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Auf GitHub schreiben Frauen den besseren Programmcode

Es gibt ja plausible Erklärungen, warum Frauen in manchen Berufen unterrepräsentiert sind – z.B. wenn die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Es gibt auch plausible Erklärungen, warum Frauen in manchen Branchen durchschnittlich weniger verdienen als Männer. Zum Beispiel ist da die These, sie würden sich insgesamt weniger für Führungspositionen interessieren, weil ihnen weder exzessive Überstunden noch die latent aggressiven Statusspielchen besonders attraktiv vorkommen.

Auf der rein fachlichen Ebene, etwa bei einem Spezialisten-Job wie dem Programmieren ist beides kein Argument – trotzdem gibt es den Gehaltsunterschied auch in der Softwarebranche. Und das dürfte kaum daran liegen, dass Frauen schlechteren Code schreiben. Im Gegenteil, sagt eine Studie von Informatikern der California Polytechnic State University und der North Carolina State University. Auf der Open-Source-Plattform GitHub finden nämlich „Pull requests“, also zur Beurteilung eingereichte Code-Verbesserungsvorschläge von Frauen mehr Resonanz als die von Männern – sie haben offenbar im Durchschnitt eine etwas höhere Qualität. Wobei anzumerken ist: Die allermeisten GitHub-Zulieferer sind mit einem neutralen Nickname unterwegs, das Geschlecht ist normalerweise nicht erkennbar.

Was ist also die Ursache für die leicht bessere Performance? Möglicherweise sind Programmiererinnen einen Tick selbstkritischer als ihre Kollegen und reichen nur etwas ein, was sie zuvor sehr gründlich durchdacht und getestet haben. Oder, so mutmaßen die Studienautoren, werfen durchschnittlich begabte Frauen in der Branche eh irgendwann das Handtuch – und nur die fachlichen Überflieger bleiben dabei; „survivorship bias“ heißt dieser Effekt.

Auch auf GitHub gibt es offenbar Vorurteile und Diskriminierung: Code von als Frauen erkennbaren Neueinsteigern findet weniger Akzeptanz als der von männlichen Unbekannten. Aber wenn eine Frau in einem Software-Projekt erst einmal als Mitakteurin bekannt ist, dann wird ihr Code auch vorurteilsfrei mit einbezogen – ein sehr ermutigendes Signal an alle Frauen, sich nicht von der (zahlenmäßigen!) Männerdominanz in der Informatik einschüchtern zu lassen.

Das Können weiblicher Programmierer · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 12.02.2016 (Moderation: Till Haase)

G+J sieht Adblocker-Sperre als Erfolg, Wired.com blockt auch zurück

Das Netz in seiner ganzen Pracht und Schönheit; Webseiten, bei denen eben auch oben, links und rechts irgendwas großes Buntes prangt und blinkt; Fenster, die den Text verdecken und beim Scrollen mitwandern und den Text weiter verdecken und bei denen man den winzigen Knopf zum Wegklicken erst eine halbe Stunde lang suchen muss – dass alles sehe ich eigentlich nur, wenn ich bei der Arbeit im Sender sitze.

Weil ich zuhause natürlich nur mit AdBlocker und NoScript-Plugin unterwegs bin. Im Sender läuft auf den Rechnern paradoxerweise der Browser „pur“ – obwohl doch eigentlich kein Mitarbeiter auf irgendeine Werbung klicken dürfte. Und eigentlich auch nicht draufschauen, denn das vergeudet ja Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung für außerdienstliche Belange, da die Anzeigen zu 99% private Konsumenten ansprechen.

Dass das kommerzielle Netz auf dem Deal „Pseudo-Gratis-Zugang gegen Werbung bzw. Datenauswertung“ beruht, ist nun einmal etwas, womit alle Seiten leben müssen und ja ganz offenbar auch leben wollen – aber der Deal ist halt ein extrem heikler Balanceakt. Mit dazu gehört auch der Umgang mit den Deal-Verweigerern. Wenn eine Seite wie Geo.de Adblock-Nutzer aussperrt, als Alternative aber einen explizit bezahlten Zugang anbietet, dann ist das völlig in Ordnung. Und anscheinend auch eine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung.

Wenn eine Seite wie Wired.com das jetzt auch so handhaben will, dann ist das ebenso in Ordnung, aber angesichts der technikaffinen Zielgruppe wesentlich riskanter. Kein Wunder, dass hier der alternative Wochen-Nutzungspass billiger ist als bei Geo.de – die durchschnittlichen Wired-User werden ihren Adblocker aus guten Gründen eben nicht so bereitwillig abschalten wie die Nutzer auf G&J-Seiten. Alles eine Preis- und Balancefrage.

