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No Go für Lee Sedol gegen die KI

Und das war es auch schon mit der letzten Krone des Denksports – auch die dritte Partie in Folge geht an Alpha Go. Möglicherweise war der Kampf insofern etwas unfair, weil der Mensch halt keine Chance hatte, sich auf den tatsächlichen Gegner vorzubereiten (also auf die aktuelle, seit Oktober stark verbesserte Version von AlphaGo), möglicherweise würde auch ein anderer Top-Spieler besser mit dem KI-Gegner zurechtkommen als Lee Sedol (auch Gary Kasparov hatte ja bei seiner ebenfalls als „Meilenstein“ gesehenen Niederlage gegen DeepBlue weder seine eigene normale Spielstärke gezeigt noch überhaupt erfolgversprechende Anti-Computer-Strategien verfolgt…) – aber, das war ja auch vor dem Match jetzt in Südkorea schon klar: Es ging nicht um die Frage, ob die menschliche Bastion fällt, sondern wann.

Wie beim Schach bedeutet der Sieg von AlphaGo nicht, dass das (Turnier-) Spiel unter Menschen nun uninteressant würde. Ob allerdings menschliche Go-Profis ebenso schnell von der Assistenz von Computerprogrammen profitieren werden, ist noch fraglich. Zum einen dürfte es noch dauern, bis eine PC-Version von AlphaGo verfügbar sein wird (oder eben ein anderes Programm, das im wesentlichen die Erfolgsrezepte des DeepMind-Algorithmus aufgreift und auf „realistischer“ Hardware eine vergleichbare Performance liefert), zum anderen ist nicht ausgemacht, ob sich die faktisch erfolgreiche Spielweise der KI auch in eine für einen Menschen nachspielbare Strategie übersetzen lässt.

Bei aller Exzellenz in höchst komplexen Denksportarten – im richtigen Leben werden die Algorithmen aus dem Hause DeepMind erst einmal noch kleinere Brötchen backen. Aber auch da ergeben sich interessante Perspektiven, wie Demis Hassabis im Interview bei The Verge erläutert.

AlphaGo gewinnt erste Partie gegen Lee Sedol

Eigentlich hatte Lee Sedol ja die schwarzen Steine in seiner ersten Matchpartie gegen das Computerprogramm AlphaGo – als er dann irgendwann um 8 Uhr 35 deutscher Zeit einen weißen Stein ergriff und auf dem Brett postierte, da blieb den Kommentatoren bei der Live-Übertragung auf YouTube erst mal die Spucke weg. „Ich glaube, er hat gerade die Partie aufgegeben“ fiel dann bei Michael Redmond, immerhin der beste westliche Go-Spieler und wie Lee Sedol ein 9-dan-Großmeister, der Groschen. Redmond hatte nämlich in der Endspielphase auch schon immer wieder ansatzweise überschlagen, wer in der Partie eigentlich das größere Gebiet erobert hatte, aber dabei noch kein endgültiges Ungleichgewicht gesehen. Lee selbst wusste es besser.

 

Das Partieende wie aus heiterem Himmel – jedenfalls für die Beobachter in dieser Übertragung; andere Kommentatoren hatten den Braten schon früher gerochen – macht deutlich, wie extrem schwierig beim Go die Stellungsbewertung ist. Und genau das war auch bislang das Hauptproblem für Computerprogramme, die letzte Bastion des Denksports im Kampf Mensch gegen Maschine zu schleifen – beim Schach war der Drops bekanntlich schon länger gelutscht.

Offenbar hat AlphaGo seit dem Match im Oktober gegen den mehrfachen Europameister Fan Hui dazugelernt (Fan Hui, der ja 0-5 unter die Räder gekommen war, ist übrigens jetzt einer der Schiedsrichter und verspürt vielleicht eine ganz kleine Genugtuung, dass AlphaGo nun jemand anders quält. Vielleicht drückt er aber auch Lee Sedol in menschlicher Empathie ganz fest die Daumen…) – das „Dazulernen“ kann man wörtlich nehmen, denn die neuronalen Netze von AlphaGo trainieren sich selbstständig weiter, mit Millionen von gegen sich selbst gespielten Partien, ohne dass ihnen die Programmierer vorgeben müssen, was gut oder was schlecht ist.

