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Panama Papers: Crowd-Recherche erwünscht, aber mit mauen Chancen…

Ich will nicht sagen, dass es völlig chancenlos ist, ein Jahr Recherchevorsprung von professionellen Journalisten aufholen zu wollen. Weil natürlich die Ressourcen von Profis auch wiederum sehr klar begrenzt sind: Wir arbeiten halt, von ein bisschen gelegentlicher Selbstausbeutung abgesehen, für Geld. Und welches Budget da für die Aufarbeitung der Panama Papers vorhanden war, kann man von außen nicht beurteilen. Aber wahrscheinlich haben sich die Kollegen die „interessanten“ Einträge im Mossack-Fonseca-Material schon ziemlich genau angeschaut.

Die Crowd im Netz könnte nun theoretisch noch einmal mit einer verteilten, aber um Größenordnungen höheren „Manpower“ ans Werk gehen. Die Einstiegshürden sind gering, der Datenbestand beim „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) ist sortiert, verknüpft und grafisch aufbereitet. (Nachklapp: Dabei bleibt der Zugriff auf Namen, Adressen und deren Querverbindungen beschränkt – anders als ich das am Montag morgen zunächst angenommen hatte, betrifft auch die Downloadoption nur diese „Metadaten“ und nicht etwa die detaillierten Dokumente aus den „Kundenordnern“ selbst. Das soll auch so bleiben; laut Süddeutscher Zeitung wolle man nicht zum „verlängerten Arm der Staatsanwaltschaft“ werden.) Nur für sich allein genommen sind die geleakten Mossack-Fonseca-Einträge ja bestenfalls „interessant“, aber – so steht es auch immer auf der ICIJ-Website – noch kein Hinweis auf eine illegale Aktivität. Und ich wage zu bezweifeln, ob sich allzuviele dieser Einträge dann vielleicht in Kombination mit frei durchsuchbaren Web-Inhalten zu einem belastbaren Beweis für eine solche illegale Handlung ergänzen lassen.

Jedenfalls für Gelegenheits-Detektive dürften die Chancen eher schlecht stehen. Wer natürlich nach bestimmten Namen sucht und über diese Personen oder Firmen auch weitergehende Informationen aus anderen Quellen hat, für den ist die Recherche in der ICIJ-Datenbank möglicherweise doch lohnend. Vielleicht packt ja noch der eine oder andere Bankmitarbeiter, Buchhalter oder Steuerberater aus: Whistleblower sind auf der Website ausdrücklich willkommen. Eine Zielgruppe sitzt allerdings wahrscheinlich seit Montag früh mit leuchtenden Augen am Rechner: Die Finanzbeamten in aller Herren Länder. Könnte ja sein, dass der ganze Offshore-Zauber doch am Ende etwas mit Steuerhinterziehung zu tun hat 🙂 …

DRadio Wissen · Panama Papers: Der größte Leak der Geschichte

DRadio WIssen – Schaum oder Haase vom 04.04.2016 (Moderation: Till Haase)

Deutungs-Diskussionen um Böhmermanns Erdogan-„Schmähgedicht“

Man muss Jan Böhmermann und seinen Humor nicht unbedingt mögen. Ich vermute mal, er würde selbst gar nicht widersprechen, wenn ihn manche Leute als zynisches Arschloch wahrnehmen. Passiert mir selbst auch zuweilen (dass ich so wahrgenommen werde…); ist auch möglicherweise eine gewisse Berufskrankheit bei Journalisten. Hinter der letztlich in vielen Fällen das Leiden an dem Wahnsinn der Welt steckt, an dem unfassbaren Irrsinn, den Leute tagtäglich verzapfen und anderen Leuten antun. Über den man jeden Tag liest und hört und sieht und über den man jeden Tag berichtet und zu dem man ab und zu Stellung bezieht – normalerweise aber immer in einem gesitteten, öffentlich-rechtlichen Gestus. Obwohl man der Kanaille (also den zynischen Arschlöchern, die dies aber nicht aus Weltschmerz, sondern aus authentischer Arschlochhaftigkeit sind…) eigentlich nur mal richtig die Fresse polieren möchte.

Das hingegen ist das Vorrecht der Satiriker. Wenn man als normaler Journalist über Satiriker wie Jan Böhmermann schreibt (und jetzt hier konkret über dessen Sendung vom 31.3.2016), dann sollte man am besten weder doof noch faul sein. Nicht doof: Soll heißen, man sollte geistig in der Lage sein, einen Kontext und Meta-Ebenen einbeziehen und verstehen zu können. Nicht faul: Soll heißen, dass man sich schon die Mühe machen muss, im konkreten Fall die gesamte Sendung anzuschauen und nicht nur das (im „offiziellen“ Mitschnitt herausgeschnittene…) „Schmähgedicht.“ (Natürlich finden sich komplette Versionen im NetzNachklapp: Hier ist jetzt auch die vollständige Passage in Textform dokumentiert. Oder hier, um mal meinen Heimatsender hinzuzufügen. In der FAZ war es heute (13.04.2016) auch abgedruckt. Wahnsinn, Obszönitäten in der Qualitätspresse 🙂  )

Also z.B. der Artikel von Michael Hanfeld in der FAZ vom 1.4.: Schwachsinn; natürlich kennt Böhmermann „den Unterschied zwischen Satire und primitiver Beleidigung“: Er hat ja mit Ansage beleidigt bzw. die primitive Beleidigung als „nicht zulässig“ vorgetragen. Wer hier doof ist (Herr Hanfeld ist ja im Gegensatz zu Böhmermann sehr mutig bei der Beleidigung von harmlosen Zielen…), das ist noch die ganz große Frage.

