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Social-Media-Aktivitäten des IS: Frauen spielen eine zentrale Rolle

Wenn man sich so ganz allgemein anschaut, was Menschen dazu bringt, den sogenannten „Islamischen Staat“ zu unterstützen, dann hat das ja offenbar mit einer rationalen Entscheidung meist nicht allzu viel zu tun. Da sind anscheinend viele geistig unzurechnungsfähige oder psychisch Gestörte dabei, an oder jenseits der Debilitätsgrenze und/oder mit einer Klein- oder Schwerkriminellen-„Karriere“ im Gepäck. Oder eben die „ganz normal“ Orientierungslosen, die von tatsächlicher oder vermeintlicher Chancenlosigkeit Entmutigten – die entweder in islamischen Staaten oder in irgendwelchen westlichen „Gast“- oder „Einwanderungsländern“ ein dankbares Missionierungs-Zielobjekt von fanatischen Anwerbern werden. Und wo man in diesem Spektrum diejenigen hintun soll, die sich von über die Wüste galoppierenden Fantasy-Kämpfern unter der grünen Fahne des Propheten begeistern lassen und auch mal endlich nicht nur am PC, sondern „in echt“ mit Schwertern ungläubige Hälse abhacken wollen, die nach den Jungfrauen im Paradies lechzen und sich auch gern schon einmal auf Erden einen kleinen Vorschuss bei „Sexsklavinnen“ holen – das auch noch mal eine Spezialfrage.

Manch einer erklärt das ganze Phänomen „IS“ ja als Ausdruck einer systemischen sexuellen Neurose – aber so einfach ist die Sache wohl auch nicht. Denn es schließen sich ja auch Frauen dem „Projekt“ an oder unterstützen es – andererseits können natürlich auch Frauen bei einer systemischen sexuellen Neurose mitwirken; sie erziehen schließlich ihre Söhne zu neuen kleinen und später großen Arschlöchern emotionalen Krüppeln. (Zusätzliche traumatische Kindheitserfahrungen ggf. obendrein – geschenkt.) Wie dem auch sei – bei der Kommunikation im Netz, bei der Rekrutierung neuer Kämpfer oder Terroristen kommen anscheinend auch im vermeintlich männerdominierten IS-Universum die klassischen „Soft Skills“ ins Spiel, die Frauen nachgesagt werden. Laut einer Studie in Science Advances haben jedenfalls weibliche Akteure in islamistischen Unterstützergruppen beim russischen Facebook-Pendent VKontakte eine signifikant höhere Verknüpfungseffizienz („betweenness centrality“) als ihre zahlenmäßig stärker vertretenen männlichen „Freunde“.

Und damit bestätigen sich also auch bei einer „extremistischen Gruppe unter Druck“ im zeitgemäßen Cyberraum die netzdynamischen Strukturen aus der alten, analogen Welt – die Studienautoren bringen hier detaillierte Sozialgefüge-Analysen der PIRA (Provisional Irish Republican Army) im Nordirland der 70er und 80er Jahre zum Vergleich. Ob die Welt und die individuelle Kommunikations-, Verfolgungs- und Risikosituation damals nicht doch sehr weit von einer heutigen Social-Media-Aktion am warmen PC entfernt ist, ist eine berechtigte Frage. Aber zumindest die möglichen Konsequenzen laufen ja am Ende auf das gleiche, alte Lied hinaus: Gewalt und Tod im Dienste der höheren Sache; für andere und gegebenenfalls auch für die eifernden Akteure selbst.

Vielleicht liegt ja im besonders engagierten und effektiven weiblichen Netz-Einsatz für den „IS“ letztlich sogar ein emanzipatorisches Element? Aus der Perspektive unter den Kopftüchern mancher Frauen bestimmt. Ob’s stimmt, wird sich ja dann irgendwann nach dem ruhmvollen, unausweichlichen Sieg des Kalifats erweisen. Oder auch nicht.

