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Unfreiwillig Fan vom IS? Facebook-„Gemeinschaftsseite“ sorgt für Verwirrung

In den letzten Tagen ist viel darüber diskutiert worden, ob man nicht stärker gegen Fanseiten oder Chat-Kanäle vorgehen müsste, die Werbung für den IS machen. Fakt ist, solche Seiten gibt es wie Sand am Meer – einerseits werden laufend welche gelöscht, und im Gegenzug werden laufend welche neu erstellt. Da passte dann gestern die „Entdeckung“ von Journalisten-Kollegen vom BR (und anscheinend auch noch anderer Printmedien) wie die berühmte Faust aufs Auge: Bei einer Facebook-Suche nach „ISIS“ bekamen sie als Treffer eine Seite, die „den Eindruck erweckt, vom islamischen Staat zu sein.“

Die Seite „Region des Islam“ war anscheinend von rund 24.000 Facebook-Usern „geliked“ worden, darunter offenbar auch vielen Freunden und Kollegen des Autors – dem sie auf Nachfrage aber dann versicherten, sie hätten da ganz bestimmt nicht auf das „Gefällt mir“-Knöpfchen gedrückt. Anschließend spekulierte der Kollege noch etwas über einen möglichen Facebook-Hack oder eine umbenannte oder gekaperte Seite, war dann aber im Grunde auf der richtigen Spur – in der Tat steckt hinter dem Ganzen ein simpler Facebook-Automatismus.

Die Seite war schlichtweg eine sogenannte „Gemeinschaftsseite“, die Facebook automatisch generiert, wenn es bei einer gewissen größeren Userzahl ein gemeinsames Interesse an einem bestimmten Thema feststellt – sei es für Käsekuchen oder halt für den IS. Gemeinschaftsseiten sind sozusagen Blaupausen, Blankovorlagen für eine „richtige“ Seite – als Beschreibungstext holt sich der Algorithmus einfach den passenden Wikipedia-Artikel.

Und weil ja diese Seitenerstellung auf Verdacht in vielerlei Hinsicht schiefgehen kann (wie man am aktuellen Beispiel sieht…), gibt es auf Gemeinschaftsseiten eine Editierfunktion, die jeder User nutzen kann. Zum Beispiel, um an Facebook zu melden, dass es zum Seitenthema schon eine „richtige“ Seite gibt und die automatisch erstellte also eine Dublette ist. Oder auch, um ein Problem zu melden, z.B. wenn das Seitenthema anstößig ist oder gegen die Facebook-Richtlinien verstößt.

Mit der Editierfunktion kann die Gemeinschaftsseite auch mit einer existierenden Facebook-Seite „zusammengeführt“ werden – damit hatten Spassvögel zum Beispiel einmal erreicht, dass bei einer Facebook-Suche nach „Schimpansen“ die NPD-Seite als Treffer angezeigt wurde.

Die „Region des Islam“-Seite war natürlich auch eigentlich nicht als „Fanseite“ des IS misszuverstehen – außer, wenn man eben wirklich nur ganz oberflächlich draufschaut (was allerdings heutzutage ja allgemein Usus ist 🙂 ). Mittlerweile ist das Objekt der Aufregung von Facebook gelöscht worden – wenn das Unternehmen gegenüber dem BR aber hier von einem „Bug“ gesprochen hat, dann stimmt das einfach nicht. It’s not a bug, it’s a feature. Ob die ganze Automatik-Funktion besonders glücklich konstruiert ist, ist eine andere Frage. Aber als Facebook-User hat man natürlich auch dieses Detail in den Nutzungsbedingungen mit abgenickt 🙂 …

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 20.11.2015 (Moderation: Till Haase)

de Maizière unterstützt wirksame Verschlüsselung – trotz der Terror-Diskussion

In den letzten Tagen ist viel darüber spekuliert worden, über welche versteckten Kanäle islamistische Terroristen kommunizieren – da ist von Playstations die Rede gewesen, aber vor allem natürlich von Verschlüsselung. In den USA fordern hochrangige Politiker wieder einmal ein Verbot von wirksamer Kryptografie – ganz anders dagegen unser Innenminister Thomas de Maizière: Er hat sich gestern ganz ausdrücklich dazu bekannt, dass Privatpersonen und Firmen absolut vertraulich kommunizieren können müssten.

