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Klima-Realisten besorgt: Ist Michael Gessat als Journalist noch haltbar?

(einmal ausnahmsweise der Nachklapp zu Beginn: Inzwischen hat kaltesonne.de den zur Diskussion stehenden Artikel „entschärft“ …)

Ist Michael Gessat als Journalist noch haltbar? Das ist nun endlich einmal eine wirklich bedeutende Frage (nicht zuletzt aus pekuniären Gründen wohl am allermeisten für mich selbst…), die da heute auf der (mir bislang unbekannten…) Seite kaltesonne.de aufgeworfen wird.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und/oder Dr. Sebastian Lüning (die Herren zeichnen jedenfalls laut Impressum verantwortlich, wenn auch ohne eigene Anschrift und Kontaktdaten; die angegebene Verlagsadresse dürfte kaum hinreichend sein… 😉 ) hegen hier offenbar erhebliche Zweifel, denn sie prangern rund um meinen Beitrag „Mathematisches Risikomodell – Zu viele Mitwisser verderben die Verschwörung“ vom 27. Januar ein „Ehrverletzendes Klimaskeptiker-Mobbing im Deutschlandfunk“ an.

Zum Glück bin ich im skizzierten Szenario nicht der einzige Bösewicht, denn auch der Sender steckt nach Ansicht der Artikelverfasser bis zu den Ellenbogen (die der Onlineredakteure nämlich oder vielleicht noch höherer Chargen…) mit drin in einer „Rufmord-Kampagne“:

Hochinteressant: Die Schriftversion des Beitrags wurde offenbar kräftig entschärft. Hier tauchen die Klimaskeptiker nur unter ferner liefen auf. In der Audio-Radioversion hingegen langt Autor Michael Gessat kräftig hin. Die bösartige Verknüpfung von Anti-Mondlandungs-Fantasten und Klima-Realisten beginnt bereits bei der Anmoderation der Gesamtsendung, wird abermals ab 5:48 Laufzeit vertieft und schliesslich noch ein drittes Mal gegen Ende des Beitrags. Somit ist die vom DLF gesendete akustische Propaganda gegen Klima-Realisten weitaus schärfer, als nur die schriftliche Fassung des Beitrags.

Eine wirklich „hochinteressante“ These von Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und/oder Dr. Sebastian Lüning – die aber bedauerlicherweise komplett zusammenphantasiert ist. Die Schriftversion meines Beitrages ist in diesem Fall absolut identisch mit der „Audio-Radioversion“ – mein Beitrag ist nämlich das, was ich ja auch im Sendungsmitschnitt bzw. Einzel-Audiofile mit meiner Stimme von mir gebe. Das andere nennt sich „Moderation“ und wird vom Moderator der Sendung geschrieben, gesprochen (mit einer anderen Stimme, in diesem Falle die von meinem geschätzten Kollegen Ralf Krauter 🙂 ) und auch redaktionell verantwortet.
Auf der DLF-Website schriftlich dokumentiert wird hingegen nur der reine Beitragstext (manchmal sogar eher umgekehrt in einer längeren Version, wenn nämlich der Audiobeitrag für die Sendung aus Längengründen gekürzt werden musste…) – und das ist selbstverständlich nicht nur bei diesem Beitrag, sondern durchweg der Fall; an sich sehr leicht feststellbar. Und um ganz genau zu sein: Die Überschrift und der „Teaser“ des Onlineartikels werden von der Online-Redaktion verfasst und verantwortet, auch wenn hier meist Elemente der Beitragsmoderation verwendet werden. Aber mal ein Zwischen-Fazit hier: Da wurde überhaupt nichts entschärft, und ich habe auch im Audio nicht „hingegen“ kräftig (oder kräftiger…) hingelangt.

Was mich ja bei gewissen Radio-Hörern, und darunter sogar studierten Herren, immer wieder von neuem erstaunt: Dass sie offenbar einen Bericht über ein Thema nicht von einer Meinungsäußerung zu einem Thema unterscheiden können. Dass sie also wie selbstverständlich annehmen, ich als Journalist würde mir jeweils das Anliegen oder die Theorie oder die wissenschaftliche Forschung eines Studienautors zu eigen machen. Das ist aber natürlich nicht der Fall. Selbstverständlich hat ein Radiobeitrag über ein bestimmtes Thema möglicherweise einen gewissen „werbenden“ Effekt in dem Sinne, als er dem Thema oder seinem Protagonisten ein Sprachrohr verschafft. Und deswegen ist bei einem seriösen Sender wie dem DLF insofern ein journalistischer Filter vorgeschaltet, als völlig absurder Quatsch eher nicht so zur Sprache kommt 🙂 . Und bei kontroversen Themen, gerade auch im Wissenschaftsbereich, wird im Zweifelsfall eine Zweitmeinung oder Gegenstimme im Beitrag erscheinen.

