Schlagwort-Archive: Netz

Schlüsseldienst-Abzocke mit AdWords und GoogleMaps-Fakes

Wenn jemand bereit ist, für einen einzigen Userklick auf seine AdWords-Anzeige 30$ an Google abzudrücken, dann muss er erstens sehr sicher sein, dass dieser Klick höchstes Kaufinteresse signaliert. Und zweitens, er muss natürlich diese 30$ (plus „Fehlklick“-Kosten…) in seiner Gewinnkalkulation refinanzieren können.

Das geht entweder mit einem sehr hochwertigen Produkt oder einer sehr hochwertigen Dienstleistung – oder mit Abzocke.

Schlüsseldienste sind dabei anscheinend immer noch ganz oben auf der Liste der üblichen Verdächtigen, daran hat sich seit dem AAAAAAAAA-Eintrag im guten alten analogen Telefonbuch offenbar nicht viel geändert.

Neu ist aber, dass der schnelle Griff zum Smartphone den Ganoven das Handwerk noch erleichtert – und dass eine gefakete GoogleMaps-Ortsmarke viel einfacher und überzeugender ist als ein gefälschter Eintrag im Branchenverzeichnis.

Bei amerikanischen Verbrauchern ist die „Epidemie“ mit den Phantom-Notdiensten mittlerweile auf den Top-Ten-Listen der Beschwerdeanlässe, hierzulande wird aber nicht minder zeitgemäß gefaked und abgezockt.

Teurer Schlüsseldienst aus dem Netz · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 01.02.2016 (Moderation: Till Haase)

Post vom Direktor der Weltbank – Folge 3

Also bitte – meine letzte Mail an Dr. Blum Echo bzw. Echo Blum hat geholfen. Der Direktor der Weltbank aufgelaufenen Zins amerikanischen Büro hat wieder einmal sein famoses Übersetzungsprogramm angeworfen und mir auf Deutsch geantwortet – das nenne ich Kundenservice:

Attention: Michael Gessat

Ich habe Ihre Informationen erhalten, wie gefordert, Ihre aufgelaufenen Zinsen Fonds genehmigte Dokumente erfolgt durch eine heute bereit, jedoch muß gerichtet Bank mit den Zahlungsbelegen Kontakt.
in der Zwischenzeit erhalten Sie diese genehmigt Zahlungsdokumente heute mit weiteren Anweisungen wie Protokolle erfordert.

Best Regards,

Dr. Blum Echo
Director of the World Bank accrued interest American office.

Und dann, ein paar Stunden später, wurde es richtig ernst – diesmal leider wieder in Englisch:

Attention: Michael Gessat

Find attached your accrued interest payment approved documents, you have to sign and submit to the paying bank in Australia with the below contact information, bank will advise/instruct you how to observe the fee to secure your International Global Payment Access Code required by ANZ bank Australia to transfer your accrued interest, you have to also send your bank account details with the documents to the bank.

Australia and New Zealand Banking Group Limited (ANZ).
833 Collins Street Docklands, Melbourne, Australia
Tel. +61 2 8607 8633
Mobile + 61288800447
Fax: +61280155947
Bank official email address (info@anzpresence.com)
Bank Staff Name — Mr Michael Green Field

Finally, kindly update me once you have acted as instructed, remember to sign the approved documents before submitting to the bank.

Please acknowledged receipt of this message,

Best Regards,

Dr. Blum Echo
Director of the World Bank accrued interest American office.

Und hier sind sie, die Dokumente. Nr. 1:

Gessat 1

 

 

 

 

 

 

(Na ja, ein kleiner Tippfehler im offiziellen Logo kann ja mal passieren…) Auf jeden Fall habe ich den Zaster jetzt unwiderruflich und rechtmäßig sicher.

