Archiv der Kategorie: Beiträge Radio/Online

Navi-Benutzung schaltet unser Gehirn ab – oder doch nicht?

In den Presse-Vorankündigungen hatte das auch erst einmal meine Aufmerksamkeit erregt: „Satnavs ’switch off‘ parts of the brain“ – so lautete die Schlagzeile bei Eurekalert. Und die Anführungszeichen, das wissen wir spätestens seit den Abhör-Vorwürfen von Donald Trump, die sind sehr wichtig 🙂 …Beim Blick auf das Abstract fand ich die Geschichte ganz nett, aber letztlich nicht so überraschend, als dass ich sie am nächsten Morgen thematisiert hätte. Insgesamt war die Presseresonanz aber ganz ausgezeichnet – und zwar, so kritisiert Dean Burnett vom Guardian, weil die Titelzeile schon reichlich „aufgesext“ und letztlich irreführend war.

This map shows the ‚degree centrality‘ of all the streets in central London. This reflects how many other streets are connected to each street, with blue representing simple streets with few connecting streets and red representing complex streets with many connecting streets. Credit: Joao Pinelo Silva

Zwar hatten die Forscher vom University College London explizit darauf hingewiesen, dass sich aus ihrem Navigations-Experiment im fMRI-„Hirnscanner“ keine Aussagen über irgendwelche Langzeitfolgen ableiten lassen würden – die Presse brachte dann aber doch „intuitiv“ naheliegende, aber falsche „Schlussfolgerungen“ wie: „Warum sich die Millenium-Generation immer verläuft“ oder „Navis lassen uns verdummen“ oder „Fahrer mit Navis erinnern sich nicht mehr an Straßen“. Aber wie Dean Burnett ja sehr schön als Beispiel anführt: Wenn ich keinen erhöhten Puls habe, bedeutet das noch nicht, dass mein Herz zu schlagen aufgehört hat oder „abgeschaltet“ ist – das Ausbleiben einer erhöhten Aktivität (und die ohnehin bekannten „Unschärfen“ bei allen Kernspintomograph-Hirnuntersuchungen haben wir da auch noch im Hinterkopf…) bedeutet nicht das „aktiv negative“ „Abschalten“ einer Funktion.

Ein vermeintlich sehr subtiler Unterschied, aber in Wahrheit ein eminent wichtiger.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 24.03.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Cyber-Ganove zockt 100 Millionen Dollar mit dem „Chef-Trick“ ab

Im Netz sind jede Menge Gauner unterwegs, die auf schnelle und leichte Kohle aus sind – da sprechen wir ja schon öfter drüber. Manche klinken sich beim Onlinebanking ein, manche lassen sich Ware mit gehackten Kreditkartendaten schicken, manche verschlüsseln Festplatten und erpressen einen dann. Alles sehr ärgerlich, aber vom finanziellen Schaden her meist noch so im drei, vier oder fünfstelligen Bereich. Es geht aber auch richtig groß, richtig episch. Sagen wir mal 100 Millionen Dollar. So etwas oberhalb dieser Summe hat nämlich ein Betrüger aus Litauen abgezockt, und zwar mit der sogenannten „Chef-Masche“.

Die „Chef-Masche“ ist eine spezielle Kombination von Phishing-Mails und Social Engineering: Beim Phishing soll ja der Mailempfänger zu einer Aktion verleitet werden; im simpelsten Fall, auf einen Link zu klicken oder ein Dokument zu öffnen. Beim Chef-Trick soll der Empfänger – typischerweise jetzt ein Angestellter/eine Angestellte im Rechnungswesen bei einer Firma – dazu verleitet werden, eine Rechnung zu begleichen und Kohle zu überweisen.

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Und das funktioniert vielleicht sogar eher bei jungen, hippen Unternehmen, bei denen es insgesamt etwas formloser und flapsiger zugeht. Die Polizei geht angesichts des erheblichen Peinlichkeitsfaktors bzw. Reputationsschadens von einer signifikanten Dunkelziffer aus – manchmal lässt sich aber auch der Canossa-Gang an die Öffentlichkeit nicht vermeiden.

