Schlagwort-Archive: Social Media

YouTube-„Star“ Simon Unge rebelliert gegen Mediakraft

Helle Aufregung in den deutschen Twittertrends: #unge, #freiheit, #raupenarmy und Mediakraft – und bei mir flimmert erst einmal nur das Wort „Bahnhof“ über den inneren Schirm. (ok, „Freiheit“, da hat man natürlich schon mal etwas von gehört. Die wird erfahrungsgemäß sehr verschieden definiert…)

Auf jeden Fall gibt es da offenbar Ärger zwischen einem recht populären YouTuber und Twitcher, der auch letztens mal mit einem Longboard durch die Republik gerollert ist, und einem der einschlägigen Promotion-Netzwerke, die das Medienkonsumverhalten des jüngeren Teils der Bevölkerung in die richtigen Bahnen lenken. Sprich, die den Rubel ins richtige Rollen bringen, in die Taschen der Jungstars und natürlich in die eigenen. Denn irgendwie scheint es in dem Hinschmeiß-Video von Unge neben ganz vielen Gefühlen letztlich um Kohle zu gehen, wenn ich das beim kursorischen Reinscratchen richtig mitbekommen hab – komplett durchhören oder durchschauen ging beim besten Willen nicht.13 Minuten weitgehend unstrukturiert herumlabern, ohne konkret auf den Punkt zu kommen – das ist in der YouTube-Szene zwar völlig normal, aber in der Erwachsenen-Parallelwelt nur noch für Chefs möglich, oder für Politiker auf Parteitagen oder zur Lage der Nation.

Mediakraft sieht den Konflikt aus der eigenen Perspektive, darf seine Zielgruppe natürlich aber auch nicht mit völlig uncoolen und aus der Erwachsenen-Parallelwelt stammenden juristischen Keulen verschrecken – zumal man wohl auch, wie aus gut unterrichteten Kreisen zu hören ist, gerade den ganzen Laden verkaufen möchte. Die Fans hängen jedenfalls ganz eindeutig an ihren Lieblingen, nicht an derem Promoter.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 22.12.2014

P.S. 12.1.2015: Apecrime ist auch weg.

P.S. 29.1.2015 Mediakraft-Geschäftsführer Christoph Krachten ist auch weg.

Ads für Apps – der Kampf um den (Werbe-)Zugang zum Mobilgerät

Wer im Internet Geld verdienen will, hat ein Problem – immer mehr Leute gehen nicht mehr per PC, Maus und Monitor ins Netz, sondern mit Smartphone und Tablet. Und auf die kleinen Bildschirme passt nicht viel Werbung drauf – ein Banner wird als noch viel störender empfunden als auf dem 26-Zöller zuhause. Außerdem läuft ja auf den Mobilgeräten alles per App – die muss aber der geneigte potentielle Kunde erst einmal installieren. Mobile Werbung für mobile Apps lautet also das Motto der Stunde für Facebook, Google und Twitter, analysiert Techcrunch. Und Twitter kommt dann auch noch auf aparte neue Ideen für ein „optimales Nutzer-Erlebnis“ – das schmeckt allerdings nicht allen Leuten so gut wie den Werbe-Köchen selbst…

DRadio Wissen · Liveblog: Klimakonferenz in Lima.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 1.12. 2014

Social Media als Daten-Quelle für wissenschaftliche Studien heikel

Einerseits sind die Social Media für Wissenschaftler, insbesondere bei der Erforschung des menschlichen Verhaltens, eine Fundgrube und Schatzkiste – hier gibt es Daten frei Haus; mit im Vergleich zu herkömmlichen Studien oder Umfragen irrwitzig hohen „Teilnehmerzahlen“. Aber gerade das täuscht darüber hinweg, dass es bei Twitter, Facebook oder Pinterest keine repräsentativen oder normalverteilten Meinungsäußerungen gibt; sei es durch die Zusammensetzung der Plattform-Klientel bedingt, sei es durch intransparente Algorithmen-Trickserei der Betreiber. Wer die dadurch produzierte Abweichung zur Realität, den Bias-Effekt (den es natürlich auch bei Studien mit „analogen“ Versuchspersonen gibt…) nicht berücksichtigt, misst Mist – warnt ein Artikel im wissenschaftlichen Fachblatt Science.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 28.11.2014

Ist Dropbox gehackt?

Auf der einschlägig bekannten Plattform Pastebin.com hat ein oder hat eine Hacker/Hackerin Username/Password-Kombinationen von Dropbox-User(inne)n gepostet – und zwar als „Teaser“, als „Appetizer“ – die komplette Liste von angeblich insgesamt 7 Millionen Accounts soll nämlich erst herausgerückt  werden, wenn genügend User ihre „Unterstützung“ per Bitcoin-Spende dokumentiert haben – zunächst belief sich das Interesse allerdings nur auf 0,03 Euro-Cents.

