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Google-Experten entdecken „Mutter aller Sicherheitslücken“ in Windows Defender

Wenn man prominent oder reich ist oder beides; sagen wir mal als Kanzlerin, Filmstar oder russischer Oligarch, hat das manche Annehmlichkeiten. Aber leider – es gibt dann nun mal auch jede Menge Leute da draußen, die einem etwas Böses wollen. Und dann hilft nur eines: Man braucht einen Bodyguard. Der kostet was, ist vielleicht auch irgendwie lästig, aber man kommt nicht drum herum. Ganz, ganz böse ist halt, wenn ausgerechnet dieser Bodyguard einen verrät oder vielleicht auch nur total unfähig ist; wenn er den Angreifern die Türen aufschließt und seine Waffe übergibt.

Etwas vergleichbares ist jetzt beim Betriebssystem Windows passiert: Microsofts Antivirensoftware „Defender“ bzw. die „Malware Protection Engine“ hat sich als Mutter aller Sicherheitslücken entpuppt. Wenn wir das alles mal etwas poetisch ausdrücken wollen 🙂 … Oder etwas nüchterner: Zwei sehr versierte Sicherheitsexperten von Google haben eine tatsächlich sehr böse Lücke in einer Software entdeckt, die zur Standardinstallation von Windows gehört, auf zig Millionen Rechnern installiert ist und insofern ein richtig attraktives Ziel für jeden Cyberkriminellen abgibt.

Als Windows-Anwender braucht man ja gar nicht besonders prominent oder reich zu sein, um Tag für Tag mit Phishing-Mails belästigt oder auf irgendwelche verseuchten Websites gelockt zu werden – von Gaunern aus aller Welt, die mal eben kurz versuchen, einem die Festplatten zu Erpressungszwecken zu verschlüsseln, die Bankingdaten abzufangen oder mindestens doch den PC für ihr Botnetz zu rekrutieren. (Klar, von irgendwas muss man ja leben in Staaten mit problematischem Arbeitsmarkt…) Angeblich ist die Defender-Sicherheitslücke bislang nicht durch einen Exploit ausgenutzt worden – zumindest nicht durch Akteure, die nach Bekanntwerden des Problems losgelegt haben 😉

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Microsoft hat – der äußerst kritischen Situation angemessen – sehr schnell reagiert. Es ist aber ratsam für alle Windows-Nutzer, nachzuschauen, ob das Update auch tatsächlich eingespielt wurde oder den Prozess notfalls „per Hand“ anzustoßen. Manche User berichten, bei ihnen lasse sich der Patch nicht installieren, ohne zuvor unerwünschterweise von einem älteren Betriebssystem auf Windows 10 upzugraden. Für die Anwender, die momentan eine andere Anti-Virensoftware installiert (und damit den Defender deaktiviert) haben, droht möglicherweise in dem Augenblick ein Problem, in dem sie diese deinstallieren – etwa, weil sie auf ein anderes Produkt wechseln wollen.

Der ganze Vorfall ist natürlich Wasser auf die Mühlen derjenigen, die Anti-Virensoftware ohnehin für „Snake Oil“ halten. Ihr Argument: Die zusätzlich installierte Software, die mit höchstmöglichen Systemrechten läuft – also wie der Bodyguard im richtigen Leben mit dem Generalschlüssel oder der Master-Chipkarte Zutritt zu allem hat – die bringt nur zusätzliche Risiken ins Spiel. Weil sie zum Beispiel, um den verschlüsselten Netzverkehr prüfen zu können, mal eben Sicherheitsstandards wie SSL aushebelt und „Man-in-the-Middle“ spielt – leider mit leicht abgreifbaren Sicherheitszertifikaten, sprich Bodyguard-Generalschlüsseln.

Für einen Laien ist aber die „reine Lehre“ der Experten, das Windows-System (Linux ist natürlich eh besser…) durch restriktive Einstellungen abzusichern (und selbstverständlich nicht auf lächerliche Phishing-Mails reinzufallen …), keine realistische Option. Die Gegenbeispiele und die Fälle, wo Antivirensoftware das System ruiniert, die kenne ich auch. Ich vermute nur, dass für den normalen Privatanwender der Nutzen durch Antiviren-Software das mögliche Risiko weit übertrifft. In Firmenumgebungen mag das anders aussehen. Klar, ein jederzeit aktuelles Backup oder ein Image braucht man eh – aber wer im Laien-Bekanntenkreis hat das denn? Ich kenne praktisch niemand. Ist so eine Sache mit der reinen Lehre.