Ein insgesamt „nettes“ Geschäftsmodell – bei dem natürlich analog zu den recht reizvollen Abzock-Möglichkeiten auch recht amtliche Strafen und Gefängnisaufenthalte im Spiel sind. Das Ganze ist halt eine ganz nüchterne Kosten-Nutzen-Abwägung: No risk, no fun.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 23.03.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Sperma-Check mit dem Smartphone

Sprechen wir einmal über eine gar nicht so seltene Sache: Da ist ein Paar, die beiden wollen ein Kind bekommen. Sex haben sie auch regelmäßig und zum „eigentlich passenden“ Zeitpunkt – aber es klappt einfach nicht. Da kann die Psyche eine Rolle spielen; aber natürlich können auch ganz handfeste körperliche Gründe eine Schwangerschaft erschweren oder unmöglich machen. Im schlimmsten Fall lautet das Stichwort „Unfruchtbarkeit“ – entweder bei der Frau oder beim Mann. Wobei man da in manchen Konstellationen durchaus noch etwas machen kann…

Beim Mann ist ein wichtiger Faktor: Wie ist es denn eigentlich um seine Spermienqualität bestellt? Um das zu überprüfen, ist bislang meist ein Arzt- oder Krankenhausbesuch fällig; und der ist für viele mit einem gewissen Peinlichkeitsfaktor verbunden. Jetzt haben amerikanische Wissenschaftler einen Test für zuhause entwickelt. Der Test – von den Forschern, was die „Hardware“ betrifft, erst einmal als Prototyp im 3D-Druck-Verfahren erstellt – ist für die Anwender diskret, einfach und (voraussichtlich auch in der bald zu erwartenden Produktion…) billig. Die Diagnose ist aber offenbar so zuverlässig wie bei bislang bekannten Methoden.   

Wie bei anderen Selbst-Test-Kits auch: Eine Untersuchung und (hoffentlich…) fachlich abgesicherte Untersuchung bei einem Arzt oder in einer Klinik liefert noch weitergehende Aspekte oder Interpretationen. Aber der Smartphone-Sperma-Test ist mindestens besser als die Option, aus Scham oder Trägheit gar nichts zu unternehmen, wenn es mit dem Kinderwunsch nicht klappt. Übrigens (wie auch die Autoren anmerken..) – das Ganze macht natürlich auch anders herum Sinn: Der Test eignet sich auch dazu, die Wirksamkeit einer Sterilisation beim Mann zu überprüfen 🙂

Selbsttest: App zur Spermien-Analyse · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 23.03.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

P.S. Auch beim Wissensgespräch haben wir das Thema heute noch einmal behandelt.

Tschüss, Taxizentrale Köln. Guten Tag, MyTaxi

Ich habe heute morgen meinen Bus verpasst. Den ich eigentlich hätte bekommen müssen, um noch den Zug nach Düsseldorf zu erreichen und einen Termin dort pünktlich wahrnehmen zu können. Ich hatte 9 Uhr 46 als Abfahrtszeit im Kopf, es war aber 9 Uhr 43 – und ich konnte dem abfahrenden Bus noch sehr schön aus einiger Distanz hinterherschauen. Um 9 Uhr 46 rufe ich also an der Haltestelle die Taxizentrale Köln (Taxiruf Köln) an, um die Sache auszubügeln. Ein Zug, mit dem ich noch einigermaßen rechtzeitig in Düsseldorf ankommen würde, geht 10 Uhr 10 ab Köln HBF.

0221 2882 – Wer in Köln Taxi fahren will, kommt nicht an dieser Nummer und damit an der Taxi Ruf Köln eG vorbei.

Wenn man die Nummer 2882 wählt, hört man neuerdings zunächst einmal so gut eine Minute oder länger eine völlig bescheuerte und abartig nervende Ansage: Man könne auch ein Taxi übers Netz bestellen, bla, bla, bla. Ich weiß das grundsätzlich und brauche da auch garantiert keine bescheuerte App der Taxizentrale Köln; ich habe nämlich die MyTaxi-App und andere Varianten seit geraumer Zeit auf meinem Smartphone installiert, aber bislang nicht genutzt. Es gibt bekanntlich auch Uber, aber das habe ich auch noch nicht genutzt und habe mich da in meiner Rolle als Journalist sogar öffentlich skeptisch gezeigt… Ich will eigentlich nur so schnell wie möglich ein Taxi, wenn ich ein Taxi brauche – wenn die Telefon-Taxi-Zentrale sich selbst im Kommunikationsweg Telefon abschaffen möchte, bin ich an sich genau die richtige Zielgruppe.

