Die Überschrift klang ja ganz interessant bei Medium.com: „Ein einziger Facebook-Post hat meinem Startup-Unternehmen weltweit virale Aufmerksamkeit gebracht.“ Schreibt Herbert Eng, Erfinder der Dating-App „Highblood“. Die virale Aufmerksamkeit war allerdings ein veritabler Shitstorm, auch wenn er bei seinem Lostreten, Mitte März, an mir vorübergegangen ist – trotz der durchaus zahlreichen und reputablen berichtenden Medien. Also: Konfliktscheu, pflegeleicht und politisch korrekt dürfe man nicht sein, wenn man als Firmengründer oder sonstwie öffentlich Aktiver eine maximale Resonanz erreichen wolle – da hat Eng ja so unrecht nicht; so funktionieren ja schließlich auch Boulevardzeitungen, Alt-Right-, Verschwörungstheorie- und Clickbait-Plattformen im Netz.
Und diskriminierend sind Wisch-und-Weg-Apps wie Tinder ja per se, tatsächlich werden die allermeisten Menschen auch bei ihrer Partnersuche einer gewissen Präferenz folgen, die dann auch eine Präferenz für einen bestimmten optischen und u.U. ethnischen Phänotyp beinhalten kann – so irgendwie argumentiert Herbert Eng nicht ganz zu unrecht. Was Bildung und Einkommen angeht: Das gute alte „Elitepartner“ bei uns hier in Deutschland klang ja auch immer schon reichlich schräg, da kann man je nach persönlichem Humor und Skurrilitäts-Akzeptanzrate sagen – „ok, was soll’s“, oder eben „geht gar nicht“. Also die Publicity hat Herr Eng schon mal, den Shitstorm auch – ob „Highblood“ bei seiner Zielgruppe in Singapur auch wirklich auf zahlreichen und zahlungskräftigen Zuspruch treffen wird, das schauen wir noch mal in einem Jahr nach.
Desktop-Computer sind ja mittlerweile ziemlich out – heutzutage kommt man bestens mit Tablet und Smartphone aus. Und macht darüber dann alles im Netz, was man so macht: Online-Banking, alle möglichen Accounts aufrufen, Passwörter eingeben. Da gibt es allerdings einen kleinen Haken, und der heißt „Bewegungssensor“. Der steckt in allen Mobilgeräten drin und ist sehr feinfühlig – so feinfühlig, dass er wirklich alle Bewegungen mitbekommt. Auch, wie man gerade die PIN für das Konto eingebt. Britische Forscher haben jetzt noch einmal auf ein altbekanntes Problem aufmerksam gemacht.
Böswillige Apps nämlich, die den Bewegungssensor abgreifen und übers Netz ausplaudern, gab es als „proof of concept“ oder vielleicht auch in freier Wildbahn schon länger – die muss man sich allerdings auch erst einmal gutgläubig und freiwillig installieren. Der viel heiklere Angriffsvektor, so Maryam Mehrnezhad von der Newcastle University, liegt in einem „drive-by“, einem schlichten Webseitenaufruf mit dem Mobilgerät. Dann wird nämlich auf einer „bösartigen“ Website oder bei einem „bösartigen“ Werbebanner JavaScript-Code ausgeführt, der den Bewegungssensor abfragt – im Unterschied etwa zum Geolokalisation-Tracking ohne das Einholen einer Genehmigung des Users.
Die Sensor-Abfrage ist in den W3C-Standards vorgesehen und ja auch als Feature für bestimmte Zwecke sinnvoll (Bewegungs-, Gesundheits- oder Schlaf-Tracker z.B. ) – tatsächlich haben Browser-Hersteller in Zusammenarbeit mit den Forschern auch schon nachgebessert: So wird mittlerweile die Sensordaten-Übermittlung geblockt, wenn die ursprünglich abfragende Webseite nicht mehr im Vordergrund angezeigt wird. Auch eine Reduzierung der Sensor-Samplingrate, der übermittelten Genauigkeit also, kann die Rekonstruktion von PIN- oder Passworteingaben erschweren oder unmöglich machen.