Oder die Kritik von Hakan Tanriverdi bei jetzt.de: „Ich habe das Video gesehen, nicht aber die gesamte Sendung.“ Dann sollte man aber auch nicht drüber schreiben. Klar, wenn man das „Gedicht“ aus dem Kontext nehmen würde, „wenn man da das Wort ‚Erdogan‘ durch ‚Migrant‘ oder ‚Muslim‘ ersetzt, dann hört sich das Ganze wie ein braunes Gedicht vom AfD- und Pegida-Clan an.“ Ist aber nicht so. Jan Böhmermann ist ja – obschon man ihn „wie ein Stück Seife“ nicht mal endlich zu einer klaren Aussage bringen kann „was meint der denn jetzt wirklich“ – eher nicht Nazi- oder Pegida-verdächtig. Auch der geschätzte Kollege Stefan Niggemeier diagnostiziert auf „Übermedien“ nur eine weitgehend wohlfeile, eigenwerbende Daffke-Mentalität bei Böhmermann.

Stimmt ja vielleicht. Aber nein: Alles Quatsch. Es geht eben nur um Kontext und Meta-Ebenen, wenn man nicht ganz schlicht veranlagt ist. Und im aktuellen Fall ist der Kontext: Erdogan lässt in der Türkei Journalisten, die über mögliche Verstrickungen des türkischen Geheimdienstes mit dem IS berichten, als angebliche Terroristen ins Gefängnis werfen. Missliebige Polizisten, Staatsanwälte oder Richter wandern gleich hinterher. Das Instrument der Beleidigungsklage wird quasi inflationär eingesetzt, um Kritiker mundtot zu machen. Und der türkische Staatspräsident Erdogan akzeptiert auch explizit Urteile des türkischen Verfassungsgerichts nicht – ein lupenreiner Demokrat halt.

Hierzulande müsste aber auch ein eitler, aufgeblasener Popanz wie Herr Erdogan (der seine Macht ja „nur“ einem (hoffentlich…) demokratischem Wahlergebnis verdankt…) selbst bei einer richtigen, nicht nur eingebildeten Beleidigung den ganz normalen, popeligen Rechtsweg beschreiten, wenn er denn (ausnahmsweise mal zu Recht…) gegen das grottige, eindeutig beleidigende und schmähende „Gedicht“ von Böhmermann vorgehen wollte. In der Verhandlung wird die Verteidigung dann allerdings fadenscheinige Gegenargumente bringen – das Ganze sei ja nur ein Beispiel für etwas gewesen, was man nicht sagen dürfte. Das bescheuerte „Gedicht“ wird immer wieder zitiert und interpretiert (Streisand-Effekt).  Und dann gibt es vielleicht irgendwann einen Strafbefehl gegen Böhmermann – eine überschaubare Geldstrafe.

Keine Hinrichtung. Kein Kerker. Keine Entlassung. Quod erat demonstrandum. Für Leute in angeblichen Demokratien. Und angeblichen Rechtsstaaten. Für lupenreine Demokraten mit neurotischen Sultan-Allüren. Mit Sonder-Durchgriff auf die Justiz. Fazit: Das bescheuerte Gedicht (es ist allerdings wirklich schwierig, eine weniger platte, aber eben auch wirklich beleidigende und nicht mehr satirisch abgedeckte Alternativ-Version zu finden…) erfüllt tatsächlich einen öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag. 🙂 Das ist letztlich eben doch ziemlich witzig (und sogar ziemlich mutig…), das mal einem humorlosen und nachtragenden Politiker zu zeigen. Und ist halt ein Privileg der Satiriker, auch wenn das „Gedicht“ isoliert betrachtet keine Satire ist…

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 04.04.2016 (Moderation: Till Haase)

 

P.S. Die Sache hat mittlerweile noch einen neuen, irren Dreh: Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel oder irgendwelche anderen Regierungsmitglieder ja sehr vornehm zurückgehalten haben, die absurde Einbestellung des deutschen Botschafters nach der NDR-Satire zu kommentieren – jetzt telefoniert die Kanzlerin plötzlich mit dem türkischen Premier Davutoglu. Über die Böhmermann-Sendung. Herzlichen Glückwunsch – auch Frau Merkel ist klargeworden, dass es sich bei dem „Gedicht“ um einen „bewusst verletzenden Text“ handelt. Dass es sich bei den Aktionen gegen türkische Journalisten und Zeitungen, und beim Einbestellen des deutschen Botschafters auch um bewussten oder unbewussten, aber nicht nur kalkuliert verletzenden satirischen, sondern ganz ernsthaften Staats-Bullshit handelt, das kam in dem – wie in Istanbul üblich, abgehörten – Gespräch aus gewissen Gründen nicht zur Sprache… 🙂

P.S. 2 – Es ist ja immer tröstlich, auch mal einen Checker-Kommentar zu lesen oder zu hören:

Lorenz Maroldt, Chefredakteur vom Tagesspiegel in rbb radio eins. (Der schöne Morgen vom 05.04.2016)

P.S. 3 (06.04.2016) – Jetzt wird es möglicherweise juristisch interessant: Die Staatsanwaltschaft Mainz hat nach diversen Anzeigen Ermittlungen wegen Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten eingeleitet. Allerdings muss auch die Türkei noch mitspielen wollen. Die Bundesregierung wird sich jedenfalls einem Ermittlungsverlangen im Zweifelsfall nicht in den Weg stellen, das hat Frau Merkel ja schon signalisiert 🙂 …

P.S. 4 (08.04.2016) – Jetzt hat sich auch noch der Intendant des ZDF, Thomas Bellut, beim türkischen Botschafter entschuldigt bzw. „sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Beitrag Gefühle von Zuschauerinnen und Zuschauern verletzt hat“. (Was nicht unbedingt ein verlässliches Kriterium sein muss, ich verweise auf Charlie Hebdo und die Mohammed-Karikaturen…) Da bekommen also jetzt nicht nur die lupenrein demokratischen Staatslenker ihr Trostpflästerchen, sondern auch noch die Nicht-Checker vor der Glotze, inklusive der in ihrem nationalen Stolz verletzten Schwachmaten. In der Türkei hat das ganze ja (kein Wunder bei einem gewissen Volks-Neurotizismus und einer mittlerweile weitgehend von Erdogan kontrollierten Presse…) schon zu Angriffen gegen ZDF-Einrichtungen geführt, insofern steckt hinter dem Intendanten-Anruf eine ähnlich pragmatische Logik wie hinter dem der Kanzlerin. Es ist irgendwie nachvollziehbar, aber auch irgendwie noch mehr zum Kotzen.

