insgesamt schon mehr Gestorbene als noch Lebende.

Und zweitens: Facebook hat eine so gewaltige Userzahl, dass es überhaupt erst Sinn macht, deren Entwicklung mit der prognostizierten Entwicklung der Weltbevölkerung zu korrelieren: Im „optimistischen“ Szenario der beiden Forscher Carl Öhman und David Watson vom Oxford Internet Institute wächst das Netzwerk mit der derzeitigen Rate von 13% jährlich bis zur „Marktsättigung“ – soll heißen; jeder Mensch auf der Erde, der einen Facebook-Account haben will, hat dann einen. Mehr Wachstum geht nicht, und insofern setzt dann der oben erwähnte Mechanismus ein: Die Nutzer sterben, und auch wenn es eine Generation neue User geben sollte, stehen denen erst eine, dann zwei, dann drei Generationen tote User (bzw. eben deren Gedenk- oder vergessene Profile…) gegenüber…

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Unmittelbar einsichtig wird der Effekt beim Extrem-Szenario der Wissenschaftler: Wenn von heute auf morgen kein neuer Nutzer mehr zu Facebook dazu käme, dann ginge das Sterben sofort los – dann würden übrigens asiatische User den größten Teil der Toten/Untoten stellen. Beim zweiten, realistischeren Szenario (eine vielleicht ja angebrachte Facebook-Kernschmelze infolge eines noch mal potenzierten Cambridge-Analytica-Effekts halten die Autoren für unwahrscheinlich; ich stimme da zu..) inklusive weiteren Wachstums wären das hingegen die Afrikaner: Das reflektiert schlicht und ergreifend die derzeitigen und prognostizierten User-Zuwachsraten und die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung in den betroffenen Regionen.

Aber eigentlich ist das Ganze nur ein Big-Data-Rechenexempel, das zeigt: Das digitale Erbe, die digitalen Hinterlassenschaften von Menschen im Netz; nicht nur bei Facebook – die sind in ein paar Jahren kein exotisches Szenario mehr, sondern Mainstream. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob ein User-Profil eines stinknormalen Menschen überhaupt erhalten werden muss oder sollte, oder im Gegenteil im Daten-Nirvana am besten aufgehoben ist – nur; die Entscheidung darüber, das meinen die Autoren der Studie wahrscheinlich zu Recht – die sollte vielleicht besser nicht in der Entscheidungsgewalt eines privaten, gewinnorientierten Unternehmens wie Facebook liegen.

Wie in anderen Disziplinen auch (Einflussnahme auf Wahlen, Mobilisierung von durchgeknallten Extremen…) – ab einer bestimmten Größe ist ein Privatunternehmen mit privaten Nutzungs-Regeln eben nicht mehr privat – und das gilt auch für die toten User.

Facebook in 50 Jahren: Mehr tot als lebendig

DLF Nova – Hielscher oder Haase vom 29.04.2019 (Moderation: Diane Hielscher)

Mindestens 272 indonesische Wahlhelfer sterben an Überlastung

Das melden die Tagesschau und die Taz:

Das Engagement für die Demokratie hat sie das Leben gekostet, die Wahlzettel werden per Hand ausgezählt, bis tief in die Nacht, oft in unerträglicher Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit.

Und das klingt ja erst einmal ungeheuerlich, zumal auch noch etwa 2000 Wahlhelfer und Wahlhelferinnen erkrankt sein sollen. Ich muss einfach mal als lang gedienter abnehmender Redakteur sagen: Meine erste Reaktion war – das glaube ich nicht, da stimmt was nicht. Vielleicht hat da irgendwer irgendwas übertrieben? Also rechnen wir mal nach.

7 Millionen Wahlhelfer bei „knapp 200 Millionen“ Wahlberechtigten – das bedeutet, auf 28,57 Wahlberechtigte kommt ein(e) Wahlhelfer(in) – das ist eine hohe Quote. In Deutschland kommen auf ca. 61,5 Millionen Wahlberechtigte ca. 500.000 Wahlhelfer (Zahlen von 2013 und 2017 zusammengemixt…), das ist ein Wahlhelfer pro 123 Wahlberechtigte. Wenn man jetzt allerdings die (z.B.im Tagesschau-Artikel beschriebene…) Topografie Indonesiens berücksichtigt, die entlegenen Orte und Inseln; dann klingt das mit den 7 Millionen Wahlhelfern ziemlich plausibel.

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7 Millionen Helfer – das ist natürlich auch einfach absolut betrachtet eine gewaltige Menschenmenge. Und setzt man dazu 272 Verstorbene ins Verhältnis, dann sind das 0,0038%. Ist das viel oder ist das wenig oder ist das „normal“; so makaber das klingt? Die gleiche Quote ergäbe bei den 500.000 deutschen Wahlhelfern immerhin noch 19 Tote – davon habe ich allerdings noch nie gehört, dass in Deutschland jemand aufgrund der Wahlhelfer-Tätigkeit verstorben ist. Nun ist allerdings die Lebenserwartung in Indonesien auch signifikant niedriger als in Deutschland (69,19 Jahre im Vergleich zu 80,64 Jahre laut Google/Weltbank…).