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Die Dame in der Telefon-Zentrale fragt nach meinem Standort. „Endhaltestelle Bus 106, Südpark.“ Welche Straße und Hausnummer das denn sei? Da gibt es es keine Hausnummer, die ich sehen könnte, sage ich – die Endhaltestelle ist am Übergang Pferdmengesstraße/Am Südpark und müsste jedem ortkundigem Taxifahrer bekannt sein. Die Dame nimmt die Bestellung auf. Und dann passiert – nichts. Es kommt nichts, die Zeit verrinnt, mein Zug 10 Uhr 10 wird nicht mehr zu erreichen sein. Um 9 Uhr 58 rufe ich erneut die 2882 an – was um Himmels Willen ist da los, wieso kommt in der Millionenstadt Köln kein bescheuertes Taxi an ein nicht allzu exotisch gelegenes Ziel??

Die Dame – es ist wieder dieselbe – sagt mir, sie hätte den Auftrag ins System eingegeben – wenn bislang niemand gekommen sei, wäre niemand in der Nähe oder die Fahrer könnten mit der angegebenen Ortsbeschreibung nichts anfangen und würden den Ort nicht kennen. Ich reagiere nun mit äußerstem Missvergnügen – ist es mittlerweile also tatsächlich soweit, dass nur noch debile Fahrer ohne jede Ortskenntnis unterwegs sind, die auf eine Straße/Hausnummer-Angabe für ihr bescheuertes Navi im Auto angewiesen sind? Hat auch die Zentrale keinerlei Ortskenntnis mehr? Ich beende das Gespräch mit der Ankündigung, dass ich mich über die Inkompetenz beschweren und ab sofort die Inanspruchnahme der Taxi-Zentrale Köln beenden werde.

Es gibt ja schließlich die entsprechenden Apps, um deren Benutzung die Taxi-Zentrale anscheinend aus Spargründen intensiv bettelt. Ich melde mich bei MyTaxi an und bestelle einen Wagen. Ich kann dort mitverfolgen, wer den Auftrag annimmt und wann das Taxi bei mir eintreffen wird. In der Zwischenzeit kommt nun auch ein Taxi angefahren, das offenbar aufgrund der vorangegangen Bestellung bei der Taxi-Zentrale losgeschickt worden ist. (Dort hatte ich allerdings beim zweiten Anruf die Sache storniert – „vergessen Sie’s“…) Ich schildere dem Fahrer die Geschichte, er ermutigt mich darin, mich offiziell zu beschweren – das Verhältnis zwischen Fahrern bzw. Taxiunternehmern und der Taxizentrale sei ohnehin sehr angespannt und vom Kosten-Nutzen-Verhältnis fraglich und umstritten.

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Auf der Fahrt mit dem über MyTaxi bestellten Kollegen fahren wir (neues Ziel jetzt Bf. Köln-Deutz, Abfahrt 10 Uhr 28, die spätere Ankunft in Düsseldorf bedeutet für mich auch dort noch wieder eine Taxifahrt mit zusätzlichen Kosten von 18,- ) an der Taxi-Haltestelle Bayenthalgürtel vorbei – da stehen 5 Taxen; von meinem Bestellort 1-2 Minuten entfernt.

Mein Fazit als Kunde: Liebe Zentrale, ich brauche euch überhaupt nicht, wenn ihr nicht dafür sorgt, dass so schnell wie möglich ein Wagen an meinen Standort geschickt wird. Wenn ihr selbst auf Sparkurs geht, wenn ihr inkompetente Mitarbeiter(innen) habt und aufs Internet verweist – kein Problem, für mich läuft das ab jetzt über MyTaxi, da bin ich meine eigene Zentrale. Ich komme sehr gut an euch vorbei. Ihr könnt dann noch ein Weilchen die Omas durch die Gegend fahren, die kein Smartphone haben und von den Neuerungen überfordert sind. Tschüss an euch und noch viel Spaß im Neuland.