Auch beim zur Diskussion stehenden Beitrag habe ich also wieder mal keine eigene Agenda verfolgt, schon gar keine breit orchestrierte „Klimaskeptiker-Mobbing“-Agenda. Klimaforschung und die Diskussionen rund um die Klimaerwärmung sind überhaupt nicht mein Thema – da gibt es andere fachkundige Kollegen & Kolleginnen 🙂 . Thema des Beitrages war ein mathematisches Modell zur Haltbarkeit von Verschwörungen, und im PLOS-One-Paper und im Interview hat der Studienautor David Robert Grimes nun einmal die „Klimawandellüge“ als ein Beispiel einer wissenschaftsskeptischen Verschwörungstheorie beleuchtet. (Einmal in meiner Definition aus meinem Beitrag bei DRadio Wissen: Die Klimawandel-Lüge ist ja die sehr beliebte Verschwörungstheorie, der zufolge der Klimawandel nicht existiert, sondern von Wissenschaftlern nur vorgetäuscht wird. Und zwar schlicht und ergreifend, um sich damit ihre Forschungsgelder und ihre Einkommen zu sichern.)

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und Dr. Sebastian Lüning bezeichnen sich selbst als „Klima-Realisten“ (aber fühlen sich offenbar auch als „Klimaskeptiker“ zutreffend bezeichnet bzw. ehrverletzt…). Ich muss gestehen, dass mir dieser Begriff bislang nicht geläufig war; wie gesagt gehört die ganze Sache nicht zu meinen Themengebieten. Und nun führen die Herren aus:

Das Perfide an der ehrverletzenden DLF-Vorgehensweise ist, dass es kaum ernstzunehmende Klimarealisten gibt (es gibt also möglicherweise auch nicht ernstzunehmende, Anmerkung von mir 🙂 ), die am Klimawandel selbst zweifeln oder auf die absurde Idee kämen, dass der momentane Klima-Hype eine Verschwörung wäre.

Dann ist doch alles bestens, jedenfalls in Bezug auf die „Klima-Realisten“. Denn in der Studie, im Beitrag und in der Moderation war doch von jenen Leuten die Rede, die an die Klimawandel-Lüge als eine Verschwörung glauben. Und die gibt es zweifellos. Wie sich jetzt die Herren Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und Dr. Sebastian Lüning, offenbar stellvertretend für die gesamte „Klima-Realisten“- und Klima-Skeptiker-Community, „ehrverletzend“ angegriffen und „gemobbt“ und gerufmordet fühlen können, ohne überhaupt erwähnt worden zu sein, das ist mir ein Rätsel. Vielleicht melden sich nächstens auch noch irgendwelche Kritiker der bemannten Raumfahrt als „Mondlandelüge-gemobbt und ehrverletzt“ bei mir?

Um hier zum Schluss mal eine kleine Analogie anzubringen: Wenn ein Hund erst verzweifelt nach einem Stöckchen sucht, über das er anschließend unbeholfen hinüberhopsen kann,  um endlich eine angeblich verstauchte Pfote reklamieren zu können – dann handelt es sich insgesamt eher nicht um einen Fall von schwerer Tierquälerei.

Aus meiner Sicht bleibt die Frage nach der Haltbarkeit von Michael Gessat als Journalist also derzeit weiter unbeantwortet, jedenfalls was die Ausführungen auf kaltesonne.de betrifft.

Wenn ich mich umgekehrt frage, wie zwei gelehrte Herren denn quasi aus der hohlen Hand so eine Geschichte zusammenschustern können, die wenn überhaupt in meine Richtung ehrverletzend oder mobbend ist – dann fällt mir spontan eine Erklärung ein: Könnte da am Ende ein verschwörungstheoretisches Weltbild dahinterstecken, wo man sich halt passend macht, was eigentlich nicht passend ist? Ist jetzt nur so eine Idee, weil ich da mal kürzlich was drüber geschrieben habe.