Und so merkwürdig das klingt – beim derzeitigen Stand könnte es sinnvoll sein. das Mobilgerät bei allen „heiklen“ Aktionen nicht in der Hand zu halten, sondern auf den Tisch zu legen. 🙂
P.S. – Für die sensible Plaudertasche an Bord gibt es ja auch sehr lehrreiche Anwendungen wie PhyPhox von der RWTH Aachen.
DRadioWissen – Hielscher oder Haase vom 10.04.2017 (Moderation: Till Haase)
P.S. 15.04.2017 – Mein Kollege Manfred Kloiber hat das Thema auch heute in der Sendung Computer & Kommunikation noch einmal beleuchtet und ein Interview mit der Studienautorin geführt.
Ich habe ja schon damals die Original-Aufregung um das weiß-goldene bzw. blau-schwarze Kleid (#dressgate) nicht so recht nachvollziehen können. Wahrscheinlich hatte ich aber an den entsprechenden Tagen keinen Netzreporter-Dienst, sonst hätte ich das Thema ja sicher behandelt, obwohl es nicht so recht radiophon ist 🙂 …
(Das Kleid der Herzogin von Cambridge ist eindeutig blau…)
Jetzt haben Forscher die „Farbverwirrung mit Schlafvorlieben“ erklärt, so lese ich bei meinen geschätzten Kollegen von Spiegel Online. Zuerst habe ich den Artikel auf meinem Desktop und dem angeschlossenen Samsung-Bildschirm zur Kenntnis genommen – und da sehe ich das Kleid in Hellblau (was man noch als Ergebnis eines Farbstiches mit sehr viel Fantasie in „Weiß“ uminterpretieren könnte…), und die Streifen in Gold. Aber ganz ehrlich: Ich falle da schon in die Minderheitsgruppe und sage eigentlich „hellblau-gold“.
Auf meinem iPad Pro hingegen (zur Stunde noch nicht im Schlaf- bzw. Blauanteil-herausfilter-Modus; aber das ändert ulkigerweise gar nicht viel am Ergebnis…) sieht das Kleid eindeutig blau-schwarz aus. (Blaue Grundfarbe, schwarze Streifen…) Hier mal ein Foto, aufgenommen mit meinem iPhone – und das bringt zur weiteren Erheiterung noch wieder einen gewaltigen Gelbstich (jedenfalls im oberen Teil des Bildes, wo die fossile Glühbirne an meiner Zimmerdecke hineinstrahlt…) mit ins Spiel; aber den Unterschied sieht man trotzdem noch (vermute ich mal, wobei ich natürlich nicht weiß, mit welchem Gerät Sie diesen Artikel jetzt lesen 🙂 )
Ich schätze mal, 95% der ganzen #dressgate-Diskussion, die sich ja aufgrund einer Online-Rezeption des Fotos online abgespielt hat, geht auf das Konto Bildschirm-Kalibrierung. Den Forschern im zitierten Artikel ist das Problem grundsätzlich klar:
First, our data were logged online, which is inherently problematic; we do not know what screens or screen settings our participants used when they viewed the dress stimulus originally. However, this lack of controlled viewing conditions might be less troubling than usual in this particular case for several reasons. First, we tried to account for the divergent phenomenological experience of our participants when first encountering the dress—whatever the viewing conditions. This divergence is the key issue at hand that made this phenomenon interesting; it neither relies on nor is created by particular viewing conditions. Second, the fact that it is possible to find consistent and statistically reliable responses highlights the robustness of these effects; they do not rely on carefully controlled viewing conditions unlike so many effects in vision science that do. Indeed, Chetverikov and Ivanchei (2016) show that the percept of an individual is rather stable with no statistically reliable effect of image size or device type. Third, we conceptually replicate other findings by authors who did aim to control viewing conditions, e.g., Chebichevski and Ivanchei, so we are somewhat confident that the novel findings we report are also not artifactual.
Ich bin angesichts des Erscheinungsdatums jetzt nicht so sicher, ob die aktuelle Studie mit den Lerchen und Eulen ganz erst gemeint ist – auf jeden Fall: alle Bewertungen des Fotos „online“, also aufgrund individuell kalibrierter (oder eben nicht kalibrierter…) Bildschirme (auf Desktops, Handys oder Tablets…) kann man definitiv in der Pfeife rauchen oder ins Klo spülen oder in die Tonne kloppen. 🙂 Das Foto hier ist eindeutig blau-schwarz/gold – oder haben Sie etwa Tomaten auf den Augen (oder einen anders kalibrierten Monitor) ???