Social-Media-Aktivitäten des IS: Die Anwerberinnen · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 13.06.2016 (Moderation: Till Haase)

Islamischer Staat: Frauen geben bei IS-Propaganda im Netz den Ton an – SPIEGEL ONLINE

(Spiegel Online – Netzwelt vom 14.06.2016)

Blankziehen für Wohnung oder Job: „Score Assured“, der Bonitätscheck für Schmerzfreie

Eine kleine Chance gibt es ja noch – die Website von „Score Assured“ ist noch recht leer, der Twitteraccount noch sehr frisch – und vielleicht meldet sich dann irgendwann demnächst das Institut für Soziologie an der XYZ-Universität und sagt „April, April – das war nur ein Test, wie weit Leute wirklich gehen für einen Job oder eine Wohnung.“ Oder es war nur ein Medienversuch, was die Presse so alles für möglich hält. Das Problem ist nur – der Gag, wenn es denn einer wäre, wäre schon nicht mehr richtig gut. Weil die Leute mittlerweile so weit gehen. Und die Presse das natürlich auch berechtigterweise glauben darf.

Vielleicht stampft „Score Assured“-Gründer das Startup auch (erstmal…) wieder ein, weil die erste Resonanz nach dem Artikel in der Washington Post jetzt nicht so richtig ein Jubelchor, sondern eher ein Buh-Geschrei war. Aber noch viel wahrscheinlicher kommen die Produkte „Tenant Assure“ und „Recruit Assure“ genau so wie geplant auf den Markt. Ok, in Deutschland ging das nicht so richtig konform mit Datenschutzbestimmungen – schließlich lassen Bonitäts-Blankzieher ja nicht nur „freiwillig“ die eigenen Social-Media-Hosen runter, sondern ungefragt auch die ihrer Freunde und Kommunikationspartner.

Aber in Deutschland gibt es ja auch ein leidlich funktionierendes System von Rating-Firmen – die haben zwar keinen übermäßig guten Ruf, sind aber natürlich letztlich auch im Interesse der „ehrlichen“ Kunden, die unkompliziert einen Kredit, Handyvertrag oder eine Wohnung bekommen wollen. Ob das Rating per „Score Assured“ übrigens wirklich funktioniert, ist ja noch die Frage – schon 2012 beim missglückten Gedankenspiel der Schufa mit einer Facebook-Auswertung kamen ja sofort alle darauf, ihren Social Media-Account halt notfalls etwas aufzuhübschen. Was ja eigentlich eh das Grundprinzip ist bei der Selbstdarstellung im Netz. 🙂

Runter mit der Social-Media-Hose · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 13.06.2016 (Moderation: Till Haase)

Google schmeißt antisemitische Chrome-Extension aus dem App-Store

Man kann ja den israelischen Premier für einen opportunistischen Unsympathen halten, die irrlichternden Vertreter kleinerer rechter/orthodoxer israelischer Parteien für komplette Vollidioten und Nazi-Wiedergänger mit verdrehtem Vorzeichen – wer aber andererseits der schönen Verschwörungstheorie von den geheimen Plänen des „Weltjudentums“ zur Erlangung der Weltherrschaft frönt, ist komplett gehirnamputiert. Betrifft also größere Teile der Weltbevölkerung 🙂 …

Und für diese Klientel ist es natürlich auch schon eine aufklärerische Tat, Juden als Juden zu identifizieren – im Netz zum Beispiel. Weil, wer ein Jude ist, bei dem ist ja alles klar. Ob Investmentbanker, Politikerin oder Chef eines Internet-Unternehmens. Oder so. Und zur Kennzeichnung dieser Juden, bei denen ja dann alles klar ist, da gibt es halt die drei Klammern. Also z.B. (((Michael Gessat))) – da steht jetzt die innerste Klammer für: Juden zerstören die Familie. Die mittlere: Juden zerstören die Nation durch Immigration. Und die äußere steht für das internationale Judentum. So weit, so einleuchtend.

Für die angesprochenen Gehirnamputierten ist da natürlich eine Browser-Extension wie „Coincidence Indicator“ ganz hilfreich – da weiß man eben schon beim Besuch auf irgendwelchen Webseiten: Jude, alles klar. Nach einem Bericht der Website mic letzte Woche hat nun allerdings Google die Extension aus dem App-Store geschmissen. Warum nur – was kann denn daran antisemitisch sein, einen Juden als Juden zu identifizieren? (Krokodiltränen-vergieß, naiver Augenaufschlag…) Genau. Um die Diskussion etwas zu befeuern – und um ein Zeichen gegen den antisemitischen Schwachsinn zu setzen, hat jetzt Brian Teeman von Joomla eine Gegenkampagne gestartet; hat selbst die drei Klammern um seinen Twitter-Usernamen ergänzt – mit der Aufforderung an alle, es ihm da gleich zu tun.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 06.06.2016 (Moderation: Thilo Jahn)

