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Google-Experten entdecken „Mutter aller Sicherheitslücken“ in Windows Defender

Wenn man prominent oder reich ist oder beides; sagen wir mal als Kanzlerin, Filmstar oder russischer Oligarch, hat das manche Annehmlichkeiten. Aber leider – es gibt dann nun mal auch jede Menge Leute da draußen, die einem etwas Böses wollen. Und dann hilft nur eines: Man braucht einen Bodyguard. Der kostet was, ist vielleicht auch irgendwie lästig, aber man kommt nicht drum herum. Ganz, ganz böse ist halt, wenn ausgerechnet dieser Bodyguard einen verrät oder vielleicht auch nur total unfähig ist; wenn er den Angreifern die Türen aufschließt und seine Waffe übergibt.

Etwas vergleichbares ist jetzt beim Betriebssystem Windows passiert: Microsofts Antivirensoftware „Defender“ bzw. die „Malware Protection Engine“ hat sich als Mutter aller Sicherheitslücken entpuppt. Wenn wir das alles mal etwas poetisch ausdrücken wollen 🙂 … Oder etwas nüchterner: Zwei sehr versierte Sicherheitsexperten von Google haben eine tatsächlich sehr böse Lücke in einer Software entdeckt, die zur Standardinstallation von Windows gehört, auf zig Millionen Rechnern installiert ist und insofern ein richtig attraktives Ziel für jeden Cyberkriminellen abgibt.

Als Windows-Anwender braucht man ja gar nicht besonders prominent oder reich zu sein, um Tag für Tag mit Phishing-Mails belästigt oder auf irgendwelche verseuchten Websites gelockt zu werden – von Gaunern aus aller Welt, die mal eben kurz versuchen, einem die Festplatten zu Erpressungszwecken zu verschlüsseln, die Bankingdaten abzufangen oder mindestens doch den PC für ihr Botnetz zu rekrutieren. (Klar, von irgendwas muss man ja leben in Staaten mit problematischem Arbeitsmarkt…) Angeblich ist die Defender-Sicherheitslücke bislang nicht durch einen Exploit ausgenutzt worden – zumindest nicht durch Akteure, die nach Bekanntwerden des Problems losgelegt haben 😉

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Microsoft hat – der äußerst kritischen Situation angemessen – sehr schnell reagiert. Es ist aber ratsam für alle Windows-Nutzer, nachzuschauen, ob das Update auch tatsächlich eingespielt wurde oder den Prozess notfalls „per Hand“ anzustoßen. Manche User berichten, bei ihnen lasse sich der Patch nicht installieren, ohne zuvor unerwünschterweise von einem älteren Betriebssystem auf Windows 10 upzugraden. Für die Anwender, die momentan eine andere Anti-Virensoftware installiert (und damit den Defender deaktiviert) haben, droht möglicherweise in dem Augenblick ein Problem, in dem sie diese deinstallieren – etwa, weil sie auf ein anderes Produkt wechseln wollen.

Der ganze Vorfall ist natürlich Wasser auf die Mühlen derjenigen, die Anti-Virensoftware ohnehin für „Snake Oil“ halten. Ihr Argument: Die zusätzlich installierte Software, die mit höchstmöglichen Systemrechten läuft – also wie der Bodyguard im richtigen Leben mit dem Generalschlüssel oder der Master-Chipkarte Zutritt zu allem hat – die bringt nur zusätzliche Risiken ins Spiel. Weil sie zum Beispiel, um den verschlüsselten Netzverkehr prüfen zu können, mal eben Sicherheitsstandards wie SSL aushebelt und „Man-in-the-Middle“ spielt – leider mit leicht abgreifbaren Sicherheitszertifikaten, sprich Bodyguard-Generalschlüsseln.

Für einen Laien ist aber die „reine Lehre“ der Experten, das Windows-System (Linux ist natürlich eh besser…) durch restriktive Einstellungen abzusichern (und selbstverständlich nicht auf lächerliche Phishing-Mails reinzufallen …), keine realistische Option. Die Gegenbeispiele und die Fälle, wo Antivirensoftware das System ruiniert, die kenne ich auch. Ich vermute nur, dass für den normalen Privatanwender der Nutzen durch Antiviren-Software das mögliche Risiko weit übertrifft. In Firmenumgebungen mag das anders aussehen. Klar, ein jederzeit aktuelles Backup oder ein Image braucht man eh – aber wer im Laien-Bekanntenkreis hat das denn? Ich kenne praktisch niemand. Ist so eine Sache mit der reinen Lehre.