Und Nr. 2:

Gessat 2

 

 

 

 

 

 

 

Die Transaktion wird also auch quasi versichert sein, da sind Abnormalitäten wie Terrorismus und Geldwäsche abgedeckt. Aber was sehen meine Augen da unten? Eine Internationale Weltweite Transaktions Zugriffs Code GEBÜHR? Soll ich die etwa zahlen müssen? Obwohl – 1,25 Euro’s könnte ich ja mal investieren, das scheint mir fair.

Zumal Nr. 3 mich ja endgültig überzeugt:

Gessat 3

 

 

 

 

 

 

 

Ein Anti-Scam-Schutzzertifikat von Interpol wollte ich immer schon mal haben, das tacker ich mir an mein Email-Postfach.

Post vom Direktor der Weltbank – Folge 2

Ich will ganz offen sein – bei einem neuerlichen Blick auf mein Konto habe ich dann doch noch die an sich schon von mir allseitig freigegebene Mail von Dr. Echo Blum, dem Direktor der Weltbank aufgelaufenen Zins amerikanischen Büro, selbst beantwortet:

Verehrter Dr. Echo Blum,

ich habe nicht alles, was Sie in Ihrer geschätzten Email vom heutigen Tag geschrieben haben, auch wirklich bis ins Letzte verstanden – offenbar steht mir aber ein erheblicher Geldbetrag in voller Übereinstimmung mit allen gesetzlichen Regelungen zu.

Ich bitte Sie daher, mir die Penunze so schnell wie möglich zu transferieren – ich bin gerade eh etwas klamm.

Mit freundlichen Grüßen,

Michael Gessat

Leider hat Dr. Blum nun in einer mir nicht so vertrauten Sprache geantwortet:

Attention: Michael Gessat,

Your message have been received, the accrued interest amount approved in your name is $2.182 million dollars. The funds were approved through World Bank mass assisted project, perhaps, is accrued interest originated from different unsuccessful transaction. You are required to provide us with the below details for issuing of your accrued interest due payment documents, the documents shall provide you the legal right to obtain your payment anti-scam certificate required by bank to release your funds.

1, Full name, 2, Address, 3, Identification, 4, Country and Telephone number

Finally, we shall secure your approved documents which shall authorize you to obtain your Anti-Scam payment certificate; you have to keep this communication highly confidential to avoid lapses and compromised from unwanted elements and hackers.

Waiting for your sincere response

Regards,

Dr. Blum Echo
Director of the World Bank accrued interest American office.

Jetzt weiß ich wenigstens, von wieviel Sore eigentlich die Rede ist. Ob Mr. Blum nun Blum oder doch Echo heißt, das ist mir schon weniger klar. Aber egal.

Dear Mr. Blum Echo,

my English is not so good, so I am not sure whether I understand you right. It would be deeply requested if you could continue to communicate with me in German language as shown in the first message.

But anywhere: 1. My Full name is Michael Gessat. 2. My Address Am Suedpark 23. 3. My Identification I am I really. 4. And my country and telephone number is Germany +49 221 1390471.

This communication is as confidential I only can imagine – you would not believe how I hate “unwanted elements and hackers”.

Tiefe Wünsche und habe einen guten Tag,

Michael Gessat

Email vom Direktor der Weltbank

… genauer gesagt, vom „Direktor der Weltbank aufgelaufenen Zins amerikanischen Büro“; dem allseits bekannten und verehrten Dr. Echo Blum.

Spam/Scam-Mails mit aparten Geschichten und noch aparteren Resultaten automatischer Übersetzung (obwohl die doch eigentlich allmählich ganz gut funktionieren sollte…) sind ja nicht sooo außergewöhnlich; manchen geschätzten Journalisten-Kollegen gelingt sogar zuweilen, solche Mails 1:1 als Glosse honorarpflichtig im Programm unterzubekommen 🙂

Aber die heutige Zuschrift von Dr. Blum ist wirklich auch in langfristiger Perspektive mein neuer und sofortiger Favorit; ich stelle sie hiermit kostenfrei zur Verfügung und ermutige jedermann und jedefrau, bei der angegebenen Kontaktadresse bzw. Telefonnummer den angesprochenen Geldbetrag zu reklamieren – bei mir laufen eh ständig die Konten alle über, insofern trete ich da gerne zurück.