Die im SPON-Artikel verlinkten Erdbeer-Fotos sind allerdings nett; klarer Fall, der Background-Farbwert (und unsere normale Farberwartung…) spielt eine entscheidende Rolle…
Vor rund zehn Tagen ging die Sache los, und für „Netzchecker“ wie meine Kollegin Martina Schulte 🙂 war sofort klar: YouTube hat ein richtiges Problem. Da war nämlich großen Werbekunden aufgefallen, dass ihre schönen Produktclips (in denen teure Klamotten, schicke Autos oder saftige Burger ans Konsumentenvolk gebracht werden sollen…) vor Videos eingeblendet werden, die von Hasspredigern, Rechtsradikalen oder Verschwörungstheoretikern stammen. Seitdem der „Guardian“ darüber berichtet und selbst gesagt hatte „wir schalten keine Anzeigen mehr bei YouTube“, ist eine Lawine ins Rollen gekommen; immer mehr Werbetreibende haben ebenfalls die Zusammenarbeit mit YouTube gestoppt.
Jetzt reagiert das Unternehmen und schraubt massiv an den Algorithmen herum, wie und wo Werbeclips eingeblendet werden. Aber das führt auch wieder zu Irritationen – bei den Content-Produzenten, sprich den „YouTubern“ nämlich. Das Ganze ist ja ein Geben und Nehmen: ohne die Videoclip-Produzenten ist YouTube nichts. Und andererseits kann man als YouTube-„Star“ ungeahnte Kohle kassieren – und auch als Nicht-Star zumindest (je nach Klickzahlen…) einen kleinen, großen, marginalen oder eben doch wichtigen Finanzierungsbaustein für sein Anliegen generieren. Da sorgte ein Post eines YouTube-Community-Betreuers doch für einiges Aufsehen:
„Wenn ihr in den nächsten Wochen Fluktuationen in euren Einnahmen seht, dann könnte das daran liegen, dass wir gerade unser Anzeigensystem feintunen.“
Bei manchen YouTubern waren die angesprochenen „Fluktuationen“ und Algorithmus-Veränderungen offenbar auch schon direkt spürbar: Es gab Beschwerden von Transgender-Aktivisten und Leuten, die Gewalt gegen Frauen thematisieren, dass ihre Videos keine Werbeeinblendung mehr bekommen, obwohl sie nicht gegen die YouTube-Guidelines verstoßen. Außerdem kursierten Gerüchte, wonach YouTube generell nichts mehr an Channels mit weniger als 25.000 Abonnenten ausschütten wolle. Falsch, so die Reaktion von YouTube, und in dem Post des Community-Betreuers heißt es:
„Wenn Du glaubst, dass dein Video zu Unrecht de-monetarisiert wurde, klicke auf das gelbe Dollar-Icon im Video-Manager.“
In dem Fall verspricht YouTube also eine manuelle Überprüfung. Auch YouTube-Chefin Susan Wojcicki ist in Berlin im Gespräch mit der Wirtschaftswoche-Chefredakteurin Miriam Meckel noch einmal auf das Problem „Werbe-Boykott“, aber auch auf die Vorwürfe z.B. aus der LBGT-Richtung eingegangen, ihre Inhalte würden nun zensiert – das sei keine Absicht gewesen. Aber eines ist klar: Bei der Gratwanderung von YouTube zwischen Werbe-Boykott und Neujustierung der Ausschüttungs-Algorithmen steht gewaltig etwas auf dem Spiel: Laut Wirtschaftswoche haben YouTube und der Google-Mutterkonzern Alphabet in der letzten Woche 26 Milliarden Dollar Börsenwert verloren – die Boykott-Diskussion dürfte da der maßgebliche Faktor gewesen sein.