Eigentlich macht ja selbst der Microsoft Defender einen guten Job. Wenn er nicht gerade die Mutter aller Sicherheitslücken aufklaffen lässt… 🙂

Deutschlandfunk Nova – Hielscher oder Haase vom 10.05.2017 (Moderation: Till Haase)

Freischwebender Bullshit: Facebook will Gedanken lesen

Die Gedanken sind frei. Sich Irgendwas ausdenken, oder mal irgendwie über die Zukunft nachdenken, das wird man doch wohl noch dürfen. Oder mal die Gedanken schweifen lassen. Ganz frei, völlig losgelöst von irgendwelchen Realitäten. Alles ist erlaubt bei einem Brainstorming. Auch totaler Bullshit.

Facebook will demnächst irgendwann mal Gedanken lesen, bzw. Gedanken als Input-Channel nutzen für – ja was denn eigentlich? Für ein tastaturloses Katzenbildposting, für ein Liken des gerade vertilgten Burgers oder ein prospektives Ändern des Beziehungsstatus („im Moment bin ich gerade mit der langweiligen und bei Licht besehen doch nicht so attraktiven X – was besseres war aber gerade nicht im Angebot – liiert, denke aber, dass ich eigentlich lieber die scharfe Y als Freundin hätte…“  Oder zum Steuern von Autos??

„Würde Facebook das Projekt gelingen, könnte das Problem der Spracherkennung ausgeschaltet werden. Wenn ich dann denke, dass ich im Auto rechts abbiegen will, erkennt mein Navi das automatisch“, sagt Klaus Heblich von der SWR-Wissenschaftsredaktion.

„Solche Technologie existiert heute nicht. Wir werden sie erfinden müssen“, hat Facebook-Managerin Regina Dugan am Mittwoch auf der Facebook-Entwicklerkonferenz F8 gesagt. Stimmt. Der Warp-Antrieb existiert auch noch nicht, aber wenn sich 60 Leute beim milliardenschweren Werbe- und Selbstvergewisserungskonzern von Herrn Zuckerberg dransetzen, dann müsste das doch eigentlich auch zu schaffen sein. Dran arbeiten am neu erfinden kann man ja mal. Oder das planen, aber jetzt schon mal rausposaunen – in die dankbare Presselandschaft.

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Die greift solch futuristische Pläne ja gerne auf und diskutiert die dann auch ganz ernsthaft mit „Experten“. Wenn Facebook an sowas arbeitet, muss das ja irgendwie realistisch sein. Oder aber total spekulative Zukunftsvision, die man einfach mal als kommerzieller Akteur im Markt freischwebend daherpinseln und -schwafeln kann. Im Klartext: Bullshit, jedenfalls auf sehr lange Sicht hin. Schauen wir doch mal ganz kurz auf die Fakten: Die bisherigen Ansätze zum Abgreifen von irgendwelchen motorischen oder intellektuellen Absichten (Ja – Nein, Cursor nach rechts oder links…) sind von der Praxistauglichkeit (Elektroden im Gehirn…) oder der Geschwindigkeit äußerst bescheiden.

Natürlich ist es eine großartige Sache, wenn Leute mit Locked-In-Syndrom (oder mit anderen Behinderungen; das Paradebeispiel ist vielleicht Stephen Hawking…) einen (bislang sehr mühsamen…) Weg bekommen, sich zu artikulieren. Aber das ist auch schon das einzige relevante Szenario für die „Gedanken-Lese-Technologie“, jedenfalls für die nächsten 20, 30, 40 Jahre (mit Prognosen soll man ja vorsichtig sein, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen…). Es gibt nicht den allergeringsten Anhaltspunkt, wie ein „Abgreifen“ komplexerer Gedanken als „Ja-Nein“, „Cursor nach rechts, Cursor nach links“ oder „vorgegebene Auswahlmöglichkeit auswählen“ zuverlässig funktionieren soll.

Wie die Facebook-Evangelisten (oder die Presse oder die befragten Experten…) auf die Idee kommen, die herbeiphantasierte Technologie könne sinnvoll die (ja auch noch gar nicht zuverlässig und ansatzweise befriedigend umgesetzte…) Spracherkennung ablösen oder ersetzen, das ist mir völlig schleierhaft. Nehmen wir mal das bei Tagesschau.de erwähnte Szenario: „Ich denke jetzt mal, dass ich rechts abbiegen will. Ach nee, doch nicht, ich würde zwar eigentlich gerne, aber da ist ja ein Lastwage…“  Die Handlungsweisen, ethischen Aspekte und Haftungsfragen bei eventuell eingebundenen KI-Assistenz-Systemen sind auch noch völlig ungeklärt, um mal ein eventuelles Gegenargument gleich einzubeziehen.