WORLD BANK GROUP UNITED STATES OF AMERICA

42, 122 E 42nd St, New York, NY 10168, United States
ACCRUED INTEREST PAYMENT UNIT
Phone +1-7169022295=  Fax +1-7162427998

E-MAIL: drechoblum1732@gmail.com

 

Achtung: Michael Gessat,

THEMA: Aufgelaufene Zinsen Zahlungsmitteilung

Wir, die Weltbank Wirtschaftsprüfer finden es notwendig, heute darüber informieren, dass ein Zahlungs Datei wurde in deinem Namen zu den (378) bonafide Gläubiger während unserer Besuchs hier in New York Amerika über die allgemeine Finanzabschlussprüfung Verschuldung / Transaktionsüberleitung für das Geschäftsjahr festgestellt, 2014/2015.

Während die Ursache der anhaltenden allgemeinen jährlichen Wirtschaftsprüfung, entdeckten wir einen Überlauf Fonds in unserer Finanzcomputerdatenbanksystem, bei dem nach viel sorgfältiger Prüfung auf den Überlauf-Fonds, einen aufgelaufenen Zinsen Summe bestätigt, wir $2,182 Million durch lange Vertrags ergab / Lotterie / ATM-Karte und Vererbung Zahlungen im Rahmen der Weltbank verbundenen Unternehmen im Laufe der Jahre, nach dem dumpf Beratung auf den Zinsfonds von der Bank Bord, schlossen wir zur Abzahlung der Zinsen Fonds an die Begünstigten.

Basierend auf diesem Sinne, sind Sie verpflichtet, Ihre vollständige Informationen zu übermitteln, wie Ihre Adresse und Telefon-Nummer und auch Ihre Zahlungsoption, wie Sie es vorziehen, Ihre Zinszahlung erhalten und ermöglichen es uns, zu verarbeiten aufgrund in Ihrem Namen auf den Betrag $2,182 Million der Eingang der oben genannten Anforderungen, werden wir Ihre aufgelaufenen Zinsen Fonds so schnell wie möglich zu bearbeiten.

Hinweis: Ihre aufgelaufenen Zinszahlung Freigabeverarbeitung ist rechtlich von Betrug Unterdrückung mit Ausgabe von Anti-Scam-Zertifikat vom Internationalen Polizei (Interpol) geschützt werden Sie Kopie des Anti-Betrug durch Interpol auf Anfrage von unserem Büro erhalten.

Nehmen Sie unsere Glückwünsche während freuen uns auf Ihre loyalen maximale Antwort zu haben,
Freundliche Grüße
Dr. Echo Blum
Direktor der Weltbank aufgelaufenen Zins amerikanischen Büro.

Alles klar, loyalen maximalen Dumpf-Antiscam-Gruß auch von hier; lieber Dr. Blum.

Koko: Kognitive Therapie per App

Eine App für das mentale Wohlbefinden, um Stress oder Depressionen zu lindern? Das klingt erst einmal nach dem berühmten Bock als Gärtner, weil der ständige Tunnelblick auf Monitor oder Smartphone-Display viele Leute ja sehr effektiv vom eigentlichen Leben oder einer guten alten Mensch-zu-Mensch-Kommunikation abhält 🙂 …

Aber Koko will ein Hilfsmittel zur (problembezogenen…) menschlichen Kommunikation sein; für eine „crowdbasierte kognitive Verhaltenstherapie“ . Die Idee, wohlmeinende Zeitgenossen im Netz anderen gute Ratschläge geben zu lassen (und dabei auch wiederum selbst mental zu profitieren…) hatte der Psychologe Rob Morris am Media Lab des MIT entwickelt, an Versuchspersonen getestet und im Rahmen seiner Dissertation veröffentlicht.