Missbrauchsvorwürfe: Tor trennt sich von Jacob Appelbaum

Anonyme Beschuldigungen sind wohlfeil, auch oder gerade wenn sie mit großer Öffentlichkeitswirkung ins Netz gestellt werden. Wenn der Beschuldigte allerdings einer der Personen mit dem größten Impact-Faktor im Netz oder zumindest in der „Netzaktivisten“-Szene ist und ein Teil der Vorwürfe gerade darin besteht, er habe diese Meinungs- und Unterstützermacht immer wieder für Mobbingaktionen eingesetzt, für den Diebstahl der Ideen und Entwicklungen anderer? Wenn aus dem Kreis seiner Arbeitskollegen und Arbeitgeber verlautet, so richtig überraschend kämen die Vorwürfe nicht, da seien schon lange entsprechende Gerüchte im Umlauf gewesen? Wenn eine Anzahl von Leuten – nicht anonym, sondern ganz offen – diagnostizieren, die fragliche Person sei unverkennbar „persönlich schwierig„?

Dann beweist das immer noch nichts, gibt aber immerhin zu denken. Die Rede ist von Jacob Appelbaum, quasi der „Star“ der Netzaktivistenszene – nach eigener Wahrnehmung und Inszenierung, so heißt es jetzt, aber auch in der Wahrnehmung der medialen Öffentlichkeit. Appelbaum soll sich nicht nur mit fremden Federn geschmückt haben, ihm werden sexuelle Übergriffe und Manipulationen vorgeworfen. Nach intensiver Diskussion hat sich das Tor-Projekt von seinem Aushängeschild getrennt – Betroffene werden aufgefordert, sich zu melden. Die sich selbst als „Opfer“ empfindenden Berichterstatter auf der Website jacobappelbaum.net wollen vor allem eines erreichen – andere vor den manipulativen Kräften und Absichten eines Mannes mit Star-Status warnen.

Nun ist halt ein angeblicher oder tatsächlicher Missbrauch, der sich „fließend“ aus einer einvernehmlichen sexuellen Beziehung heraus entwickelt, immer noch sehr viel schwieriger zu beurteilen, als wenn ein Maskierter im Park über eine Joggerin herfällt. Dass es da zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit (wenn es denn überhaupt eine objekte Wirklichkeit gibt…) Interpretationsspielraum gibt, ist klar – andererseits: „Nein“ heißt „Nein“. Oder doch vielleicht auch nicht? Man denkt an den Fall Kachelmann, man denkt vor allem natürlich an den Fall Assange. Und damit ist dann auch noch die ganz spezielle Komponente im Spiel: Sind die ganzen Vorwürfe vielleicht eine abgekartete Geheimdienst-Operation, ganz nach der Blaupause der von Edward Snowden geleakten und von Jacob Appelbaum präsentierten NSA-Strategiepapiere?

Kann theoretisch sein. Eignet sich aber andererseits wiederum möglicherweise als wohlfeile Ausrede, derer sich natürlich die „Ankläger“ auch schon bewusst sind – mit ein Grund für sie, anonym zu bleiben. Letztlich ist das aber keine haltbare Strategie. Die Auseinandersetzung sollte mit offenem Visier stattfinden. Auch wenn man einen Bericht wie den von Nick Farr liest, bleiben Fragen offen – die angebliche Chancenlosigkeit einer Konfrontation mit einer anderen Person anzuerkennen (jetzt einmal von wirklich alternativlosen Situationen abgesehen…) heißt ja auch die eigene Opferrolle annehmen. Vielleicht herrscht in den „Netzaktivisten“-Kreisen tendenziell (subjektiv nachvollziehbarerweise…) eine verzerrte (und hier selbst-destruktive…) Weltwahrnehmung, dass die Zahl der Follower allen Ernstes den Wert und die Macht einer Person bestimmt.

