Es gibt sehr wohl Verschwörungen – nur keine großen, die ewig halten

Über die Verschwörungs-Haltbarkeitsformel von David Robert Grimes hatte ich ja schon letztens beim DLF berichtet

Irgendwie scheint vielen sehr ernsthaften Kritikern der in PLOS One veröffentlichten Studie entgangen zu sein, dass zuweilen auch in seriösen Wissenschaftspublikationen mit Peer Review-Verfahren Artikel erscheinen, die nicht völlig bierernst gemeint sind. Die Gefahr ist besonders hoch, wenn es sich um englische Autoren handelt – ich rate zum Beispiel bei Veröffentlichungen des British Medical Journal rund um die Weihnachtszeit zu erheblicher Ironiedetektor-Funktionsprüfung. 🙂 Also mal O-Ton David Robert Grimes auf meine allererste Frage an ihn, in wieweit seine Studie und seine Formel nämlich humoristisch zu verstehen sind:

Part of this is fun. As I scientist I find a question interesting and I start playing with the question and sometimes fun comes out – but there is a more serious nature as you point out correctly: In my other job I am science journalist and write for the Guardian and the Irish Times and BBC, and we need turn out right important science topics like vaccination or climate change – you often encounter a committed very developed group who believe science can’t be trusted because it’s all a big conspiracy. And sometimes that’s funny. I mean if you dealing with someone who doesn’t believe the moon landings are real that’s funny. But if you are dealing with someone who believes that vaccination is a conspiracy by the government or scientists – that’s really dangerous.

Auf die methodische Schwäche mit den fehlenden Werten aus nicht aufgeflogenen Verschwörungen hat Grimes ja im Paper schon selbst hingewiesen (S. 12: “There is also an open question of whether using exposed conspiracies to estimate parameters might itself introduce bias and produce overly high estimates of p…), nur ist eben an das geheime Datenmaterial leider so schwer dranzukommen:

That would be fantastic. It would be fantastic. It was very hard to get the parameters. So the one problem with the paper is the lot of parameters I had to estimate as best I could from the literature. Because obviously by definition there is conspiracies we don’t know about.

Der britische Krebsforscher und Wissenschaftsjournalist hat dann seinen augenzwinkernd gemeinten Ansatz mit einem “seriösen” Instrumentarium durchexerziert. Wenn ihm dabei Fehler unterlaufen sind, ärgert er sich bestimmt am meisten – aber das Ganze ist natürlich eine methodologische Etüde, die mit zwei Nachkommastellen angegebenen “exakten” Werte sind natürlich letztlich ein Gag; und die “großzügige” Verwendung irgendwelcher pi-mal-Daumen-Parameter gehört zum Konzept. Zugegebenermaßen – mit einer wasserdichten Statistik wäre die Sache noch schöner.

Und um das angesichts verschiedener “enthusiastischer Reaktionen” von Verschwörungsgläubigen und Artikel-Nichtlesern 🙂 in der Zwischenzeit (und auch in den Kommentarspalten anderer Medien…) noch einmal zu betonen – Grimes hat nie behauptet, dass es keine Verschwörungen gäbe. So kleinere professionelle (z.B. das täglich Brot der Geheimdienste…) haben sogar bei einem kleinen Mitwisserkreis nach seiner Formel eine ziemlich gute Haltbarkeitschance. (Aber natürlich keine Haltbarkeitsgarantie… 🙂 )

Und selbst im Wissenschaftsbereich können Mini-Verschwörungen unentdeckt bleiben – z.B. gefälschte Forschungsarbeiten. Grimes ist (wie ich…) absolut der Meinung, dass in diesem Sektor viel zuwenig Arbeiten und Experimente nachgeprüft und wiederholt werden – Forscher sehen sich einem ständigen Publikationsdruck ausgesetzt, und das bringt halt jede Menge Leute auf dumme Gedanken.

I still think if you make a big enough plan like the climate change or vaccination very quickly other people will find out that the results don’t work. But on a smaller scale it could absolutely happen.

Aber wer an universelle und omnipräsente Verschwörungen glaubt, der sieht die Welt wohl komplizierter (oder eher noch: einfacher), als sie ist. Immerhin tut es den “Gläubigen” ja gut, im Gegensatz zu ahnungslosen, naiven Mitmenschen um die schlimme Sache zu wissen. Zu den völlig ahnungslosen und unbelehrbaren Naiven gehören natürlich auch wir Schreiberlinge. Kleiner Scherz. Wir sind natürlich eingeweiht. 😉

Verschwörungen: Mehr Mitwisser, weniger geheim · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Grünstreifen vom 12.02.2016 (Moderation: Sebastian Sonntag)

 

Nachklapp 14.02.2016: David Robert Grimes hat als Reaktion auf die geäußerte Kritik eine Korrektur seiner Formel und der veröffentlichten Grafiken verfasst – diese wird in Kürze auf der PLOS One-Website erscheinen.

Nachklapp 1.3.2016: Die Korrektur ist jetzt online.

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