P.S. 5 (11.04.2016) – Die türkische Regierung spielt „natürlich“ mit, das ist sie ja schon dem landesüblichen bzw. orientalischen Hang zur leicht geschmacksverwirrten National-Theatralik schuldig. Die Böhmermann-Verse (die sich ja inzwischen ausgerechnet Mathias Döpfner – nicht ohne Hinweis auf eigene öffentlich-rechtliche Verwundungen im Zusammenhang mit dem Wort „ficken“ 🙂 – „vollinhaltlich“ zu eigen gemacht hat – oh weh, oh weh, das wird für ihn im Gegensatz zu Böhmermann schlimme Folgen haben, denn dem Springer-Boss fehlt ja der Satire-Kontext. Kleiner Scherz – die BILD ist natürlich das populärste Satire-Magazin Deutschlands, das weiß man sowohl in Berlin als auch in Ankara…) seien ein „schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, so der türkische Vizeministerpräsident Numan Kurtulmuş. Dann ist das Ganze natürlich auch kein Fall mehr für das Berliner (oder Mainzer?) Amtsgericht, sondern für Den Haag.

P.S. 6 (12.04.2016):

Die Produktionsfirma btf GmbH und Jan Böhmermann haben entschieden, die für Donnerstag geplante nächste Ausgabe von Neo Magazin Royale nicht zu produzieren. Grund ist die massive Berichterstattung und der damit verbundene Fokus auf die Sendung und den Moderator. Die Entscheidung erfolgte in Abstimmung mit dem ZDF.

Häh? Bislang ist die Sache doch eigentlich so gelaufen wie geplant (die ganz normale popelige persönliche Beleidigungsklage von Herrn Erdogan…

Blödsinn aus dem notorischen Hort des Blödsinns, dem „Internet“

…ist ja – neben dem bereits im Raum stehenden Klageverlangen wegen Majestätsbeleidigung – unterdessen auch eingetrudelt…) Und jetzt ist der Druck zu hoch? Oder hat doch das ZDF eine kleine Sendepause verordnet? Immerhin steht mittlerweile nicht nur die weitere Karriere von Herrn Döpfner mit auf Messers Schneide, sondern auch die Kanzlerschaft von Frau Merkel. Eine Staatsaffäre eben. Und noch der absolute Super-Kracher: Das alles hängt mit dem Berliner-Flughafen-GAU zusammen!!! Zu sehen am Schluss der Gehirnamputierten-Reportage eines türkischen Schwachmaten-Senders. Jetzt wird plötzlich alles klar!

Und trotzdem zur Abwechslung noch mal ein Abstecher vom Wahnsinn zum Rationalen – mit der juristischen Einordnung von Alexander Thiele im Verfassungsblog bin ich natürlich ausgesprochen d’ac­cord…

P.S. 7 (13.04.2016) Nachdem sein Boss ja schon in einem heroischen Selbstaufopferungs- und Selbsterhöhungsakt mit in die juristische Jauchegrube gesprungen ist (ich warte immer noch auf die überfällige Strafanzeige gegen Herrn Döpfner…), muss natürlich auch der „ich-möchte-doch-auch-so-gerne-mitspielen“-Journalismus-und-Intellektuellen-Imitator Kai Diekmann einen Beitrag zuliefern. Ist logischerweise richtig schlecht geworden (eine Hornbrille und ein Dreitagebärtchen machen eben noch nicht geistreich…), ist möglicherweise auch im Rahmen der normalen BILD- bzw. Diekmann-Perfidie perfide. Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Ob der Satire-Versuch von Tübingens grünem OB Boris Palmer richtig gut geworden ist, weiß ich auch nicht so recht. Auf jeden Fall ist einem Kommentator bei Tagesschau.de zuzustimmen:

Inzwischen ist es Slapstick.
Ich möchte nur alle bitten: Jeder nur eine Torte.

P.S. 8 (14.04.2016) Die Titanic-Torte hier ist allerdings gar nicht mal schlecht.

P.S. 9 (15.04.2016) Die „Ermächtigung“ der Bundesregierung zur Weiterverfolgung der Majestätsbeleidigungsklage war ja wie gesagt absehbar 🙂 – und mit den heute von Angela Merkel vorgetragenen Erläuterungen ist letztlich die Weitergabe an die Justiz auch gar nicht besonders skandalös. Aber so hochgerutscht habe ich den Atem der Bundeskanzlerin noch nie gehört, dazu die diversen Versprecher – die Frau ist definitiv schwer unter Druck. Kein Wunder bei einem Zwangs-Eiertänzchen mit einem Partner wie Herrn Erdogan 🙂 …

Unterdessen gibt es schon die erste „offizielle“ juristische Einordnung – sie kommt vom Berliner Verwaltungsgericht und geht – was Böhmermann angeht – in die Richtung der Einschätzung von Alexander Thiele.

P.S. 10 (16.04.2016) ZDF-Intendant Thomas Bellut hat Jan Böhmermann die juristische Unterstützung des Senders zugesagt und betont, dass auch der abnehmende Redakteur „keinerlei disziplinarische Maßnahmen befürchten“ müsse. Das ist jetzt mal ein gutes Signal sowohl nach außen als auch nach innen.

P.S. 11 (19.04.2016) In unserer Reihe „Fremde Federn ohne Internetzugang“: Horst Möller

…Abwegig erscheint es, den inkriminierten Text von Jan Böhmermann als politische Satire zu klassifizieren. Das „Schmähgedicht“ ist ebenso vulgär wie dümmlich, es besitzt keinerlei politische Substanz. Geradezu vernichtend für den Anspruch auf Satire aber ist sein eklatanter Mangel an Witz. Eigentlich müssten Satiriker beleidigt sein, wenn ein solches Machwerk als Satire bezeichnet wird. Und ärgerlich ist es für die Bürger, die durch Zwangsbeiträge das öffentlich-rechtliche Fernsehen finanzieren, unfreiwillig für solchen Mist oder seine öffentliche Unterstützung zur Kasse gebeten zu werden.