Ich selbst bin natürlich bereit, für bestimmte Angebote zu zahlen, habe Zeitungen abonniert und teilweise deren digitale Ableger. Dafür gibt es ein bestimmtes Budget, sowohl monetär als auch von meiner Zeit und meinem Interesse her. Und dieses Budget kann nur umgeschichtet werden, aber nicht beliebig ausgeweitet. Wer als Anbieter dieses Budget ausloten und möglicherweise davon profitieren will, darf das gerne tun. Mit Appellen, Spendenaufrufen, Flattr- oder Blendle-Buttons. Von mir aus auch mit Adblock-Blockern.

Und dann gibt es da natürlich noch einen Player in dem heiklen Balance-Gefüge: Die Anbieter von AdBlockern. Dass ein offenbar sehr beliebtes Produkt, AdBlockPlus von der Kölner Firma Eyeo, eben auch wieder nicht zu einem bestimmten Preis verkauft, sondern auch pseudo-gratis und umwegfinanziert wird, ist ebenso skurril wie folgerichtig. Die Geschäftsidee von Eyeo, dass sich Firmen gegen Bezahlung auf eine Whitelist setzen lassen und dann mit ihren Anzeigen wieder zum Kunden durchdringen können, ist grenzwertig – aber laut einer Reihe von Gerichtsurteilen nicht illegal.

Angeblich hat Eyeo jetzt mit Big Playern der Werbebranche irgend einen Deal von epochalem Ausmaß ausgehandelt. Da bin ich sehr gespannt. Aber für den Software-Anbieter gilt das Kosten-Nutzen-Szenario und Geschäftsrisiko genauso wie für die Content-Anbieter. Wenn die Whitelist sich nicht mehr abschalten lässt, der Blocker also nicht mehr blockt, dann wechseln die User zu einem Konkurrenzprodukt. Oder meinetwegen auch zu einer Bezahlversion. Kann man alles gerne mal ausloten.

G+J zwingt User Adblocker abzuschalten · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 10.02.2016 (Moderation: Till Haase)

Kein Geld von Google für das Entschlüsseln von Captchas

Was wäre eigentlich die faire Bezahlung für das Lösen von Captchas? Zumindest was „der Markt“ dafür zu zahlen bereit ist, kann man ziemlich genau feststellen: Bei Crowdworking-Plattformen wie Amazons Mechanical Turk oder anderen Betreibern wird ja genau diese Arbeit regelmäßig als Job ausgeschrieben; meist übrigens zu zweifelhaften Zwecken.

Reich werden kann man damit nicht, aber Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist. Und wenn eine Riesencrowd im Netz Tag für Tag die Arbeit kostenlos erledigt, dann kommt in der Summe schon wieder ein nennenswerter Betrag heraus. Und um den betrügt Google die User, die reCaptchas lösen, argumentiert eine Klägerin in den USA. Denn der milliardenschwere Konzern profitiert letztlich natürlich davon, dass seine Dienste Google Books und Google Maps mithilfe der menschlichen Captcha-Erkennungshilfe immer zuverlässiger werden.

Kein Betrug, sondern ein faires Kompensationsgeschäft für die  kostenlose Nutzung der entsprechenden Dienste, wies eine kalifornische Richterin die Klage zurück. Wobei die Klageseite ja noch einmal nachhaken könnte – selbstverständlich sind die Angebote von Google, Facebook und Konsorten nicht wirklich gratis, sondern werden mit den Nutzerdaten bzw. deren Werbevermarktung bezahlt.

Hier allerdings zu sagen, was denn der faire Preis für das „Gesamtpaket“ sein könnte, ist schon weit schwieriger. Paradoxerweise würden viele Menschen „eigentlich“ für einen zuverlässigen, datenschutzkonformen Dienst ohne Belästigung durch Anzeigen einen vielfach höheren Betrag zahlen, als die Betreiber momentan bei der Werbefinanzierung kalkulieren. „Eigentlich“ – aber nicht in der Realität.

Kein Geld für das Entschlüsseln von Captchas · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 09.02.2016 (Moderation: Till Haase)

Twitter will an der Timeline schrauben – oder doch nicht?

Niemand hat vor, eine Timeline umzustellen.

(Jedenfalls nicht diese Woche.)