Und dann war da auch noch am Mittwoch in der NYT ein höchst interessanter Bericht: Das Bankhaus JP Morgan Chase hatte – ausgelöst von der aktuellen Debatte – seine Werbestrategie einmal „testweise“ umgestellt. Bislang hatte die Bank ihre Anzeigen auf rund 400.000 Webseiten pro Monat plaziert, also nach der als „State-of-the art“ geltenden Schrotschuss-Methode. Nun hatte man die Werbeaktivitäten auf nur noch 5000 ausgesuchte Webseiten konzentriert. Und siehe da – der Effekt, also das Verhältnis Klickrate zu Kosten war gleichgeblieben. Fefe – auch er durchaus ein „Netzchecker“ 🙂 – hat das ja direkt richtig eingeordnet:
„Ooooh, das könnte ein Blutbad von biblischen Ausmaßen werden. Wenn das Schule macht, dann wird niemand mehr Werbung bei kleineren Sites oder gar Nicht-Superstar-Youtube-Kanälen machen wollen. Da könnte ein ganzes Ökosystem wegbrechen.“
DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 31.03.2017 (Moderation: Till Haase)
P.S. 07.04.2017: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ YouTube hat selbstverständlich auch niemals die Absicht gehabt, Channels mit weniger als 25.000 Abonnenten von den Werbe-Ausschüttungen auszuschließen. Sondern nur Channels mit weniger als 10.000 Views. 🙂 (Ganz ehrlich gesagt – das ist aus meiner Sicht auch o.k. so…)
Wir alle sind pausenlos unterwegs, permanent gestresst und unter Zeitdruck – eigentlich ist schon fast ein Wunder, dass wir nicht schon völlig verlottert und verhungert den Kampf mit dem Alltag verloren haben. Aber ok – immerhin können wir ja mittlerweile praktisch alles im Internet kaufen und uns sehr schnell bringen lassen. Klamotten, Klopapier oder Kaviar. Das einzige Problem – wohin soll die Lieferung gehen? Zuhause sind wir erst spät abends wieder. Zum Arbeitsplatz geht es schlecht, in der Uni gar nicht. Ab jetzt gibt’s eine neue Lösung: Zum Bahnhof, in die Bahnhofsbox.
Das Konzept ist natürlich ganz ähnlich zu den Paketboxen der Post – auch hier geht es um eine alternative Zustellmöglichkeit für alle, die tagsüber nicht zuhause sind. Die Bahnhofsbox zielt aber offenbar ganz stark auf spontane Bestellungen und Lieferungen, die wirklich in allerkürzester Zeit abgewickelt werden. Wo es also nicht um einen Tag, sondern um ein paar Stunden geht – und besonders im Fokus stehen da Lebensmittel. Beim Projektstart in Stuttgart ist Edeka der Partner – die Preise sollen weitgehend normal sein, und tatsächlich sind dann auch für Waren mit Kühlungsbedarf entsprechende Liefer- bzw. Abholboxen vorhanden – die Frischhaltekette wird garantiert.
Copyright: Deutsche Bahn AG / Stefanie Elsner
Bleiben noch ein paar Fragen, die ein Sprecher der Bahn freundlicherweise beantwortet hat:
Was ist die konkrete Motivation für die Bahn, also im Klartext: Gibt es auch eine finanzielle Kompensation ggf. in der Vertragsgestaltung mit dem Geschäftspartner Edeka?
Unser primäres Ziel ist, unseren Kunden mit der Bahnhofsbox einen neuen attraktiven Service anzubieten und damit den Aufenthalt auf den Bahnhöfen insbesondere für Pendler aufzuwerten. Diesen Service werden wir mit den Pilotprojekten in Stuttgart und Berlin testen – vorerst mit dem Partner EDEKA. Erst mit den resultierenden Erkenntnissen zur Marktakzeptanz werden wir Themen wie die Vertragsgestaltung mit Partnern für die Bahnhofsbox finalisieren.
Damit zusammenhängend – sind eigentlich irgendwelche Gebühren vorgesehen für die Szenarien, die unabhängig von der Lebensmittellieferung angedacht bzw. vorgestellt wurden – bei denen es ja noch nicht einmal zwangsläufig ein Geschäftsinteresse oder einen Umsatz geben würde (Schlüssel abholen etc.)?