Eigentlich macht ja selbst der Microsoft Defender einen guten Job. Wenn er nicht gerade die Mutter aller Sicherheitslücken aufklaffen lässt… 🙂

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 10.05.2017 (Moderation: Till Haase)

Ein Monat Faktenfinder bei der Tagesschau. Bitte unbedingt weitermachen.

Seit dem 3. April gibt es das „Faktenfinder“-Team bei der Tagesschau-Redaktion; Chefredakteur Kai Gniffke zieht einmal eine erste Bilanz. Und in der finden sich ja ein paar bemerkenswerte Sätze:

Nahezu jede Geschichte der Faktenfinder landet unter den Top Ten der am meisten aufgerufenen Inhalte auf tagesschau.de. Es erscheint fast zu banal, um wahr zu sein: Gib einem Redaktionsteam die Zeit und den Raum für gründliche Recherche, und du erntest verdammt guten Journalismus.

Ja. Stimmt.

Ist meine Rede seit wer-weiß-wie-viel-Jahren, aber als kleiner Unter-Indianer im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist meine Rede ja auch weitgehend völlig egal für die Entscheidungsträger in den Anstalten. Aber trotzdem (und trotz eventueller Zweifel an den Faktenfindern… – die Perspektive sollte da übrigens nicht nur 100%ig, sondern 300%ig neutral sein 🙂 ): Ja. Wir bekommen eine Menge Kohle über die Rundfunkgebühren den Rundfunkbeitrag, und das ist bei „den Menschen da draußen im Lande“ gar nicht so unumstritten/akzeptiert/beliebt, als dass es uns in diesem Sektor arbeitenden Leute ruhig schlafen lassen könnte. Jeder Artikel über GEZ/Rundfunkgebühren/Rundfunkbeitrag bekommt fünfzig- bis hundertmal soviel Kommentare wie ein Artikel von ÖR-Sendern. Ok – auch die ÖR-Hasser sind nicht repräsentativ 🙂 …

Aber ganz klar: Unsere Aufgabe in den öffentlich-rechtlichen Sendern ist, Qualitätsjournalismus zu liefern. Das ist unsere Agenda und Kompetenz – ich kenne auch niemanden unter den Kolleginnen und Kollegen, der oder die das fahrlässig anders machen würde oder wollte. Das Gequatsche von Verschwörungstheoretikern oder irgendwie ideologisch Angehauchten, wir würden auf Befehl von Angela Merkel, der Weisen von Zion oder Fethullah Gülen irgendwelche Nachrichten oder Kommentare lancieren oder abändern, ist totaler Bullshit.

Was vielleicht kein Bullshit ist: Wieso hauen wir Millionen raus für Sportübertragungen (und Vermögenstransfers an ohnehin nicht finanziell unterbemittelte Akteure…)? Sind Einschaltquoten bzw. die (messbare, aber fragwürdig messbare…) Popularität das richtige Kriterium für unser Engagement? Nehmen wir mal die von Kai Gniffke erwähnten Zahlen: Vier Schichten pro Tag für die Faktenfinder – wenn die Kolleginnen und Kollegen einigermaßen gut bezahlt werden, macht das 400,- x 4 x 5 Tage x 52 Wochen im Jahr: 416.000 Euro. Je nach Beschäftigungsstatus plus Sozialabgaben.

Das sind – mit Verlaub – Peanuts. Ich frage mich, warum nicht jede ARD-Anstalt ein Recherche-Team (mindestens!!!) in der Größenordnung unterhält/finanziert – eben wohlgemerkt ohne den Druck, jeden Tag einen Beitrag „liefern“ zu müssen. Wenn man die Aktivitäten ARD-weit koordinieren würde, wäre das natürlich auch noch einmal extra-hilfreich. Zwei- oder dreimal die gleiche Enthüllungs-Story oder den gleichen Faktencheck braucht natürlich niemand. Aber den fünfzigsten Bericht zu Bayern gegen Dortmund auch nicht.

Insofern mal – die Entscheidung steht jetzt schon fest sollte an sich schon jetzt feststehen:

Ende des (Wahl-) Jahres wollen wir bilanzieren, ob sich die Faktenfinder bewährt haben oder ob wir mit Kanonen auf Spatzen geschossen haben.

