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EuGH-Urteil: Uber ist ein Taxidienst

Ob man den “Fahrdienst” – so habe ich mich wohl meist ausgedrückt – Uber eher positiv sieht; als Vorreiter der “Shared Economy”, als Unternehmen, das Arbeitsplätze oder sagen wir besser, Verdienstmöglichkeiten schafft, das Angebot für ein Transportvehikel suchende Kunden drastisch verbessert und eine verkrustete Monopol-Landschaft mit unwilligen und nicht ortskundigen Taxifahrern aufmischt – oder im Gegenteil eher negativ, als Ausbeuter-Plattform, die sich weder um Wettbewerbsrecht noch um die legitimen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter kümmert – das ist Geschmackssache und stark von der eigenen politischen, sozialen oder gewerkschaftlichen Prägung abhängig. 🙂

Ich will da gar nicht ganz eindeutig Partei ergreifen. Fest steht jedenfalls – mit völlig irren und arschlochhaftigen Geheim-Aktionen wie dem Greyball-Tool zum Täuschen und Ausbooten von kritischen Behörden , mit der Aktivitäts-Verfolgung von Kunden, mit einem eigenen Pseudo-Geheimdienst, der auf Kritiker und Konkurrenz angesetzt war, und mit bizarren Eskapaden des Gründers Travis Kalanick hat Uber eher nicht den Eindruck erweckt, ein seriöses Unternehmen zu sein, sondern vielmehr der Spielball eines zugekoksten Turbo-Kapitalisten. Andererseits: Es gibt ja mittlerweile eine neue Unternehmensführung. Und es bleiben auch noch diverse Geschäftsfelder – der Einsatz von autonomen Fahrzeugen etwa – mit denen Uber noch “exklusiv” punkten kann.

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Es bleibt bislang auch noch die imposante Venture-Kapital-Ausstattung. Wobei ich mich da fragen würde, ob die eigentlich noch gerechtfertigt oder gewinnträchtig ist. Wenn Uber mit “Mitbewerbern” zu normalen, regulierten “Transportdienst”-Konditionen wettstreiten muss, dürften halt die normalen Margen drin sein – aber nicht mehr. Die eigentlich “geniale” und natürlich extrem lukrative “Shared Economy”-Idee:  “keine große Investition, keine Verantwortung, kein Risiko, einfach nur die Vermittlungsprovision abkassieren” läuft noch in ein paar Ländern, gerät aber immer mehr unter Beschuss.

Und in China hat Uber ja quasi kapituliert – wer weiß, was da hinter den Kulissen abgelaufen ist – aber da wird jetzt ein anderer Player (höchstwahrscheinlich mit dem Segen der politischen Führung…) die Kohle abgreifen.

Entscheidung des EuGH: Uber ist ein Taxidienst · Deutschlandfunk Nova

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 21.12.2017 (Moderation: Till Haase)

Wochenrückblick: Bitcoin ist in der “ganz normalen” Finanzwelt angekommen – und steckt weiter in der Sackgasse

Seit letztem Sonntag ist die Cyberwährung Bitcoin “endgültig” in der “ganz normalen” Finanzwelt angekommen (was natürlich nicht heißt, dass nicht auch dort Irrationalität, Spekulation, Abzockerei oder sogar Betrug völlig gang und gäbe sind 🙂 …) – seit Sonntag gibt es an der Optionsbörse Cboe in Chigaco ein “offizielles”, zugelassenes Derivat, einen “Future” oder auf gut Deutsch, einen “Terminkontrakt” auf den Bitcoin.

Ganz vereinfacht gesagt: Damit können nun auch alle Leute auf den Kurs der Cyberwährung wetten, die sich mit den technischen Feinheiten und potentiellen Gefahren nicht beschäftigen wollen, die bei einem direkten Einstieg in Bitcoin drohen. Der Future erlaubt natürlich auch, auf einen Crash zu setzen – aber bislang sieht es nicht so aus, als ob dies die allgemein vorherrschende Kursprognose der Anleger oder Spekulanten ist. Natürlich ist der Bitcoin-Future – (ähnliche Konstruktionen an anderen Börsen werden folgen…) ein super-super-spekulatives Anlagevehikel, da ja schon der Basiswert  super-super-spekulativ und volatil ist.