Wir sind aktuell mit einer Vielzahl potenzieller Partner im Gespräch und entwickeln die jeweiligen Nutzungsmöglichkeiten. Diese sind sehr unterschiedlich. Allerdings haben die Partner in allen Fällen insbesondere deshalb ein Interesse an der Nutzung der Bahnhofsbox, da sich für den Dienstleister oder Händler dadurch einerseits eine Serviceaufwertung für den Kunden und andererseits ein optimierter weil gebündelter Lieferprozess ergibt. Insofern erfolgt die Erhebung einer angemessenen Transaktionsgebühr für die Nutzung der Bahnhofsbox in den bisherigen Gesprächen mit potenziellen Partnern im gegenseitigen Konsens.
Wäre es auch denkbar, in der Box Pakete zur Abholung durch Post und andere Paketdienste zu hinterlegen (z.B. Rücksendungen)?
Prinzipiell sind wir für alle Anwendungsfälle offen, die unseren Kunden das Leben vereinfachen. Im Rahmen der Pilotprojekte wird das Kundenverhalten und die Marktakzeptanz der Bahnhofsbox getestet – vorerst mit dem Partner EDEKA. Sind diese erfolgreich, werden weitere Bahnhofsboxen an ausgewählten Standorten in Deutschland installiert. Das Potenzial ist groß, denn das Konzept kann grundsätzlich an 5.400 Bahnhöfen in Deutschland umgesetzt werden. Auch weitere Nutzungsformen wie die Übergabe von gereinigter Wäsche, von Autoschlüsseln durch Mietwagenfirmen oder die Hinterlegung von online bestellten Paketen sind geplant.
Ganz klar – die Idee, obwohl nicht vollkommen neu, hat Potential: Naheliegenderweise eben für alle Bahnpendler, und das sind ja nicht so ganz wenige… Die Anlieferung an die Bahnhofsbox soll laut Bahn auch ökologische Vorteile bringen – nämlich überflüssige Wegstrecken bei Kunden und Lieferanten (etwa durch Fehlfahrten und Mehrfach-Zustellung…) vermeiden.
„Ich habe mich schon mal im Internet schlau gemacht“ – wer mit diesen Worten bei einem Arztbesuch in einer Praxis das Gespräch beginnt, wird wohl bei Frau oder Herrn Doktor reichlich gemischte Gefühle auslösen. Einerseits – es spricht natürlich nichts gegen mündige Patienten, die sich informieren. Andererseits – aus Netzquellen kann man sich als Laie schon eine ganze Menge zusammenreimen und fehlinterpretieren. Und viele Seiten sind schlicht Humbug und postulieren veraltete, esoterische oder – sagen wir es mal zeitgemäß – „alternative Fakten“. Jetzt haben amerikanische Wissenschaftler in einer Großaktion gesichtet, welche Gesundheits-Infoseiten im Netz „nachweisbar“ empfehlenswert sind.
Die geringe Zahl von 44 Webseiten/Webportalen im Empfehlungs-Pdf mag überraschen – aber dennoch steckt hinter dieser Auswahl ein immenser Aufwand. Die Meta-Meta-Studie beruht nämlich letztlich auf 1733 Einzelstudien – und die als „the best of the best“ herausdestillierten Selbsthilfe-Seiten umfassen ein breites Spektrum. Bei sehr akuten oder lebensbedrohlichen Szenarien wie Krebs bleibt trotz aller Web-Infos nur ein Rat – sofort zum Arzt oder in die Klinik gehen. Dass die „Halbgötter/-göttinnen in Weiß“ tatsächlich auf dem neuesten Stand der Forschung sind, ist übrigens auch noch nicht garantiert. Ein bisschen vorab informieren schadet also nicht. Aber auf den richtigen Seiten, bitte.
Automatische Gesichtserkennung – das ist ja mittlerweile quasi eine Standard-Technologie. Bei den aktuellen Smartphones ist das eingebaut; Bildbearbeitungssoftware kann das, die Software von Google oder Facebook kann das auch, um z.B. Personen auf Fotos zu „taggen“. Und grundsätzlich funktioniert das natürlich nicht nur bei Fotos, sondern auch bei einem Video, etwa dem aus Überwachungskameras. In den USA ist gerade eine Diskussion neu entflammt, wie das FBI automatische Gesichtserkennung einsetzt – und bei uns in Deutschland, in Berlin soll die Technik demnächst auch wieder einmal erprobt werden.