Die „Faktenfinder“ haben sich schon jetzt bewährt – und das ist auch eigentlich die Begründung, warum es uns privilegiert honorierte ÖR-Journalistinnen und -Journalisten gibt oder geben sollte:  „gründliche Recherche“ ohne Bullshit-Zeitdruck durch Popularitäts- oder Einschalt- /Klicksüchtige Entscheidungsträger.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ein Unter-Indianer. 🙂

App „Justice“: Selbst-Check von unbewussten Vorurteilen

Wenn es um den Einsatz neuer Technologien geht, sind die US-Amerikaner deutlich experimentierfreudiger als wir Bedenkenträger in der Alten Welt. Und während wir hier noch sehr zaghaft „Crime prediction“-Programme zur eventuellen Verhinderung von Wohnungseinbrüchen testen, ist „Künstliche Intelligenz“ in den USA schon im vollen Praxis-Einsatz. Und liefert Richtern Einschätzungen darüber, wie hoch denn etwa die Rückfallwahrscheinlichkeit eines Angeklagten ist.

Das hat dann natürlich u.U. massive Auswirkungen auf das Urteil und das Strafmaß – kurz und knapp gesagt: Ein Algorithmus entscheidet (mit…) drüber, ob jemand in den Knast wandert und für wie lange. Ein Algorithmus einer privaten Firma, dessen interne Entscheidungskriterien aber völlig intransparent sind – für Richter, Delinquenten und Strafverteidiger. Spätestens seit dem Artikel bei Propublica im letzten Jahr ist klar – die KI ist alles andere als objektiv. Sie liefert für Schwarze einen signifikant höheren Rückfall-Risikoscore als für Weiße. Suresh Venkatasubramanian, Professor an der University of Utah, macht schon seit langem auf den Skandal aufmerksam – und auf die Ursachen.

Die KI lernt nämlich ihre vermeintlich „intelligenten“ Weisheiten schlicht aufgrund der Trainingsdaten, mit der sie gefüttert wird. Und die Vorurteile, vor allem eben auch die unbewussten, die – um beim konkreten Beispiel zu bleiben – in menschlichen Urteilen, Gutachten und Prognosen stecken, kehren anschließend im trainierten Algorithmus wieder. Das reicht sogar bis in den Bereich der Semantik; bis zu den subtilen Nuancen, welche Begriffe positiv oder negativ besetzt sind, das hat vor kurzem ein Artikel im Fachblatt „Science“ gezeigt: Noch nicht einmal unsere Sprache selbst ist objektiv.

App „Justice“, University of Utah

Wer einmal Richter spielen möchte und nachprüfen will, nach welchen Kriterien man selbst urteilen und Strafen verhängen würde, kann das mit der App „Justice“ ausprobieren – die man dabei auch gleichzeitig trainiert, diese Kriterien ebenfalls zu übernehmen. Ob 50 (bzw. 45, anschließend „verurteilt“ Justice selbst…) Versuche tatsächlich ausreichen, um alle möglichen Parameter für ein „unconscious bias“ zuverlässig zu identifizieren, das bezweifle ich allerdings einmal. Auch die  recht happigen (Minimal-) Strafmaße bei vielen Delikten machen die App für europäische Anwender vielleicht etwas unrealistisch bzw. dürften die Ergebnisse verzerren.

Für einen kurzen Test und eine kurze Erkenntnis reicht das Programm aber allemal: Die KI ist so subjektiv wie wir selbst.

Deutschlandfunk Nova · Justice-App: Selbst-Check von unbewussten Vorurteilen

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 02.05.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Raider heißt jetzt Twix, DRadio Wissen heißt jetzt Deutschlandfunk Nova

Und sonst ändert sich nix.

Außer die Webseiten, Social-Media-Accounts (beides durch teilweise heroische Aufopferungs- und Eigeninitiativmaßnahmen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vor fremden Troll-Zugriffen für den Sender gesichert 🙂 …), außer die Briefbögen und Visitenkarten, die internen und externen Werbe- und Identity-Claims bzw. -Beschriftungen auf Plakaten, Türen (da sind wir noch ganz am Anfang… 🙂 ) und Digital-Radios 🙂 … Außer die neuen Audio-Jingles und Trailer, die manche Leute ganz toll und manche Leute ganz toll retro finden.