Aber letztlich sorgt das Derivat nach meiner Einschätzung eigentlich für eine weitere Konsolidierung des Bitcoin-Kurses und der Bitcoin-Werthaltigkeit. (Ich erinnere immer wieder gern daran, dass die Wertzumessung für eine Währung oder für einen anderen Vermögensgegenstand (Gold, Diamanten oder Immobilien…) auch immer nur eine Frage des Vertrauens und einer impliziten Vereinbarung ist. Würden Sie zur Zeit Vertrauen in die von den Zentralbanken Venezuelas oder Simbabwes herausgegebenen Währungen setzen? Nein. Die Bewohner der hyper-inflationären Staaten auch nicht, für die ist momentan der Bitcoin die “solidere” Alternative 🙂 …)

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Das alles ändert natürlich nichts daran, dass sich ohne eine Änderung im Algorithmus (der allerdings alle Beteiligten – Bitcoin-Besitzer, Cyberwährungsbörsen und vor allem die mächtigen “Transaktions-Notare”, die “Miner” zustimmen müssten…) Bitcoin in einer ökologischen (und eigentlich, wenn wir uns die Transaktionskosten und die Transaktionsgeschwindigkeit ansehen…) auch ökonomischen Sackgasse befindet.

Ich habe mich bei der Vorbereitung des Gesprächs heute im DLF “Umwelt und Verbraucher” gefragt, was eigentlich passieren würde, wenn staatliche Akteure; China und vielleicht auch noch weitere Länder, in denen Bitcoins mit billigem Strom “geschürft” werden, den Betrieb dieser Rechen-Farmen verbieten würden. Ein sofortiger Crash? Unwahrscheinlich, weil man ja aufgrund plötzlich fehlender Transaktions-Beglaubigungen gar nicht mehr in normalem Umfang handeln könnte. Zweitens – nach dem schlagartigen Wegfall eines Großteils der Hash- und Bitcoin-Generierungs-Kapazität würde die Schwierigkeit der “Rechenaufgabe” zur Beglaubigung der Blockchain-Blöcke bzw. der Generierung neuer Bitcoins wieder nach unten angepasst. Und die Bitcoin-Welt wäre von daher ziemlich schnell wieder “in Ordnung”.

Das sind wirklich sehr interessante Fragen bei einer wirklich sehr neuen und “prinzipiell” sehr genialen Konzeption, die alle möglichen althergebrachten “Weisheiten” in Frage stellt. Wer etwas “Spielgeld” hat, macht einfach mit. Wer auf keinen Fall einen Totalverlust des eingesetzten Kapitals verkraften kann oder mit den ökologischen Kollateralschäden nicht zurecht kommt (dann bitte aber auch bei Facebook und Instagram abmelden 🙂 …), lässt es besser bleiben. 🙂

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 11.12.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Deutschlandfunk – Umwelt und Verbraucher vom 15.12.2017 (Moderation: Jule Reimer)

 

Disclaimer: Ich selbst bin übrigens auch seit September mit einem relativ kleinen Betrag in Bitcoin investiert (nachdem ich zuvor schon jahrelang über die Cyberwährung berichtet, mich aber als notorischer und warnender “Bedenkenträger” immer zurückgehalten hatte… .) Allerdings noch nicht einmal direkt, sondern über ein Zertifikat, eine “Abbildung” des Bitcoin-Kurses. Ich gehe einmal davon aus, dass meine publizistische Reichweite nicht marktbeeinflussend ist 🙂 . Ansonsten noch einmal die Warnung: Ein Investment in Bitcoin ist hochspekulativ. 🙂

Ärger über Produktfälschungen: Birkenstock macht Schluss mit Amazon

Ab dem 1. Januar wird Birkenstock – einst mit etwas schlappem Öko-Image unterwegs, mittlerweile aber als weltweit hippe Wellness-Marke “Made in Germany” etabliert – den Online-Giganten Amazon auch in Europa nicht mehr direkt beliefern. Das bedeutet zum einen nicht zwangsläufig, dass es auf der Plattform die Schuhe mit dem gesunden Kork-Fußbett im nächsten Jahr gar nicht mehr zu kaufen geben wird. Wie weit Birkenstock da auch gegenüber Zwischenhändlern die Daumenschrauben anziehen will, davon war in der Ankündigung des Schuhherstellers nicht die Rede.

Zum anderen ist der Schritt natürlich sehr wohl durchkalkuliert – die eventuellen Umsatzeinbußen durch die Trennung von Amazon werden für Birkenstock verkraftbar sein, das Unternehmen verkauft immer noch überwiegend “analog”, also in Geschäften und Kaufhäusern. So ist das Ganze erst einmal:  Eine demonstrative Aktion mit Signalwirkung, ein Alarmruf, der vielleicht bei Amazon doch noch zu einem Umdenken führt – oder vielleicht den öffentlichen Druck auf den Onlinehändler erhöht.