Es gibt sehr wohl Verschwörungen – nur keine großen, die ewig halten

Über die Verschwörungs-Haltbarkeitsformel von David Robert Grimes hatte ich ja schon letztens beim DLF berichtet

Irgendwie scheint vielen sehr ernsthaften Kritikern der in PLOS One veröffentlichten Studie entgangen zu sein, dass zuweilen auch in seriösen Wissenschaftspublikationen mit Peer Review-Verfahren Artikel erscheinen, die nicht völlig bierernst gemeint sind. Die Gefahr ist besonders hoch, wenn es sich um englische Autoren handelt – ich rate zum Beispiel bei Veröffentlichungen des British Medical Journal rund um die Weihnachtszeit zu erheblicher Ironiedetektor-Funktionsprüfung. 🙂 Also mal O-Ton David Robert Grimes auf meine allererste Frage an ihn, in wieweit seine Studie und seine Formel nämlich humoristisch zu verstehen sind:

Part of this is fun. As I scientist I find a question interesting and I start playing with the question and sometimes fun comes out – but there is a more serious nature as you point out correctly: In my other job I am science journalist and write for the Guardian and the Irish Times and BBC, and we need turn out right important science topics like vaccination or climate change – you often encounter a committed very developed group who believe science can’t be trusted because it’s all a big conspiracy. And sometimes that’s funny. I mean if you dealing with someone who doesn’t believe the moon landings are real that’s funny. But if you are dealing with someone who believes that vaccination is a conspiracy by the government or scientists – that’s really dangerous.

Auf die methodische Schwäche mit den fehlenden Werten aus nicht aufgeflogenen Verschwörungen hat Grimes ja im Paper schon selbst hingewiesen (S. 12: „There is also an open question of whether using exposed conspiracies to estimate parameters might itself introduce bias and produce overly high estimates of p…), nur ist eben an das geheime Datenmaterial leider so schwer dranzukommen:

That would be fantastic. It would be fantastic. It was very hard to get the parameters. So the one problem with the paper is the lot of parameters I had to estimate as best I could from the literature. Because obviously by definition there is conspiracies we don’t know about.

Der britische Krebsforscher und Wissenschaftsjournalist hat dann seinen augenzwinkernd gemeinten Ansatz mit einem „seriösen“ Instrumentarium durchexerziert. Wenn ihm dabei Fehler unterlaufen sind, ärgert er sich bestimmt am meisten – aber das Ganze ist natürlich eine methodologische Etüde, die mit zwei Nachkommastellen angegebenen „exakten“ Werte sind natürlich letztlich ein Gag; und die „großzügige“ Verwendung irgendwelcher pi-mal-Daumen-Parameter gehört zum Konzept. Zugegebenermaßen – mit einer wasserdichten Statistik wäre die Sache noch schöner.

Und um das angesichts verschiedener „enthusiastischer Reaktionen“ von Verschwörungsgläubigen und Artikel-Nichtlesern 🙂 in der Zwischenzeit (und auch in den Kommentarspalten anderer Medien…) noch einmal zu betonen – Grimes hat nie behauptet, dass es keine Verschwörungen gäbe. So kleinere professionelle (z.B. das täglich Brot der Geheimdienste…) haben sogar bei einem kleinen Mitwisserkreis nach seiner Formel eine ziemlich gute Haltbarkeitschance. (Aber natürlich keine Haltbarkeitsgarantie… 🙂 )

Und selbst im Wissenschaftsbereich können Mini-Verschwörungen unentdeckt bleiben – z.B. gefälschte Forschungsarbeiten. Grimes ist (wie ich…) absolut der Meinung, dass in diesem Sektor viel zuwenig Arbeiten und Experimente nachgeprüft und wiederholt werden – Forscher sehen sich einem ständigen Publikationsdruck ausgesetzt, und das bringt halt jede Menge Leute auf dumme Gedanken.

I still think if you make a big enough plan like the climate change or vaccination very quickly other people will find out that the results don’t work. But on a smaller scale it could absolutely happen.