Ärgerlich ist es allerdings auch, wenn ich mit meinem freiwilligen Abo für die FAZ für einen Text zur Kasse gebeten werde, bei dem der Autor 20 Tage (!!!) nach dem auslösenden Ereignis und den unzähligen und mehr oder weniger erhellenden Einlassungen dazu auf den isoliert betrachteten „Schmähgedicht“-Text abhebt und den mittlerweile ebenso ausreichend dokumentierten (s.o.) wie kommentierten Kontext ignoriert. (Die ebenso nichtcheckenden diversen Doktoren und Professoren in der Leserbriefspalte lassen wir hier mal gnädigerweise außer Betracht – Blödheit ist halt kein Privileg der Unterschicht; das mit dem „immer klugen Kopf“ hinter der Zeitung ist leider eben auch nur ein Werbespruch…) AU WEIA! (Ach nee – der Gastkommentar war sicherlich natürlich auch wiederum satirisch gemeint…)

Ach, und beim verspäteten Durchblättern der FAS von letzter Woche sehe ich auch noch das hier. Heilige Scheiße, um mal sprachlich-thematisch anzuknüpfen, auch der verdienstvolle Ex-Satiriker Gerhard Henschel „analysiert“ das „Schmähgedicht“ isoliert. Herr, wirf Hirn vom Himmel! Nein, das Zoten-Gedicht ist ISOLIERT BETRACHTET kein Kunstwerk, auch keine „Polemik“ (im Sinne eines überzeichneten, aber ernst gemeinten Angriffs…) und insofern   „unterstellte“ Böhmermann Erdogan die Sachen von Ziegen bis Gangbangpartys auch nicht. Und es gab sehr wohl einen „Grund für einen Schlag unter die Gürtellinie“ – weil es im Anschluss an die NDR-Satire und Erdogans Reaktion ja nicht um weitere satirische „Angriffsflächen“ ging, sondern um eine (mal im Kontext notwendige…) BELEIDIGUNG. Hoffentlich wird Nicht-Checker Henschel nicht als Satire-Sachverständiger bei der Gerichtsverhandlung eingesetzt 🙂 …

P.S. 12 (22.04.2016)

Beleidigungen gegen den türkischen Gröpaz Erdogan müssen natürlich sofort gemeldet werden – auch und gerade, wenn sie im Ausland erfolgen. Wenn solche unfassbaren, geradezu gotteslästerlichen Taten nicht durch die landesinterne Justiz adäquat geahndet werden können, ist es selbstverständlich nur ein Akt der legitimen Notwehr, einen (gehirnamputierten…) grauen, schwarz-weißen oder pinken Wolf loszuschicken, um die Schmach zu rächen.

Moment mal – ach so, war nur ein Missverständnis.

 

Dass Politiker Fehler machen oder mit Einschätzungen daneben liegen, ist normal. Dass sie das dann einsehen und auch noch öffentlich eingestehen (jedenfalls solange sie noch im Amt sind…), das ist hingegen schon eine absolute Rarität. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat heute ihre Bewertung der Causa Böhmermann („bewusst verletzend“) im Telefongespräch mit dem türkischen Premier Davutoglu am 4.4. (s.o. und hier 🙂 …) als Fehler eingestuft – sie ärgere sich im Nachhinein darüber.

Da kann man einfach nur sagen – ein solches Statement verdient Respekt. (Und zwar nicht im Sinne der üblichen politischen Semantik, wo die Formulierung ja als Standard-Nachruf-Floskel für endlich zurückgetretene bzw. zurückgetreten wordene Akteure fungiert. Sondern ganz ernsthaft.)

Obwohl ich bestimmt in vielen Dingen nicht auf der Linie der Bundeskanzlerin liege (z.B. auch was die Strategie in der Flüchtlingsfrage angeht…) – was Frau Merkel immer schon ausgezeichnet hat, ist ihre „fehlende“ Eitelkeit. Machtwillen ja, aber kein Unfehlbarkeitsanspruch. Insofern (das ist jetzt ein Geschlechter-Klischee, aber vermutlich sogar empirisch belegbar…): Frauen sind halt doch die besseren Politiker(innen…) 🙂

 

P.S. 13 (09.05.2016)

Den ganzen Quatsch in der Zwischenzeit habe ich jetzt mal ausgelassen – aber eine ganz wichtige Sache war ja immer noch offen: Was war eigentlich mit Döpfners vollumfänglicher, aber satirefreien Solidaritäts-Trittbrettfahrer-Beleidigung? Die hat Herr Erdogan erst mal gebührend abhängen lassen, aber jetzt endlich auch vor den Kadi gebracht. Und wie gesagt, da sehe ich im Gegensatz zur Sache Böhmermann selbst juristisch eigentlich keine „mildernden Umstände“. Die Begründung des Landgerichts Köln, die einstweilige Verfügung „eher nicht“ zu erlassen, die möchte ich wirklich gern mal sehen…

P.S. 14 (10.05.2016)

Eine absurde Fehlentscheidung des Kölner Landgerichts. (Nein, diesmal nicht die übliche lächerliche Bewährungsstrafe für türkische Killer-„Autorennfahrer“ auf öffentlichen Straßen.) Sondern die in der Sache Döpfner. (Ok, das war jetzt auch die Pressekammer 🙂 ) Sorry, aber den Vorstandschef des Axel-Springer-Verlags muss man schon als sorgfältig formulierenden Menschen ernstnehmen. Und wenn er sich allen „Formulierungen und Schmähungen“ Böhmermanns „inhaltlich voll und ganz“ anschließt (s.o.) und sie sich „in jeder juristischen Form zu eigen“ macht, dann ist das natürlich keine (selbstverständlich zulässige) Meinungsäußerung wie „Ich finde das gut, was Böhmermann gemacht hat“ oder wie der (selbstverständlich zulässige) Rest des Textes seinerzeit in der „Welt“.