Tracking: Keine Selfies mehr mit Emma Watson

Emma Watson, die Hermine aus der Harry-Potter-Filmserie, ist mittlerweile 26 Jahre alt. Den Übergang vom Kinderstar in die Riege der erwachsenen Top-Filmschauspielerinnen hat sie locker geschafft, demnächst können wir sie in „Beauty and the Beast“ sehen. Wenn man Interviews mit ihr liest, wird klar – sie ist eine umgängliche Frau ohne große Starallüren, die aber auch sehr klar entscheidet, was sie der Öffentlichkeit preisgibt und was nicht. Im Gespräch mit dem Magazin „Vanity Fair“ hat sie jetzt verkündet, sie wolle sich in Zukunft nicht mehr einfach so überall von Fans ablichten lassen – weil nämlich nach dem Hochladen der Fotos ins Netz sofort ihr Aufenthaltsort auf 10 Meter genau bekannt sei – und das eben praktisch Tag für Tag rund um die Uhr. Emma Watson will nicht mehr dauer-getracked werden.

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Die Besorgnis ist natürlich absolut nachvollziehbar. In den Standardeinstellungen werden zu jedem Schnappschuss von Smartphone oder Kamera Uhrzeit und Geolocation-Daten mit abgespeichert, in den Standardeinstellungen bleiben die auch beim Hochladen in Social Networks erhalten oder da kommen sogar noch mal solche Daten im Moment des Postens dazu. Das ist also genau wie Emma Watson sagt: innerhalb von zwei Sekunden nach dem Knipsen weiß die ganze Welt, wo exakt sie gerade ist. Bei Stars wird man hier möglicherweise noch denken – ok, das ist jetzt im Rahmen der Prominenz und der damit verbundenen geldwerten Vorteile 🙂 eingepreist.

Im Grunde betrifft das Problem „knipsen und hochladen“ (mit Metadaten, aber ohne Einverständniseinholung…) aber jeden von uns. Wahrscheinlich leben wir schon in einer faktischen Post-Privacy. So richtig toll ist das aber nach wie vor nicht. Wer da ab und zu reingrätscht – auch mal happig kostenpflichtig – hat meinen Segen. Auch wenn das den Trend letztendlich nicht wirklich aufhält 🙂 …

DRadio Wissen · Tracking: Keine Selfies mehr mit Emma Watson

DRadio Wissen – Redaktionskonferenz vom 01.03.2017 (Moderation: Sonja Meschkat)

Beinahe-Katastrophe bei Ski-WM in St. Moritz

Vor einem Jahr durfte ich ja (als zufällig anwesender ganz normaler Skifahrer…) selbst die „äusserst dynamische militärische Fliegerei“ der PC-7-Kunstflugstaffel der Schweizer Luftwaffe bewundern – direkt über meinem Kopf. Nur eben, ohne dass ich über die signifikante Hochstufung meiner Ablebens-Wahrscheinlichkeit vorab informiert worden wäre bzw. dieser zugestimmt hätte (im Gegensatz etwa zu freiwilligen Besuchern von Flugshows…). Jetzt hat sich mein sehr ungutes Gefühl bestätigt – trotz „hoher Disziplin“ und „Beherrschung“  ist man tatsächlich „haarscharf an der Katastrophe entlanggeschrammt“. Von „hohem Einsatz“ war ja wie gesagt im Präsentationstext der Staffel auch die Rede.

Die Frage ist natürlich, wie hoch der Einsatz für die Kompetenz-Demonstration denn ausfallen darf – die 250.000 Euro für die Kamera jetzt (und die Verzögerung beim Rennablauf…) sind natürlich Peanuts. Wenn die Kamera in das Publikum gestürzt wäre – vielleicht vier bis fünf Tote. Das wäre schon unschön. Wenn die Maschine abgeschmiert und ins Publikum gestürzt wäre – vielleicht 50 bis 200 Tote. Das wäre dann Ramstein reloaded. Liebe Leute, bei allem Respekt vor fliegerischem Können – lasst doch den Scheiß über unseren Köpfen. Skifahren (und Skirennfahren erst recht…) ist schon hinreichend risikoreich.