Aber wer an universelle und omnipräsente Verschwörungen glaubt, der sieht die Welt wohl komplizierter (oder eher noch: einfacher), als sie ist. Immerhin tut es den „Gläubigen“ ja gut, im Gegensatz zu ahnungslosen, naiven Mitmenschen um die schlimme Sache zu wissen. Zu den völlig ahnungslosen und unbelehrbaren Naiven gehören natürlich auch wir Schreiberlinge. Kleiner Scherz. Wir sind natürlich eingeweiht. 😉

Verschwörungen: Mehr Mitwisser, weniger geheim · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Grünstreifen vom 12.02.2016 (Moderation: Sebastian Sonntag)

 

Nachklapp 14.02.2016: David Robert Grimes hat als Reaktion auf die geäußerte Kritik eine Korrektur seiner Formel und der veröffentlichten Grafiken verfasst – diese wird in Kürze auf der PLOS One-Website erscheinen.

Nachklapp 1.3.2016: Die Korrektur ist jetzt online.

Auf GitHub schreiben Frauen den besseren Programmcode

Es gibt ja plausible Erklärungen, warum Frauen in manchen Berufen unterrepräsentiert sind – z.B. wenn die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Es gibt auch plausible Erklärungen, warum Frauen in manchen Branchen durchschnittlich weniger verdienen als Männer. Zum Beispiel ist da die These, sie würden sich insgesamt weniger für Führungspositionen interessieren, weil ihnen weder exzessive Überstunden noch die latent aggressiven Statusspielchen besonders attraktiv vorkommen.

Auf der rein fachlichen Ebene, etwa bei einem Spezialisten-Job wie dem Programmieren ist beides kein Argument – trotzdem gibt es den Gehaltsunterschied auch in der Softwarebranche. Und das dürfte kaum daran liegen, dass Frauen schlechteren Code schreiben. Im Gegenteil, sagt eine Studie von Informatikern der California Polytechnic State University und der North Carolina State University. Auf der Open-Source-Plattform GitHub finden nämlich „Pull requests“, also zur Beurteilung eingereichte Code-Verbesserungsvorschläge von Frauen mehr Resonanz als die von Männern – sie haben offenbar im Durchschnitt eine etwas höhere Qualität. Wobei anzumerken ist: Die allermeisten GitHub-Zulieferer sind mit einem neutralen Nickname unterwegs, das Geschlecht ist normalerweise nicht erkennbar.

Was ist also die Ursache für die leicht bessere Performance? Möglicherweise sind Programmiererinnen einen Tick selbstkritischer als ihre Kollegen und reichen nur etwas ein, was sie zuvor sehr gründlich durchdacht und getestet haben. Oder, so mutmaßen die Studienautoren, werfen durchschnittlich begabte Frauen in der Branche eh irgendwann das Handtuch – und nur die fachlichen Überflieger bleiben dabei; „survivorship bias“ heißt dieser Effekt.

Auch auf GitHub gibt es offenbar Vorurteile und Diskriminierung: Code von als Frauen erkennbaren Neueinsteigern findet weniger Akzeptanz als der von männlichen Unbekannten. Aber wenn eine Frau in einem Software-Projekt erst einmal als Mitakteurin bekannt ist, dann wird ihr Code auch vorurteilsfrei mit einbezogen – ein sehr ermutigendes Signal an alle Frauen, sich nicht von der (zahlenmäßigen!) Männerdominanz in der Informatik einschüchtern zu lassen.

Das Können weiblicher Programmierer · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 12.02.2016 (Moderation: Till Haase)

Frauen lassen Männer den ersten Schritt machen – auch beim Online-Dating

Hier bei uns in Köln ist gerade der Straßenkarneval ausgebrochen. Und wenn man sich da nicht ausgesprochen blöd anstellt oder sich allzu früh oder allzu nachhaltig dem ortsüblichen obergärigen Gerstentrunk hingibt, dann stehen die Chancen auf einen kleinen Flirt oder auf mehr so gut wie in keiner anderen Jahreszeit. Trotzdem wäre es wissenschaftlich gesehen spannend, einmal genau zu ermitteln, ob wenigstens im Karneval die Kontaktanbahnung vollkommen emanzipiert abläuft.

Eine aktuelle (oder zumindest eine kürzlich publizierte 🙂  ) Studie nämlich behauptet: Frauen überlassen Männern immer noch gern den ersten Schritt. Und zwar nicht nur im analogen Nahgefecht, sondern sogar beim Onlinedating. Und deswegen senden Frauen auch auf einer Flirt-Plattform lieber erst mal nur ein „schwaches Signal“, in Form eines Profilbesuchs nämlich, anstatt direkt eine explizite Kontaktanfrage zu schicken. Und die Männer? Die agieren bekanntlichermaßen nach dem Schrotflinten- oder Gießkannenprinzip; es sind halt durchschnittlich schlichtere Gemüter mit einer durchschnittlich etwas fokussierteren Stoßrichtung. Deswegen kann man sie ja auch so herrlich mit Fakeprofilen und Chatbots abzocken.