Es ist sogar genau anders herum – im Grunde wissen selbst die Macher von AlphaGo bei Googles (bzw. Alphabets…) Tochterfirma „Deep Mind“ nicht ganz im Detail, was sich eigentlich in der „Black Box“ zwischen der Eingabe- und Ausgabeschicht der neuronalen Netze entwickelt hat. Möglicherweise hat AlphaGo Erkenntnisse über das Go-Spiel herausdestilliert, auf die noch nie ein menschlicher Spieler gekommen ist, die möglicherweise auch aus menschlicher Sicht absurd erscheinen mögen – die aber offensichtlich funktionieren. Und das ist ein weiterer Grund, warum der Kampf für Lee Sedol nun wahrscheinlich noch schwieriger wird, als seinerzeit bei den Mensch-Maschine-Matches beim Schach: Er kann nur sehen, was AlphaGo spielt, aber nicht, warum – damit entfällt die Chance, konzeptbedingte Schwächen zu identifizieren und gegebenenfalls gezielt auszunutzen.

Das heißt noch nicht, dass AlphaGo oder das algorithmische Konzept im menschlichen Sinne „intelligent“ ist. Würde man ein neuronales Netzwerk mit Daten über Börsenkurse und Minirocklängen trainieren, dann käme mit ziemlicher Sicherheit eine Korrelation und ein Prognosemodell heraus. Vielleicht sogar eins, das besser funktioniert als Analysten-Analysen. Fehlende Kausalitäten, sprich Bullshit, können Menschen immer noch besser diagnostizieren als Maschinen. Aber es wird garantiert immer schwieriger, die Ergebnisse von „künstlicher Intelligenz“ von denen menschlicher auseinanderzuhalten – das klassische Turing-Test-Szenario.

Irgendwann spielt es also keine Rolle mehr, ob die Algorithmen intelligent sind. Oder nur sehr perfektioniert so tun, als ob. 🙂

Maschine übernimmt letzte Bastion der Menschen · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 09.03.2016 (Moderation: Till Haase)

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 09.03.2016 (Moderation: Uli Blumenthal)

KeRanger: Erste funktionstüchtige Ransomware für Mac OSX

Jetzt geht die Verschlüsseln-und-Erpressen-Masche auch bei den Besitzern von Mac-Rechnern los – logisch eigentlich, denn wer eher zu einem schicken Apple-Modell als zum schnöden PC von der Stange greift, beweist Geschmack und Solvenz. Da wird doch noch ein Bitcoinchen für irgendeinen freundlichen Cyber-Gangster in Russland drin sein, das Leben dort ist schließlich hart und freudlos.

Dass sich die Eigner von Mac OSX-Geräten zurecht etwas weniger Sorgen gemacht haben, heißt nicht, dass sie per se sorgloser sind – auch bei der Infektion eines PCs mit Ransomware ist ja in den allermeisten Fällen etwas „Mithilfe“ des Users nötig. Wenn die Schadsoftware dann auch noch huckepack mit dem Update eines an sich vertrauenswürdigen Programms auf den Rechner kommt, kann man den Opfern eigentlich gar keine Mitschuld mehr vorwerfen. Und so lautet denn die Devise auch hier: das Einzige, was hilft, sind Backups. Möglichst vollständige, möglichst aktuelle.

Besonders gemein: So schöne und bequeme Dinge wie eine Time Machine oder die Hintergrund-Datensicherung in die Cloud machen bei einem Ransomwarebefall die Sache unter Umständen noch schlimmer – die werden nämlich mitverschlüsselt, und beim nächsten Synchronisieren mit einem Zweitgerät ist dort dann auch alles top secret. Die einzige Lösung ist also ein Backupmedium, das nur zum Sichern angestöpselt wird. Ich korrigiere: Mehrere solche Backupmedien natürlich.

IT-Sicherheit: Auch Macs sind bedroht · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 07.03.2016 (Moderation: Till Haase)

Auf GitHub schreiben Frauen den besseren Programmcode

Es gibt ja plausible Erklärungen, warum Frauen in manchen Berufen unterrepräsentiert sind – z.B. wenn die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Es gibt auch plausible Erklärungen, warum Frauen in manchen Branchen durchschnittlich weniger verdienen als Männer. Zum Beispiel ist da die These, sie würden sich insgesamt weniger für Führungspositionen interessieren, weil ihnen weder exzessive Überstunden noch die latent aggressiven Statusspielchen besonders attraktiv vorkommen.