Star der Netzaktivisten unter Beschuss · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 06.06.2016 (Moderation: Thilo Jahn)

Nachklapp zur Sendung: Inzwischen hat Jacob Appelbaum selbst zu den Vorwürfen Stellung bezogen. Die Anschuldigungen seien komplett haltlos, auch wenn es vielleicht „unausweichlich“ Momente von unabsichtlichen Verletzungen der Gefühle anderer in professionellen oder privaten Situationen gegeben haben könnte. Dafür habe er sich entschuldigt, und er werde sich weiter entschuldigen und daran arbeiten, eine bessere Person zu werden.

Family-Tarif beim Streamen – Dumping auf Kosten der Musiker?

Es gibt schon Super-Schlaumeier mit super „Dealz“-Ideen. Wie wäre es hiermit: Einen philippinischen Spotify-Account anlegen, dort den Family-Tarif wählen. Kostet – den ortüblichen Einkommens- und Lebensverhältnissen angepasst – 194 Pesos. Umgerechnet 3,72 Euro. Bezahlt wird per extra eingerichtetem philippinischen Paypal-Konto. Dann das ganze hier mit fünf anderen Schlaumeiern sharen; mit einer gefakten Adresse, die man sich aus Google Maps holt. Macht monatlich 62 Cent pro Nase fürs Musikhören bis zum Abwinken – oder, wenn der Leit-Schlaumeier seinen Aufwand bezahlt haben will oder gar etwas am „Deal“ verdienen; vielleicht einen Euro.

Mit Fairness hat so ein Abo natürlich nicht mehr allzuviel zu tun, das ist vielmehr wegen des viel breiteren Katalogs und der Bequemlichkeit einfach besser als nur Klauen („Raubkopieren“ 🙂 ). Aber letztlich ist der Gedanke „die Musik ist mir etwas wert“ auch nur eines der vielen Motive beim Geschäftsmodell Streaming. Das Ganze ist eine labile Balance zwischen den Interessen der Produzenten, Zwischenhändler und Konsumenten – und jeder Player spielt nach eigenen Regeln. Und die werden wiederum zuweilen von anderen vorgegeben. Ob z.B. Spotify (und auch Netflix…) wirklich bewusst und aus freien Stücken auf Dumping setzt, wie Moritz Stückler bei t3n beklagt, das ist noch die Frage.

Denn – auch das erwähnt Stückler ja – die Preisvorgabe kommt von Apple, mit komfortablem Cash-Speck zur Querfinanzierung im Rücken. Da bleibt Spotify schlicht nichts anderes übrig, als nachzuziehen. Die Kundschaft ist höchst preissensibel, das Produkt sehr ähnlich und austauschbar. Und die mangelnde Kontrolle der Schlaumeier-Familys? Ist wahrscheinlich eine ganz schlichte Abwägung des Kosten-Nutzen-Aufwandes. Wenn jetzt die ganze Welt auf die Philippinen abwandert, dann gibt’s wahrscheinlich bald eine Kontrolle der IP-Nummer. Aber bei ein paar tausend Leuten mit aufwendiger Recherche, mit Sperre und anschließender Korrespondenz nachzuhaken, immer in der Gefahr, auch normale Kunden zu nerven oder fälschlich zu verdächtigen – das wäre nicht sehr attraktiv für Spotify. Die Schlaumeier sind halt eingepreist in der Gesamtkalkulation. Und ob die fair ist, das ist ja noch die offene andere Frage.

Aber die grundsätzliche Diagnose bei t3n stimmt natürlich – vor lauter Geiz kann man ein Produkt vor die Hunde gehen lassen. So wie das deutsche Schweinekotelett oder den Wasser- und Antibiotika-aufgepimpten Pangasius. Wem’s halt schmeckt 🙂 …

Dumpingpreis auf Kosten der Musiker? · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 30.5.2016 (Moderation: Till Haase)

Papst Franziskus trifft sich mit YouTube-Stars

Die Zeiten, als das Internet für die katholische Kirche noch als Sündenpfuhl und Werkzeug des Teufels galt, die sind schon ein Weilchen vorbei: Spätestens seit Dezember 2012, als der Papst – damals noch „Wir sind Papst“-Benedikt XVI. – mit dem Twitter-Account @pontifex loslegte. Sein Nachfolger Franziskus macht da konsequent weiter: seit März ist er auf Instagram unterwegs. Und gestern hat sich das Oberhaupt der katholischen Kirche im Vatikan mit YouTube-Stars aus aller Herren Länder getroffen – eine knappe Stunde dauerte das Beisammensein, alle sollen viel Spaß gehabt haben.