Was das Hearing des Überwachungsausschusses des Repräsentantenhauses angeht – da wundert man sich fast schon, warum denn das Problem den nun Bedenken äußernden Politikern nicht schon nach dem Bericht des Rechnungshofes präsent war. Eine flächendeckende Überwachung von unbescholtenen Bürgern ist natürlich nicht in Ordnung. Andererseits – wenn eine Gesichtserkennungssoftware Personen identifiziert, die den ganzen Vormittag eine Rolltreppe rauf- und runterfahren (um nämlich anderen Zeitgenossen Geldbörse und Handy aus den Taschen zu ziehen…); oder die irgendwo am Gleis einen Koffer deponieren und sich dann schnurstracks entfernen – dann habe ich da irgendwie auch nichts gegen einzuwenden.
DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 28.03.2017 (Moderation: Till Haase)
Wenn man über Computerthemen schreibt und spricht, dann geht es ja normalerweise eher darum, wie man Daten zuverlässig sichern kann – auch im (jederzeit möglichen…) Notfall, wenn eine Festplatte ausfällt oder wenn wir uns Schadsoftware eingefangen haben. Aber auch das genau entgegengesetzte Szenario ist einen Gedanken wert: Wie können wir unsere Daten im Notfall eigentlich zuverlässig zerstören?
Wenn wir also etwas sehr heikles auf unseren Systemen gespeichert haben und die Polizei klingelt gerade unten an der Haustür? Natürlich soll das jetzt kein Ratschlag für Kriminelle, Steuerhinterzieher oder Kinderpornografie-Sammler werden.
Aber für eine Firma, ein Medienunternehmen, eine Oppositionellengruppe oder vielleicht auch für Diplomaten (oder Pseudo-Diplomaten, sprich Agenten…) in einem totalitären oder „kritischen“ Land stellt sich das Problem ja tatsächlich und ganz ernsthaft – und der australische Sicherheitsforscher und Autor von populären TV-Sendungen, „Zoz“ Brooks beschäftigt sich schon seit einiger Zeit theoretisch und praktisch…
…mit dem Thema – wie also vernichte ich schnell (innerhalb von 60 Sekunden…) nicht nur eine einzelne Festplatte (ein Schwertangriff auf den eigenen Computer ist z.B. nicht sehr zielführend…), sondern ein ganzes Datencenter?
Forensiker und Datenretter können ja selbst aus ziemlich angeschlagenen Datenträgern noch allerhand herausholen, bei den zeitgemäßen SSDs gibt es zwar theoretisch den „Secure Erase“-Befehl, aber auch ganz neue Herausforderungen – und letztlich stellt das auch alle User in sicherheitskritischen Bereichen vor die schwierige Frage, wie sie eigentlich ausgemusterte Datenträger zuverlässig vernichten.
Die Vorgabe „60 Sekunden, aber keine vollständige Zerstörung von Gebäuden und anwesenden Mitarbeitern“ macht die Sache – so die Experimente von Zoz Brooks – ziemlich schwierig. Mein Vorschlag wäre ja ein Hardware-Verschlüsselungsmodul, über das alle Daten hinein und wieder hinausgehen. Ein Modul, das den Schlüssel (nach einem State-of-the Art-Verfahren…) selbst erzeugt; unzugänglich für die Administratoren. Aus Sicherheitsgründen müsste dieses Modul redundant ausgelegt sein. Und im Zweifelsfall jagt man diese Module in die Luft oder grillt, plasmastrahlt, zernagelt oder verglüht die – und auf den Datenträgern bleibt nur Datenmüll. (Hochladen in selbst schon verschlüsselter Form ist natürlich eh eine gute Idee für die Datencenter-User…)
Zwei kleine Haken: Die ermittelnden Behörden, Schurken oder Geheimdienste könnten die Daten solange ins Archiv legen, bis sie einen passenden Quantencomputer zur Entschlüsselung haben. Und sie müssen natürlich auch begreifen, dass Erzwingungshaft oder Folter in diesem (tunlichst sehr transparent dokumentierten…) Szenario keinen Sinn haben. Wobei – man kann natürlich auch für die anschauliche und physisch überzeugende „Vernichtung von Beweismitteln“ in Haft kommen oder gefoltert werden. Die in Frage kommenden Regime sehen das ja bekanntlich alles nicht so eng…
Trotz aller anderen Skurrilitäten zur Zeit in der Weltpolitik – Nordkorea ist nach wie vor nicht zu toppen. Beherrscht wird das Land in dritter Generation von einer Diktator-Familiendynastie; Machthaber Kim Jong Un räumt dabei auch widerspenstige, gefährliche oder abtrünnige Verwandte per Hinrichtung oder Mordanschlag aus dem Weg. Ökonomische Kontakte hat das Land eigentlich nur nach China und – in einer Sonderwirtschaftszone – zum Nachbarn Südkorea. Ab und zu lässt sich das Land bzw. die Führungsclique angebliche Gesprächsbereitschaft mit ein paar Tonnen Reis bezahlen.