„Ich mache mir das zu eigen“ heißt ganz klar, ich stelle die fremde Äußerung eins zu eins einer eigenen Äußerung gleich (daher brauche ich sie auch gar nicht explizit wiederholen und damit „neu zu verbreiten“, wenn sie ohne Probleme an anderem Ort auffindbar ist. Wie die Pressekammer zu der Auffassung gelangt, Döpfner habe die eine zitierte Äußerung „erkennbar nur Böhmermann“ zugerechnet, ohne „den türkischen Präsidenten selbst mit einer solchen Äußerung zu belegen“, wo Döpfner sich doch explizit alles zu eigen macht und auch selbst dafür mit einem Auftritt vor Gericht rechnet – das ist mir völlig rätselhaft. (Wobei ich da als fachlicher Laie natürlich nur mit normaler deutscher Semantik argumentieren kann. Auf Juristisch ist das angeblich alles total anders, das hat jedenfalls ein Medienanwalt meinen Kollegen von DRadio Wissen erläutert…) Aber das werden höhere Instanzen schon geraderücken. Herr Erdogan, jetzt nur nicht klein beigeben! (Und: Hätte man die einstweilige Verfügung nicht eigentlich besser in Hamburg beantragen sollen ? 🙂 )

P.S. 15 (12.05.2016)

Hurra, der Wahnsinn galoppiert eifrig weiter und hat nun auch eine Runde durch das Hohe Haus in Berlin gezogen. Was den CDU-Abgeordneten Detlef Seif bei seiner (sprachlich ganz manierlich vorgetragenen…) Rezitations-Darbietung getrieben hat, das ist noch etwas nebulös. Wirklich nur der jetzt schon so uralte Nicht-Checker-Dauerbrenner, der Hinweis auf die unsägliche „Qualität“ des Gedichts?  Oder die Vorbereitung eines Wechsels ins Satirefach? (Dann hätte der Mann es aber wirklich faustdick hinter den Ohren. Etwas schalkhaft sieht er ja aus.)

https://www.youtube.com/watch?v=WAwQlmq68QU

Oder eine allgemeine Aktion nach dem Motto „5 Minuten Ruhm“? Ich tippe eher auf eine Wette im Kollegenkreis (a la „in den Staub mit allen Feinden Brandenburgs“…); oder er hat eine neue Freundin und die wollte einen Liebes- und Zeig-mir-dass- du-Eier-und-keine-Schrumpelklöten-in-der-Hose-hast-Beweis 😉 („OK – du kannst das morgen im TV sehen. Ich mach das wirklich!). Juristisch kommt mit der Lesung auch wieder ein aparter neuer Aspekt ins Spiel. Danke dafür! Ich habe es auch mal in Seifs bisher etwas dünnem Wikipedia-Artikel lobend erwähnt.

Screenshot 2016-05-12 19.05.08

 

 

 

 

 

 

 

 

P.S. 16 (17.05.2016) Gröpaz Erdogan und sein Anwalt Hubertus von Sprenger sind meinem Ratschlag gefolgt und haben endlich die richtige Instanz eingeschaltet: Das Landgericht Hamburg. Interessant allerdings, dass Aussagen wie „Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan der Präsident“ und „Er ist der Mann der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt“ als „harsche Kritik“ an der Politik Erdogans zulässig sein sollen, andere, mit „Sexualbezug“ hingegen nicht. Dazu sei dem Gericht aus meiner laienhaften Einschätzung mitgeteilt, dass das gummimaskentragende Schlagen von Mädchen selbstverständlich auch einen starken Sexualbezug hat. Oder wie?

Terroranschläge in Brüssel: Facebook aktiviert Safety Check, Netz-Fakes & der ganz normale Irrsinn bei Twitter

Ungefähr drei Stunden hatte sich Facebook Zeit gelassen und dann doch nach inzwischen drängenden User-Nachfragen Safety Check aktiviert – wie auch schon nach den Anschlägen in Paris im November 2015. Ursprünglich war das Feature ja für eine Lebenszeichen-Rückmeldung nach Naturkatastrophen konzipiert worden – und auch dieses Mal kann, wer Lust hat, die treffliche Frage in den Cyberraum stellen, welche Kriterien das Social Network heranzieht, die Sonderfunktion scharf zu schalten – ist es die Opferzahl oder der Ort des Geschehens und damit womöglich die Anzahl „westlicher“ Opfer?

Zu berechtigten und deplatzierten, ideologischen, idiotischen oder idealistischen Netz-Äußerungen aus der Hüfte gab die Terrorserie in der belgischen Hauptstadt wieder einmal reichlich Anlass. Dabei macht es – mit Verlaub – keinen großen Unterschied auf der Dämlichkeits-Skala, ob man einen Massenmord reflexartig instrumentalisiert, oder ob man reflexartig die tatsächliche oder angebliche Instrumentalisierung eines Massenmordes heftiger beklagt als den Massenmord selbst. Oder der Urheberin einer angeblichen oder tatsächlichen Instrumentalisierung mal eben den Tod wünscht. (So geschehen in einer persönlichen Twitter-Message eines „Künstlers“ an die AfD-Politikerin Beatrix von Storch…)

Aus hiesiger (westlicher…) Perspektive nimmt man zwar die hiesigen, schon hinreichend aufgeladenen Twitter-Kontroversen zur Kenntnis, kaum aber die fundamental andere Sichtweise vieler Social-Media-Nutzer, die mit dem „IS“ sympathisieren. „Die Welt trauert mit Brüssel“ stimmt eben so nicht; wer die westlichen Staaten als „Kreuzfahrernationen“ und Moslemschlächter wahrnimmt, für den sind die Terroranschläge ein Grund zum Jubel.

In quasi eigener Sache: Was den Wert von Netzquellen für die journalistische Arbeit betrifft, zeigten sich wieder einmal die zwei Seiten der Medaille: Da fiel die belgische Nachrichtenagentur VRT auf einen Fake herein – und mit ihr nachfolgende Online-Medien.