Ausgesprochene Gangsta-Rapper mit einer inkompatiblen Diktion waren nicht eingeladen – aber die Gäste waren auch keinesfalls Special-Interest-Hallelujah-Blogger, sondern eine ganz am Mainstream angelehnte Mischung; z.B. aber auch mit Rassismus-konträrem Hintergrund. Aber selbst für das Thema „Beauty“ hatte der Pontifex eine integrierende Interpretation: Das zu predigen und zu verbreiten, habe doch zumindest eine anti-agressive Wirkung. Auch ein virtuelles Angebot sei besser als gar keines, so Franziskus – das passt ja in gewisser Weise zum Thema „Glauben“ insgesamt 🙂 …

Was das direkte Social-Media-Erleben betrift – Franziskus ist da ganz offen: Er selbst surft weder im Netz herum noch verbringt er seine Zeit vor der Glotze. Sehr vernünftig. Insofern ist es bei ihm wie bei anderen Profis – da twittern und instagrammen PR-Schergen unter seinem Account. Ein Tweet wie „Pray for me“ ist also auch kein Zeichen einer Krebserkrankung oder einer akuten moralischen Anfechtung, sondern referiert einfach auf das Pontifikats-Motto von Franziskus. Gut, dass nicht schon die komplette Transzendenz bei Mark Zuckerberg gelandet ist 🙂 …

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 30.05.2016 (Moderation: Till Haase)

The DAO: Venture-Crowdfunding mit Attitüde

So eine normale Firma ist ja eine ziemlich autoritäre Angelegenheit – da hat ein Vorstand das Sagen, meist handelt es sich um einen Mann oder ein paar Männer, und die werden für das „Sagen-wo’s-langgeht“ recht anständig bis recht unanständig (gut…) bezahlt. Wenn der Laden läuft (tatsächlich oder vermeintlich…), dann gibt’s noch mehr Geld („Bonus“), aber auch die Aktionäre und Kunden freuen sich. Wenn die Geschäfte oder Produkte floppen, dann bekommt der Vorstand den Laufpass (meist aber mit üppiger Abfindung…), die Aktionäre und Kunden sind sauer, im schlimmsten Fall geht die Firma Pleite.

Aber warum muss eigentlich alles in die Hand eines Einzelnen oder eines kleinen Führungsteams liegen? Jetzt gibt es – im Netz, wo sonst – einen radikalen Gegenentwurf: „The DAO“. Die Abkürzung steht für „Dezentrale autonome Organisation“. Und was darunter konkret zu verstehen ist, das kann man noch mit jeder Menge Phantasie füllen: Das Wirtschaftssystem der Zukunft, die Transformation des Kapitalismus? Eine Nerd-Venturekapitalfirma? Auf jeden Fall jetzt schon das bislang erfolgreichste Crowdfundingprojekt der Geschichte. Das gerade einmal dabei ist, sich erste Strukturen zu verschaffen.

Wie sich „The DAO“ schlägt, wenn sie aus ihrer dezentralen autonomen Virtualität heraus erst einmal intensiven Kontakt mit der lokalen und von althergebrachten Schwächen, Vorschriften und Begierden geprägten realen Welt aufgenommen hat, das ist noch die Frage. Die Willensbildung durch Crowd und Algorithmen ist ja auch erfahrungsgemäß in der Praxis auch nicht so einfach wie in der Theorie („Liquid Democracy“). Und ob eine dezentrale, autonome Gruppe überhaupt (dazu noch per Geldbeutel…) per se bessere Entscheidungen trifft als ein einsamer Leithammel, das wurde auch noch nicht empirisch nachgewiesen. Aber vielleicht ist ja bei „The DAO“ auch einfach (ein Stück weit…) schon der Weg das Ziel.

The Dao: Crowdfunding-Projekt zum Mitbestimmen · DRadio Wissen

(DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 17.05.2016 (Moderation: Thilo Jahn)

AdBlock Plus und Flattr: Werbeblocker will Geld sammeln

Im Web hängt der Haussegen schief. Eigentlich schon ziemlich lange, aber inzwischen eskaliert die Sache. Einerseits sind nämlich mittlerweile sehr, sehr viele User mit einem Adblocker unterwegs. (Ich übrigens schon immer…) Und anderseits gibt es immer mehr Webseiten, die sagen: Liebe Leute, dann kommt ihr eben nicht mehr rein bei uns. Wir leben von der Werbung. Die bauen also einen Adblocker-Blocker ein. Und bitten dann „recht höflich“, ihre Seite auf die Whitelist zu setzen, zu entblocken. Oder alternativ etwas Geld springen zu lassen, für einen werbefreien Zugang hinter der Paywall.