In diesen Wert ist ja der allgemeine Gesundheitszustand der Bevölkerung und der Zustand des Gesundheitssystems, sind die Lebensbedingungen und die Lebensrisiken „eingepreist“ – das heißt, auch eventuelle Vorerkrankungen, die im Falle mancher der indonesischen Verstorbenen vielleicht die „wahre“ Todesursache waren. Mit dem allgemeinen Lebenserwartungs-Korrekturfaktor kommen wir jetzt auf 16,3 verstorbene Wahlhelfer, die bei einer Wahl in Deutschland vergleichbar wären.

Auch eine solche Zahl wäre natürlich in Deutschland undenkbar bzw. völlig skandalös. Die spezifische Belastung und das spezifische Risiko eines Wahlhelfers in Indonesien würde ich allerdings noch einmal deutlich überproportional über dem der gemittelten indonesischen Normalbevölkerung einschätzen; im Gegensatz zu der Belastung und dem Risiko eines Wahlhelfers in Deutschland. Von daher mein Fazit: Jetzt glaube ich die Zahlen dann doch.

Möglicherweise hat sich die indonesische Regierung auch tatsächlich etwas zuschulden kommen lassen, wenn es keine Gesundheitschecks der Wahlhelfer gab. (Von Gesundheitschecks für deutsche Wahlhelfer ist mir wiederum auch nichts bekannt – wie gesagt würde ich natürlich auch das Risiko nicht besonders überproportional zum „normalen Leben“ einschätzen…) Aber letztlich: So monströs, so ungeheuerlich wie beim allerersten Anschein ist die Zahl der Toten nicht. Trotzdem ist das Ganze auch wieder unfassbar: Die „ganz normale“ Demokratie fordert soviel Opfer wie ein Mega-Terroranschlag.

Und noch mal ein Schwenk: Der „ganz normale“ Straßenverkehr natürlich auch.

Tiger macht es… Und gewinnt das Masters in Augusta

Ich bin ja ganz ehrlich – ich hab auf Francesco Molinari getippt. War ja auch ein ziemlich guter Tipp bis gestern; bzw. war natürlich immer noch ein Super-Finish; Herzlichen Glückwunsch!

Und jetzt bin ich aber wieder mal happy über das Ergebnis; sorry – die emotionale „they-never-come-back“-Geschichte zieht immer noch bei mir…

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https://www.youtube.com/watch?v=IHtoa8BS514

 

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Übrigens – trotz der etwas suboptimalen Schlussrunde… 🙂 Mein anderer Held, auch mit dem kleinen Seitenblick auf das Alter: Bernhard Langer !

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Das Glyphosat-Gutachten und das Informationsfreiheitsgesetz

Heute gab es ja so ein ziemlich irritierendes Urteil bzw. eine „einstweilige Verfügung“ vom Landgericht Köln (das für seine konservative, um das mal vorsichtig auszudrücken…)Tendenz bekannt ist und deshalb auch von den Anwälten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bzw. der übergeordneten Behörde, des Bundeslandwirtschaftsministeriums gerne als Gerichtsstand ausgewählt wird…) Meiner Meinung nach ist der Spruch völlig irre; ebensowie die Idee des Ministeriums, von Beamten oder anderen öffentlich besoldeten Mitarbeitern erstellte Gutachten der interessierten Öffentlichkeit mit dem Argument „Urheberrechtsschutz“ vorzuenthalten…

Ich würde jetzt allzugern auf den Link klicken, den die in dieser Sache aktive Gruppe „Frag den Staat“ propagiert und das Glyphosat-Gutachten selbst anfordern und die bescheuerten Paragrafen-Reiter etwas lahmlegen – leider bin ich nicht so ganz sicher, ob das dann tatsächlich kostenfrei ist oder ob die Ministeriums-Vollhorste mir dann 500 Ocken abzuzocken versuchen… Nach heldenhafter Vernachlässigung ihrer sonstigen Aufgaben und erzwungener Hingabe an die Anforderungen einer sicherlich missbräuchlich aufgehetzten Internet-Renegaten-Crowd.

Aber ich bin da feige; das Gebühren-Risiko der Behörden-Horste ist mir etwas zu teuer; das politische Leben ist eh gerade ziemlich pittoresk (Brexit….) Deswegen postuliere ich das mal hier gratis: Das Landwirtschaftsministerium geriert sich meiner Meinung nach (mit der teuren Beauftragung privater, externer Anwaltskanzleien) als Informationsfreiheits-Arschloch -Verhinderer/Abschrecker; die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln ist rechtsfehlerhaft.