Auf der rein fachlichen Ebene, etwa bei einem Spezialisten-Job wie dem Programmieren ist beides kein Argument – trotzdem gibt es den Gehaltsunterschied auch in der Softwarebranche. Und das dürfte kaum daran liegen, dass Frauen schlechteren Code schreiben. Im Gegenteil, sagt eine Studie von Informatikern der California Polytechnic State University und der North Carolina State University. Auf der Open-Source-Plattform GitHub finden nämlich „Pull requests“, also zur Beurteilung eingereichte Code-Verbesserungsvorschläge von Frauen mehr Resonanz als die von Männern – sie haben offenbar im Durchschnitt eine etwas höhere Qualität. Wobei anzumerken ist: Die allermeisten GitHub-Zulieferer sind mit einem neutralen Nickname unterwegs, das Geschlecht ist normalerweise nicht erkennbar.

Was ist also die Ursache für die leicht bessere Performance? Möglicherweise sind Programmiererinnen einen Tick selbstkritischer als ihre Kollegen und reichen nur etwas ein, was sie zuvor sehr gründlich durchdacht und getestet haben. Oder, so mutmaßen die Studienautoren, werfen durchschnittlich begabte Frauen in der Branche eh irgendwann das Handtuch – und nur die fachlichen Überflieger bleiben dabei; „survivorship bias“ heißt dieser Effekt.

Auch auf GitHub gibt es offenbar Vorurteile und Diskriminierung: Code von als Frauen erkennbaren Neueinsteigern findet weniger Akzeptanz als der von männlichen Unbekannten. Aber wenn eine Frau in einem Software-Projekt erst einmal als Mitakteurin bekannt ist, dann wird ihr Code auch vorurteilsfrei mit einbezogen – ein sehr ermutigendes Signal an alle Frauen, sich nicht von der (zahlenmäßigen!) Männerdominanz in der Informatik einschüchtern zu lassen.

Das Können weiblicher Programmierer · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 12.02.2016 (Moderation: Till Haase)

AlphaGo greift nach der Krone im Denksport

Eine Vorankündigung „außer der Reihe“ und zwei Schaltkonferenzen für die internationale Presse – einen solchen Aufwand betreibt das Fachblatt „Nature“ nicht bei jedem Thema. Aber es ging ja auch schließlich um die Coverstory der aktuellen Ausgabe. Es handle sich um einen „Meilenstein in der Geschichte der KI“, so formulierte es der Chefredakteur in der Konferenzeinleitung – und danach hatten dann Demis Hassabis und David Silver das Wort. Die beiden arbeiten für „DeepMind“ – eine Google-Tochterfirma (wobei der Mutterkonzern ja neuerdings „Alphabet“ heißt; und sie und ihr Team hatten schon im letzten Jahr für Furore gesorgt: Mit einem Algorithmus nämlich, der virtuos Videospiele zocken kann.

Auch diesmal ging es wieder um ein Spiel, das aber für seine Anhänger weit mehr bedeutet: Zumindest in seiner Herkunftsregion China, Japan und Korea ist Go seit uralten Zeiten Ausdruck und Teil der Kultur – und außerdem ist es die letzte verbliebene Bastion im Kampf „Mensch gegen Maschine“. Während beim westlichen Schach schon seit Jahren auch die allerstärksten Spieler bis hin zum Weltmeister keine Chance mehr gegen die aktuellen Programme haben (auch wenn die auf popeliger Billig-Hardware laufen…), haben sich Algorithmen beim Go bislang immer noch äußerst schwer getan.

Und nun die Botschaft aus der Londoner DeepMind-Zentrale: Erstens habe man (bereits im Oktober) mit einem neuen Programm namens AlphaGo zum ersten Mal einen starken menschlichen Profispieler besiegt (der bedauernswerte mehrmalige Europameister Fan Hui kam mit 0-5 unter die Räder…) – und im März wolle man dann die südkoreanische Go-Legende Lee Sedol herausfordern.

(Credit: Nature Video)

Von der Spielstärke ihres Programms – es macht Konkurrenzprogramme, auch das neue aus dem Hause Facebook mit mit 99,8%er Gewinnrate nieder – war das Team anscheinend selbst etwas überrascht. Man habe auch keineswegs irgendwelche neuen Wunderdinge neu erfunden, sondern im Grunde schon vorhandene Komponenten – einen „Monte Carlo“-Suchalgorithmus und mehrere neuronale Netzwerke auf eine besonders effiziente Weise angeordnet und trainiert, so Demis Hassabis irgendwann im Verlauf der Pressekonferenz.

