In den letzten Tagen ist viel darüber diskutiert worden, ob man nicht stärker gegen Fanseiten oder Chat-Kanäle vorgehen müsste, die Werbung für den IS machen. Fakt ist, solche Seiten gibt es wie Sand am Meer – einerseits werden laufend welche gelöscht, und im Gegenzug werden laufend welche neu erstellt. Da passte dann gestern die „Entdeckung“ von Journalisten-Kollegen vom BR (und anscheinend auch noch anderer Printmedien) wie die berühmte Faust aufs Auge: Bei einer Facebook-Suche nach „ISIS“ bekamen sie als Treffer eine Seite, die „den Eindruck erweckt, vom islamischen Staat zu sein.“
Die Seite „Region des Islam“ war anscheinend von rund 24.000 Facebook-Usern „geliked“ worden, darunter offenbar auch vielen Freunden und Kollegen des Autors – dem sie auf Nachfrage aber dann versicherten, sie hätten da ganz bestimmt nicht auf das „Gefällt mir“-Knöpfchen gedrückt. Anschließend spekulierte der Kollege noch etwas über einen möglichen Facebook-Hack oder eine umbenannte oder gekaperte Seite, war dann aber im Grunde auf der richtigen Spur – in der Tat steckt hinter dem Ganzen ein simpler Facebook-Automatismus.
Die Seite war schlichtweg eine sogenannte „Gemeinschaftsseite“, die Facebook automatisch generiert, wenn es bei einer gewissen größeren Userzahl ein gemeinsames Interesse an einem bestimmten Thema feststellt – sei es für Käsekuchen oder halt für den IS. Gemeinschaftsseiten sind sozusagen Blaupausen, Blankovorlagen für eine „richtige“ Seite – als Beschreibungstext holt sich der Algorithmus einfach den passenden Wikipedia-Artikel.
Und weil ja diese Seitenerstellung auf Verdacht in vielerlei Hinsicht schiefgehen kann (wie man am aktuellen Beispiel sieht…), gibt es auf Gemeinschaftsseiten eine Editierfunktion, die jeder User nutzen kann. Zum Beispiel, um an Facebook zu melden, dass es zum Seitenthema schon eine „richtige“ Seite gibt und die automatisch erstellte also eine Dublette ist. Oder auch, um ein Problem zu melden, z.B. wenn das Seitenthema anstößig ist oder gegen die Facebook-Richtlinien verstößt.
Mit der Editierfunktion kann die Gemeinschaftsseite auch mit einer existierenden Facebook-Seite „zusammengeführt“ werden – damit hatten Spassvögel zum Beispiel einmal erreicht, dass bei einer Facebook-Suche nach „Schimpansen“ die NPD-Seite als Treffer angezeigt wurde.
Die „Region des Islam“-Seite war natürlich auch eigentlich nicht als „Fanseite“ des IS misszuverstehen – außer, wenn man eben wirklich nur ganz oberflächlich draufschaut (was allerdings heutzutage ja allgemein Usus ist 🙂 ). Mittlerweile ist das Objekt der Aufregung von Facebook gelöscht worden – wenn das Unternehmen gegenüber dem BR aber hier von einem „Bug“ gesprochen hat, dann stimmt das einfach nicht. It’s not a bug, it’s a feature. Ob die ganze Automatik-Funktion besonders glücklich konstruiert ist, ist eine andere Frage. Aber als Facebook-User hat man natürlich auch dieses Detail in den Nutzungsbedingungen mit abgenickt 🙂 …
DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 20.11.2015 (Moderation: Till Haase)