Aber insofern gebe ich den Marketing-Experten mal recht – die „Marke“ „Deutschlandfunk“ ist einfach die bekannteste und die mit dem besten Re­nom­mee (als ich noch bei der DW, der Deutschen Welle gearbeitet habe, traten da auch schon diese nutzbringenden Verwechslungen bei angefragten Interviewpartnern auf…). Insofern also: Wir haben auch bisher schon versucht, trotz aller jugendlicher Lockerheit journalistisch seriös rüberzukommen. Ab jetzt also mit dem Qualitäts-Label „Deutschlandfunk“. Raider heißt jetzt Twix.

Deutschlandfunk bleibt übrigens Deutschlandfunk. OK – neue Jingles gibt es da auch 🙂 …

Amazons „Echo Look“ gibt Stylingtipps

Es gibt ja den alten Witz, in dem die böse Königin vor das Zaubermöbel tritt und die berühmten Worte spricht: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ – „Geh mal einen Schritt zur Seite, ich kann sonst nichts sehen.“ Mittlerweile sind zuhörende und quatschende Spiegel natürlich nichts märchenhaftes mehr, sondern knallharte digitale Realität. Datenschutz-Bedenkenträgern wie mir sind ja schon die bisher auf dem Markt erhältlichen Assistenz-Abhörwanzen ein Greuel – die Kamera im neuen „Echo Look“ geht da noch einmal einen logischen Schritt weiter.

Dass das Gadget dann auch noch für den „Style Check“ im Schlaf- oder Ankleidezimmer stehen soll, macht die Sache noch aparter. Aber eines steht fest: Die Home-Assist-Systeme und die damit einhergehenden neuen Möglichkeiten der gezielten Kundenanalyse und Werbeansprache versprechen der Branche schönste Umsatzperspektiven. Bei der Vorstellung der Quartalszahlen nannte Amazon sein Sprachsystem Alexa schon ausdrücklich als signifikant positiven Faktor für das Geschäftsergebnis; dazu passt auch bestens das Update für die digitale Einflüsterin:

Ab sofort wird Alexa viel natürlicher klingen – mit einer frei gestaltbaren Sprachmelodie, mit betonten oder geflüsterten Worten. Konkurrent Google stellt sein Assist-System ab sofort für fremde Hardware-Hersteller zur Verfügung, und dass auch Apples Siri bald in einem Hardware-Device Einzug in unsere Wohnstuben halten will, gilt unter Tech-Auguren als ausgemacht. Da bahnt sich ohne jeden Zweifel ein weiterer Privacy-Paradigmenwechsel an: Wer in absehbarer Zeit nicht einen der Assistenten zu Hause rumstehen, rumlauschen oder rumglotzen hat, der hat bestimmt etwas zu verbergen.

Deutschlandfunk Nova · Amazons „Echo Look“: Alexas Schlafzimmerblick

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 28.04.2017 (Moderation: Till Haase)

Freischwebender Bullshit: Facebook will Gedanken lesen

Die Gedanken sind frei. Sich Irgendwas ausdenken, oder mal irgendwie über die Zukunft nachdenken, das wird man doch wohl noch dürfen. Oder mal die Gedanken schweifen lassen. Ganz frei, völlig losgelöst von irgendwelchen Realitäten. Alles ist erlaubt bei einem Brainstorming. Auch totaler Bullshit.

Facebook will demnächst irgendwann mal Gedanken lesen, bzw. Gedanken als Input-Channel nutzen für – ja was denn eigentlich? Für ein tastaturloses Katzenbildposting, für ein Liken des gerade vertilgten Burgers oder ein prospektives Ändern des Beziehungsstatus („im Moment bin ich gerade mit der langweiligen und bei Licht besehen doch nicht so attraktiven X – was besseres war aber gerade nicht im Angebot – liiert, denke aber, dass ich eigentlich lieber die scharfe Y als Freundin hätte…“  Oder zum Steuern von Autos??

„Würde Facebook das Projekt gelingen, könnte das Problem der Spracherkennung ausgeschaltet werden. Wenn ich dann denke, dass ich im Auto rechts abbiegen will, erkennt mein Navi das automatisch“, sagt Klaus Heblich von der SWR-Wissenschaftsredaktion.