Oder die anderen Beispiele:

So könnte der Gedanke an eine Tasse direkt mit dem entsprechenden Fremdwort in Spanisch oder Chinesisch umgesetzt werden, sagte die Facebook-Managerin. „Eines nicht so fernen Tages könnte es sein, dass ich auf Chinesisch denke und sie es sofort auf Spanisch fühlen.“

Hatte ich gerade gedacht – der hat nicht mehr alle Tassen im Schrank; oder mit dem würde ich gern eine Tasse Tee trinken? Natürlich „gehe es nicht darum, wahllos Gedanken zu lesen“. (z.B. um dann direkt Burger- oder Porno-Werbung einzublenden…) „Nur solche Gedanken, die an das Sprachzentrum weitergeleitet würden, seien gemeint.“ Und wie soll das gehen, diese Differenzierung??? „War dieser Gedanke von dir gerade zur Weiterleitung an das Sprachzentrum gedacht? Denke bitte Ja oder Nein.“ „Meintest Du gerade Porno oder Burger, denke bitte P oder B.“ Bist Du sicher? Denke Ja oder Nein“. Ich setze mir zur Klärung dieser Feinheiten aber erst mal ein Elektroden-Mützchen auf. (Seid ihr wahnsinnig, ihr Vollhorste ???)

Fazit: Die Facebook-Ankündigung ist die größte Luftnummer, die ich in den vergangenen Jahrzehnten (ok, sagen wir mal seit Duke Nukem…) gelesen habe. Irgendwann wird so was natürlich mal kommen. Irgendwann werden wir den Gehirnerweiterungs-Chip implantiert haben. Irgendwann werden wir wirkliche von implantierten Erinnerungen nicht mehr unterscheiden können, irgendwann werden wir den Warp-Antrieb haben – oder denken, wir hätten ihn. Vielleicht steht da sogar dann „Facebook Virtual Reality“ drauf. Momentan ist das aber alles totaler Bullshit. Oder halt eine sehr völlig freischwebende Vision. Da wäre ich ja der letzte, der das verbieten wollte. Man muss das nur auch Bullshit nennen dürfen.

(Nachklapp 27.04.2017:) Wired sieht Facebooks Visionen ähnlich kritisch wie ich.

Microsoft-Sicherheitslücke: Word braucht ein Update!

Das Update auf das aktuelle Major-Release von Windows 10 („Creators Update“) ist ja bekanntlich eine komplette Neuinstallation des Betriebssystems – da kann ja theoretisch auch richtig etwas schiefgehen. Ich hatte das also schon am Montag vorsichtshalber „per Hand“ gestartet, damit mir Update, Neustart des Systems und eventuelles Desaster nicht in einem unpassenden Moment – bei der Vorbereitung der Frühsendung zum Beispiel 🙂 – hineingrätscht. Hat aber alles geklappt, den „Windows.old“-Ordner habe ich auch schon gelöscht inzwischen. Am Dienstag war dann der turnusmäßige Microsoft-„Patchday“ – der neben dem „Creators Update“ auch wieder mal ein paar Sicherheitslücken stopfen sollte.

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Ganz oben auf der Dringlichkeitsliste – ein Flicken für das am Wochenende bekannt gewordene OLE-Problem bei Word. Aber heute morgen saß ich dann doch etwas verwirrt vor dem Bildschirm – war der Patch jetzt bei mir automatisch installiert worden oder nicht? Im „Updateverlauf“ war nichts zu Word oder Office zu lesen – ein Klick auf „neue Updates suchen“ brachte tatsächlich noch drei bereitstehende Flicken zutage; ob da der für Word dabei war, blieb unklar. Microsoft hat, wie „The Register“ maliziös titelt, „feige die kritischen Patches“ in ein harmlos aussehendes Paket „begraben“; „gefällig eingepackt“ könnte man das natürlich auch nennen. Wer die Sicherheits-Fixes manuell installieren will, findet das „kumulative Update“ hier.

Auch Ars technica bemängelt die ziemlich intransparente Dokumentation – und die Tatsache, dass Microsoft für zwei weitere (wenn auch nicht so brisante…) Lücken in Word „zur Zeit“ noch keine Lösung parat hat.

Microsoft-Sicherheitslücke: Word braucht ein Update! · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 12.04.2017 (Moderation: Till Haase)

(Nachklapp 27.04.2017) Microsoft hat die Sicherheitslücke offenbar erst neun Monate nach der Entdeckung gestopft – in der Zwischenzeit haben „gut informierte Kreise“ das offene Einfallstor bereits ebenso gezielt wie erfolgreich ausgenutzt.