Dropbox selbst sagt: „Unsere Server sind nicht gehackt worden, die eventuellen Probleme kommen von ‚Drittanbietern'“ – so ähnlich wie beim „Snappening“ vielleicht ? Wenn nämlich die API, die Authentifizierungs-Schnittstelle gehackt oder reengineert worden ist, dann hat Dropbox (wie Snapchat…) ein Riesen-Problem. Die veröffentlichten Accountdaten seien auch nicht mehr gültig oder nie gültig gewesen, sagt Dropbox – aber erstens berichten einige Reddit-User, manche Kombinationen aus Username/Passwort hätten durchaus zunächst funktioniert. Auch im Dropbox-Blog schreiben Anwender, sie hätten ihre (sogar exklusiv für Dropbox verwendeten…) Account-Daten auf den Pastebin-Listen wiedergefunden.

DRadio Wissen · Liveblog: Flüchtlinge müssen unter freiem Himmel schlafen.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 14.10.2014

 

Und auch meine eigenen „stichprobenartigen“ Recherchen zeigen: einzelne „geleakte“ Dropbox-Account-Daten waren definitiv zumindest zeitweise gültig. Und sie passen sogar in Einzelfällen für die Mailaccounts von Anwender(inne)n, die Usernamen/Passwort eben nicht nur für Dropbox benutzt haben – ein häufiger, aber nicht ratsamer Lapsus 🙁 .

Eine betroffene Anwenderin hat mir berichtet, sie habe eine Mitteilung von Dropbox erhalten, ihr Passwort sei geändert worden – und zwar von einem iPhone aus, das sie gar nicht besitzt.

Des Rätsels Lösung: auf Pastebin, wo der oder die „böse“ Hacker(in) die Passwörter gepostet hat, hat auch ein „guter“ Hacker reagiert – und zwar mit einem Script, einem kleinen Programm, das die geouteten Accounts bei Dropbox mit einem zufällig generierten neuen Passwort versehen hat – nach dem Motto: „besser die legitimen Account-Inhaber temporär aussperren (die sich ja ein neues Passwort einrichten können…), als irgendwelchen Kiddies Zugriff auf die Accounts zu gestatten…“

Die geposteten Account-Daten sind also nicht (oder definitiv nicht komplett…) gefaked, und auch nicht so irrelevant wie Dropbox behauptet – wo aber die eigentliche Sicherheitslücke besteht, das ist immer noch unklar… Aber das wird schon bald etwas klarer sein, vermute ich…

Fazit: wo immer auch die Daten herstammen, und egal, ob tatsächlich 7 Millionen Accounts betroffen sind – das Dropbox-Passwort zu ändern (und dabei auch gleich die 2-Wege-Authentifizierung zu aktivieren…) ist auf jeden Fall eine sehr gute Idee. Und Fazit 2: Ein und dieselbe Username/Passwort-Kombination (und vor allem noch die des Mailaccounts, wo ja die Infos der übrigen Accounts meist zusammenlaufen…) bei verschiedenen Web-Diensten zu verwenden, ist eine sehr schlechte Idee.

DRadio Wissen · Luftangriffe: Die Türkei, die Kurden und die PKK.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 15.10.2014

Online-Talk: Max Schrems – Europe-v-Facebook.org

Mark Zuckerberg, der Gründer und Chef von Facebook ist 27 Jahre alt und Multimilliardär – in diesen Tagen bereitet er gerade den Bösengang seines Unternehmens vor. Max Schrems, Jurastudent aus Wien, ist 24 Jahre alt und hat Facebook wegen Verstößen gegen das europäische Datenschutzrecht angezeigt – warum und wie die bisherigen Reaktionen aussahen, lässt sich auf seiner Website „Europe versus Facebook“ nachlesen. Ein Kampf David gegen Goliath, könnte man meinen – aber das Social Network nimmt die Attacke aus der österreichischen Hauptstadt ganz und gar nicht auf die leichte Schulter. Das wäre auch nicht angebracht, denn auch die EU-Kommission beobachtet das Geschäftsgebaren des US-amerikanischen Unternehmens mit äusserst kritischen Blicken. Am Montag hat Max Schrems sich mit Vertretern von Facebook in Wien getroffen, um die beiderseitigen Positionen auszuloten – am Samstag ist er zu Gast bei uns im Online-Talk.

Die Bookmarks von Max Schrems: austrianfilm.at; dict.leo.org; facebook.com; 7 Tage Ö1 (oe1.orf.at); ris.bka.gv.at (österr. Rechtsinformationssystem des Bundes); Wikipedia

Moderation: Michael Gessat und Thomas Reintjes.