DRadio Wissen · Online-Dating: Männer machen den ersten Schritt

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 05.02.2016 (Moderation: Marlis Schaum)

Project Natick: Microsoft will Datencenter im Meer versenken

Eine interessante Untersuchung steht ja immer noch aus – in welchem Maße eigentlich die Supercomputer- und Cloudberechnungen von Klimaforschern dazu beitragen, das Klima zu erwärmen. Aber ok; wahrscheinlich sind sogar die Milliarden Katzenbilder und Dummschwätz-Statusmeldungen der Social-Media-User in ihrer Masse doch noch schlimmer. Fest steht nämlich: Die ganzen Rechen- und Datencenter – und mit dem „Internet der Dinge“ werden ja noch etliche dazu kommen – machen jede Menge warme Luft.

Logisch, dass Facebook, Microsoft, ECC und Amazon ihre Neubauten mit Vorliebe in kalten Gegenden wie Nordschweden oder Finnland postieren, das senkt die Kosten und verringert ökologisch gesehen wenigstens den zusätzlich negativen Effekt durch Kühlungsmaßnahmen – womöglich noch mit Kohlestrom und CO2-Produktion.

Auch bei der Kühlung durch Meerwasser, wie sie Microsoft jetzt ganz ernsthaft vorschlägt, löst sich die Wärmeenergie nicht in Wohlgefallen auf – aber zumindest falls die Stromversorgung der „versenkten Datencenter“ tatsächlich mit Turbinen oder Gezeiten-Kraftanlagen hinzubekommen ist (woran ich ja noch gelinde Zweifel habe…), ginge die energetische Bilanz so gut wie möglich auf.

Hinzu kommen noch die übrigen Argumente von „Project Natick“ – flexible und schnelle Bereitstellung und geringe Latenzen bei der Datenübertragung. Auch Schnüffler mit etwas exquisiterer technischer Ausstattung (U-Boote z.B.) werden sich mit dem Konzept anfreunden können: Warum ein Datencenter mühsam abhören, wenn man es auch komplett mitnehmen kann 🙂 ?

Project Natick: Server unter Wasser · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 01.02.2016 (Moderation: Till Haase)

AlphaGo greift nach der Krone im Denksport

Eine Vorankündigung „außer der Reihe“ und zwei Schaltkonferenzen für die internationale Presse – einen solchen Aufwand betreibt das Fachblatt „Nature“ nicht bei jedem Thema. Aber es ging ja auch schließlich um die Coverstory der aktuellen Ausgabe. Es handle sich um einen „Meilenstein in der Geschichte der KI“, so formulierte es der Chefredakteur in der Konferenzeinleitung – und danach hatten dann Demis Hassabis und David Silver das Wort. Die beiden arbeiten für „DeepMind“ – eine Google-Tochterfirma (wobei der Mutterkonzern ja neuerdings „Alphabet“ heißt; und sie und ihr Team hatten schon im letzten Jahr für Furore gesorgt: Mit einem Algorithmus nämlich, der virtuos Videospiele zocken kann.

Auch diesmal ging es wieder um ein Spiel, das aber für seine Anhänger weit mehr bedeutet: Zumindest in seiner Herkunftsregion China, Japan und Korea ist Go seit uralten Zeiten Ausdruck und Teil der Kultur – und außerdem ist es die letzte verbliebene Bastion im Kampf „Mensch gegen Maschine“. Während beim westlichen Schach schon seit Jahren auch die allerstärksten Spieler bis hin zum Weltmeister keine Chance mehr gegen die aktuellen Programme haben (auch wenn die auf popeliger Billig-Hardware laufen…), haben sich Algorithmen beim Go bislang immer noch äußerst schwer getan.

Und nun die Botschaft aus der Londoner DeepMind-Zentrale: Erstens habe man (bereits im Oktober) mit einem neuen Programm namens AlphaGo zum ersten Mal einen starken menschlichen Profispieler besiegt (der bedauernswerte mehrmalige Europameister Fan Hui kam mit 0-5 unter die Räder…) – und im März wolle man dann die südkoreanische Go-Legende Lee Sedol herausfordern.