Denn dass es auf der Plattform ein Problem mit Fälschungen und Nachahmerprodukten gibt, ist unverkennbar. Dreh- und Angelpunkt ist das an sich ja “charmante” System mit den “Drittanbietern“/ “Third Party Seller”, die Amazons Plattform, Lagerhaltung und Distributionsapparat nutzen und ansonsten auf eigene Rechnung und Verantwortung agieren. Nur sitzt Amazon mit seinen “Subunternehmern” aufgrund der smarten Lagerhaltung (eigene Waren und Third-Party-Seller-Waren im gleichen Regal…) mittlerweile sehr, sehr eng im Boot.

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Bis jetzt hat Amazon das Problem – zumindest gegenüber dem Endkunden – durch im Regelfall kulante Beschwerde-Behandlung wegbügeln können. Insofern stimmt die Diagnose von Matthias Kremp hier zweifellos: Amazon “kauft sich im Reklamationsfall heraus – statt systematisch gegen Billigkopien auf der eigenen Plattform vorzugehen.”  Das mag für Amazon sinnvoll sein – ändert aber nichts an den Image- und Umsatzschäden bei den Marken-Herstellern, nichts an der Gefährdung von Kunden durch datenvernichtende bis hin zu lebensgefährlichen Produkten – und auch nichts an der systematischen Hinterziehung von (Einfuhr/Umsatz-) Steuern und einer damit einhergehenden Benachteiligung von ehrlichen Händlern.

Meine Diagnose daher: Der wirksamste “Schuss vor den Bug” für Amazon müsste eigentlich von der Finanzverwaltung bzw. vom Zoll kommen. (Sehr unangenehm für Endkunden: bei Plagiaten oder Verstößen gegen Prüfzeichen- bzw. Deklarationsvorschriften werden die bestellten Waren einfach vernichtet. Kohle weg. Lieferung weg.)  Hinweise auf Betrug gibt es genug, dem systematisch nachzugehen würde Kohle ins Staatssäckel bringen. 🙂 Ein paar Kunden werden Krokodilstränen weinen, weil die Super-Billig-Produkte aus China etwas teurer werden. Dafür knallt es vielleicht auch etwas seltener beim Aufladen des Smartphones oder beim Einschalten der Weihnachtsbaum-Beleuchtung. 🙂

Online-Handel: Birkenstock macht Schluss mit Amazon · Deutschlandfunk Nova

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 11.12.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Demonetarisierte Videos bei YouTube: Zensur oder plausible Content-Bewertung?

Bei YouTube kann man bekanntlich Kohle verdienen. Nicht mit dem Video der Katze, aber wenn man da irgendetwas spannenderes oder einfach populäres zu bieten hat – tolle Schleichwerbung-Schminktips oder sich beim Videospielen zugucken lassen und dabei dauerlabern geht zum Beispiel immer – dann beteiligt einen YouTube ja an den Werbeeinnahmen und man wird ganz superreich, oder zumindest ein bisschen reich.

Aber einmal ganz ernsthaft: Für viele Anbieter im Netz, von  Nachrichtenseiten und Techblogs über Musiker bis hin zu LGBT-Organisationen sind die Einnahmen aus YouTube eine sehr wichtige Finanzierungsquelle. Und da ist die Frage: Ist das eigentlich transparent, nach welchen Kriterien YouTube bestimmte Clips promotet und andere nicht, ist es transparent, wo im Endeffekt Geld fließt und wo nicht? Daran gibt es momentan wieder einmal Zweifel.

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Im Netz und speziell bei YouTube-Content-Lieferanten ist gerade ein Paper einer Gruppe namens Karlaplan recht populär – die Verfasser haben in einer Auswertung von Berichten anderer User und durch eigene Experimente offenbar zumindest zum Teil aufdecken können, nach welchen Kriterien bei YouTube Filme promotet oder aber abgestraft; “demonetarisiert” werden. Diese Kriterien entsprechen anscheinend bestimmten potentiell oder grundsätzlich als “problematisch” eingeordneten Inhalten, wie sie in der Dokumentation zu Googles AdWord-Programm aufgelistet sind.

In der Werbewelt von Google und YouTube sind offenbar Dinge wie „Obszönität und grobe Sprache“ (Kategorie 102), “Tragödie und Konflikt“ (Kategorie 105) oder “Sensible soziale Probleme“ (Kategorie 115) nicht erwünscht und letztendlich geschäftsschädigend – ab einem gewissen (durch einen KI-Algorithmus zugemessenen…) Prozentsatz fliegt ein Clip aus der Monetarisierung und der Ranking-Liste heraus. Das ist systematische Zensur, so lautet das Fazit der Karlaplan-Autoren.