In Anbetracht der aktuellen Lage ist das schon etwas überraschend, andererseits vielleicht auch nur ein Zeichen dafür, dass der Innenminister hier im Gegensatz zu diversen internationalen Kollegen kühlen Kopf bewahrt. Zum einen können die vielen Pro-Argumente für wirksame Verschlüsselung – als da sind Schutz der Privatsphäre, Schutz von Firmengeheimnissen, Schutz auch von politisch sensibler Kommunikation nicht einfach weggewischt werden durch den natürlich unangenehmen „Nebeneffekt“, dass auch Kriminelle und Terroristen verschlüsselt kommunizieren können.

Zum anderen ist ja trotz der Forderung von technisch Ahnungslosen eine „Abschaffung“ oder ein Verbot von Verschlüsselung gar nicht mehr machbar – die Technologie, die Software ist in der Welt, ist verfügbar für alle mit etwas Know-How…

Laut Informationen der französischen Sicherheitsbehörden haben die Attentäter von Paris gar nicht verschlüsselt, sondern per gewöhnlicher SMS kommuniziert – das deutet einerseits darauf hin, dass Polizei und Geheimdienste personell bzw. von ihren Resourcen her jetzt schon überfordert sind. Andererseits – wenn Täter (die selbstverständlich mit dem Islam gar nichts zu tun haben…) ihr Ableben (und die reichlich vage Hoffnung auf die ihnen zum Preis im Jenseits wartenden Jungfrauen…) schon jetzt einkalkulieren… – dann braucht man natürlich kurz vor dem Übergang in jene glorreiche Sphären keinen Gedanken mehr auf PGP, Signal oder sonstige konspirative Software verschwenden…

Dradio Wissen – Schaum oder Haase vom 19.11.2015 (Moderation: Till Haase)

Hartnäckige Werbe-Verfolger: Sound Beacons und Cross Device Tracking

Das Internet nutzen und trotzdem noch ein bisschen Privatsphäre bewahren – irgendwie scheint das ja völlig inkompatibel zu sein. Am PC haben wir uns quasi daran gewöhnt, dass Google, Facebook und halt die ganze Werbeindustrie uns um jeden Preis identifizieren und bei jedem Besuch wiedererkennen möchten – ob das immer so ganz legal und mit geltenden Datenschutzvorschriften kompatibel ist, das ist noch die andere Frage.

Nur surfen wir mittlerweile fast häufiger mit dem Smartphone und dem Tablet; und dass eine Person mehrere Geräte benutzen kann, ist ja zunächst einmal ein grauenvoller Albtraum für unsere fürsorglichen Werbe-Verfolger. Es wäre ja entsetzlich, wenn wir vielleicht auf unserem Dritt-iPhone nicht darüber informiert werden, dass die Autorin des Kinderbuches, das wir vor zwei Jahren der Tochter unserer besten Freundin geschenkt haben, ein neues Epos aus der lukrativen Welt der Pferdehof-Abenteuer veröffentlicht hat.

Zum Glück gibt es auch für das grässliche Problem mit den multiplen Werbeziel-Persönlichkeiten eine aparte technische Lösung – das Ganze nennt sich „Cross Device Tracking“; und die vielleicht ausgebuffteste Einzeltechnologie sind die „Sound Beacons“, die offenbar von den Anwendern unbemerkt schon in einer ganzen Reihe von Apps stecken

Anfang der Woche hat sich die FTC, die Federal Trade Commission mit dem „Cross Device Tracking“ beschäftigt – man kann nur hoffen, dass die Behörde die Bedenken der Datenschützer ernst nimmt und zumindest eine Hinweispflicht (mit der Option, das geräteübergreifende Herumlauschen nicht zuzulassen…) vorschreibt…

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 18.11.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

Der Anti-Turing-Test bei Facebooks „M“

Ob es die natürliche, die menschliche Intelligenz überhaupt gibt, zumindest in hinreichendem Maße, das kann man ja zuweilen stark bezweifeln. Aber die künstliche, die Computer- oder Roboterintelligenz, die ist auf jeden Fall schwer im Kommen. Zum Beispiel in der Form der digitalen Assistenten, die jetzt überall drin stecken und mitlauschen, die Wissensfragen beantworten, Aufträge entgegennehmen oder das Wetter oder Staus vorhersagen.