Andererseits dauerte es bis zum späten Mittag, bis deutsche Agenturen das Dementi bzw. die Klarstellung des belgischen Energieversorgers Electrabel „entdeckt“ hatten, das schon sehr früh auf der Twitter-Seite nachzulesen gewesen wäre – stattdessen hatten die Meldungen über die „Evakuierung“ des Atomkraftwerks Tihange für zusätzliche Unruhe, zusätzliche reflexartige oder berechtigte Diskussionen und einen weiteren trendenden Hashtag gesorgt…

Die ersten gefälschten Videos im Umlauf · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Grünstreifen vom 22.03.2016 (Moderation: Thilo Jahn)

Kinopremiere im Wohnzimmer

Mit Streaming kennt Sean Parker sich aus, der Mit-Gründer von Napster und Ex-Präsident von Facebook. Mit den entsprechenden Wünschen von Konsumenten auch. Aber ob es für sein StartUp „Screening Room“ wirklich einen ausreichend großen Markt gibt – also Filmenthusiasten, die die Heimcouch dem Kinosessel vorziehen – das bleibt abzuwarten. So absurd, wie es einem im ersten Schreck über die angedachten 50 Dollar vorkommt, ist die Sache aber gar nicht. Möglicherweise rechnet sich das Konzept auch schon bei einer geringen Kundenzahl für alle Beteiligten – wenn der Preis für die Streamingbox einigermaßen kostendeckend ist und das StartUp mit überschaubarem Personalbestand auskommt. Ein eigenes Programm zusammenstellen oder die Filme selbst bewerben muss Screening Room ja nicht – es ist schließlich nur eine Filiale der guten alten „richtigen“ Kinos.

Sofa statt Kino · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 11.03.2016 (Moderation: Marlis Schaum)

AlphaGo gewinnt erste Partie gegen Lee Sedol

Eigentlich hatte Lee Sedol ja die schwarzen Steine in seiner ersten Matchpartie gegen das Computerprogramm AlphaGo – als er dann irgendwann um 8 Uhr 35 deutscher Zeit einen weißen Stein ergriff und auf dem Brett postierte, da blieb den Kommentatoren bei der Live-Übertragung auf YouTube erst mal die Spucke weg. „Ich glaube, er hat gerade die Partie aufgegeben“ fiel dann bei Michael Redmond, immerhin der beste westliche Go-Spieler und wie Lee Sedol ein 9-dan-Großmeister, der Groschen. Redmond hatte nämlich in der Endspielphase auch schon immer wieder ansatzweise überschlagen, wer in der Partie eigentlich das größere Gebiet erobert hatte, aber dabei noch kein endgültiges Ungleichgewicht gesehen. Lee selbst wusste es besser.

 

Das Partieende wie aus heiterem Himmel – jedenfalls für die Beobachter in dieser Übertragung; andere Kommentatoren hatten den Braten schon früher gerochen – macht deutlich, wie extrem schwierig beim Go die Stellungsbewertung ist. Und genau das war auch bislang das Hauptproblem für Computerprogramme, die letzte Bastion des Denksports im Kampf Mensch gegen Maschine zu schleifen – beim Schach war der Drops bekanntlich schon länger gelutscht.

Offenbar hat AlphaGo seit dem Match im Oktober gegen den mehrfachen Europameister Fan Hui dazugelernt (Fan Hui, der ja 0-5 unter die Räder gekommen war, ist übrigens jetzt einer der Schiedsrichter und verspürt vielleicht eine ganz kleine Genugtuung, dass AlphaGo nun jemand anders quält. Vielleicht drückt er aber auch Lee Sedol in menschlicher Empathie ganz fest die Daumen…) – das „Dazulernen“ kann man wörtlich nehmen, denn die neuronalen Netze von AlphaGo trainieren sich selbstständig weiter, mit Millionen von gegen sich selbst gespielten Partien, ohne dass ihnen die Programmierer vorgeben müssen, was gut oder was schlecht ist.

Es ist sogar genau anders herum – im Grunde wissen selbst die Macher von AlphaGo bei Googles (bzw. Alphabets…) Tochterfirma „Deep Mind“ nicht ganz im Detail, was sich eigentlich in der „Black Box“ zwischen der Eingabe- und Ausgabeschicht der neuronalen Netze entwickelt hat. Möglicherweise hat AlphaGo Erkenntnisse über das Go-Spiel herausdestilliert, auf die noch nie ein menschlicher Spieler gekommen ist, die möglicherweise auch aus menschlicher Sicht absurd erscheinen mögen – die aber offensichtlich funktionieren. Und das ist ein weiterer Grund, warum der Kampf für Lee Sedol nun wahrscheinlich noch schwieriger wird, als seinerzeit bei den Mensch-Maschine-Matches beim Schach: Er kann nur sehen, was AlphaGo spielt, aber nicht, warum – damit entfällt die Chance, konzeptbedingte Schwächen zu identifizieren und gegebenenfalls gezielt auszunutzen.

Das heißt noch nicht, dass AlphaGo oder das algorithmische Konzept im menschlichen Sinne „intelligent“ ist. Würde man ein neuronales Netzwerk mit Daten über Börsenkurse und Minirocklängen trainieren, dann käme mit ziemlicher Sicherheit eine Korrelation und ein Prognosemodell heraus. Vielleicht sogar eins, das besser funktioniert als Analysten-Analysen. Fehlende Kausalitäten, sprich Bullshit, können Menschen immer noch besser diagnostizieren als Maschinen. Aber es wird garantiert immer schwieriger, die Ergebnisse von „künstlicher Intelligenz“ von denen menschlicher auseinanderzuhalten – das klassische Turing-Test-Szenario.

Irgendwann spielt es also keine Rolle mehr, ob die Algorithmen intelligent sind. Oder nur sehr perfektioniert so tun, als ob. 🙂

Maschine übernimmt letzte Bastion der Menschen · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 09.03.2016 (Moderation: Till Haase)

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 09.03.2016 (Moderation: Uli Blumenthal)

Knast-Kommunikation: Kontrollierter Internetzugang in Berlin, Telefonkosten-Abzocke in den USA

Tiefenpsychologisch gesehen müsste eigentlich heutzutage der Schock, hinter Gittern zu landen und der Freiheit einstweilen Lebewohl sagen zu müssen, noch viel schlimmer sein als anno dazumal. Denn im Gefängnis kommt einem ja schlagartig auch jene virtuelle Welt abhanden, die für die allermeisten Menschen mittlerweile zu einem normalen Leben existenziell dazugehört.