Die App bringt den Hilfesuchenden dazu, sein Problem kurz und klar darzustellen und liefert den Ratgebenden Formulierungshilfen, wie sie im Sinne der Verhaltenstherapie zu einer neuen, positiveren Sicht der Dinge beitragen können. Wie bei Tinder können App-Anwender per Fingerwisch die (Problem-)Profile durchblättern und bei Interesse reagieren, wie bei Reddit kann man hilfreiche Lösungsvorschläge an die Spitze einer Liste „hochvoten“.

Das Ganze läuft anonym ab, auf Wunsch bzw. für manche Funktionen gibt man eine Emailadresse an (möglicherweise sollte das am besten ein quasi anonymer Instant-Account und nicht der am Arbeitsplatz sein 🙂 )  – und natürlich ist die von den Anbietern hoch und heilig versprochene Anonymität auch der Knackpunkt: Zwar wird ja in der Öffentlichkeit immer feierlich postuliert, dass mentale Probleme eine ganz normale Krankheit seien und man doch bitteschön professionelle Hilfe in Anspruch nehmen soll. Wenn dann allerdings bekannt wird, dass man eine Therapie macht oder gemacht hat, dann kann man sich eine eine private Krankenversicherung oder eine Verbeamtung abschminken…

Laut Auskunft des Mit-Gründers Fraser Kelton gibt es bei Koko langfristig durchaus eine Geschäftsidee: Eventuell könne man nämlich Organisationen mit hohen Mitgliederzahlen eine maßgescheiderte App verkaufen; Kelton nennt zum Beispiel Universitäten, die ihren Studenten ein Streß- oder Krisenbewältigungstool an die Hand geben wollen. Andererseits drängt sich natürlich auch der Gedanke an große Firmen auf – die ebenfalls aus verschiedensten Gründen am Innenleben ihrer Mitarbeiter interessiert sind.

Fazit: Eine plausible Idee, ein anscheinend seriöses Team dahinter – und trotzdem bleibt das Netz-Outing auch hier eine Sache mit Restrisiko.

Kognitive Therapie per App

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 17.12.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

Online-Unikurse nutzen vor allem Studenten mit gutem sozialen Background

Bildung entscheidet über den Job und das Einkommen, Bildung bietet die Chance, aus sozial schwierigen Verhältnissen aufzusteigen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Und für wen aus irgendwelchen Gründen ein Studium an einer Uni gar nicht oder momentan nicht in Frage kommt – für den gibt es ja eine moderne Alternative, und zwar im Netz: Die sogenannten MOOCs, die „Massive Open Online Courses“ werden mittlerweile überall, auch von den renommiertesten Unis angeboten. Und zwar in fast allen Studienrichtungen; kostenlos und ohne ohne Zulassungshürden; man kann Prüfungen ablegen und Zertifikate erwerben. An sich also der perfekte Ansatz, die Bildung zu demokratisieren, die Kluft zwischen den sozialen Schichten zu schließen.

Im Fachblatt Science haben US-Forscher jetzt einmal vorgestellt, wer denn am meisten von solchen Online-Kursen profitiert – und das Ergebnis ihrer Studie ist ernüchternd, aber im Grunde nicht allzu überraschend: Die MOOC-Studenten, jedenfalls die US-amerikanischen, stammen eher aus feinen Gegenden als aus Problemvierteln – und wessen Eltern zur Uni gegangen sind, hat wesentlich bessere Chancen, einen Online-Kurs erfolgreich mit einem Zertifikat abzuschließen.