Heikle Notoperation: YouTube schraubt am Algorithmus

Vor rund zehn Tagen ging die Sache los, und für „Netzchecker“ wie meine Kollegin Martina Schulte 🙂 war sofort klar: YouTube hat ein richtiges Problem. Da war nämlich großen Werbekunden aufgefallen, dass ihre schönen Produktclips (in denen teure Klamotten, schicke Autos oder saftige Burger ans Konsumentenvolk gebracht werden sollen…) vor Videos eingeblendet werden, die von Hasspredigern, Rechtsradikalen oder Verschwörungstheoretikern stammen. Seitdem der „Guardian“ darüber berichtet und selbst gesagt hatte „wir schalten keine Anzeigen mehr bei YouTube“, ist eine Lawine ins Rollen gekommen; immer mehr Werbetreibende haben ebenfalls die Zusammenarbeit mit YouTube gestoppt.

Jetzt reagiert das Unternehmen und schraubt massiv an den Algorithmen herum, wie und wo Werbeclips eingeblendet werden. Aber das führt auch wieder zu Irritationen – bei den Content-Produzenten, sprich den „YouTubern“ nämlich. Das Ganze ist ja ein Geben und Nehmen: ohne die Videoclip-Produzenten ist YouTube nichts. Und andererseits kann man als YouTube-„Star“ ungeahnte Kohle kassieren – und auch als Nicht-Star zumindest (je nach Klickzahlen…) einen kleinen, großen, marginalen oder eben doch wichtigen Finanzierungsbaustein für sein Anliegen generieren. Da sorgte ein Post eines YouTube-Community-Betreuers doch für einiges Aufsehen:

„Wenn ihr in den nächsten Wochen Fluktuationen in euren Einnahmen seht, dann könnte das daran liegen, dass wir gerade unser Anzeigensystem feintunen.“

Bei manchen YouTubern waren die angesprochenen „Fluktuationen“ und Algorithmus-Veränderungen offenbar auch schon direkt spürbar: Es gab Beschwerden von Transgender-Aktivisten und Leuten, die Gewalt gegen Frauen thematisieren, dass ihre Videos keine Werbeeinblendung mehr bekommen, obwohl sie nicht gegen die YouTube-Guidelines verstoßen. Außerdem kursierten Gerüchte, wonach YouTube generell nichts mehr an Channels mit weniger als 25.000 Abonnenten ausschütten wolle. Falsch, so die Reaktion von  YouTube, und in dem Post des Community-Betreuers heißt es:

„Wenn Du glaubst, dass dein Video zu Unrecht de-monetarisiert wurde, klicke auf das gelbe Dollar-Icon im Video-Manager.“

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In dem Fall verspricht YouTube also eine manuelle Überprüfung. Auch YouTube-Chefin Susan Wojcicki ist in Berlin im Gespräch mit der Wirtschaftswoche-Chefredakteurin Miriam Meckel noch einmal auf das Problem „Werbe-Boykott“, aber auch auf die Vorwürfe z.B. aus der LBGT-Richtung eingegangen, ihre Inhalte würden nun zensiert – das sei keine Absicht gewesen. Aber eines ist klar: Bei der Gratwanderung von YouTube zwischen Werbe-Boykott und Neujustierung der Ausschüttungs-Algorithmen steht gewaltig etwas auf dem Spiel: Laut Wirtschaftswoche haben YouTube und der Google-Mutterkonzern Alphabet in der letzten Woche 26 Milliarden Dollar Börsenwert verloren – die Boykott-Diskussion dürfte da der maßgebliche Faktor gewesen sein.

Und dann war da auch noch am Mittwoch in der NYT ein höchst interessanter Bericht: Das Bankhaus JP Morgan Chase hatte – ausgelöst von der aktuellen Debatte – seine Werbestrategie einmal „testweise“ umgestellt. Bislang hatte die Bank ihre Anzeigen auf rund 400.000 Webseiten pro Monat plaziert, also nach der als „State-of-the art“ geltenden Schrotschuss-Methode. Nun hatte man die Werbeaktivitäten auf nur noch 5000 ausgesuchte Webseiten konzentriert. Und siehe da – der Effekt, also das Verhältnis Klickrate zu Kosten war gleichgeblieben. Fefe – auch er durchaus ein „Netzchecker“ 🙂  – hat das ja direkt richtig eingeordnet:

„Ooooh, das könnte ein Blutbad von biblischen Ausmaßen werden. Wenn das Schule macht, dann wird niemand mehr Werbung bei kleineren Sites oder gar Nicht-Superstar-Youtube-Kanälen machen wollen. Da könnte ein ganzes Ökosystem wegbrechen.“