Notfalls kann man mit Siri, Cortana oder Google Now auch einfach ganz zwanglos plaudern. Am liebsten natürlich über Sachen, bei denen eine künstliche Intelligenz doch eigentlich irgendwann aus der Kurve fliegen müsste. So hat das auch Arik Sosman mit Facebooks neuem Messenger-Assistenten „M“ gemacht. Im Gegensatz zum herkömmlichen Turing-Test wollte er aber nicht eine KI enttarnen, die sich als Mensch ausgibt, sondern Menschen, die als angebliche KI agieren. Das Gesprächsprotokoll bei Medium.com liest sich ganz amüsant – das Ganze ist aber, wie auch in den Kommentaren unter dem Artikel betont wird, an sich so überraschend oder skurril nun auch wieder nicht: „M“ ist noch in der Betaphase und kann nur von einer Handvoll Tester ausprobiert werden, und Facebook hatte in der entsprechenden Pressemitteilung selbst darauf hingewiesen, dass der KI-Assistent zunächst noch von Menschen aus Fleisch und Blut unterstützt wird.

Wie gut sich „M“ als fertiges Produkt schlägt, bleibt einstweilen offen. Theoretisch wäre ja eine Idee, dass alle Standard-Fragen und Aufgaben von der KI erledigt werden, und nur die extrem kniffligen an Menschen weitergegeben werden. Aber auch das würde letzlich einen immensen Personalaufwand bedeuten – kaum vorstellbar, wo Facebook doch momentan noch nicht einmal Hasspostings gesetzeskonform weggelöscht bekommt 🙂 …

Aber natürlich werden KI-Systeme auch ohne menschliche Nachhilfe immer leistungsfähiger. Gerade hat Google „TensorFlow“ als Open Source freigegeben – das dürfte dafür sorgen, dass sich noch mehr Programmierer mit den digitalen Zauberlehrlingen beschäftigen.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 11.11.2015 (Moderation: Till Haase)

T-Mobile kappt Daten-Limit bei Videos – Sündenfall für Netzneutralität?

Bei uns in Europa hat jüngst das EU-Parlament die Weichen in eine andere Richtung gestellt, aber in den USA gilt eigentlich die strikte Netzneutralität – und von daher sorgt dort das neue Angebot von T-Mobile für mächtig Wirbel. Mit „Binge On“ will der Provider künftig Videostreams nicht mehr auf das Datenvolumen seiner Kunden anrechnen; damit wird Filme schauen auch ohne WLAN zu einer realistischen Option.

Der kleine, große Haken – das grenzenlose Streaming-Vergnügen gilt nur für das Angebot von zunächst 24 Kooperationspartnern. Und damit werden logischerweise alle Anbieter benachteiligt, die nicht mit im Boot sind. Falsch, sagt T-Mobile-Boss John Legere – es könne ja jeder ohne Auflagen und Kosten ein „Kooperationspartner“ werden, vorausgesetzt, die Streams würden in einem bestimmten Format angeliefert – und vorausgesetzt, das Angebot sei „legal“.

„The Verge“ nimmt Legere diese Argumentation nicht ab – die Rolle als Mittler zwischen Anbieter und Konsument, die Entscheidungshoheit zwischen „Gewinnern“ und „Verlierern“ gebe T-Mobile zuviel Macht. Und schließlich sei auch das großzügige Geschenk an den Kunden pure Augenwischerei – die Mobilfunkprovider hätten zuvor die Ressource „Datenvolumen“ künstlich verknappt bzw. verteuert, um ihre Gewinne zu sichern.

DRadio Wissen · T-Mobile kappt Daten-Limit: Videos ohne Ende

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 11.11.2015 (Moderation: Till Haase)

Journalisten im Visier der russischen Troll-Fabrik

Ob westliche Medien im Zusammenhang mit der russischen Annexion der Krim (bzw. anders herum formuliert, dem „selbstbestimmten Beitritt der Krim in die russische Föderation“ 😉 ) , nach dem Abschuss von MH17 oder dem laufenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine immer ausgewogen und korrekt berichtet haben, darüber kann man streiten und darüber ist auch gestritten worden.