So symbolträchtig ein eventueller Sieg im nächsten Match auch sein würde – ob sich „AlphaGo“ bzw. sein Konzept nun besonders gut auf andere Problemstellungen „in der richtigen Welt“ übertragen lassen wird, das bleibt noch abzuwarten. Ein klares Sieg-oder Niederlage-Szenario ist hier eher selten. Möglicherweise sind also Dinge wie der Umgang mit unvollständiger Information oder das „One-Shot-Learning“ noch wichtiger – und möglicherweise ist also der Baller-Algorithmus aus dem letzten Jahr „intelligenter“ als AlphaGo.

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 28.01.2016 (Moderation: Uli Blumenthal)

Künstliche Intelligenz – Maschinelles Lernen nach menschlichem Vorbild

Computerprogramme sind mittlerweile ganz gut darin, Dinge auf Fotos zu erkennen – den simplen Buchstaben „T“ etwa oder etwas komplexeres wie einen Tisch. Dafür müssen die Algorithmen allerdings zuvor trainiert werden – und zwar bislang mit hunderten oder tausenden entsprechenden Beispielbildern.

Ein Mensch hingegen braucht nur einen einzigen Tisch zu sehen, und kann anschließend auch verschiedenste Varianten des Möbelstücks identifizieren oder sogar selbst neu entwerfen. Und zwar deswegen, weil er das grundsätzliche Konzept – eine horizontale Platte auf vertikalen Stützen – versteht.

Die KI, die sogenannte „künstliche Intelligenz“ kann sich also durchaus vom Menschen noch einiges abschauen – und genau das ist der Ansatz für eine neue Art des „maschinellen Lernens“, den amerikanische Forscher in der aktuellen Ausgabe von „Science“ vorstellen.

Die Studie vergleicht menschliches und Maschinen-Lernen bei einem weiten Spektrum von visuellen Konzepten bzw. bei ausgewählten Alphabeten. Künstlerische Darstellung von Danqing Wang.

Die Studie vergleicht menschliches und Maschinen-Lernen bei einem weiten Spektrum von visuellen Konzepten bzw. bei ausgewählten Alphabeten. Künstlerische Darstellung von Danqing Wang.

Momentan funktioniert der von Joshua Tenenbaum, Brenden Lake und Ruslan Salakhudinov entwickelte Ansatz nur bei einem eigentlich bereits „erfundenen Rad“ – der Handschrifterkennung, einem „Showcase“ also mit sehr überschaubaren Freiheitsgraden und relativ leichten Trainingsmöglichkeiten.

Interessanterweise war aber bei der Science-Telekonferenz am Tag vor der Veröffentlichung kaum von den (übrigens sehr komplizierten und für Laien kaum nachvollziehbaren…) Details der aktuellen Studie die Rede, sondern eher von vagen Zukunftsperspektiven und der Frage, ob sich ein menschenähnlich lernender KI-Algorithmus auch auf andere Wissensdomänen übertragen lässt – jenseits von naheliegenden Varianten wie der Spracherkennung oder der Verbesserung der Autokorrektur auf Smartphones.

Eine sehr konkrete Nachfrage kam vom Reporter der „Defense One“ – und in der Tat sind Geheimdienstler und Militärs sehr interessiert, ob ein konzeptuell lernendes KI-Programm nicht auch dazu taugen könnte, die Absichten von Menschen vorherzusagen oder irgendwann einmal Drohnen oder Kampfdroiden autonom agieren zu lassen.

Da war dann die Frage von Tanya Lewis vom Business Insider sehr angebracht:

Besteht nicht die Gefahr, dass Ihr Programm voreilige Schlüsse zieht, wenn es sich auf zu wenige Beispiele stützt?

Und Professor Joshua Tenenbaum vom MIT, Psychologe und Kognitionswissenschaftler, gab ihr prinzipiell recht:

Diese Stereotypen oder Kurzschlüsse, die Sie ansprechen, das sind möglicherweise menschliche Schwächen als unausweichliche Konsequenzen unserer Stärken. Die spannende Frage ist also, wollen wir, dass Maschinen unsere Schwächen genauso erben wie unsere Stärken? Und ist es überhaupt möglich, dass sie die Stärken haben werden ohne die Schwächen?

Künstliche Intelligenz – Maschinelles Lernen nach menschlichem Vorbild

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 11.12.2015 (Moderation: Uli Blumenthal)

Big Data – Handydaten verraten Wohlstand und Armut

Dass ein Mobiltelefon billig oder teuer sein kann, ist klar. Aber dass die Mobiltelefon-Nutzung etwas darüber verraten kann, ob der Besitzer oder die Besitzerin eher reich oder eher arm ist – darauf muss man erst einmal kommen. Oder man muss einen Computer darauf kommen lassen.