Der Verlust betrifft natürlich nicht nur die (gerne auch erotisch angehauchte 🙂 …) Freizeitgestaltung, sondern auch grundlegende Informations- und Kommunikationsbedürfnisse; nicht zuletzt gehört ja ein Netzzugang auch für Sozialhilfeempfänger zum Basisanspruch. Andererseits werden gerade die Kommunikationsbedürfnisse bzw. die daraus erwachsenden Gefahren bei Knastinsassen mit gutem Grund kritisch gesehen – insofern haben nicht nur einige CDU-Abgeordnete, sondern auch der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) Bauchschmerzen mit dem Berliner Pilotprokt „Kontrollierter Internetzugang für Gefangene“.

Ein ganz anderes Kapitel sind natürlich eingeschmuggelte Mobilgeräte, wer ein schickes Smartphone mit LTE unter der Matratze liegen hat, kann auf den „kontrollierten Zugang“ dankend verzichten. Warum Vollzugsanstalten allen Ernstes Millionenbeträge für Störsender, mobile Handy-Detektoren oder funkwellenabschirmende Wandanstriche ausgeben, anstatt die Gefangenen, die Zellen und ggf. Besucher gründlich zu kontrollieren, das erschließt sich dem Laien nicht – aber irgendwelche sehr guten Gründe muss es ja wohl geben.

In jedem Fall geht natürlich ein Schmuggler auch wieder das Risiko einer zusätzlichen Strafe ein – besser ist es da natürlich, mit Genehmigung ein (Mobil-)Telefon benutzen zu dürfen. In den USA haben sich ein paar Telefongesellschaften auf die Versorgung der Haftanstalten spezialisiert. Offenbar handeln sie aber nach der biblischen Maxime „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ – und fordern ihren Zwangskunden geradezu kriminell hohe Gebühren ab. So sieht das jedenfalls die Aufsichtsbehörde FCC. Aber so einfach lassen sich die Betreiber nicht „deckeln“ – sie haben gerade erfolgreich Einspruch gegen das Verbraucher- bzw. Knastbrüder-freundliche Preisdiktat der Behörde eingelegt. Angeblich gibt es für die hohen Preise irgendwelche sehr guten Gründe. 🙂

DRadio Wissen · Gefängnis: Kontrollierter Internet-Zugang für Insassen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 08.03.2016 (Moderation: Till Haase)

KeRanger: Erste funktionstüchtige Ransomware für Mac OSX

Jetzt geht die Verschlüsseln-und-Erpressen-Masche auch bei den Besitzern von Mac-Rechnern los – logisch eigentlich, denn wer eher zu einem schicken Apple-Modell als zum schnöden PC von der Stange greift, beweist Geschmack und Solvenz. Da wird doch noch ein Bitcoinchen für irgendeinen freundlichen Cyber-Gangster in Russland drin sein, das Leben dort ist schließlich hart und freudlos.

Dass sich die Eigner von Mac OSX-Geräten zurecht etwas weniger Sorgen gemacht haben, heißt nicht, dass sie per se sorgloser sind – auch bei der Infektion eines PCs mit Ransomware ist ja in den allermeisten Fällen etwas „Mithilfe“ des Users nötig. Wenn die Schadsoftware dann auch noch huckepack mit dem Update eines an sich vertrauenswürdigen Programms auf den Rechner kommt, kann man den Opfern eigentlich gar keine Mitschuld mehr vorwerfen. Und so lautet denn die Devise auch hier: das Einzige, was hilft, sind Backups. Möglichst vollständige, möglichst aktuelle.

Besonders gemein: So schöne und bequeme Dinge wie eine Time Machine oder die Hintergrund-Datensicherung in die Cloud machen bei einem Ransomwarebefall die Sache unter Umständen noch schlimmer – die werden nämlich mitverschlüsselt, und beim nächsten Synchronisieren mit einem Zweitgerät ist dort dann auch alles top secret. Die einzige Lösung ist also ein Backupmedium, das nur zum Sichern angestöpselt wird. Ich korrigiere: Mehrere solche Backupmedien natürlich.

IT-Sicherheit: Auch Macs sind bedroht · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 07.03.2016 (Moderation: Till Haase)

US-Wahlkampf im Netz: Troll Trump und seine Follower

Besser, es wird schlecht über einen geredet als gar nicht: Dass es im US-amerikanischen Wahlkampf sehr viel rustikaler zugeht als hierzulande, ist nicht neu. Aber die aktuelle Kampagne toppt alles dagewesene. Und das liegt natürlich an Donald Trump, dem Immobilien-Zocker, TV-Showmaster und fleischgewordenen Schrecken aller nicht so rustikal veranlagter Zeitgenossen hüben und drüben des Ozeans. (Bekanntlich steckt ja in Wirklichkeit Johnny Depp in der Donald-Trump-Maske 🙂 …)

Genauso schmerzfrei wie in den TV-Debatten ist der (angebliche…) Milliardär auch in den Social Networks unterwegs. Und seine Tweets rotzt er offenbar tatsächlich eigenhändig heraus, was zuweilen im Rohr krepiert. Klar ist – nicht alle Follower bei Twitter oder jetzt Instagram werden den Polit-Troll am Schluss wirklich als Präsidenten sehen wollen, trotz aller Unterhaltsamkeit. Aber auf jeden Fall ist Trump natürlich der kongenialste Kandidat für das Netz. Bei dem es sich ja bekanntlich um eine Riesen-Ansammlung digitalisierter Klowände handelt. Nur viel bunter und greller als früher, versteht sich.