(Credit: Nature Video)

Von der Spielstärke ihres Programms – es macht Konkurrenzprogramme, auch das neue aus dem Hause Facebook mit mit 99,8%er Gewinnrate nieder – war das Team anscheinend selbst etwas überrascht. Man habe auch keineswegs irgendwelche neuen Wunderdinge neu erfunden, sondern im Grunde schon vorhandene Komponenten – einen „Monte Carlo“-Suchalgorithmus und mehrere neuronale Netzwerke auf eine besonders effiziente Weise angeordnet und trainiert, so Demis Hassabis irgendwann im Verlauf der Pressekonferenz.

So symbolträchtig ein eventueller Sieg im nächsten Match auch sein würde – ob sich „AlphaGo“ bzw. sein Konzept nun besonders gut auf andere Problemstellungen „in der richtigen Welt“ übertragen lassen wird, das bleibt noch abzuwarten. Ein klares Sieg-oder Niederlage-Szenario ist hier eher selten. Möglicherweise sind also Dinge wie der Umgang mit unvollständiger Information oder das „One-Shot-Learning“ noch wichtiger – und möglicherweise ist also der Baller-Algorithmus aus dem letzten Jahr „intelligenter“ als AlphaGo.

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 28.01.2016 (Moderation: Uli Blumenthal)

Zu viele Mitwisser verderben die Verschwörung

Wie heißt es doch so schön? „Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass sie nicht hinter dir her sind.“ Und so gibt es eben doch eine ganz beachtliche Zahl von Zeitgenossen, die die Welt mit ganz anderen Augen sehen, als das vom Mainstream als „normal“ angesehen wird.

Nun ist ja eine gewisse Skepsis vielleicht gar nicht so schlecht, aber wer hinter jeder Ecke eine Verschwörung vermutet, lässt (jedenfalls rational betrachtet…) eines außer acht: Dass nicht nur ein paar Leutchen, sondern gleich zehntausende Menschen bei einem bestimmten Geheimnis dichthalten können, und das auch noch über einen längeren Zeitraum – das ist extrem unwahrscheinlich, wie jegliche Alltagserfahrung lehrt. Wie unwahrscheinlich, das hat jetzt der britische Krebsforscher und Wissenschaftsjournalist David Robert Grimes errechnet – mit einer Risikoformel für die Haltbarkeit bzw. das Auffliegen einer Verschwörung.

Trotz großzüger Annahmen bei der Berechnung der Anzahl möglicher Mitwisser, trotz statistischer Feinheiten wie der Berücksichtigung von natürlichen wie unnatürlichen Todesfällen bei den Verschwörern – bei einer Betrachtung der populärsten wissenschaftsskeptischen Verschwörungstheorien ist jedenfalls ganz klar: Das haut nicht hin; es sind einfach zu viele Leute involviert.

David Robert Grimes wäre kein guter Wissenschaftler, wenn er nicht selbst augenzwinkernd auf die methodischen Schwächen seines Risiko-Modells hinweisen würde: Eigentlich bräuchte man ja zur Kalibrierung nicht nur die Daten ein paar aufgedeckter Verschwörungen, sondern auch die ein paar nicht aufgedeckter. Da ist allerdings extrem schwierig dranzukommen. 🙂

Grimes ist relativ optimistisch, dass man mit guten Argumenten zumindest die Skeptiker überzeugen kann, deren Glauben an bestimmte Theorien eher zufällig als dogmatisch ist. Wobei es dabei ja ein nicht zu unterschätzendes Problem gibt: Im Internet und in Social Media breiten sich anscheinend Gerüchte und Verschwörungstheorien viel schneller und weitreichender aus als belegbare Fakten. Und möglicherweise ist eine hübsche Verschwörungstheorie ja einfach auch viel unterhaltsamer als die nüchterne Wahrheit.