Gegen beides gibt es natürlich aus Usersicht gute Gegenargumente: Abgesehen vom Nerv-Faktor erweist sich Werbung immer häufiger als Malware-Schleuder. Und bezahlen will man vielleicht für ein paar Lieblingsseiten. Aber garantiert nicht für alle, auf denen man mal sporadisch ein, zwei Artikel liest. Genau wie bei den guten alten gedruckten Zeitungen und Magazinen: Das eigene Budget für Information oder Unterhaltung ist halt auch begrenzt.

Gestern auf der Netzkonferenz re:publica gab es nun einen Vorschlag, der das Problem lösen könnte. Er kommt – ausgerechnet – vom führenden Adblock-Hersteller Eyeo, der ja bislang ein etwas sportliches Geschäftsmodell betreibt: Gegen einen kleinen Obolus können sich Werbetreibende auf die Whitelist „akzeptabler“ Anzeigen setzen lassen. Das ist für manche schlicht Wegelagerei oder Schutzgelderpressung – andererseits installiert sich halt der User den Blocker und entscheidet auch ganz allein, was letzlich bei ihm durchkommt und was nicht. Bislang sind alle Klagen gegen Eyeo vor Gericht gescheitert. Aber wahrscheinlich würde die Firma  wohl auch lieber in Frieden ihr Geld verdienen. 🙂

Das neue Konzept ist also ein Angebot, das Kriegsbeil zu begraben – und mit im Boot ist ein alter Bekannter: Flattr. Einst als Hoffnungsträger gestartet, krebst der Bezahldienst nun recht kläglich daher. Zum einen ist vielen Usern die Schwelle „Anmelden, Budget einrichten und jeweils Artikel flattern“ zu hoch, zum einen schreckt auch die Betreiber der Aufwand, überall auf Verdacht die Buttons einzurichten und sich anzumelden. Bei „FlattrPlus“ würde der Bezahlvorgang automatisch ablaufen – und zwar nur dann, wenn ein Artikel auch wirklich gelesen wird und nicht nur kurz angeschaut. Angesichts der Userzahl, die per AdblockPlus ins Spiel kommen könnte, wäre das Ganze gar nicht mal absurd, sondern eine doch recht amtliche Hausnummer.

Bleiben halt noch so diverse Bedenken: Zum einen müsste Eyeo bzw. Flattr völlig transparent darlegen, wie die Datensammlung und -übermittlung abläuft. Wer sich einen Adblocker (und wahrscheinlich auch noch NoScript und Tracking-Blocker…) installiert, will garantiert nicht sein komplettes Surfverhalten irgendwo abliefern, auch wenn der Betreiber wie immer hoch und heilig Datenschutz verspricht. Zweitens: Wie viele User sind bereit, wieviel Kohle abzudrücken? Da bin ich relativ zuversichtlich – die Streaming-Modelle zeigen ja auch: Die Bereitschaft zur Fairness hängt vom aufgerufenen Preis ab. Und drittens: Werden sich die Anbieter mit dem bisherigen Erzfeind zusammenraufen? Warum nicht – es geht ja schließlich nicht um hehre Dogmen. Sondern nur um Geld. 🙂

AdBlock Plus und Flattr: Werbeblocker will Geld sammeln · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 04.05.2016 (Moderation: Till Haase)

Dringender Rat an Windows-Nutzer: QuickTime deinstallieren!

Dass in Software Fehler drin sein können, ist nichts Neues. Dass bestimmte Fehler, bestimmte Sicherheitslücken dazu führen können, dass man sich beim Surfen im Netz Schadsoftware einfängt oder im schlimmsten Fall der Rechner gehackt wird, ist auch normal und ein Dauerthema. Und deswegen muss man halt möglichst regelmäßig nach Updates Ausschau halten – und die dann auch installieren. Dumm nur, wenn es für eine ziemlich verbreitete Software keine Updates mehr gibt – und  gleichzeitig (mindestens…) zwei happige Sicherheitslücken wie ein Scheunentor offenstehen.