Das Versprechen von Big-DataModellen ist ja: Im Idealfall findet der Algorithmus in ziemlich unstrukturiertem Datenmaterial plötzlich Zusammenhänge, gewinnt neue Erkenntnisse, die bislang unentdeckt waren. Im banalsten und gleichzeitig auch häufigsten Szenario sind das ökonomische Erkenntnisse – wer bei Amazon schon drei Pferdehof-Bücher gekauft hat, interessiert sich vielleicht auch für einen Reitkurs; wer anscheinend dauernd mit Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn unterwegs ist, braucht vielleicht ein noch schnelleres Auto, einen Zeitmanagement-Ratgeber oder eine Risiko-Lebensversicherung 🙂 .

Das ganz große Problem bei Big-Data-Ansätzen: Der Algorithmus spürt statistische Korrelationen auf (z.B. die Länge von Röcken zur Aktienperformance…) – aber ob letztlich wirklich ein Kausalzusammenhang dahinter steht, das kann man nur mit gesundem Menschenverstand oder mit einem Abgleich anhand von völlig unabhängigen Datenquellen überprüfen.

Auch Joshua Blumenstock von der University of Washington kann nicht bis ins letzte Detail erklären, warum Reiche in Ruanda andere Mobilfunk-Kommunikationsmuster haben als Arme. Aber ganz offensichtlich passt seine in der aktuellen Ausgabe von „Science“ vorgestellte Big-Data-Abschätzung des ökonomischen Status von Handy-Nutzern sehr gut zu Daten aus der realen Welt. Eine neue, preiswerte und ziemlich verlässliche Methode also gerade in Entwicklungsländern, Politikern eine Basis für ökonomische Entscheidungen zu geben – für Infrastruktur-Investitionen, Sozialmaßnahmen oder Steuertarife. Vorausgesetzt, die Entscheidungen sollen überhaupt aufgrund von objektiven Kriterien gefällt werden 😉 …

Big Data – Handydaten verraten Wohlstand und Armut

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 27.11.2015 (Moderation: Monika Seynsche)

de Maizière unterstützt wirksame Verschlüsselung – trotz der Terror-Diskussion

In den letzten Tagen ist viel darüber spekuliert worden, über welche versteckten Kanäle islamistische Terroristen kommunizieren – da ist von Playstations die Rede gewesen, aber vor allem natürlich von Verschlüsselung. In den USA fordern hochrangige Politiker wieder einmal ein Verbot von wirksamer Kryptografie – ganz anders dagegen unser Innenminister Thomas de Maizière: Er hat sich gestern ganz ausdrücklich dazu bekannt, dass Privatpersonen und Firmen absolut vertraulich kommunizieren können müssten.

In Anbetracht der aktuellen Lage ist das schon etwas überraschend, andererseits vielleicht auch nur ein Zeichen dafür, dass der Innenminister hier im Gegensatz zu diversen internationalen Kollegen kühlen Kopf bewahrt. Zum einen können die vielen Pro-Argumente für wirksame Verschlüsselung – als da sind Schutz der Privatsphäre, Schutz von Firmengeheimnissen, Schutz auch von politisch sensibler Kommunikation nicht einfach weggewischt werden durch den natürlich unangenehmen „Nebeneffekt“, dass auch Kriminelle und Terroristen verschlüsselt kommunizieren können.

Zum anderen ist ja trotz der Forderung von technisch Ahnungslosen eine „Abschaffung“ oder ein Verbot von Verschlüsselung gar nicht mehr machbar – die Technologie, die Software ist in der Welt, ist verfügbar für alle mit etwas Know-How…

Laut Informationen der französischen Sicherheitsbehörden haben die Attentäter von Paris gar nicht verschlüsselt, sondern per gewöhnlicher SMS kommuniziert – das deutet einerseits darauf hin, dass Polizei und Geheimdienste personell bzw. von ihren Resourcen her jetzt schon überfordert sind. Andererseits – wenn Täter (die selbstverständlich mit dem Islam gar nichts zu tun haben…) ihr Ableben (und die reichlich vage Hoffnung auf die ihnen zum Preis im Jenseits wartenden Jungfrauen…) schon jetzt einkalkulieren… – dann braucht man natürlich kurz vor dem Übergang in jene glorreiche Sphären keinen Gedanken mehr auf PGP, Signal oder sonstige konspirative Software verschwenden…

Dradio Wissen – Schaum oder Haase vom 19.11.2015 (Moderation: Till Haase)

Hartnäckige Werbe-Verfolger: Sound Beacons und Cross Device Tracking

Das Internet nutzen und trotzdem noch ein bisschen Privatsphäre bewahren – irgendwie scheint das ja völlig inkompatibel zu sein. Am PC haben wir uns quasi daran gewöhnt, dass Google, Facebook und halt die ganze Werbeindustrie uns um jeden Preis identifizieren und bei jedem Besuch wiedererkennen möchten – ob das immer so ganz legal und mit geltenden Datenschutzvorschriften kompatibel ist, das ist noch die andere Frage.