Mathematisches Risikomodell – Zu viele Mitwisser verderben die Verschwörung

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 27.01.2016 (Moderation: Ralf Krauter)

Koko: Kognitive Therapie per App

Eine App für das mentale Wohlbefinden, um Stress oder Depressionen zu lindern? Das klingt erst einmal nach dem berühmten Bock als Gärtner, weil der ständige Tunnelblick auf Monitor oder Smartphone-Display viele Leute ja sehr effektiv vom eigentlichen Leben oder einer guten alten Mensch-zu-Mensch-Kommunikation abhält 🙂 …

Aber Koko will ein Hilfsmittel zur (problembezogenen…) menschlichen Kommunikation sein; für eine „crowdbasierte kognitive Verhaltenstherapie“ . Die Idee, wohlmeinende Zeitgenossen im Netz anderen gute Ratschläge geben zu lassen (und dabei auch wiederum selbst mental zu profitieren…) hatte der Psychologe Rob Morris am Media Lab des MIT entwickelt, an Versuchspersonen getestet und im Rahmen seiner Dissertation veröffentlicht.

Die App bringt den Hilfesuchenden dazu, sein Problem kurz und klar darzustellen und liefert den Ratgebenden Formulierungshilfen, wie sie im Sinne der Verhaltenstherapie zu einer neuen, positiveren Sicht der Dinge beitragen können. Wie bei Tinder können App-Anwender per Fingerwisch die (Problem-)Profile durchblättern und bei Interesse reagieren, wie bei Reddit kann man hilfreiche Lösungsvorschläge an die Spitze einer Liste „hochvoten“.

Das Ganze läuft anonym ab, auf Wunsch bzw. für manche Funktionen gibt man eine Emailadresse an (möglicherweise sollte das am besten ein quasi anonymer Instant-Account und nicht der am Arbeitsplatz sein 🙂 )  – und natürlich ist die von den Anbietern hoch und heilig versprochene Anonymität auch der Knackpunkt: Zwar wird ja in der Öffentlichkeit immer feierlich postuliert, dass mentale Probleme eine ganz normale Krankheit seien und man doch bitteschön professionelle Hilfe in Anspruch nehmen soll. Wenn dann allerdings bekannt wird, dass man eine Therapie macht oder gemacht hat, dann kann man sich eine eine private Krankenversicherung oder eine Verbeamtung abschminken…

Laut Auskunft des Mit-Gründers Fraser Kelton gibt es bei Koko langfristig durchaus eine Geschäftsidee: Eventuell könne man nämlich Organisationen mit hohen Mitgliederzahlen eine maßgescheiderte App verkaufen; Kelton nennt zum Beispiel Universitäten, die ihren Studenten ein Streß- oder Krisenbewältigungstool an die Hand geben wollen. Andererseits drängt sich natürlich auch der Gedanke an große Firmen auf – die ebenfalls aus verschiedensten Gründen am Innenleben ihrer Mitarbeiter interessiert sind.

Fazit: Eine plausible Idee, ein anscheinend seriöses Team dahinter – und trotzdem bleibt das Netz-Outing auch hier eine Sache mit Restrisiko.

Kognitive Therapie per App

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 17.12.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

Künstliche Intelligenz – Maschinelles Lernen nach menschlichem Vorbild

Computerprogramme sind mittlerweile ganz gut darin, Dinge auf Fotos zu erkennen – den simplen Buchstaben „T“ etwa oder etwas komplexeres wie einen Tisch. Dafür müssen die Algorithmen allerdings zuvor trainiert werden – und zwar bislang mit hunderten oder tausenden entsprechenden Beispielbildern.

Ein Mensch hingegen braucht nur einen einzigen Tisch zu sehen, und kann anschließend auch verschiedenste Varianten des Möbelstücks identifizieren oder sogar selbst neu entwerfen. Und zwar deswegen, weil er das grundsätzliche Konzept – eine horizontale Platte auf vertikalen Stützen – versteht.

Die KI, die sogenannte „künstliche Intelligenz“ kann sich also durchaus vom Menschen noch einiges abschauen – und genau das ist der Ansatz für eine neue Art des „maschinellen Lernens“, den amerikanische Forscher in der aktuellen Ausgabe von „Science“ vorstellen.

Die Studie vergleicht menschliches und Maschinen-Lernen bei einem weiten Spektrum von visuellen Konzepten bzw. bei ausgewählten Alphabeten. Künstlerische Darstellung von Danqing Wang.

Die Studie vergleicht menschliches und Maschinen-Lernen bei einem weiten Spektrum von visuellen Konzepten bzw. bei ausgewählten Alphabeten. Künstlerische Darstellung von Danqing Wang.