Genau das ist der Fall gerade bei QuickTime, dem Multimedia-Codecpaket von Apple. Und deswegen lautet jetzt auf einer Vielzahl von Tech-Webseiten die ganz klare Parole: Windows-Nutzer sollten QuickTime deinstallieren – und zwar sofort. Auch das Department of Homeland Security hat diese Empfehlung gestern verbreitet, nachdem die Sicherheitsfirma Trend Micro in einem Blogartikel auf die Lücken und den fehlenden Support von Apple hingewiesen hatte.

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Dass der Konzern sein „Kind“ offenbar auf der Windows-Plattform schon lange nicht mehr liebt und jetzt völlig aufgegeben hat, ist ja eine legitime Entscheidung – nur dann sollte Apple zumindest auch Verantwortung übernehmen und Klartext reden – und die jetzt potentiell gefährliche Waisen-Software nicht mehr kommentarlos auf der Website oder per Apple-Update zum Download anbieten. Von diesem Verbreitungsweg einmal abgesehen – am ehesten werden Anwender QuickTime auf ihren PCs haben, die sich mit Audio- und Videobearbeitung beschäftigen. Und möglicherweise gibt es bei einer Deinstallation Fehlermeldungen, oder manche ältere Programme laufen gar nicht mehr. Das ist dann eine Nutzen-Risiko-Abwägung. Notfalls bzw. sicherheitshalber kann man das alte Zeug ja auch in einer virtuellen Maschine weiterbetreiben…

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 15.04.2016 (Moderation: Till Haase)

Nachklapp 18.04.2016 – Gerade Multimedia-Programme von Adobe setzten bislang auf QuickTime als Unterbau – das Unternehmen hat nun angekündigt, diese Abhängigkeiten demnächst durch Updates zu beseitigen.

Whatsapp: Sichere Verschlüsselung jetzt für alle Inhalte und alle Geräte

Ein bisschen sichere Verschlüsselung gab es bei Whatsapp ja schon seit einem Weilchen. Und weil die End-to-End-Kryptografie von Moxie Marlinspike ja zwar technisch tadellos konzipiert, aber eben nur lückenhaft umgesetzt war, hatten sich User bei der Messenger-Konkurrenz umgeschaut, wenn sie vertraulich kommunizieren wollten. Ab sofort ist aber auch beim Marktführer ein Komplettpaket unter der Haube – Textnachrichten und Gruppenchats, Bilder, Filme und Sprache sind nur noch vom erwünschten Gesprächspartner zu entschlüsseln, nicht aber von Behörden, Geheimdiensten. Und übrigens auch nicht von Whatsapp oder Facebook selbst.

Womit ja schon das weitere Stichwort genannt wäre, warum man bislang eher mit Alternativ-Produkten geliebäugelt hatte. Aber die rund eine Milliarden Whatsapp-User sind eine Hausnummer, an der man schlecht vorbeikommt: Der Messenger in seiner neuen Version ist auf einen Schlag das meistverbreitete End-to-End-Verschlüsselungstool auf dem Planeten. Und zwar eines, das nicht nur Experten, sondern auch blutige Laien verwenden können – App-Update installieren, gegebenfalls das Gerät neu starten – fertig. Wohlgemerkt: Vertraulich sind ab jetzt die Kommunikationsinhalte. Mit wem man gechattet oder telefoniert hat, lässt sich auch weiterhin nachvollziehen.

Wenn Behörden (oder wer auch immer…) das Smartphone und damit den privaten Schlüssel des Gesprächspartners in die Finger bekommen, dann wars das natürlich auch mit der Geheimhaltung. Aber es geht ja gar nicht um Top-Secret-Szenarien. Sondern um eine sehr einfache und sehr praktikable und angesichts der Userzahl sehr relevante Antwort auf die „anlasslose“ Komplettüberwachung unserer gesamten Kommunikation. Für die berechtigten Anliegen der Behörden gibt es vielleicht nach wie vor auch noch fokussiertere Methoden; sei es mit High-Tech oder „guter alter Ermittlungsarbeit“…

DRadio Wissen · Whatsapp-Verschlüsselung: Kommunikation mit dem Messenger-Dienst ist sicher

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 06.04.2016 (Moderation: Till Haase)