Künstliche Intelligenz „Libratus“ schlägt Pokerprofis

Poker: Das ist doch Zockerei, ein Glücksspiel. Von wegen – das denken nur Leute, die keine Ahnung haben. Oder die eine politische oder „moralische“ Agenda verfolgen, denn kurioserweise hat die Einstufung ja gravierende Konsequenzen: Auf der einen Seite sagen Rechtspolitiker oder Juristen: „Glücksspiel; also ist das nach den und den Gesetzen verboten“. Dann wären allerdings konsequenterweise auch erzielte Gewinne steuerfrei. Oder anders herum, wenn der Staat Kohle sehen will, dann sind Gewinne aus Pokerturnieren plötzlich doch wieder steuerpflichtig – dann ist Poker also ein Geschicklichkeitsspiel oder ein Denksport.

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Und da kann man nur sagen – das letztere stimmt. Natürlich gibt es beim Poker eine Zufallskomponente, die gemischten und verteilten Karten. Aber über eine große Anzahl von Spielen, von gespielten Händen, wie man sagt – da ist das Können der Spieler entscheidend, da setzt sich der Meister gegen den Patzer, den „Fisch“ durch – und zwar todsicher, mit einer kalkulierbaren Marge. Genau das war also auch der Grund, warum das „Brain versus AI Poker tournament“ im Rivers Casino in Pittsburgh über 20 Tage und 120.000 gespielte Hände ging – um das Kartenglück zu neutralisieren und am Ende einen klaren Sieger zu haben, möglichst mit eindeutiger statistischer Signifikanz.

Ein weiterer Anti-Glückseffekt-Korrekturfaktor: Dong Kim, Jimmy Chou, Daniel McAulay und Jason Les traten ja „Heads up“, also jeder für sich allein gegen die „Künstliche Intelligenz“ Libratus an – und da bekamen jeweils zwei Menschen genau die Karten gegen den Computer, die der Computer gegen die beiden anderen Menschen spielen musste. Am Ende war das Resultat völlig klaralle Profis waren geschlagen; die Überlegenheit war nicht nur statistisch signifikant, sondern überwältigend – eindeutig eine „super human performance“, wie es Programmierer Tuomas Sandholm ausdrückt.

The Brains vs Artificial Intelligence competition at the Rivers Casino in Pittsburgh. Photograph: Carnegie Mellon University

Fast schon überraschenderweise nutzt Libratus keine neuronalen Netze – Sandholm missfällt nämlich, dass es beim „Deep Learning“ keine Garantien für die Güte einer Problemlösung gibt, keine Garantien dafür, dass bei einer leichten Modifikation des Problems (hier also der Spielweise der Poker-Gegner…) immer noch ein gutes Ergebnis erzielt wird, keine Garantien dafür, dass nicht irgendwo in der „Black Box“ der neuronalen KI der Faktor Zufall sein Unwesen treibt. Die verbesserten Algorithmen, die in Libratus zum Einsatz kommen, konvergieren hingegen mathematisch nachweisbar zum spieltheoretischen Optimum, dem Nash-Equilibrium; und das sogar mit einem klar benennbaren Gütefaktor.

Das ist zumindest ein bemerkenswerter Ansatz – für Sandholm ist nämlich Poker und Libratus nur ein „proof of concept“, ein „Showcase“. Und auch in der „realen Welt“ lassen sich viele vermeintlich komplexere Konstellationen auf die „Heads up“-Pokersituation „Spiel mit zwei nicht-kooperativen Gegnern und nicht vollständiger Information“ eindampfen:

A lot of real world situations are two player, like most military settings are two player games. Cyber security is typically a two player setting – and by player I mean that there can be multiple hackers, but conceptually it’s like „hacker versus defenders“; so it is a two player setting even if there are multiple hackers, maybe even multiple defenders.

Libratus lief während des Matches auf einem Supercomputer – noch steht also die Rechen- und Spielpower nicht für „jedermann“ zur Verfügung. Trotzdem ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis das Online-Pokerspielen um Geld sinnlos bzw. hoffnungslos wird – auch jetzt sind ja Bots schon ein ernstes Problem. Stephan Kalhamer, Diplom-Mathematiker, ehemaliger Poker-Profi und Präsident des „Deutschen Poker Sportbunds“ weist darauf hin, dass die Komplexität am „vollbesetzten“ Pokertisch, also vor dem Eintreten der „Heads up“-Situation, ja noch einmal deutlich komplizierter ist.

In der Tat haben Libratus bzw. sein Schöpfer Tuomas Sandholm dafür noch gar kein Konzept.