Nur surfen wir mittlerweile fast häufiger mit dem Smartphone und dem Tablet; und dass eine Person mehrere Geräte benutzen kann, ist ja zunächst einmal ein grauenvoller Albtraum für unsere fürsorglichen Werbe-Verfolger. Es wäre ja entsetzlich, wenn wir vielleicht auf unserem Dritt-iPhone nicht darüber informiert werden, dass die Autorin des Kinderbuches, das wir vor zwei Jahren der Tochter unserer besten Freundin geschenkt haben, ein neues Epos aus der lukrativen Welt der Pferdehof-Abenteuer veröffentlicht hat.

Zum Glück gibt es auch für das grässliche Problem mit den multiplen Werbeziel-Persönlichkeiten eine aparte technische Lösung – das Ganze nennt sich „Cross Device Tracking“; und die vielleicht ausgebuffteste Einzeltechnologie sind die „Sound Beacons“, die offenbar von den Anwendern unbemerkt schon in einer ganzen Reihe von Apps stecken

Anfang der Woche hat sich die FTC, die Federal Trade Commission mit dem „Cross Device Tracking“ beschäftigt – man kann nur hoffen, dass die Behörde die Bedenken der Datenschützer ernst nimmt und zumindest eine Hinweispflicht (mit der Option, das geräteübergreifende Herumlauschen nicht zuzulassen…) vorschreibt…

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 18.11.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

Der Anti-Turing-Test bei Facebooks „M“

Ob es die natürliche, die menschliche Intelligenz überhaupt gibt, zumindest in hinreichendem Maße, das kann man ja zuweilen stark bezweifeln. Aber die künstliche, die Computer- oder Roboterintelligenz, die ist auf jeden Fall schwer im Kommen. Zum Beispiel in der Form der digitalen Assistenten, die jetzt überall drin stecken und mitlauschen, die Wissensfragen beantworten, Aufträge entgegennehmen oder das Wetter oder Staus vorhersagen.

Notfalls kann man mit Siri, Cortana oder Google Now auch einfach ganz zwanglos plaudern. Am liebsten natürlich über Sachen, bei denen eine künstliche Intelligenz doch eigentlich irgendwann aus der Kurve fliegen müsste. So hat das auch Arik Sosman mit Facebooks neuem Messenger-Assistenten „M“ gemacht. Im Gegensatz zum herkömmlichen Turing-Test wollte er aber nicht eine KI enttarnen, die sich als Mensch ausgibt, sondern Menschen, die als angebliche KI agieren. Das Gesprächsprotokoll bei Medium.com liest sich ganz amüsant – das Ganze ist aber, wie auch in den Kommentaren unter dem Artikel betont wird, an sich so überraschend oder skurril nun auch wieder nicht: „M“ ist noch in der Betaphase und kann nur von einer Handvoll Tester ausprobiert werden, und Facebook hatte in der entsprechenden Pressemitteilung selbst darauf hingewiesen, dass der KI-Assistent zunächst noch von Menschen aus Fleisch und Blut unterstützt wird.

Wie gut sich „M“ als fertiges Produkt schlägt, bleibt einstweilen offen. Theoretisch wäre ja eine Idee, dass alle Standard-Fragen und Aufgaben von der KI erledigt werden, und nur die extrem kniffligen an Menschen weitergegeben werden. Aber auch das würde letzlich einen immensen Personalaufwand bedeuten – kaum vorstellbar, wo Facebook doch momentan noch nicht einmal Hasspostings gesetzeskonform weggelöscht bekommt 🙂 …

Aber natürlich werden KI-Systeme auch ohne menschliche Nachhilfe immer leistungsfähiger. Gerade hat Google „TensorFlow“ als Open Source freigegeben – das dürfte dafür sorgen, dass sich noch mehr Programmierer mit den digitalen Zauberlehrlingen beschäftigen.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 11.11.2015 (Moderation: Till Haase)