Die Aktivitäten der russischen Troll-Fabriken hingegen, in denen bezahlte Lohnschreiber nach klarer inhaltlicher Vorgabe als vermeintlich private Akteure Meinung machen; in den Kommentarspalten westlicher Zeitungen, Sendern und Blogs, in den einschlägigen Social-Media-Kanälen – das ist halt kein Beitrag zur Ausgewogenheit, sondern Propaganda und Desinformation als Teil einer sehr gut durchdachten russischen Medienstrategie.

Genau so, also sehr kritisch hat das auch die finnische Journalistin Jessikka Aro vom Sender Yle gesehen und dargestellt – dafür ist sie ins Visier der Troll-Fabrik geraten. Wenn man ihren Erfahrungsbericht liest, dann packt einen schon das Grausen…

DRadio Wissen · Russische Internetstrategie: Im Visier der Troll-Fabrik

DRadio WIssen – Schaum oder Haase vom 10.11.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

Grippe-Prognose mit Google-Daten: „ARGO“ will Schwächen von „Flu Trends“ ausbügeln

Als Google 2008 die „Flu Trends“ vorstellte, war das Projekt ein erstes Musterbeispiel für die Auswertung von „Big Data“, für den möglichen Erkenntnisgewinn also aus einer riesigen Menge weitgehend unstrukturierter Daten. Die ursprüngliche Idee ist nach wie vor plausibel: Wenn plötzlich sehr viele Menschen in einer bestimmten Region im Netz nach Begriffen wie „Schnupfen, Fieber, und Grippe“ suchen, dann sind sie oder ihre Angehörigen wahrscheinlich betroffen – und wenn das Suchinteresse ein bestimmtes Maß überschreitet, dann deutet das auf eine drohende Epidemie hin.

Der Charme des „Flu Trend“-Modells: Die Prognose arbeitet quasi in Echtzeit. Der Haken: Sie beruht auf einer Hypothese, nicht auf realen Krankheitsfalldaten. Kritik an der Methodik und Vorhersagegenauigkeit des im Sommer eingestellten Google-Modells gab es laufend; als Alternative liefert z.B. die Auswertung der Anfragen bei Wikipedia deutlich bessere Prognosen.

Aber der Ansatz auf der Basis von Suchmaschinendaten ist nach wie vor brauchbar, schreiben Statistiker von der Harvard University im Fachblatt PNAS. Ihr neues Prognosemodell ARGO hält konsequent Tuchfühlung mit der Realität – zum einen durch einen ständigen Abgleich mit den tatsächlich gerade verwendeten Suchbegriffen, zum anderen durch einen ständigen Abgleich mit den gerade erhobenen Grippe-Krankheitsdaten der Gesundheitsbehörden. Die permanente Selbstkalibrierung macht die ARGO-Vorhersagen erheblich verlässlicher als die der Konkurrenz-Prognosemodelle, das zeigen die Forscher zumindest anhand der historischen Daten.

Fehlt also nur noch der Praxistest – auch ARGO arbeitet nur mit Wahrscheinlichkeiten und statistischen Modellierungen. Und wie heißt es so schön: Prognosen sind eine heikle Angelegenheit; vor allem, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen.

DRadio Wissen · Neue Grippe-Prognose „ARGO“: Dem Schnupfen entkommen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 10.11.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

P.S. – Ob eine netzbasierte Echtzeit-Situationseinschätzung bzw. eine Echtzeit-Prognose auf der Basis eines statistischen Modells gegenüber einem Lagebild oder einer Prognose auf Basis von validierten Realdaten wirklich allzu viel bringt, das kann man bezweifeln, sagt Silke Buda vom Robert-Koch-Institut. Der zeitliche Vorsprung der Netz-Prognose beträgt im besten Fall zwischen drei bis maximal acht Tagen – aber auch eine statistisch signifikante Aussage „geringe Grippe-Wahrscheinlichkeit“ schützt ein Individuum ja nicht vor einem individuellen Infektionsrisiko.

Nach wie vor ist die beste Grippe-Prophylaxe gerade für Risikogruppen die rechtzeitige Impfung. Die nimmt man am besten vor der Grippe-Saison vor, also bevor statistische Modelle oder die Realdaten-Reports Alarm schlagen.