Youtube: Schwierige Reaktion auf Werbung neben Hasspredigern · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 31.03.2017 (Moderation: Till Haase)

P.S. 07.04.2017: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ YouTube hat selbstverständlich auch niemals die Absicht gehabt, Channels mit weniger als 25.000 Abonnenten von den Werbe-Ausschüttungen auszuschließen. Sondern nur Channels mit weniger als 10.000 Views. 🙂 (Ganz ehrlich gesagt – das ist aus meiner Sicht auch o.k. so…)

Alles extrem schwierig halt, die Sache mit der Online-Werbung 🙂

Automatische Gesichtserkennung beim FBI und bei der Deutschen Bahn

Automatische Gesichtserkennung – das ist ja mittlerweile quasi eine Standard-Technologie. Bei den aktuellen Smartphones ist das eingebaut; Bildbearbeitungssoftware kann das, die Software von Google oder Facebook kann das auch, um z.B. Personen auf Fotos zu „taggen“. Und grundsätzlich funktioniert das natürlich nicht nur bei Fotos, sondern auch bei einem Video, etwa dem aus Überwachungskameras. In den USA ist gerade eine Diskussion neu entflammt, wie das FBI automatische Gesichtserkennung einsetzt – und bei uns in Deutschland, in Berlin soll die Technik demnächst auch wieder einmal erprobt werden.

Was das Hearing des Überwachungsausschusses des Repräsentantenhauses angeht – da wundert man sich fast schon, warum denn das Problem den nun Bedenken äußernden Politikern nicht schon nach dem Bericht des Rechnungshofes präsent war. Eine flächendeckende Überwachung von unbescholtenen Bürgern ist natürlich nicht in Ordnung. Andererseits – wenn eine Gesichtserkennungssoftware Personen identifiziert, die den ganzen Vormittag eine Rolltreppe rauf- und runterfahren (um nämlich anderen Zeitgenossen Geldbörse und Handy aus den Taschen zu ziehen…); oder die irgendwo am Gleis einen Koffer deponieren und sich dann schnurstracks entfernen – dann habe ich da irgendwie auch nichts gegen einzuwenden.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 28.03.2017 (Moderation: Till Haase)

Wie zerstört man ein Datencenter in 60 Sekunden?

Wenn man über Computerthemen schreibt und spricht, dann geht es ja normalerweise eher darum, wie man Daten zuverlässig sichern kann – auch im (jederzeit möglichen…) Notfall, wenn eine Festplatte ausfällt oder wenn wir uns Schadsoftware eingefangen haben. Aber auch das genau entgegengesetzte Szenario ist einen Gedanken wert: Wie können wir unsere Daten im Notfall eigentlich zuverlässig zerstören?

Wenn wir also etwas sehr heikles auf unseren Systemen gespeichert haben und die Polizei klingelt gerade unten an der Haustür? Natürlich soll das jetzt kein Ratschlag für Kriminelle, Steuerhinterzieher oder Kinderpornografie-Sammler werden.

Aber für eine Firma, ein Medienunternehmen, eine Oppositionellengruppe oder vielleicht auch für Diplomaten (oder Pseudo-Diplomaten, sprich Agenten…) in einem totalitären oder „kritischen“ Land stellt sich das Problem ja tatsächlich und ganz ernsthaft – und der australische Sicherheitsforscher und Autor von populären TV-Sendungen, „Zoz“ Brooks beschäftigt sich schon seit einiger Zeit theoretisch und praktisch…

…mit dem Thema – wie also vernichte ich schnell (innerhalb von 60 Sekunden…) nicht nur eine einzelne Festplatte (ein Schwertangriff auf den eigenen Computer ist z.B. nicht sehr zielführend…), sondern ein ganzes Datencenter?

Forensiker und Datenretter können ja selbst aus ziemlich angeschlagenen Datenträgern noch allerhand herausholen, bei den zeitgemäßen SSDs gibt es zwar theoretisch den „Secure Erase“-Befehl, aber auch ganz neue Herausforderungen – und letztlich stellt das auch alle User in sicherheitskritischen Bereichen vor die schwierige Frage, wie sie eigentlich ausgemusterte Datenträger zuverlässig vernichten.