Ich bin da allerdings nicht so sicher. Irgendetwas muss YouTube bzw. Google ja tun, um die unzähligen Sekunde für Sekunde hochgeladenen Clips zu bewerten – die Werbekunden möchten ihre Inhalte nicht in oder neben Hass-, Fake-, oder Schrottvideos gepostet bekommen und drohen mit Boykott. Die Einstufung der Clips kann natürlich auch nicht standardmäßig von Menschen, sondern nur von Algorithmen erfolgen – insofern: Das läuft halt so, und da läuft auch mal etwas schief. In Zweifelsfällen gibt es ja die  Möglichkeit, YouTube dirkt anzufunken und zu sagen; Ich bin jetzt hier zu Unrecht heruntergerankt und de-monetarisiert worden.

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 01.12.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Elon Musk gewinnt Wette – und Australien hat die größte Batterie der Welt

Strom aus Solarzellen, aus Wind- und Wasserkraft, die sogenannten erneuerbaren Energien also, haben alle möglichen Vorteile: Sie sind unbegrenzt verfügbar und nicht klimaschädlich – aber da gibt es ja leider diesen großen Haken: Die Zeiten mit der höchsten Stromproduktion, wenn die Sonne scheint und der Wind bläst, das sind nicht zwangsläufig die Zeiten mit dem höchsten Strombedarf. Und einmal weiß man also gar nicht, wohin mit der schönen Energie, und die Netze drohen zu kollabieren. Oder umgekehrt: Licht, Computer und Motoren sollen und müssen auch laufen, wenn es duster ist und Flaute herrscht. Man braucht also Strompuffer – Batterien; oder nach unserem Sprachgebrauch: Akkus.

In Südaustralien ist heute die größte Batterie/der größte Akku der Welt in Betrieb gegangen – und da kann sich einer besonders freuen: Der Chef der Elektroautofirma Tesla, Elon Musk. Der hätte nämlich die Kosten in Höhe von 50 Millionen Dollar für das Aggregat auf der Fläche eines Football-Feldes selbst zahlen müssen, wenn das Ganze nicht innerhalb von 100 Tagen nach Vertragsabschluss fertig installiert und betriebsbereit gewesen wäre – aber die (wahrscheinlich doch sehr wohlkalkulierte…) Wette hat ja gehalten, das war schon seit ein par Tagen klar. Und Elon Musk bzw. Tesla bekommt das Geld und zusätzlich den beabsichtigten PR-Effekt: Wir können kurzfristig liefern, wir sind zuverlässig, wir haben die Kapazitäten für die Akkus.

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So ganz klar war das ja in letzter Zeit nicht, selbst für das Kerngeschäft von Tesla – die Produktion von Elektro-Autos. Ich würde sogar auch vermuten, dass das prestigeträchtige “Super-Batterie”-Projekt in Süd-Australien bei Tesla mit absoluter Top-Priorität behandelt worden ist, und dass dafür halt andere Sparten im Zweifelsfall mal etwas “leiden” mussten. Aber auch wenn das jetzt also ein etwas aufgehübschter Showcase war, der vielleicht die Frage “gibt es schon genug Kapazitäten, um das erneuerbare-Energien-Dilemma direkt und zu vertretbaren Kosten zu lösen” nicht ganz realistisch beantwortet – die Perspektive ist jedenfalls da. Und das ist ja auch notwendig – wenn z.B. ein Big Player wie Google komplett auf Solar- und Windenergie umstellt.

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 01.12.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Bitcoin und Co: Cyberwährungen sind ein Öko-Desaster

Dass herkömmliche Cyber-Währungen ein Öko-Desaster sind, das wusste ich ja schon und habe das auch immer bei meinen bisherigen Berichten über Bitcoin und Konsorten so nebenbei erwähnt. Dass aber – wenn auch auf der Basis von vielen Hochrechnungen und Schätzungen – bei jeder Bitcoin-Transaktion (Latte-Macchiato-Kaufen im Hipster-Coffeeshop…) der Wochen- oder sogar Monats-Stromverbrauch eines durchschnittlichen Haushalts fällig bzw. verbraten wird, das fegt auch mich aus den Latschen. Entweder die Leute von digiconomist und vom Bitcom haben sich da grandios verrechnet – oder die Sache stimmt einfach. Davon gehe ich momentan aus – ich  werde die Annahmen und Zahlen aber auch noch mal bei Gelegenheit zusammen mit einem Experten überprüfen. Versprochen.