DRadio Wissen – Online-Talk vom 11.2.2012

Das ganze Leben als digitale Skulptur – jetzt will Facebook wirklich alles wissen

Wer bin ich? – Diese Frage hat sich bestimmt jeder schon einmal gestellt. Jetzt gibt Facebook die Antwort. Das Netz, so sagen die Medientheoretiker, ist zunächst einmal ein Kommunikationsmittel. Und Kommunikation im weiteren Sinne ist es ja auch, Inhalte mal einfach so in den Raum zu stellen – sozusagen als unverbindliches Angebot zur allgemeinen Kenntnisnahme. „Hier bin ich, und das ist meine Welt“ lautet die Botschaft, und früher mussten dafür ein paar Katzen- und Babybilder auf der privaten Homepage ausreichen.

Die Zeiten ändern sich und auch der verfügbare Speicherplatz: Ab sofort lässt sich nun wirklich das ganze Leben dokumentieren und öffentlich sichtbar machen – bei Facebook nämlich. Ganz ohne Zweifel: Das neue Konzept des sozialen Netzwerks; der Zeitstrahl, die „Timeline“ als zentrale Achse der angesammelten persönlichen Daten; der Facebook-Account also als ultimatives Tagebuch und multimediale Instant-Autobiografie – das hat schon Charme. „Wir geben Ihnen die Möglichkeit, die Geschichte Ihres eigenen Lebens zu kuratieren“, lockt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als Chef des digitalen anthropologischen Weltmuseums. Und spricht damit auch freimütig schon gleich einen kleinen Haken an: Die User sollen nicht nur wie bisher Daten liefern, sondern diese auch noch selbst verschlagworten.

„Arbeit und Ausbildung“, „Familie und Beziehung“, „Gesundheit und Fitness“ sind ein paar der neuen, vorgegebenen Kategorien – die doch bitte jetzt ausgefüllt werden sollten: Die Ehrenrunde in der elften Klasse und der erzwungene Studienfachwechsel von der Teilchenphysik zur vergleichenden Mediensoziologie gehören hier ebenso hin wie die erste Liebe, die zweite und alle folgenden; wenn dabei etwas herausgekommen ist, bitte eintragen unter „Kind hinzufügen“. Tragische Ereignisse lassen sich bequem unter „verlor einen geliebten Menschen“ einsortieren, eine dadurch ausgelöste eigene körperliche oder seelische Fehlbefindlichkeit gehört dann aber in die Kategorie Gesundheit, Unterabteilung „überstand eine Krankheit“ – oder gleich in die Kategorie „Meilensteine und Erfahrungen“.

Noch tiefergehende Einblicke in die Lebensumstände ermöglichen die neu eingeführten „Verben“: Wer gerade liest, hört, glotzt, kocht oder rennt, der kann dies per Button mitteilen – oder dies von „intelligenten“ Apps in Webanwendungen, vom Smartphone oder von Sensoren im Joggingschuh automatisch erfassen lassen. Warum nicht auch einen Bewegungsmelder ins Ehebett montieren – die Auswertung interessiert schließlich nicht nur Voyeure, sondern auch den Versender von erotischem Spielzeug oder die neue Paartherapie-Praxis in der Nachbarschaft.

In diesen Tagen kursiert eine kleine Karikatur im Netz; zwei Schweine plaudern da miteinander: „Ist das nicht toll? Wir brauchen nichts für den Stall zu bezahlen – ja, und sogar das Futter ist umsonst.“ Darunter die Zeile: „Facebook und du. Wenn die Sache gratis ist, bist du nicht der Kunde. Du bist das Produkt, das verkauft wird.“ Die Frage „Wen soll denn der ganze private Quatsch interessieren?“– bei den Katzen- und Babybildern der Netz-Frühzeit noch berechtigt – hat Mark Zuckerberg nun hinreichend beantwortet. Es ist halt ein einfacher Deal: Die totale digitale Selbstvergewisserung des Users gegen die totale Information für Facebook bzw. für die angeschlossenen Datenverwerter.

Und wenn die Leute jetzt mitmachen und fleißig kategorisieren und taggen, und wenn die automatischen Datenquellen unermüdlich protokollieren und übermitteln, und wenn der Auswertungsalgorithmus dann ausgefeilt und ausgereift ist – dann müsste er eigentlich den Usern auch ihre Zukunft voraussagen können. Oder ihnen zumindest einen Tipp geben, was sie aufgrund der bisher erhobenen Daten jetzt eigentlich machen müssten. Schöne neue Welt – da verliert selbst der Gedanke an den bislang immer noch unvermeidlichen analogen Tod ein wenig den Schrecken; wo doch jedes Detail eines ganzen Lebens für alle Zeiten digital konserviert bleibt.

Wenn Mark Zuckerberg mal nicht der Speicherplatz ausgeht. Oder sonst irgendjemand versehentlich oder mit Absicht den Stecker aus der Cloud zieht. Dann, ja dann ist halt die ganze mühevoll kuratierte Existenz schon zu Lebzeiten im Nirwana.

(Dieser Text erschien als “Netz.Blick” in der Zeitschrift “Digital”, Ausgabe November/Dezember 2011.)