Die Vorgabe „60 Sekunden, aber keine vollständige Zerstörung von Gebäuden und anwesenden Mitarbeitern“ macht die Sache – so die Experimente von Zoz Brooks – ziemlich schwierig. Mein Vorschlag wäre ja ein Hardware-Verschlüsselungsmodul, über das alle Daten hinein und wieder hinausgehen. Ein Modul, das den Schlüssel (nach einem State-of-the Art-Verfahren…) selbst erzeugt; unzugänglich für die Administratoren. Aus Sicherheitsgründen müsste dieses Modul redundant ausgelegt sein. Und im Zweifelsfall jagt man diese Module in die Luft oder grillt, plasmastrahlt, zernagelt oder verglüht die – und auf den Datenträgern bleibt nur Datenmüll. (Hochladen in selbst schon verschlüsselter Form ist natürlich eh eine gute Idee für die Datencenter-User…)

Zwei kleine Haken: Die ermittelnden Behörden, Schurken oder Geheimdienste könnten die Daten solange ins Archiv legen, bis sie einen passenden Quantencomputer zur Entschlüsselung haben. Und sie müssen natürlich auch begreifen, dass Erzwingungshaft oder Folter in diesem (tunlichst sehr transparent dokumentierten…) Szenario keinen Sinn haben. Wobei – man kann natürlich auch für die anschauliche und physisch überzeugende „Vernichtung von Beweismitteln“ in Haft kommen oder gefoltert werden. Die in Frage kommenden Regime sehen das ja bekanntlich alles nicht so eng…

DRadio Wissen · Datenschutz: So werden Daten zuverlässig zerstört

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 28.03.2017 (Moderation: Till Haase)

Navi-Benutzung schaltet unser Gehirn ab – oder doch nicht?

In den Presse-Vorankündigungen hatte das auch erst einmal meine Aufmerksamkeit erregt: „Satnavs ’switch off‘ parts of the brain“ – so lautete die Schlagzeile bei Eurekalert. Und die Anführungszeichen, das wissen wir spätestens seit den Abhör-Vorwürfen von Donald Trump, die sind sehr wichtig 🙂 …Beim Blick auf das Abstract fand ich die Geschichte ganz nett, aber letztlich nicht so überraschend, als dass ich sie am nächsten Morgen thematisiert hätte. Insgesamt war die Presseresonanz aber ganz ausgezeichnet – und zwar, so kritisiert Dean Burnett vom Guardian, weil die Titelzeile schon reichlich „aufgesext“ und letztlich irreführend war.

This map shows the ‚degree centrality‘ of all the streets in central London. This reflects how many other streets are connected to each street, with blue representing simple streets with few connecting streets and red representing complex streets with many connecting streets. Credit: Joao Pinelo Silva

Zwar hatten die Forscher vom University College London explizit darauf hingewiesen, dass sich aus ihrem Navigations-Experiment im fMRI-„Hirnscanner“ keine Aussagen über irgendwelche Langzeitfolgen ableiten lassen würden – die Presse brachte dann aber doch „intuitiv“ naheliegende, aber falsche „Schlussfolgerungen“ wie: „Warum sich die Millenium-Generation immer verläuft“ oder „Navis lassen uns verdummen“ oder „Fahrer mit Navis erinnern sich nicht mehr an Straßen“. Aber wie Dean Burnett ja sehr schön als Beispiel anführt: Wenn ich keinen erhöhten Puls habe, bedeutet das noch nicht, dass mein Herz zu schlagen aufgehört hat oder „abgeschaltet“ ist – das Ausbleiben einer erhöhten Aktivität (und die ohnehin bekannten „Unschärfen“ bei allen Kernspintomograph-Hirnuntersuchungen haben wir da auch noch im Hinterkopf…) bedeutet nicht das „aktiv negative“ „Abschalten“ einer Funktion.

Ein vermeintlich sehr subtiler Unterschied, aber in Wahrheit ein eminent wichtiger.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 24.03.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Sperma-Check mit dem Smartphone

Sprechen wir einmal über eine gar nicht so seltene Sache: Da ist ein Paar, die beiden wollen ein Kind bekommen. Sex haben sie auch regelmäßig und zum „eigentlich passenden“ Zeitpunkt – aber es klappt einfach nicht. Da kann die Psyche eine Rolle spielen; aber natürlich können auch ganz handfeste körperliche Gründe eine Schwangerschaft erschweren oder unmöglich machen. Im schlimmsten Fall lautet das Stichwort „Unfruchtbarkeit“ – entweder bei der Frau oder beim Mann. Wobei man da in manchen Konstellationen durchaus noch etwas machen kann…

Beim Mann ist ein wichtiger Faktor: Wie ist es denn eigentlich um seine Spermienqualität bestellt? Um das zu überprüfen, ist bislang meist ein Arzt- oder Krankenhausbesuch fällig; und der ist für viele mit einem gewissen Peinlichkeitsfaktor verbunden. Jetzt haben amerikanische Wissenschaftler einen Test für zuhause entwickelt. Der Test – von den Forschern, was die „Hardware“ betrifft, erst einmal als Prototyp im 3D-Druck-Verfahren erstellt – ist für die Anwender diskret, einfach und (voraussichtlich auch in der bald zu erwartenden Produktion…) billig. Die Diagnose ist aber offenbar so zuverlässig wie bei bislang bekannten Methoden.   