Bei aller “prinzipiellen” Genialität des Konzeptes – an sich ist die Cyberwährung Nr. 1, der Bitcoin, mit Volldampf in die Sackgasse gelaufen. Der Effizienz-Wettlauf “mit welcher Hardware und welchen Stromkosten kann ich noch gewinnbringend neue Coins schürfen?” kontra “das Blockchain-Hashwert-finden wird immer aufwendiger” hat dazu geführt, dass Mining und damit auch die Aufrechterhaltung der Bitcoin-Transaktionsfunktionalität praktisch nur noch dort stattfindet, wo die Stromkosten und die Umwelt-Auflagen am niedrigsten sind: In China. Und die dortigen Miner haben natürlich auch gar kein Interesse daran, an sich sinnvolle Neuerungen im Bitcoin-Konzept zu unterstützen, wenn dadurch ihre Gebühren-Einnahmen oder ihre Macht in der “Bitcoin-Community” leiden könnten.

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Ob Cyberwährungen, speziell Bitcoin, aktuell wirklich eine Währung oder aber ein pures Spekulationsvehikel sind, darüber kann man trefflich streiten. Am ehesten lassen sich die Cyber-Coins vielleicht mit Gold vergleichen – auch das eine “Wertanlage”, die auf einer zwar verbreiteten, aber eigentlich ebenfalls nur irrationalen oder emotionalen Wertzuschreibung beruht (von dem technischen Bedarf an Gold einmal abgesehen…). Und auch beim Goldschürfen gibt es gewaltige Kollateralschäden – durch Quecksilbereinsatz etwa an der Umwelt oder an der Gesundheit der Minenarbeiter oder Schürfer.

Letztlich ist das bislang vorherrschende Cyberwährungskonzept zwar von der “diktatorischen” Macht von Zentralbanken oder Regierungen unabhängig – demokratisch oder gar ökologisch ist es aber aber auch nicht. Statt eines theoretisch denkbaren “allgemeinnützlichen”, “sozialistischen” oder “idealistischen” Konzeptes herrscht vielmehr: die pure, nackte, brutale Marktwirtschaft. Genau wie beim Gold die Sauerei mit vergifteten Flüssen – beim Bitcoin wird halt billigster Strom verbraten. Nachhaltigkeit und Klimaschutz? Nie gehört; uns doch egal.

Nun muss eine konzeptionelle Sackgasse wie beim Bitcoin aber trotzdem noch nicht das zwangsläufige und direkte Ende der Cyberwährung und/oder des Kurswertes bedeuten: Ganz offenbar wirkt sich beim Bitcoin der spekulative Aspekt für den Besitz einer Cyberwährung – die Hoffnung auf Wertsteigerung – nicht negativ, sondern stabilisierend aus. Bis jetzt jedenfalls – die mahnenden Auguren wissen schon mit genauer Prozent-Wahrscheinlichkeit, dass der Crash unausweichlich kommt. Wie bei den Tulpen. Dann würde ich doch einfach mal Bitcoin in ganz großem Stil leer verkaufen und mich später, nach dem Absturz, wieder billigst eindecken. Reich werden ist doch total einfach. Also – nur Mut! Die Kugel rollt. Ihre Einsätze, bitte!

Deutschlandfunk Nova · Bitcoin und Co – Ökosünder

Deutschlandfunk Nova – Grünstreifen vom 28.11.2017 (Moderation: Tina Kiessling)

Nachklapp 29.11.2017: Gestern haben wir noch über 10.000 Dollar Kurswert gesprochen, heute über 11.000. Aber ganz klar, der Crash kommt. Unausweichlich. Das ist jetzt wirklich, wirklich, wirklich die aller, aller, allerletzte Phase des Wahnsinns. Wie gesagt: Auf den Absturz setzen! Alles Geld in Put-Derivate auf Bitcoin! Leer-Verkäufe! Alles einsetzen, die Rücklagen, die Altersvorsorge (Lebensversicherungen auflösen!!!), das erwartete Geld von der Erbtante schon mal per Kreditaufnahme vorwegnehmen!!! Es gibt auch Buchmacher, bei denen man wetten kann! Das ist DIE Chance, reich zu werden!!! Oder auf jeden Fall: hinterher schlauer.