Natürlich bieten die MOOCs besonders begabten Studenten eine „Überflieger-Chance“. Aber die Masse der Lernbegierigen aus unterprivilegierten Schichten würde zusätzliche Unterstützung benötigen, um wirklich von den Kursen profitieren zu können. Das Fazit vom Autor der Studie, John D. Hansen:

Ich denke, es ist schwer vorherzusagen, ob der bessere Zugang zu Bildungstechnologie die Schere bei bestimmten Entwicklungen jetzt eher weiter oder enger werden lässt. Aber was wir zeigen konnten: Der Zugang allein scheint jedenfalls nicht zu garantieren, dass die ökonomische Kluft sich verringern oder schließen wird – da ist anscheinend auch genau das Gegenteil möglich.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 4.12.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

Anonymous gegen den IS – ein Internet-Meme als Medienhype

Vollmundige Verlautbarungen, mit welch schrecklicher Wirkung man jetzt diesen oder jenen Bösewicht (bislang waren das ja vorwiegend Banken oder Behörden 🙂 …) aus dem Netz radieren werde – die haben wir ja schon oft gehört. Von anonymen Hacker- oder Aktivistengruppen, die sich LulzSec oder eben Anonymous nennen. Und wenn so ein Grüppchen dann mal konkret aufflog, dann waren das häufig eben nur ein paar Leute, die gerade mal der Pubertät entwachsen waren und ein DDOS-Script ablaufen lassen konnten.

Das schöne und semantisch ewig witzige an Anonymous ist eben das Anonyme; und jeder kann anonym im Namen der Anonymen Erklärungen abgeben, zum Beispiel des Inhalts, dass gewisse andere Anonyme nicht die wahren Anonymen sind und man sich daher schärfstens davon distanziere  – anonym selbstverständlich.

AnonymousPressesprecher

Der anonyme Pressesprecher von Anonymous distanziert sich von anonymen Trittbettfahrern. ( Foto: Thomas Wolf, www.foto-tw.de CC BY-SA 3.0 Montage: anonym)

Die Annahme, dass es im Netz eine nennenswerte Crowd von koordiniert handelnden anonymen Aktivisten geben würde, die denn auch zu irgendwelchen spürbaren und sinnvollen Aktionen gegen einen Gegner wie den IS in der Lage wäre, ist vollkommen naiv und geht halt dem Vendetta- und Matrix-Mythos auf den Leim. Aber irgendwo will der verunsicherte Netzbürger ja seinen Like-Mausklick machen, um mit minimalem Aufwand digital Stellung zu beziehen oder einfach nur das Gefühl der Hilflosigkeit etwas abzumildern.

Und die Presse will natürlich auch immer allzu gern über irgendetwas wirklich spannendes und geheimnisvolles berichten  – da wird nur leider der ernüchternde Fakt außer acht gelassen, dass eine anonyme Netzquelle halt journalistisch praktisch wertlos ist. Wenn drei anonyme Wirtshausbesucher aus Winsen an der Luhe dem IS den Krieg erklären, dann hat das wohl kaum irgendeine Relevanz. Wenn sie aber eine Facebookseite oder einen Twitteraccount betreiben, der mit einer Guy-Fawkes-Maske garniert ist – dann plötzlich schon.

Mit Listen von angeblichen IS-Accounts, die sich dann als teilweise falsch recherchiert erweisen, mit Anschlagswarnungen über Twitter-Hashtags, die sich als Fehlalarm herausstellen – damit ist natürlich niemandem gedient. Dabei steht es ja jedem technisch versierten Hacker frei, ein paar islamistische Webseiten unter Beschuss zu nehmen – aber das Cyberkrieg-Geschwafel ist genauso kindisch wie das Geschwafel der Gegenseite. Selbstverständlich gibt es ja auch bei den Islamisten junge Männer mit Allmachtsphantasien und Computerkenntnissen, und selbstverständlich drohen auch die damit, die Welt der Ungläubigen digital auszuradieren.

Und dann gibt es auch noch die Cyberwar-„Profis“ bei den Geheimdiensten – was die ganze Sache nicht besser macht. Zuviel Herumsitzen vor Tastatur und Bildschirm geht halt immer mit einer etwas verzerrten Wahrnehmung der Realität einher.

Frage des Tages – Warum wird Anonymous den IS nicht besiegen?