„Solche Technologie existiert heute nicht. Wir werden sie erfinden müssen“, hat Facebook-Managerin Regina Dugan am Mittwoch auf der Facebook-Entwicklerkonferenz F8 gesagt. Stimmt. Der Warp-Antrieb existiert auch noch nicht, aber wenn sich 60 Leute beim milliardenschweren Werbe- und Selbstvergewisserungskonzern von Herrn Zuckerberg dransetzen, dann müsste das doch eigentlich auch zu schaffen sein. Dran arbeiten am neu erfinden kann man ja mal. Oder das planen, aber jetzt schon mal rausposaunen – in die dankbare Presselandschaft.

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Die greift solch futuristische Pläne ja gerne auf und diskutiert die dann auch ganz ernsthaft mit „Experten“. Wenn Facebook an sowas arbeitet, muss das ja irgendwie realistisch sein. Oder aber total spekulative Zukunftsvision, die man einfach mal als kommerzieller Akteur im Markt freischwebend daherpinseln und -schwafeln kann. Im Klartext: Bullshit, jedenfalls auf sehr lange Sicht hin. Schauen wir doch mal ganz kurz auf die Fakten: Die bisherigen Ansätze zum Abgreifen von irgendwelchen motorischen oder intellektuellen Absichten (Ja – Nein, Cursor nach rechts oder links…) sind von der Praxistauglichkeit (Elektroden im Gehirn…) oder der Geschwindigkeit äußerst bescheiden.

Natürlich ist es eine großartige Sache, wenn Leute mit Locked-In-Syndrom (oder mit anderen Behinderungen; das Paradebeispiel ist vielleicht Stephen Hawking…) einen (bislang sehr mühsamen…) Weg bekommen, sich zu artikulieren. Aber das ist auch schon das einzige relevante Szenario für die „Gedanken-Lese-Technologie“, jedenfalls für die nächsten 20, 30, 40 Jahre (mit Prognosen soll man ja vorsichtig sein, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen…). Es gibt nicht den allergeringsten Anhaltspunkt, wie ein „Abgreifen“ komplexerer Gedanken als „Ja-Nein“, „Cursor nach rechts, Cursor nach links“ oder „vorgegebene Auswahlmöglichkeit auswählen“ zuverlässig funktionieren soll.

Wie die Facebook-Evangelisten (oder die Presse oder die befragten Experten…) auf die Idee kommen, die herbeiphantasierte Technologie könne sinnvoll die (ja auch noch gar nicht zuverlässig und ansatzweise befriedigend umgesetzte…) Spracherkennung ablösen oder ersetzen, das ist mir völlig schleierhaft. Nehmen wir mal das bei Tagesschau.de erwähnte Szenario: „Ich denke jetzt mal, dass ich rechts abbiegen will. Ach nee, doch nicht, ich würde zwar eigentlich gerne, aber da ist ja ein Lastwage…“  Die Handlungsweisen, ethischen Aspekte und Haftungsfragen bei eventuell eingebundenen KI-Assistenz-Systemen sind auch noch völlig ungeklärt, um mal ein eventuelles Gegenargument gleich einzubeziehen.

Oder die anderen Beispiele:

So könnte der Gedanke an eine Tasse direkt mit dem entsprechenden Fremdwort in Spanisch oder Chinesisch umgesetzt werden, sagte die Facebook-Managerin. „Eines nicht so fernen Tages könnte es sein, dass ich auf Chinesisch denke und sie es sofort auf Spanisch fühlen.“

Hatte ich gerade gedacht – der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank; oder mit dem würde ich gern eine Tasse Tee trinken? Natürlich „gehe es nicht darum, wahllos Gedanken zu lesen“. (z.B. um dann direkt Burger- oder Porno-Werbung einzublenden…) „Nur solche Gedanken, die an das Sprachzentrum weitergeleitet würden, seien gemeint.“ Und wie soll das gehen, diese Differenzierung??? „War dieser Gedanke von dir gerade zur Weiterleitung an das Sprachzentrum gedacht? Denke bitte Ja oder Nein.“ „Meintest Du gerade Porno oder Burger, denke bitte P oder B.“ Bist Du sicher? Denke Ja oder Nein“. Ich setze mir zur Klärung dieser Feinheiten aber erst mal ein Elektroden-Mützchen auf. (Seid ihr wahnsinnig, ihr Vollhorste ???)