Momentan funktioniert der von Joshua Tenenbaum, Brenden Lake und Ruslan Salakhudinov entwickelte Ansatz nur bei einem eigentlich bereits „erfundenen Rad“ – der Handschrifterkennung, einem „Showcase“ also mit sehr überschaubaren Freiheitsgraden und relativ leichten Trainingsmöglichkeiten.

Interessanterweise war aber bei der Science-Telekonferenz am Tag vor der Veröffentlichung kaum von den (übrigens sehr komplizierten und für Laien kaum nachvollziehbaren…) Details der aktuellen Studie die Rede, sondern eher von vagen Zukunftsperspektiven und der Frage, ob sich ein menschenähnlich lernender KI-Algorithmus auch auf andere Wissensdomänen übertragen lässt – jenseits von naheliegenden Varianten wie der Spracherkennung oder der Verbesserung der Autokorrektur auf Smartphones.

Eine sehr konkrete Nachfrage kam vom Reporter der „Defense One“ – und in der Tat sind Geheimdienstler und Militärs sehr interessiert, ob ein konzeptuell lernendes KI-Programm nicht auch dazu taugen könnte, die Absichten von Menschen vorherzusagen oder irgendwann einmal Drohnen oder Kampfdroiden autonom agieren zu lassen.

Da war dann die Frage von Tanya Lewis vom Business Insider sehr angebracht:

Besteht nicht die Gefahr, dass Ihr Programm voreilige Schlüsse zieht, wenn es sich auf zu wenige Beispiele stützt?

Und Professor Joshua Tenenbaum vom MIT, Psychologe und Kognitionswissenschaftler, gab ihr prinzipiell recht:

Diese Stereotypen oder Kurzschlüsse, die Sie ansprechen, das sind möglicherweise menschliche Schwächen als unausweichliche Konsequenzen unserer Stärken. Die spannende Frage ist also, wollen wir, dass Maschinen unsere Schwächen genauso erben wie unsere Stärken? Und ist es überhaupt möglich, dass sie die Stärken haben werden ohne die Schwächen?

Künstliche Intelligenz – Maschinelles Lernen nach menschlichem Vorbild

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 11.12.2015 (Moderation: Uli Blumenthal)

Online-Unikurse nutzen vor allem Studenten mit gutem sozialen Background

Bildung entscheidet über den Job und das Einkommen, Bildung bietet die Chance, aus sozial schwierigen Verhältnissen aufzusteigen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Und für wen aus irgendwelchen Gründen ein Studium an einer Uni gar nicht oder momentan nicht in Frage kommt – für den gibt es ja eine moderne Alternative, und zwar im Netz: Die sogenannten MOOCs, die „Massive Open Online Courses“ werden mittlerweile überall, auch von den renommiertesten Unis angeboten. Und zwar in fast allen Studienrichtungen; kostenlos und ohne ohne Zulassungshürden; man kann Prüfungen ablegen und Zertifikate erwerben. An sich also der perfekte Ansatz, die Bildung zu demokratisieren, die Kluft zwischen den sozialen Schichten zu schließen.

Im Fachblatt Science haben US-Forscher jetzt einmal vorgestellt, wer denn am meisten von solchen Online-Kursen profitiert – und das Ergebnis ihrer Studie ist ernüchternd, aber im Grunde nicht allzu überraschend: Die MOOC-Studenten, jedenfalls die US-amerikanischen, stammen eher aus feinen Gegenden als aus Problemvierteln – und wessen Eltern zur Uni gegangen sind, hat wesentlich bessere Chancen, einen Online-Kurs erfolgreich mit einem Zertifikat abzuschließen.

Natürlich bieten die MOOCs besonders begabten Studenten eine „Überflieger-Chance“. Aber die Masse der Lernbegierigen aus unterprivilegierten Schichten würde zusätzliche Unterstützung benötigen, um wirklich von den Kursen profitieren zu können. Das Fazit vom Autor der Studie, John D. Hansen:

Ich denke, es ist schwer vorherzusagen, ob der bessere Zugang zu Bildungstechnologie die Schere bei bestimmten Entwicklungen jetzt eher weiter oder enger werden lässt. Aber was wir zeigen konnten: Der Zugang allein scheint jedenfalls nicht zu garantieren, dass die ökonomische Kluft sich verringern oder schließen wird – da ist anscheinend auch genau das Gegenteil möglich.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 4.12.2015 (Moderation: Marlis Schaum)