Das Dementi von Twitter-Chef Jack Dorsey hatte diese berühmte, ziemlich verdächtige Duftnote; oder wurde jedenfalls von vielen Beobachtern als reichlich interpretationsfähig verstanden. Denn das von Buzzfeed kolportierte Gerücht, Twitter wolle schon ab dieser Woche die Timeline von einer chronologischen auf eine „algorithmische“ Sortierung umstellen, war ja sehr plausibel. Zum einen experimentiert Twitter bei einer Reihe von Testpersonen mit dem Feature, zum anderen kann Twitter mit seiner wirtschaftlichen Perfomance nicht zufrieden sein. Im Gegensatz zu Facebook.

Ob daraus aber schon als Erfolgsrezept abzuleiten ist, man müsse das Konzept des Rivalen am besten einfach nachahmen, ist höchst fraglich. Twitter ist nicht Facebook, und Twitter-Kunden (oder zumindest sehr viele von ihnen…) sind ganz bewusst auf einer anderen inhaltlichen Schiene unterwegs. Zu der die Live-Anzeige und halt die chronologische Timeline gehört, um live über Ereignisse berichten oder crowd-chatten zu können. Pech für Twitter, dass sich solche kurzen und prosaischen Tweets schlechter monetarisieren lassen als ein ausführlicher Beneidet-mich-jetzt-Bericht bei Facebook über die letzte Shoppingtour in den Luxus-Läden der glitzernden Metropole…

Kein Zweifel aber auch, dass das neue Konzept für gelegentliche, nicht ständig eingeloggte Nutzer gar nicht so übel ist. Fazit also: Die nicht-chronologische Timeline muss unbedingt optional sein und darf nicht als Zwangsbeglückung daherkommen. Wie sehr Twitter da auf dem Grat wandert, haben die Userreaktionen am Wochenende gezeigt. Und übrigens auch die US-Börsen am Montag.

DRadio Wissen · Twitter: Gerüchte um Timeline Aenderungen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 08.02.2016 (Moderation: Till Haase)

 

Nachklapp 10.02.2016: Twitter will doch schrauben. Das neue Feature wird „in den kommenden Wochen“ freigeschaltet. Klar. Diese Woche geht das ja jetzt nicht mehr so gut. 🙂

Frauen lassen Männer den ersten Schritt machen – auch beim Online-Dating

Hier bei uns in Köln ist gerade der Straßenkarneval ausgebrochen. Und wenn man sich da nicht ausgesprochen blöd anstellt oder sich allzu früh oder allzu nachhaltig dem ortsüblichen obergärigen Gerstentrunk hingibt, dann stehen die Chancen auf einen kleinen Flirt oder auf mehr so gut wie in keiner anderen Jahreszeit. Trotzdem wäre es wissenschaftlich gesehen spannend, einmal genau zu ermitteln, ob wenigstens im Karneval die Kontaktanbahnung vollkommen emanzipiert abläuft.

Eine aktuelle (oder zumindest eine kürzlich publizierte 🙂  ) Studie nämlich behauptet: Frauen überlassen Männern immer noch gern den ersten Schritt. Und zwar nicht nur im analogen Nahgefecht, sondern sogar beim Onlinedating. Und deswegen senden Frauen auch auf einer Flirt-Plattform lieber erst mal nur ein „schwaches Signal“, in Form eines Profilbesuchs nämlich, anstatt direkt eine explizite Kontaktanfrage zu schicken. Und die Männer? Die agieren bekanntlichermaßen nach dem Schrotflinten- oder Gießkannenprinzip; es sind halt durchschnittlich schlichtere Gemüter mit einer durchschnittlich etwas fokussierteren Stoßrichtung. Deswegen kann man sie ja auch so herrlich mit Fakeprofilen und Chatbots abzocken.

DRadio Wissen · Online-Dating: Männer machen den ersten Schritt

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 05.02.2016 (Moderation: Marlis Schaum)