Fazit: Die Facebook-Ankündigung ist die größte Luftnummer, die ich in den vergangenen Jahrzehnten (ok, sagen wir mal seit Duke Nukem…) gelesen habe. Irgendwann wird so was natürlich mal kommen. Irgendwann werden wir den Gehirnerweiterungs-Chip implantiert haben. Irgendwann werden wir wirkliche von implantierten Erinnerungen nicht mehr unterscheiden können, irgendwann werden wir den Warp-Antrieb haben – oder denken, wir hätten ihn. Vielleicht steht da sogar dann „Facebook Virtual Reality“ drauf. Momentan ist das aber alles totaler Bullshit. Oder halt eine sehr völlig freischwebende Vision. Da wäre ich ja der letzte, der das verbieten wollte. Man muss das nur auch Bullshit nennen dürfen.

(Nachklapp 27.04.2017:) Wired sieht Facebooks Visionen ähnlich kritisch wie ich.

Der „Facebook-Mord“: Wie umgehen mit Gewaltvideos?

Der „mutmaßliche Mörder“, wie es so schön und offiziell heißt nach den Richtlinien des deutschen Journalismus, ist tot. Der „mutmaßliche Mörder“ hatte allerdings die Ankündigung seiner Tat, den abartigen Mord an einem Zufallsopfer – einem Großvater auf dem Rückweg vom Osteressen; ein Schwarzer übrigens genauso wie der Täter –  und anschließend das „Geständnis“ samt wirrer, narzisstischer „Erläuterungen“ dazu bei Facebook gepostet; und war daher nicht mehr so besonders mutmaßlich. Ich muss gestehen: Ich war und bin wütend, nachdem ich das Ereignis zur Kenntnis genommen habe – und den lächerlichen, erbärmlichen, feigen und verabscheuungswürdigen Gedanken des Täters:

„Mein eigenes Leben bzw. mein individuelles Wohlbefinden ist gerade so schrecklich verletzt, dass ich jetzt mal irgendeinen unbeteiligten Schwächeren killen muss.“ Dass das in den USA dadurch begünstigt wird, dass alle Leute legal oder faktisch ungehindert mit Wummen durch die Gegend laufen – geschenkt. Dass der Mörder von Cleveland im Gegensatz zu Herrn Lubitz nur einen Unschuldigen getötet hat, bevor er auf die – so denkt man unmittelbar – wesentlich bessere Idee kam, sich doch mal selbst zu töten; alleine bitte schön – geschenkt. Und hier kann man schon allmählich einmal die Wut- und Emotionsbremse ziehen:

Am besten wäre es natürlich, wenn Menschen wie Herr Lubitz und Herr Stephens nicht andere Leute und am Ende auch sich selbst killen, sondern vielleicht Hilfe suchen; wenn sie ihren eigenen Schmerz und ihre eigenen Verwundungen mit anderen besprechen. Und zwar mit konkreten Menschen, nicht mit einer amorphen, dem Verwundungs-Narzissmus Auftrieb gebenden virtuellen „Öffentlichkeit“. Dieser Gedanke ist allerdings etwas naiv heutzutage: Natürlich funktioniert das Versprechen und das Grundprinzip von Facebook und aller Sozialen Netzwerke bei einem psychisch verwundeten potentiellen Mörder oder IS-Attentäter genauso wie bei einem Katzenvideo-Poster, der auch nicht mehr alle Tassen im Schrank hat:

„Du, deine eigentlich erbärmliche und vollkommen nichtsbedeutende Existenz, deine Belanglosigkeit und Gewöhnlichkeit und deine belanglosen, feigen, erbärmlichen und perversen Taten werden irgendwie bedeutend – weil sie bei uns im Netz stehen. Und weil irgendwelche ebenso unbedeutende Leute, die Du nicht kennst und die Dich nicht kennen, deine Postings (vermeintlich…) zur Kenntnis nehmen und weiterverbreiten. Ist zwar alles nur ein Mausklick und ein großer Bedeutungs-Fake, aber immerhin. Außerdem verdienen wir dran.“

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Wer das pervers und abartig findet, hat recht. Wer findet, dass wir durch die nur einen Mausklick entfernte Zur-Kenntnis-Nahme von abartigen Gewaltdarstellungen von Irren, Mördern und (angeblich…) religiös Verzückten psychisch schwerst verletzt werden, hat recht. Wer findet, dass der Ersatz normaler zwischenmenschlicher Kommunikation durch den Social-Media und Smartphone-Umweg pervers ist, dass Trennungen per WhatsApp-Message, dass Stalking und Sexting unter 13jährigen Schülern nicht in Ordnung, sondern abartig sind, hat recht.