Pilotprojekt “Smart City” in Bonn – Wenn der Glascontainer “voll” meldet

Bekanntlich bin ich nicht per se ein glühender Anhänger der Idee, alles zu vernetzen und ins Internet (“der Dinge”…) zu bringen – und dann davon auszugehen, dass allein diese Aktion die Welt automatisch in ein Paradies voller glücklich umherstapfender, bestens informierter und vor lauter tollem “Benutzererlebnis” 🙂  fortwährend jubilierender neuer, smarter und stets wohlwollender Menschen verwandelt. In Wirklichkeit ist das IoT eher ein Albtraum von billigst zusammengestoppelten China-Devices mit Backdoors, Sicherheitslücken und niemals erfolgenden Updates 🙂 … Und die Menschen bleiben natürlich genau so, wie sie halt sind. Es gibt nette, intelligente Leute. Und Vollidioten und Arschlöcher.

Da betrifft auch technische Visionen. In einer idealen Welt oder einem Science-Fiction-Film laufen attraktive Menschen in einem weißen Hosenanzug durch gestylte Wohnwelten und wischen und tippen über smarte Monitore und pseudo-Graffitti-Betonwände. In Wirklichkeit versuchen schlechtgekleidete Spaßvögel und Trolle, Sand ins Getriebe zu streuen – aus purer Lust am Destruktiven; oder weil es ja auch vielleicht auch wirklich ein Stück weit lustig ist, eine vermeintlich tolle Vision mal kurz und schmerzhaft auf den Boden der analogen Wirklichkeit zurückzuholen. Auf jeden Fall: vernetzte Zukunftsideen und “smarte Sensorik” müssen unter diesem Aspekt einigermaßen robust konzipiert sein – sonst pulverisiert sich der erhoffte “Benefit” ganz schnell wegen ein paar Einzelaktionen von “unsmarten” Zeitgenossen.

Aber natürlich wird sich das “Kosten-Nutzen-Verhältnis” zwischen Infrastruktur-Betreibern und IoT-Providern einpendeln; und natürlich werden in zehn Jahren IoT-Dienste und Dienstleistungen selbstverständlich sein, die heute noch experimentell sind. Und möglicherweise ist das dann auch alles smart, klimafreundlich und energiesparend. An der Abwägung: Was bringt mir meine Investition in einigermaßen absehbarer Zeit? – ändert das jedenfalls momentan nichts. Solange die Kommunen nicht einmal das Geld haben, um die allerschlimmsten Schlaglöcher in den Straßen auszubessern, steht die flächendeckende “smarte Stadt-Infrastruktur” wahrscheinlich noch nicht ganz oben auf der Prioritäten-Liste 🙂

Pilotprojekt “Smart City” in Bonn – Wenn der Glascontainer “voll” meldet

Deutschlandfunk – Computer und Kommunikation vom 18.11.2017 (Moderation: Maximilian Schönherr)

Amazon-Rabatt auf Waren von “Third-Party-Anbietern”: Lokalrunde mit Hintergedanken

Die Idee mit den Drittanbietern oder “Third-Party-Verkäufern” bei Amazon ist ja eigentlich genial: Zum einen weitet der Handelsgigant damit sein Angebot aus – entweder qualitativ (zusätzliche Artikel, evtl. besserer Preis) oder quantitativ (Produkt in höheren Stückzahlen verfügbar). Die Kunden haben mehr Auswahl und genießen die Zahlungsabwicklung über einen vertrauenswürdigen, etablierten Kanal – und die Drittanbieter selbst können ihre Waren über einen etablierten Distributionsapparat lagern und ausliefern (lassen); normalerweise klappt die Abrechnung auch problemlos.

Das ermöglicht z.B. einem findigen Studenten, mal eben ein Millionen-Business hochzuziehen – mit pfiffiger Preis-Arbitrage. Das Nebeneinander von Amazon-eigener Ware und der Ware von Drittanbietern in Amazons Lagerhäusern führt ja zuweilen zu peinlichen Pannen: Amazon macht nämlich bei der Bestell-Bearbeitung gar keinen Unterschied und “pickt” und versendet einfach das, was gerade am nächsten im Regal liegt – und so kann man selbst bei einem Kauf bei Amazon selbst mit etwas Pech gefälschte, defekte oder retournierte Ware geliefert bekommen. Immerhin ist das Unternehmen bei Reklamationen sehr kundenfreundlich und diskutiert dann nicht groß herum, sondern liefert fehlerfreien Ersatz.