UN-Arbeitsgruppe sieht Julian Assange „unrechtmäßig festgehalten“

Der Fall Julian Assange liefert dankbaren Stoff für juristische Seminare und Fachdiskussionen – jetzt kommt auch noch eine Stellungnahme der „UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftungen“ hinzu. Der Wikileaks-Mitgründer hatte bei dem Gremium Beschwerde eingelegt – aus seiner Sicht jetzt erfolgreich. Assange sei in der Botschaft Ecuadors in London „de facto“ unrechtmäßig inhaftiert und habe Anspruch auf Freilassung und Haftentschädigung, so die UN-Experten – deren Votum ist allerdings nicht bindend. Ein widerstreitendes Rechtsgut ist nämlich auch der EU-Haftbefehl, den Schweden erwirkt hat. Andererseits sind die Befürchtungen Assanges, sich dort nicht nur einem Prozess wegen Vergewaltigungsvorwürfen stellen zu müssen, sondern anschließend in die USA ausgeliefert zu werden (wo ihm für seine Wikileaks-Aktivitäten im Extremfall die Todesstrafe droht…) nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Ein Votum eines UN-Gremiums, das von UN-Mitgliedsländern nicht befolgt wird, kann wiederum nicht gerade als „Auszeichnung des UN-Menschenrechtssystems“ angesehen werden, meint Christoph Safferling, Professor für internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Der Fall bleibt spannend, im Laufe des Tages stehen Erklärungen (und ggf. Aktionen) Assanges bzw. der englischen Regierung an.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 05.02.2016 (Moderation: Marlis Schaum)

Nachklapp: Inzwischen hat Assange sich in einer Pressekonferenz geäußert – er fühlt sich bestätigt oder gar „rehabilitiert“ ; verwechselt aber wohl (absichtlich?) das Votum mit einem Urteil und die nun erforderliche Stellungnahme der englischen und schwedischen Behörden mit einem angeblich erforderlichen Einspruch. Die Botschaft verlässt Assange wohlweislich einstweilen nicht. Der britische Außenminister Philip Hammond hatte zuvor mit der Einschätzung geglänzt, das Votum der UN-Experten sei „lächerlich“. Eine Formulierung, die offizielle Stellen in China, Saudi-Arabien oder Nordkorea sicherlich bei nächster Gelegenheit gerne wieder aufgreifen.

Project Natick: Microsoft will Datencenter im Meer versenken

Eine interessante Untersuchung steht ja immer noch aus – in welchem Maße eigentlich die Supercomputer- und Cloudberechnungen von Klimaforschern dazu beitragen, das Klima zu erwärmen. Aber ok; wahrscheinlich sind sogar die Milliarden Katzenbilder und Dummschwätz-Statusmeldungen der Social-Media-User in ihrer Masse doch noch schlimmer. Fest steht nämlich: Die ganzen Rechen- und Datencenter – und mit dem „Internet der Dinge“ werden ja noch etliche dazu kommen – machen jede Menge warme Luft.

Logisch, dass Facebook, Microsoft, ECC und Amazon ihre Neubauten mit Vorliebe in kalten Gegenden wie Nordschweden oder Finnland postieren, das senkt die Kosten und verringert ökologisch gesehen wenigstens den zusätzlich negativen Effekt durch Kühlungsmaßnahmen – womöglich noch mit Kohlestrom und CO2-Produktion.

Auch bei der Kühlung durch Meerwasser, wie sie Microsoft jetzt ganz ernsthaft vorschlägt, löst sich die Wärmeenergie nicht in Wohlgefallen auf – aber zumindest falls die Stromversorgung der „versenkten Datencenter“ tatsächlich mit Turbinen oder Gezeiten-Kraftanlagen hinzubekommen ist (woran ich ja noch gelinde Zweifel habe…), ginge die energetische Bilanz so gut wie möglich auf.

Hinzu kommen noch die übrigen Argumente von „Project Natick“ – flexible und schnelle Bereitstellung und geringe Latenzen bei der Datenübertragung. Auch Schnüffler mit etwas exquisiterer technischer Ausstattung (U-Boote z.B.) werden sich mit dem Konzept anfreunden können: Warum ein Datencenter mühsam abhören, wenn man es auch komplett mitnehmen kann 🙂 ?

Project Natick: Server unter Wasser · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 01.02.2016 (Moderation: Till Haase)

Schlüsseldienst-Abzocke mit AdWords und GoogleMaps-Fakes

Wenn jemand bereit ist, für einen einzigen Userklick auf seine AdWords-Anzeige 30$ an Google abzudrücken, dann muss er erstens sehr sicher sein, dass dieser Klick höchstes Kaufinteresse signaliert. Und zweitens, er muss natürlich diese 30$ (plus „Fehlklick“-Kosten…) in seiner Gewinnkalkulation refinanzieren können.

Das geht entweder mit einem sehr hochwertigen Produkt oder einer sehr hochwertigen Dienstleistung – oder mit Abzocke.

Schlüsseldienste sind dabei anscheinend immer noch ganz oben auf der Liste der üblichen Verdächtigen, daran hat sich seit dem AAAAAAAAA-Eintrag im guten alten analogen Telefonbuch offenbar nicht viel geändert.