Und trotzdem: Das ist die Welt, in der wir leben. Die Welt, die nicht zurückzudrehen sein wird. Die Welt, in der wir den ganzen Tag auf unsere Screens glotzen, und vielleicht (noch…) die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, welchen Scheiß, welche Perversität wir uns da anschauen. Von daher – das Problem liegt wahrscheinlich wirklich nicht bei Facebook und schon gar nicht bei den armen Typen, die den jede Sekunde reinströmenden perversen Scheiß für Facebook sichten und (schätzungsweise nach einer Entscheidungs-Spanne von 5-10 Sekunden…) blocken oder freigeben müssen. Das Problem liegt bei uns selbst.

(Aber ok – vielleicht sollte Mark Zuckerberg den Scheiß-Job mit dem Scheiße-Erkennen mal selber machen – so zwischendurch, als kleine Kompensation für die Milliarden.)

Es gibt natürlich ein paar Stellschrauben, die auch anlässlich des aktuellen Falls mal wieder genannt werden: Ein Live-Streaming erst ab einer bestimmten Zahl von Abonnenten oder Followern zu erlauben, ist wahrscheinlich eine gute Idee. Aber der „Facebook-Mord“ selbst wurde ja gar nicht live gestreamt. Die ganze Sache „Gewaltdarstellung in Social Media“, die Verantwortung und die Filterungsmöglichkeiten der Betreiber sind am Ende gar keine moralische Abwägung, sondern – und hier kann man dann einmal getrost kotzen – eine wirtschaftliche. 🙁

Facebook: Wie umgehen mit Gewaltvideos? · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 18.04.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Nordkorea feiert Geburtstag

Auch wenn es nach dem Fall der Deutschen Demokratischen Republik und nach der Verweichlichung und dem Niedergang der UdSSR und ihrer Nachfolgestaaten keine andere Macht auf der Welt – außer eben Nordkorea – mehr gibt, die den guten alten Stechschritt noch wirklich mustergültig performen lassen kann –

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mit ruckartigem Herumgelatsche …

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…so sieht da natürlich etwas besser aus 🙂 …

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oder so…

 

oder so…

 

…aber auch mit „gegen-die-Panzer-Oberkante-Knallschutz-Mützchen“, die nur in der hinteren Seitwärtsperspektive…

Nordkoreanische Soldaten marschieren am Samstag zur Feier des 105. Geburtstags des Staatsgründers Kim Il-sung in Pjöngjang auf. © dpa

…ein bisschen an Cyborg-Bataillone erinnern, gewinnt man noch keine Kriege.

https://youtu.be/ZQxW_ipxEEo?t=3151

Der Ausgang des Konfliktes zwischen dem mopsigen Oberschergen aus dem Reich des Bösen und dem ebenfalls etwas aufgedunsenen und erratisch agierenden Vorkämpfer der freien westlichen Welt lässt sich aber auch mit einem möglichst rationalen Vergleich der problematischen Frisuren…

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beider beteiligten Akteure…

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nicht vollständig abschätzen.

 

P.S. Aber etwas anderes steht fest: Deutsche Autos sind nun mal die besten der Welt.

Burger King-Werbung „hackt“ Google Assistant und Wikipedia

Keine Ahnung, woran es liegt – aber momentan erleben wir gerade eine richtig epische Serie – eine Serie von PR-Desastern nämlich. Letzte Woche dieser Werbespot von Pepsi mit dem Model Kendall Jenner, der auf peinlichste Weise auf die Black-Lives-Matter-Demonstrationen anspielte und nach einem Proteststurm sofort zurückgezogen werden musste. Dann die Passagier-wird aus-Flugzeug-geschleift-Geschichte und die zunächst sehr suboptimalen Statements des United-Airlines-Chefs dazu. Und jetzt hat sich Burger King gewaltig in die Nesseln gesetzt. Wieder mal mit einer Werbung, die super-pfiffig sein wollte.

https://youtu.be/U_O54le4__I

„You are watching a 15-second Burger King ad, which is unfortunately not enough time to explain all of the fresh ingredients in the whopper sandwich. … But I got an idea.  … OK, Google: What is the Whopper Burger?”