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Auch der Sonder-Rabatt, der gerade für etwas Aufsehen in den Third-Party-Seller-Foren sorgt, sieht ja erst einmal nach einer Win-Win-Win-Situation aus. Aber unter Umständen bekommen Drittanbieter Ärger mit ihren Lieferanten oder den Markenproduzenten – die “Lokalrunde” von Amazon verfolgt halt ureigenste Interessen und nimmt gegebenenfalls solche Kollateralschäden in Kauf. Hauptsache, der Eindruck bleibt in den Köpfen der Konsumenten: Bei Amazon gibt es die günstigsten Preise. Noch einmal nachchecken empfiehlt sich aber trotzdem.

Amazon-Rabatt auf Waren von “Third-Party-Anbietern”: Lokalrunde mit Hintergedanken · Deutschlandfunk Nova

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 07.11.2017 (Moderation: Till Haase)

Algorithmus knackt Captchas nach menschlichem Vorbild

Das Wort „Captcha“ ist ein Akronym – ins Deutsche übersetzt steht es für „vollautomatischer öffentlicher Turing-Test zur Unterscheidung von Computern und Menschen“. Die Idee, so einen Mensch-Maschine-Test als Zugangskontrolle für Webseiten zu verwenden, stammt aus dem Jahr 2000; der Informatik-Professor Luis von Ahn gilt als der Erfinder. Und seit dem Jahr 2000 läuft ein sehr interessantes Wettrennen: Auf der einen Seite gibt es immer wieder neue Ansätze, Captchas automatisch zu knacken – und ebenso findige Experten sorgen anschließend im Gegenzug dafür, die gefundenen Schwachstellen auszubügeln.

Textbasierte Captchas, also die mit krakeliger, verzerrter Schrift sind nach wie vor die häufigsten – und bei einem Teil von ihnen erfüllt man als menschlicher Entzifferer ja sogar eine sinnvolle Aufgabe und hilft OCR-Algorithmen bei der Digitalisierung von Büchern oder der Erschließung von StreetMap-Bildern auf die Sprünge. Als besonders verlässlicher Mensch-Maschine-Test gelten die Text-Captchas aber schon seit Jahren nicht mehr – da automatische Bot-Scripte die Zugangshürden von Webseiten ja in einem massiven Dauerfeuer attackieren, reicht den Algorithmen schon eine niedrige Erkennungsrate aus, um genügend oft “durchzukommen”.

Die KI-Experten beim Venturekapital-Unternehmen “Vicarious” hatten übrigens selbst schon 2013 den Erfolg ihres “Recursive Cortical Networks” (RCN) beim Knacken von textbasierten Captchas vermeldet – damals aber noch ohne nähere Details zu nennen, wie das Ganze im Detail funktioniert. Das hatte verschiedene Motive, wie der Gründer von Vicarious, Dileep George, auf Anfrage erläutert: Zum einen habe man damals die Einzelheiten in Hinsicht auf die Sicherheitsauswirkungen im Netz zurückgehalten, zum anderen sei man seinerzeit noch ein sehr kleines Team gewesen und habe sich mehr Zeit bei der Entwicklung des Algorithmus und der Firma nehmen wollen.

A representation of the letter A. [Credit: Vicarious AI]

Nicht ganz unwichtig dürfte dabei auch gewesen sein, dass das “Recursive Cortical Network”-Konzept praktisch das algorithmische “Kronjuwel” von Vicarious ist, das die Firma in den kommenden Jahren in einer Vielzahl von Bereichen, vor allem auf dem Feld der “Robotics” einsetzen und vermarkten will. Das wissenschaftliche Paper in “Science” mit den technischen Details reichte das Team also aus nachvollziehbaren Gründen erst ein, nachdem eine Reihe von Patenten auf RCN erteilt und veröffentlicht worden waren.

Wie gravierend die direkten Auswirkungen auf die noch vorhandene oder ohnehin schon nicht mehr vorhandene Sicherheit von Text-Captchas in der Praxis sind, darüber kann man streiten. Das Vicarious-Team betont die wesentlich höhere Effizienz seines RCN-Ansatzes im Vergleich zu herkömmlichen “Brute-Force-Deep-Learning”-Angriffen. Ein Gegenargument lautet: Die wesentlich höheren Ressourcen-Anforderungen beim “Deep Learning” sind kein großes Problem, sie stehen allseits zur Verfügung – und wenn nötig, lässt sich menschliche Hilfe beim Annotieren von Trainingsmaterial sehr billig einkaufen; bei Crowdworking-Diensten wie “Amazon Mechanical Turk”. (Dass sich Menschen ja ohnehin im Zweifelsfall auch gratis für das Lösen der Zugangs-Rätsel einspannen lassen, das haben wir schon einmal vor sehr langer Zeit beleuchtet 🙂 )