We are not really working on multi player, because it’s not even clear what you would want to compute there. One option would have to say, it’s okay, you want to compute a Nash equilibrium strategy. But in multi player games that is not safe. So it’s not clear that you would even want that, even if you had an oracle for immediately computing one. So it’s more a conceptual problem, or what the goal even is in those games. And while in two player settings – two players who are in some games like „Heads up Poker“, there it’s very clear that Nash equilibrium is safe.

Abgezockt vom Computer – Künstliche Intelligenz schlägt Pokerprofis

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 09.02.2017 (Moderation: Ralf Krauter)

…zum gleichen Thema der Artikel bei Spiegel Online:

Poker Mensch gegen Maschine: Libratus, der Gangster – SPIEGEL ONLINE

Spiegel Online – Netzwelt vom 08.02.2017

 

…und das Gespräch bei DRadio Wissen am 20.01. – da war das Match „Mensch gegen Maschine“ noch nicht entschieden…

DRadio Wissen – Grünstreifen vom 20.01.2017 (Moderation: Dominik Schottner)

Hacker-Angriff auf „Freedom Hosting II“ legt viele Darknet-Dienste lahm

Zum letzten Mal war es ja beim Amoklauf in München im Juli ganz groß in den Medien – das Darknet oder Dark Web; jener obskure Teil des Internets also, in dem man Waffen, Drogen und Kinderpornografie kaufen kann. Oder jener Teil, in dem es noch vertrauliche Kommunikation jenseits des Mainstreams, sprich „Freiheit“ gibt – so sehen es jedenfalls manche Leute, auch jenseits des Mainstreams. „Freedom Hosting II“ nannte sich jedenfalls ein Serveranbieter im Dark Web, bei dem man sogenannte „Hidden Services“ betreiben konnte. Nun ist es aus mit dem Freiheits-Hosting, der Dienst ist gehackt worden und offline. Und angeblich sind damit gleich ein Fünftel aller Tor-Dark-Web-Angebote ebenfalls offline und nicht mehr erreichbar.

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Über die Zahlen kann man bestimmt diskutieren, aber auch über die Einschätzung. Ist durch die Selbstjustiz-Aktion eines Hackers „ein großer Teil der Vielfalt“ im Dark Web flöten gegangen – private und politische Blogs und Foren z.B.? Oder mussten erfreulicherweise ein paar Bot-Mutterschiffe ins Gras beißen? Oder müssen Drogen-, Waffen- und Kinderpornografiehändler und -kunden eine neue Infrastruktur aufbauen; vorausgesetzt, es klingelt nicht demnächst einmal sehr früh morgens an der Tür 🙂 …

Es hat halt doch noch so seine Haken und Ösen, das dunkle, kleine Alternativ-Web.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 06.02.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Google muss auf Servern im Ausland gespeicherte Emails an FBI herausgeben

Vor Gericht ist es bekanntlich wie auf hoher See; die nächste Monsterwelle oder Richterlaune fegt einen unverhofft in den Orkus bzw. Malstrom – auch wenn man Microsoft oder Google heißt. Andererseits ist das Spannungsfeld zwischen territorial verankerten nationalen Behördenrechten und weltweit herumvagabundierenden digitalen Daten auch extrem unübersichtlich bzw. eben interpretationsfähig. Viele einschlägige Gesetze, die das Verhältnis von legitimen Instrumenten im Dienste der Strafverfolgung gegenüber essentiellen Bürgerrechten definieren und ausloten, stammen noch aus dem analogen anno dazumal.

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Und passen irgendwie nicht mehr so recht, oder können halt nur mit intellektuellen Verrenkungen passend gemacht werden – je nach juristischer Haarspalterei oder auch je nach politischer Agenda. Letztlich dürften sowohl der Fall Microsoft als auch der Fall Google vor dem US-Supreme Court landen – und der dürfte wiederum nach der Richter-Neubesetzung durch den neuen US-Präsidenten tendenziell einen Schwenk in Richtung des Mottos „Sicherheit geht vor Bürgerrechten“ von Donald Trump machen. Vielleicht muss die Elefantenrunde der IT samt ihren Unternehmen ja irgendwann in Europa um Asyl bitten 🙂 .

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 06.02.2017 (Moderation: Diane Hielscher)