Die Bevölkerung lebt in der Mehrzahl unter prekären Umständen und einer abgeschotteten Welt – andererseits verfügt das Land angeblich oder tatsächlich über die Fähigkeit zum atomaren Schlag. Und auch im Internet tummelt sich zumindest ein kleiner Kreis von nordkoreanischen Akteuren sehr emsig, und das mit einem sehr einleuchtenden Ziel: Laut einem Bericht der New York Times versucht Nordkorea mit einer Vielzahl von Cyberangriffen auf das internationale Bankensystem, zu Geld zu kommen – und das gleich in ganz großem Stil.
Wie immer bei Hacking-Attacken, erst recht bei solchen von staatlichen und fachlich versierten Akteuren: Die Urheberschaft lässt sich praktisch nie ganz eindeutig beweisen. Aber natürlich ist das Kohle abgreifen übers Netz (oder zumindest der Versuch…) um so naheliegender, je mehr es an praktikablen und legalen anderen Einnahmemöglichkeiten im eigenen Land fehlt und je höher das Wohlstandsgefälle zu den Opfern oder Melkkühen ist – das gilt für die Cyber-Freibeuter aus Russland und anderen „Ostblock“-Staaten genauso wie für die talentierten Web-Bankräuber aus der Truppe des Herrn mit der problematischen Frisur.
Ihr bzw. wir Qualitätsmedien; wir müssen jetzt einmal ganz stark sein: Unseren guten Ruf, unseren Markenkern und unsere Credibility – die können wir uns sonstwo reinstecken. Jedenfalls, wenn unsere Rezipienten uns per Internet, per Social Media-Timeline rezipieren. Und das machen sie ja verdammt noch mal überwiegend. Sagen alle Marktforscher, Gurus und Evangelisten. Ein paar Fernseh- und Radio-Zuhör-Mohikaner gibt’s ja auch noch, sonst bräuchten wir schließlich kein Radio mehr zu machen 🙂 …
Die aktuelle Studie vom American Press Institute, beteiligt war auch die Nachrichtenagentur AP, ist für Medien-Akteure jedenfalls ziemlich niederschmetternd: Ob eine News von AP kommt oder angeblich von der (in Wahrheit gar nicht existierenden…) Website „DailyNewsReview.com“, das ist den Menschen ziemlich schnurzpiepegal. Gar nicht egal ist ihnen hingegen, wer die News denn „geteilt“ und damit in ihre Timeline gespült hat. Wenn das eine ihnen sympathische und vertrauenswürdige Person war, dann finden sie die Message vertrauenswürdig, glaubhaft und interessant, dann „sharen“, dann verteilen sie die gern weiter. Fakenews? Egal.
Und wenn die Nachricht von einem Unsympathen kommt, dann fällt sie tendenziell durch – egal, was da als Originalquelle steht. Wobei andererseits – und das nimmt vielleicht auch wieder den Marktforschern, Gurus und Evangelisten den Wind aus den aufgeplusterten Segeln: Die Leute glauben eh nur teilweise oder gar nicht, was sie in Social Media und Medien lesen; und trotzdem verbreiten sie selbst zu 20% auch nicht geglaubte und von unsympathischen bzw. unglaubwürdigen Sharern stammende News wieder weiter.
So ein Mausklick geht halt sehr schnell und unkompliziert und ist mittlerweile eher ein Reflex als eine reflektierte Aktion. Artikel wirklich lesen oder Radiobeiträge wirklich hören tun dagegen die wenigsten. Ist grausam. Aber wahr. 🙁
DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 24.03.2017 (Moderation: Diane Hielscher)