Wer – hierzulande ja noch etwas avantgardistisch – ein Google-Home-System als Dauerlauscher und Assistant-on-Demand herumstehen hat, oder aber die Google-App auf seinem Smartphone oder Tablet per Sprachfunktion bedient, weiß Bescheid: „OK Google“ ist der Aufweckbefehl, und danach versucht die „KI“ das Kommando auszuführen oder eine gestellte Frage zu beantworten. Die präferierte Faktenbasis ist hier bei Google der Wikipedia-Eintrag. Den gibt es ja praktisch zu allem, auch zum Whopper – und listigerweise hatten die Burger-King-Werber den passend zum Launch ihres Spots ein klein wenig angepasst.

Auf per TV- oder Radio-Spot hereingeschmuggelte Sprachbefehle reagieren die meisten Home-Assistent-Besitzer aber wenig amüsiert (obwohl das Voice-Hacking ja eigentlich vielleicht auch nur den grundsätzlichen Irrsinn des dauerlauschenden Gerätes illustriert…). Und für Wikipedianer sind Artikeltrollerei und erst recht solche mit Werbe-Absicht ein rotes Tuch. Aber die ursprüngliche Werbe-Absicht funktionierte ja nur ganz kurz, danach wurde zurückgetrollt – nicht jeder liebt den Whopper. Mittlerweile hat Google dafür gesorgt, dass die Frage mit der Originalstimme aus dem Werbespot keine Aktion mehr auslöst. Wer seinen Assistant aber selbst fragt, bekommt weiter tiefschürfende Informationen über das Hackbrötchen geliefert – jetzt wieder in der geprüften und ungetrollten Wikipedia-Qualität 🙂 .

DRadio Wissen · Burger King: PR-Panne mit Wikipedia

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 13.04.2017 (Moderation: Till Haase)

Microsoft-Sicherheitslücke: Word braucht ein Update!

Das Update auf das aktuelle Major-Release von Windows 10 („Creators Update“) ist ja bekanntlich eine komplette Neuinstallation des Betriebssystems – da kann ja theoretisch auch richtig etwas schiefgehen. Ich hatte das also schon am Montag vorsichtshalber „per Hand“ gestartet, damit mir Update, Neustart des Systems und eventuelles Desaster nicht in einem unpassenden Moment – bei der Vorbereitung der Frühsendung zum Beispiel 🙂 – hineingrätscht. Hat aber alles geklappt, den „Windows.old“-Ordner habe ich auch schon gelöscht inzwischen. Am Dienstag war dann der turnusmäßige Microsoft-„Patchday“ – der neben dem „Creators Update“ auch wieder mal ein paar Sicherheitslücken stopfen sollte.

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Ganz oben auf der Dringlichkeitsliste – ein Flicken für das am Wochenende bekannt gewordene OLE-Problem bei Word. Aber heute morgen saß ich dann doch etwas verwirrt vor dem Bildschirm – war der Patch jetzt bei mir automatisch installiert worden oder nicht? Im „Updateverlauf“ war nichts zu Word oder Office zu lesen – ein Klick auf „neue Updates suchen“ brachte tatsächlich noch drei bereitstehende Flicken zutage; ob da der für Word dabei war, blieb unklar. Microsoft hat, wie „The Register“ maliziös titelt, „feige die kritischen Patches“ in ein harmlos aussehendes Paket „begraben“; „gefällig eingepackt“ könnte man das natürlich auch nennen. Wer die Sicherheits-Fixes manuell installieren will, findet das „kumulative Update“ hier.

Auch Ars technica bemängelt die ziemlich intransparente Dokumentation – und die Tatsache, dass Microsoft für zwei weitere (wenn auch nicht so brisante…) Lücken in Word „zur Zeit“ noch keine Lösung parat hat.

Microsoft-Sicherheitslücke: Word braucht ein Update! · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 12.04.2017 (Moderation: Till Haase)

(Nachklapp 27.04.2017) Microsoft hat die Sicherheitslücke offenbar erst neun Monate nach der Entdeckung gestopft – in der Zwischenzeit haben „gut informierte Kreise“ das offene Einfallstor bereits ebenso gezielt wie erfolgreich ausgenutzt.