Deutschlandfunk: Suchmaschinendaten – Neuer Anlauf für die Grippeprognose

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 18.11.2015 (Moderation: Uli Blumenthal)

P.S. 4.1.2016: Die mit „ARGO“ ermittelten Vorhersagen sind nun – zusammen mit den Daten bzw. Prognosen aus weiteren Quellen – abrufbar unter www.healthmap.org/flutrends/.

Eine Ausweitung des Modells auf andere Regionen und andere Infektionskrankheiten wie Dengue ist offenbar geplant.

Führerschein und Registrierungspflicht für Drohnen-Piloten

Für die einen sind sie ein nerdiges Spielzeug, für die anderen eine preiswerte Alternative zum Helikopter-Einsatz. Aber ganz klar – die ferngesteuerten unbemannten Flugobjekte bergen auch einiges Gefahrenpotential in sich. Im einfachsten Fall stürzen sie unbeabsichtigt auf Personen ab – mit u.U. fatalen Folgen. Oder sie verletzen die Privatsphäre anderer Mitmenschen; und nicht jeder Betroffene hat eine Schrotflinte griffbereit. Sehr angesagt ist offenbar derzeit der Drohnenflug über Gefängnismauern hinweg, um Insassen mit Mobiltelefonen, Drogen oder Waffen zu versorgen. Und letztlich kann eine Drohne natürlich auch eine Bombe als „Nutzlast“ ans Ziel tragen.

https://youtu.be/dQOScWiIQ60?t=113

Ob die Personenschützer von Bundeskanzlerin Angela Merkel seit dem „Angriff“ durch die Piratenpartei im Jahr 2013 mittlerweile ein wirksames Abwehrmittel im Arsenal haben, das bleibt Geheimsache.

Nicht mehr geheim, sondern in Prinzip auch nachvollziehbar sind dagegen die Pläne des Verkehrsministeriums zur Regulierung der Drohnen-Fliegerei – auch wenn angesichts der Registrierungspflicht noch Fragen offen bleiben.

DRadio Wissen: Kommt der Drohnenführerschein?

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 9.11.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

Wie verwundbar ist das Internet?

Nicht allzu sehr, sondern im Gegenteil ziemlich unkaputtbar – so würde eigentlich die spontane Antwort lauten. Denn genauso ist das Netz ja ursprünglich konzipiert worden, als militärisches Kommunikations-Projekt: Die Informationen laufen nicht als Punkt-zu-Punkt-Verbindung, sondern suchen sich im Zweifelsfall ihren Weg selbst; wenn eine Route gekappt wird, dann wird auf eine Alternativstrecke umgeroutet. So weit, so (theoretisch…) gut.

Praktisch gesehen gibt es zum einen höchst neuralgische Strecken – die interkontinentalen Unterseekabel z.B., die ja denn auch im besonderen Fokus von staatlichen Akteuren stehen. Aber auch mit der Redundanz der Landverbindungen ist es u.U. gar nicht so weit her – im ungünstigsten Fall liegen die Kabel unterschiedlicher Provider im gleichen Schacht.

Um das Risikopotential abschätzen zu können, bräuchte man zu allererst eine verlässliche und umfassende Karte der Internet-Verbindungsstrecken – die gab es bislang selbst im Mutterland des Netzes nicht. Paul Barford, Professor an der Universität Wisconsin hat die Topologie jetzt in vierjähriger Arbeit zusammengetragen – mit finanzieller Unterstützung des Department of Homeland Security (DHS). Und aus naheliegenden Gründen kann die Karte auch nur mit DHS-Segen eingesehen werden: Für potentielle Angreifer wäre sie ein gefundenes Fressen; natürlich soll sie aber im Gegenteil dazu dienen, besonders gefährdete Strecken besser abzusichern.

Dafür plaudern bei der NYT andere Experten aus dem Nähkästchen: Die Knotenpunkte, die „Internet exchange points“ (IXPs), an denen nationale und internationale Netz-Verbindungen zusammenlaufen, sind teilweise in völlig ungesicherten, antiken Gebäuden untergebracht – in alten Telegrafenstationen zum Beispiel. Auch wenn Tarnung durch Unscheinbarkeit ja auch irgendwie eine Idee ist – richtig vertrauenserweckend ist das nicht, dass es für IXPs im Gegensatz zu Cloud-Datencentern praktisch keine Sicherheits-Vorschriften gibt.