Troll dich, Trump! · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 07.03.2016 (Moderation: Till Haase)

Netflix setzt Geoblocking durch und sperrt Zugriff per VPN

Angekündigt war der Schritt schon ein Weilchen, „passend“ zur Oscar-Verleihung macht Netflix seit dem Wochenende auch hierzulande Ernst und blockiert das Streaming „über Bande“, nämlich per Proxyserver oder per VPN. Wie die „branchenübliche“ Erkennung eines solchen Zugangs nun technisch genau realisiert wird, darüber kann man noch etwas rätseln – laut einigen VPN-Anbietern und laut einigen Userberichten sollen sich die jetzigen Blockaden doch noch wieder aushebeln lassen. Umgekehrt gibt es zahlreiche Berichte von „Kollateralschäden“ – da werden VPN-User ausgesperrt, obwohl sie im „richtigen“ Land ihren Stream abrufen, da erkennt der Prüfalgorithmus einen vermeintlichen VPN-Zugang, wo gar keiner ist. Möglicherweise springt die Blockade auch schlicht und einfach dann an, wenn die vom Browser übermittelte Systemzeit nicht zur abonnierten Region bzw. dem dort postierten Abrufserver passt. Da könnte es also einen Versuch wert sein, einfach die Computeruhr umzustellen 🙂 …

Nix mit House of Cards IV · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 01.03.2016 (Moderation: Marlis Schaum)

Es gibt sehr wohl Verschwörungen – nur keine großen, die ewig halten

Über die Verschwörungs-Haltbarkeitsformel von David Robert Grimes hatte ich ja schon letztens beim DLF berichtet

Irgendwie scheint vielen sehr ernsthaften Kritikern der in PLOS One veröffentlichten Studie entgangen zu sein, dass zuweilen auch in seriösen Wissenschaftspublikationen mit Peer Review-Verfahren Artikel erscheinen, die nicht völlig bierernst gemeint sind. Die Gefahr ist besonders hoch, wenn es sich um englische Autoren handelt – ich rate zum Beispiel bei Veröffentlichungen des British Medical Journal rund um die Weihnachtszeit zu erheblicher Ironiedetektor-Funktionsprüfung. 🙂 Also mal O-Ton David Robert Grimes auf meine allererste Frage an ihn, in wieweit seine Studie und seine Formel nämlich humoristisch zu verstehen sind:

Part of this is fun. As I scientist I find a question interesting and I start playing with the question and sometimes fun comes out – but there is a more serious nature as you point out correctly: In my other job I am science journalist and write for the Guardian and the Irish Times and BBC, and we need turn out right important science topics like vaccination or climate change – you often encounter a committed very developed group who believe science can’t be trusted because it’s all a big conspiracy. And sometimes that’s funny. I mean if you dealing with someone who doesn’t believe the moon landings are real that’s funny. But if you are dealing with someone who believes that vaccination is a conspiracy by the government or scientists – that’s really dangerous.

Auf die methodische Schwäche mit den fehlenden Werten aus nicht aufgeflogenen Verschwörungen hat Grimes ja im Paper schon selbst hingewiesen (S. 12: „There is also an open question of whether using exposed conspiracies to estimate parameters might itself introduce bias and produce overly high estimates of p…), nur ist eben an das geheime Datenmaterial leider so schwer dranzukommen:

That would be fantastic. It would be fantastic. It was very hard to get the parameters. So the one problem with the paper is the lot of parameters I had to estimate as best I could from the literature. Because obviously by definition there is conspiracies we don’t know about.

Der britische Krebsforscher und Wissenschaftsjournalist hat dann seinen augenzwinkernd gemeinten Ansatz mit einem „seriösen“ Instrumentarium durchexerziert. Wenn ihm dabei Fehler unterlaufen sind, ärgert er sich bestimmt am meisten – aber das Ganze ist natürlich eine methodologische Etüde, die mit zwei Nachkommastellen angegebenen „exakten“ Werte sind natürlich letztlich ein Gag; und die „großzügige“ Verwendung irgendwelcher pi-mal-Daumen-Parameter gehört zum Konzept. Zugegebenermaßen – mit einer wasserdichten Statistik wäre die Sache noch schöner.

Und um das angesichts verschiedener „enthusiastischer Reaktionen“ von Verschwörungsgläubigen und Artikel-Nichtlesern 🙂 in der Zwischenzeit (und auch in den Kommentarspalten anderer Medien…) noch einmal zu betonen – Grimes hat nie behauptet, dass es keine Verschwörungen gäbe. So kleinere professionelle (z.B. das täglich Brot der Geheimdienste…) haben sogar bei einem kleinen Mitwisserkreis nach seiner Formel eine ziemlich gute Haltbarkeitschance. (Aber natürlich keine Haltbarkeitsgarantie… 🙂 )

Und selbst im Wissenschaftsbereich können Mini-Verschwörungen unentdeckt bleiben – z.B. gefälschte Forschungsarbeiten. Grimes ist (wie ich…) absolut der Meinung, dass in diesem Sektor viel zuwenig Arbeiten und Experimente nachgeprüft und wiederholt werden – Forscher sehen sich einem ständigen Publikationsdruck ausgesetzt, und das bringt halt jede Menge Leute auf dumme Gedanken.

I still think if you make a big enough plan like the climate change or vaccination very quickly other people will find out that the results don’t work. But on a smaller scale it could absolutely happen.

Aber wer an universelle und omnipräsente Verschwörungen glaubt, der sieht die Welt wohl komplizierter (oder eher noch: einfacher), als sie ist. Immerhin tut es den „Gläubigen“ ja gut, im Gegensatz zu ahnungslosen, naiven Mitmenschen um die schlimme Sache zu wissen. Zu den völlig ahnungslosen und unbelehrbaren Naiven gehören natürlich auch wir Schreiberlinge. Kleiner Scherz. Wir sind natürlich eingeweiht. 😉

Verschwörungen: Mehr Mitwisser, weniger geheim · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Grünstreifen vom 12.02.2016 (Moderation: Sebastian Sonntag)

 

Nachklapp 14.02.2016: David Robert Grimes hat als Reaktion auf die geäußerte Kritik eine Korrektur seiner Formel und der veröffentlichten Grafiken verfasst – diese wird in Kürze auf der PLOS One-Website erscheinen.

Nachklapp 1.3.2016: Die Korrektur ist jetzt online.