Wie bei anderen Selbst-Test-Kits auch: Eine Untersuchung und (hoffentlich…) fachlich abgesicherte Untersuchung bei einem Arzt oder in einer Klinik liefert noch weitergehende Aspekte oder Interpretationen. Aber der Smartphone-Sperma-Test ist mindestens besser als die Option, aus Scham oder Trägheit gar nichts zu unternehmen, wenn es mit dem Kinderwunsch nicht klappt. Übrigens (wie auch die Autoren anmerken..) – das Ganze macht natürlich auch anders herum Sinn: Der Test eignet sich auch dazu, die Wirksamkeit einer Sterilisation beim Mann zu überprüfen 🙂

Selbsttest: App zur Spermien-Analyse · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 23.03.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

P.S. Auch beim Wissensgespräch haben wir das Thema heute noch einmal behandelt.

Künstliche Intelligenz „Libratus“ schlägt Pokerprofis

Poker: Das ist doch Zockerei, ein Glücksspiel. Von wegen – das denken nur Leute, die keine Ahnung haben. Oder die eine politische oder „moralische“ Agenda verfolgen, denn kurioserweise hat die Einstufung ja gravierende Konsequenzen: Auf der einen Seite sagen Rechtspolitiker oder Juristen: „Glücksspiel; also ist das nach den und den Gesetzen verboten“. Dann wären allerdings konsequenterweise auch erzielte Gewinne steuerfrei. Oder anders herum, wenn der Staat Kohle sehen will, dann sind Gewinne aus Pokerturnieren plötzlich doch wieder steuerpflichtig – dann ist Poker also ein Geschicklichkeitsspiel oder ein Denksport.

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Und da kann man nur sagen – das letztere stimmt. Natürlich gibt es beim Poker eine Zufallskomponente, die gemischten und verteilten Karten. Aber über eine große Anzahl von Spielen, von gespielten Händen, wie man sagt – da ist das Können der Spieler entscheidend, da setzt sich der Meister gegen den Patzer, den „Fisch“ durch – und zwar todsicher, mit einer kalkulierbaren Marge. Genau das war also auch der Grund, warum das „Brain versus AI Poker tournament“ im Rivers Casino in Pittsburgh über 20 Tage und 120.000 gespielte Hände ging – um das Kartenglück zu neutralisieren und am Ende einen klaren Sieger zu haben, möglichst mit eindeutiger statistischer Signifikanz.

Ein weiterer Anti-Glückseffekt-Korrekturfaktor: Dong Kim, Jimmy Chou, Daniel McAulay und Jason Les traten ja „Heads up“, also jeder für sich allein gegen die „Künstliche Intelligenz“ Libratus an – und da bekamen jeweils zwei Menschen genau die Karten gegen den Computer, die der Computer gegen die beiden anderen Menschen spielen musste. Am Ende war das Resultat völlig klaralle Profis waren geschlagen; die Überlegenheit war nicht nur statistisch signifikant, sondern überwältigend – eindeutig eine „super human performance“, wie es Programmierer Tuomas Sandholm ausdrückt.

The Brains vs Artificial Intelligence competition at the Rivers Casino in Pittsburgh. Photograph: Carnegie Mellon University

Fast schon überraschenderweise nutzt Libratus keine neuronalen Netze – Sandholm missfällt nämlich, dass es beim „Deep Learning“ keine Garantien für die Güte einer Problemlösung gibt, keine Garantien dafür, dass bei einer leichten Modifikation des Problems (hier also der Spielweise der Poker-Gegner…) immer noch ein gutes Ergebnis erzielt wird, keine Garantien dafür, dass nicht irgendwo in der „Black Box“ der neuronalen KI der Faktor Zufall sein Unwesen treibt. Die verbesserten Algorithmen, die in Libratus zum Einsatz kommen, konvergieren hingegen mathematisch nachweisbar zum spieltheoretischen Optimum, dem Nash-Equilibrium; und das sogar mit einem klar benennbaren Gütefaktor.

Das ist zumindest ein bemerkenswerter Ansatz – für Sandholm ist nämlich Poker und Libratus nur ein „proof of concept“, ein „Showcase“. Und auch in der „realen Welt“ lassen sich viele vermeintlich komplexere Konstellationen auf die „Heads up“-Pokersituation „Spiel mit zwei nicht-kooperativen Gegnern und nicht vollständiger Information“ eindampfen:

A lot of real world situations are two player, like most military settings are two player games. Cyber security is typically a two player setting – and by player I mean that there can be multiple hackers, but conceptually it’s like „hacker versus defenders“; so it is a two player setting even if there are multiple hackers, maybe even multiple defenders.