Fazit: das Netz ist vielleicht gar nicht so unkaputtbar wie theoretisch gedacht und gemeinhin postuliert. Welche Folgen ein durchschlagender Angriff auf die Internet-Infrastruktur hätte, das kann man aufgrund realer Mini-Pannen nur recht ansatzweise erahnen – tatsächlich würde im schlimmsten Fall ein weitgehender Total-Aufall jeglicher Kommunikation, Organisation und Information drohen, dazu ein Ausfall von Geräten vom Smartphone bis zum Kraftwerk.

Zum Glück hinken reale Terroristen bislang den Film-Bösewichten an Effizienz und Know-How noch weit hinterher. Aber das muss ja nicht zwangsläufig immer so bleiben.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 9.11.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

Netzneutralität: Telekom-Geschäftsideen sorgen für Riesen-Aufregung

Dass die Sache mit der am Dienstag vom EU-Parlament zwar im Grundsatz bekräftigten, aber zugleich in Details gelockerten Netzneutralität ein „Minenfeld“ ist, das ist Telekom-Chef Timotheus Höttges natürlich klar. Und dieses explosive Terrain hat er denn auch recht zügig, eindrucksvoll und flächendeckend hochgehen lassen mit seiner am Mittwoch vorgestellten Geschäftsidee, Start-Up-Unternehmen bei Bedarf eine Internet-Überholspur – also eben die demnächst zulässigen „Spezialdienste“ – gegen eine kleine Umsatzbeteiligung verkaufen zu wollen.

Seitdem tobt „das Netz“, in Schlagzeilen und Kommentaren in der Presse liest man von „abkassieren“, Internet-Maut oder Schutzgelderpressung. Bei Twitter wollen erboste Eiferer dem Telekom-Pressesprecher ins Gesicht spucken oder schlimmeres antun, weil der die These für einen „Mythos“ hält, die von seinem Chef angesprochene „Infrastruktur“ sei dereinst aus Steuergeldern finanziert worden.

Ob die Sache mit der Umsatzbeteiligung jetzt eine charmante oder eher abschreckende Idee ist, sei dahingestellt. Letzlich geht es um einen bestimmten Kostenfaktor x. Und wenn man Höttges „Vision“ noch einmal ohne Schaum vor dem Mund liest, dann zielt er doch ausdrücklich auf solche Start-Up-Unternehmen ab, die sich teure externe Dienstleistungen wie etwa Content Delivery Networks (CDNs) nicht leisten können – das heißt, das Telekom-Angebot würde dann logischerweise preislich unterhalb dieser Angebote liegen.

Und wer weder CDNs noch die Telekom-Spezialdienste braucht oder sich leisten kann, der hat eben wie bisher die „normale“ Internet-Anbindung zu einem bestimmten Preis, der sich ja auch jetzt schon nach gewissen Kapazitäts- und Verfügbarkeitskriterien bemisst. Und die halt „normal“ funktioniert, mit der gleichen Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit wie bisher. Dass die Telekom diesen „normalen“ Zugang demnächst dann für Nicht-Premium-Kunden verschlechtern wird, offen oder gar als versteckte Drohung, das ist doch eine ziemlich gewagte Spekulation. Im Zweifelsfall würde das gegen die gerade beschlossene „grundsätzliche“ Netzneutralität verstoßen oder ganz einfach imagemäßig (siehe „Drosselkom-Affäre“…) und wirtschaftlich nach hinten losgehen: Ein bisschen Konkurrenz gibt es ja auch noch am Markt. Und notfalls sind da noch die Wettbewerbs- und Verbraucherschützer der EU, die einem wirklich mafiös-monopolistisch agierenden Provider dann schon auf die Finger klopfen werden.

Übrigens – genauso wenig, wie die Spezialdienst-Ausnahmen nun alle europäischen Start-Ups zwangsläufig in die Provider-Knechtschaft und ins wirtschaftliche Verderben führen werden, genauso wenig hat die in den USA beschlossene strikte Netzneutralität die dortigen Provider an den Bettelstab gebracht oder wie angedroht zu einem Investitionsstopp gezwungen 🙂 …

DRadio Wissen: Locker bleiben

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 30.10.2015 (Moderation: Marlis Schaum)