In comparison to RCNs, a deep neural network required a 50,000-fold larger training set to recognize a style of CAPTCHAs, and its accuracy deteriorated rapidly with even minor perturbations to the spacing of characters. [Credit: Vicarious AI]

Wie sowohl Prof. Marc Fischlin von der TU Darmstadt, Google und ja auch die Studienautoren bei Vicarious selbst betonen – für die Zugangskontrolle auf Webseiten stehen mittlerweile Alternativen wie bildbasierte oder verhaltensbasierte Captchas zur Verfügung, die auch noch ein Weilchen der KI-Weiterentwicklung trotzen dürften.

Aber letztlich geht es natürlich bei RCN überhaupt nicht konkret um das Knacken von Captchas. Der Algorithmus setzt ähnlich wie die Handschrift-Erkennung aus einem früheren Science-Paper auf Generalisierung, auf ein Konzept, das sich in Jahrmillionen bei der Evolution biologischer neuronaler Strukturen bis hin zum menschlichen Gehirn herausgebildet und bewährt hat. Und insofern ist es ja schon eine philosophische Frage von allerhöchstem Interesse, welche Methode sich in künftigen KI- und Roboter-Entwicklungen durchsetzen wird. Wahrscheinlich wird die Antwort aber ganz pragmatisch sein: Wie die “Intelligenz” zustande kommt, ist sekundär. Haupsache, sie funktioniert in der konkreten Aufgabensituation.

Deutschlandfunk – Computer und Kommunikation vom 28.10.2017 (Moderation: Manfred Kloiber)

Bayerischer Rundfunk – BR5 Computermagazin vom 5.11.2017 (Moderation: Christian Sachsinger)

 

Amazon Key öffnet die Wohnungstür für den Paketboten – und die Kamera schaut zu

Einkaufen, also jetzt so richtig analog mit in-den-Laden gehen und die-Ware-in-die-Hand-nehmen – das  macht ja nach wie vor Spaß. Manchmal, wenn man Zeit und Lust hat. Aber ansonsten, da bestellt man halt online und lässt sich die Sachen schicken. Der kleine, große Haken: wie kommen wir an das Paket, wenn wir zum Zeitpunkt der Zustellung  nicht zuhause sind? Klar, da gibt’s die Paketboxen, neuerdings auch an Bahnhöfen, da muss man aber auch erstmal vorbeikommen oder hinfahren.  Oder als Variante die Privat-Paketbox, die man sich neben die Haustür montiert und wo der Bote dann einen Code hat, um da etwas hineinzulegen. Ein neues Konzept von Amazon funktioniert ähnlich – auch da soll der Bote etwas öffnen mit einem Code – diesmal aber direkt die Wohnungstür.

Warum der Onlinehändler Nr. 1 die “smarte” Wohnungstür-Öffnung promotet, ist klar – je niedriger die Hemmschwelle zur Auftragserteilung, umso höher der Profit. Die Aussicht, ein Paket mit 20 Minuten Anfahrt, 10 Minuten Warteschlange und 20 Minuten Heimfahrt selbst abzuholen, ist klar ein Bestell-Abtörner. Zumal es ja bekanntlich Zusteller gibt, die diese Abtörn-Variante mutwillig (bzw. als arme, ausgebeutete und gehetzte Arbeitnehmer…) öfter als verhofft herbeiführen.

Als Kunde sollte man einigermaßen entspannt im Leben stehen, um “Amazon Key” zu nutzen – und im Zweifelsfall halt auf die Versicherung oder die theoretische Möglichkeit einer Strafverfolgung bauen – immerhin bekommt man dafür ein paar nette Kamera-Aufnahmen eines “Bad Guys” – das ist schon mehr als bei einer Verwüstung der eigenen Wohnung durch einen AirBnB-Horror-Gast. Ins Netz stellen darf man das belastende Material dann leider trotzdem noch nicht – auch ein Dreckschwein hat schließlich Persönlichkeitsrechte 🙂

Aber Spaß und Bedenken beiseite – grundsätzlich ist das “Amazon Key”-Konzept gar nicht so abwegig – wer seinen Kindern einen Hausschlüssel in den Ranzen packt, geht ja schließlich auch ein Risiko ein.

Amazon Key: Wenn der Paketbote eure Tür öffnet · Deutschlandfunk Nova

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 26.10.2017 (Moderation: Till Haase)