Libratus lief während des Matches auf einem Supercomputer – noch steht also die Rechen- und Spielpower nicht für „jedermann“ zur Verfügung. Trotzdem ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis das Online-Pokerspielen um Geld sinnlos bzw. hoffnungslos wird – auch jetzt sind ja Bots schon ein ernstes Problem. Stephan Kalhamer, Diplom-Mathematiker, ehemaliger Poker-Profi und Präsident des „Deutschen Poker Sportbunds“ weist darauf hin, dass die Komplexität am „vollbesetzten“ Pokertisch, also vor dem Eintreten der „Heads up“-Situation, ja noch einmal deutlich komplizierter ist.

In der Tat haben Libratus bzw. sein Schöpfer Tuomas Sandholm dafür noch gar kein Konzept.

We are not really working on multi player, because it’s not even clear what you would want to compute there. One option would have to say, it’s okay, you want to compute a Nash equilibrium strategy. But in multi player games that is not safe. So it’s not clear that you would even want that, even if you had an oracle for immediately computing one. So it’s more a conceptual problem, or what the goal even is in those games. And while in two player settings – two players who are in some games like „Heads up Poker“, there it’s very clear that Nash equilibrium is safe.

Abgezockt vom Computer – Künstliche Intelligenz schlägt Pokerprofis

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 09.02.2017 (Moderation: Ralf Krauter)

…zum gleichen Thema der Artikel bei Spiegel Online:

Poker Mensch gegen Maschine: Libratus, der Gangster – SPIEGEL ONLINE

Spiegel Online – Netzwelt vom 08.02.2017

 

…und das Gespräch bei DRadio Wissen am 20.01. – da war das Match „Mensch gegen Maschine“ noch nicht entschieden…

DRadio Wissen – Grünstreifen vom 20.01.2017 (Moderation: Dominik Schottner)

Cloud-GAU: Gitlab löscht versehentlich Datenbank – und kein Backup funktioniert

Daten bei sich zuhause speichern oder eben in der Firma, das ist ja so was von super-out. Die Cloud ist angesagt. Alles liegt im Netz, Daten, Programme – und das ist natürlich viel billiger und natürlich auch viel sicherer, weil der Online-Speicher ja in State-of-The-Art-Datencentern gehostet wird, die top-professionell gegen Ausfall geschützt sind, alles doppelt vorhanden, Backups automatisch. Da kann praktisch nix schiefgehen. Sagen die Anbieter. Ich bin ja etwas diabolisch angehaucht, schon immer. Und warte auf den Moment, in dem ein cloud-basiertes Unternehmen komplett aus dem Netz und aus der Welt gefegt wird.

Jetzt war es endlich – fast – soweit. Bei Gitlab.com hatte zu später Stunde ein Admin „Scheiße gebaut“ und versehentlich die Produktiv-Datenbank gelöscht, statt der leeren und herumzickenden Datenbank-Kopie.

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Und peinlicherweise stellte sich danach heraus, dass auch die fünf verschiedenen Backup-Instanzen aus verschiedensten Gründen nicht funktioniert hatten. Wie groß das Desaster im Endeffekt ausfällt, ist noch unklar. Heute gab es zumindest für den Live-Stream der Gitlab-Admins, das System durch ein Backup aus einer virtuellen Maschine doch noch wiederherzustellen, tausende Besucher. Gut, dass man mal drüber plauden kann, über den Cloud- und Backup-GAU. Und über Bügelbretter im „Kinderzimmer“ 😉

Ansonsten zeigt der Vorfall mal wieder: Eigentlich hat man keine Daten ohne ein Backup. Und man hat kein Backup, ohne dessen korrekte Wiederherstellung auch wirklich ausprobiert zu haben. Das gilt für Cloud-basierte Unternehmen. Und für deren Kunden: Die Cloud zählt bei der Backup-Strategie  nicht so recht mit. Und wer jetzt sagt – bei mir alles kein Problem, alles abgecheckt – darf gerne mal die Hand heben. Herzlichen Glückwunsch. Digital-Einhorn.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 01.02.2017 (Moderation: Till Haase)

Nachklapp 02.02.2017 – Gitlab.com hat es „mit viel Glück“ hinbekommen, das erwähnte „Zufalls“-Backup einzuspielen. Die über einen Zeitraum von sechs Stunden von 707 Nutzern gespeicherten Daten sind aber verloren.