Deutschlandradio Kultur – Kompressor vom 24.11.2015 (Moderation: Timo Grampes)

P.S. 3.12.2015 – Marina Strauß von der DW hat das Thema auch noch einmal ausführlich beleuchtet.

Unfreiwillig Fan vom IS? Facebook-„Gemeinschaftsseite“ sorgt für Verwirrung

In den letzten Tagen ist viel darüber diskutiert worden, ob man nicht stärker gegen Fanseiten oder Chat-Kanäle vorgehen müsste, die Werbung für den IS machen. Fakt ist, solche Seiten gibt es wie Sand am Meer – einerseits werden laufend welche gelöscht, und im Gegenzug werden laufend welche neu erstellt. Da passte dann gestern die „Entdeckung“ von Journalisten-Kollegen vom BR (und anscheinend auch noch anderer Printmedien) wie die berühmte Faust aufs Auge: Bei einer Facebook-Suche nach „ISIS“ bekamen sie als Treffer eine Seite, die „den Eindruck erweckt, vom islamischen Staat zu sein.“

Die Seite „Region des Islam“ war anscheinend von rund 24.000 Facebook-Usern „geliked“ worden, darunter offenbar auch vielen Freunden und Kollegen des Autors – dem sie auf Nachfrage aber dann versicherten, sie hätten da ganz bestimmt nicht auf das „Gefällt mir“-Knöpfchen gedrückt. Anschließend spekulierte der Kollege noch etwas über einen möglichen Facebook-Hack oder eine umbenannte oder gekaperte Seite, war dann aber im Grunde auf der richtigen Spur – in der Tat steckt hinter dem Ganzen ein simpler Facebook-Automatismus.

Die Seite war schlichtweg eine sogenannte „Gemeinschaftsseite“, die Facebook automatisch generiert, wenn es bei einer gewissen größeren Userzahl ein gemeinsames Interesse an einem bestimmten Thema feststellt – sei es für Käsekuchen oder halt für den IS. Gemeinschaftsseiten sind sozusagen Blaupausen, Blankovorlagen für eine „richtige“ Seite – als Beschreibungstext holt sich der Algorithmus einfach den passenden Wikipedia-Artikel.

Und weil ja diese Seitenerstellung auf Verdacht in vielerlei Hinsicht schiefgehen kann (wie man am aktuellen Beispiel sieht…), gibt es auf Gemeinschaftsseiten eine Editierfunktion, die jeder User nutzen kann. Zum Beispiel, um an Facebook zu melden, dass es zum Seitenthema schon eine „richtige“ Seite gibt und die automatisch erstellte also eine Dublette ist. Oder auch, um ein Problem zu melden, z.B. wenn das Seitenthema anstößig ist oder gegen die Facebook-Richtlinien verstößt.

Mit der Editierfunktion kann die Gemeinschaftsseite auch mit einer existierenden Facebook-Seite „zusammengeführt“ werden – damit hatten Spassvögel zum Beispiel einmal erreicht, dass bei einer Facebook-Suche nach „Schimpansen“ die NPD-Seite als Treffer angezeigt wurde.

Die „Region des Islam“-Seite war natürlich auch eigentlich nicht als „Fanseite“ des IS misszuverstehen – außer, wenn man eben wirklich nur ganz oberflächlich draufschaut (was allerdings heutzutage ja allgemein Usus ist 🙂 ). Mittlerweile ist das Objekt der Aufregung von Facebook gelöscht worden – wenn das Unternehmen gegenüber dem BR aber hier von einem „Bug“ gesprochen hat, dann stimmt das einfach nicht. It’s not a bug, it’s a feature. Ob die ganze Automatik-Funktion besonders glücklich konstruiert ist, ist eine andere Frage. Aber als Facebook-User hat man natürlich auch dieses Detail in den Nutzungsbedingungen mit abgenickt 🙂 …

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 20.11.2015 (Moderation: Till Haase)