Neu ist aber, dass der schnelle Griff zum Smartphone den Ganoven das Handwerk noch erleichtert – und dass eine gefakete GoogleMaps-Ortsmarke viel einfacher und überzeugender ist als ein gefälschter Eintrag im Branchenverzeichnis.

Bei amerikanischen Verbrauchern ist die „Epidemie“ mit den Phantom-Notdiensten mittlerweile auf den Top-Ten-Listen der Beschwerdeanlässe, hierzulande wird aber nicht minder zeitgemäß gefaked und abgezockt.

Teurer Schlüsseldienst aus dem Netz · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 01.02.2016 (Moderation: Till Haase)

Koko: Kognitive Therapie per App

Eine App für das mentale Wohlbefinden, um Stress oder Depressionen zu lindern? Das klingt erst einmal nach dem berühmten Bock als Gärtner, weil der ständige Tunnelblick auf Monitor oder Smartphone-Display viele Leute ja sehr effektiv vom eigentlichen Leben oder einer guten alten Mensch-zu-Mensch-Kommunikation abhält 🙂 …

Aber Koko will ein Hilfsmittel zur (problembezogenen…) menschlichen Kommunikation sein; für eine „crowdbasierte kognitive Verhaltenstherapie“ . Die Idee, wohlmeinende Zeitgenossen im Netz anderen gute Ratschläge geben zu lassen (und dabei auch wiederum selbst mental zu profitieren…) hatte der Psychologe Rob Morris am Media Lab des MIT entwickelt, an Versuchspersonen getestet und im Rahmen seiner Dissertation veröffentlicht.

Die App bringt den Hilfesuchenden dazu, sein Problem kurz und klar darzustellen und liefert den Ratgebenden Formulierungshilfen, wie sie im Sinne der Verhaltenstherapie zu einer neuen, positiveren Sicht der Dinge beitragen können. Wie bei Tinder können App-Anwender per Fingerwisch die (Problem-)Profile durchblättern und bei Interesse reagieren, wie bei Reddit kann man hilfreiche Lösungsvorschläge an die Spitze einer Liste „hochvoten“.

Das Ganze läuft anonym ab, auf Wunsch bzw. für manche Funktionen gibt man eine Emailadresse an (möglicherweise sollte das am besten ein quasi anonymer Instant-Account und nicht der am Arbeitsplatz sein 🙂 )  – und natürlich ist die von den Anbietern hoch und heilig versprochene Anonymität auch der Knackpunkt: Zwar wird ja in der Öffentlichkeit immer feierlich postuliert, dass mentale Probleme eine ganz normale Krankheit seien und man doch bitteschön professionelle Hilfe in Anspruch nehmen soll. Wenn dann allerdings bekannt wird, dass man eine Therapie macht oder gemacht hat, dann kann man sich eine eine private Krankenversicherung oder eine Verbeamtung abschminken…

Laut Auskunft des Mit-Gründers Fraser Kelton gibt es bei Koko langfristig durchaus eine Geschäftsidee: Eventuell könne man nämlich Organisationen mit hohen Mitgliederzahlen eine maßgescheiderte App verkaufen; Kelton nennt zum Beispiel Universitäten, die ihren Studenten ein Streß- oder Krisenbewältigungstool an die Hand geben wollen. Andererseits drängt sich natürlich auch der Gedanke an große Firmen auf – die ebenfalls aus verschiedensten Gründen am Innenleben ihrer Mitarbeiter interessiert sind.

Fazit: Eine plausible Idee, ein anscheinend seriöses Team dahinter – und trotzdem bleibt das Netz-Outing auch hier eine Sache mit Restrisiko.

Kognitive Therapie per App

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 17.12.2015 (Moderation: Marlis Schaum)

Online-Unikurse nutzen vor allem Studenten mit gutem sozialen Background

Bildung entscheidet über den Job und das Einkommen, Bildung bietet die Chance, aus sozial schwierigen Verhältnissen aufzusteigen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Und für wen aus irgendwelchen Gründen ein Studium an einer Uni gar nicht oder momentan nicht in Frage kommt – für den gibt es ja eine moderne Alternative, und zwar im Netz: Die sogenannten MOOCs, die „Massive Open Online Courses“ werden mittlerweile überall, auch von den renommiertesten Unis angeboten. Und zwar in fast allen Studienrichtungen; kostenlos und ohne ohne Zulassungshürden; man kann Prüfungen ablegen und Zertifikate erwerben. An sich also der perfekte Ansatz, die Bildung zu demokratisieren, die Kluft zwischen den sozialen Schichten zu schließen.

Im Fachblatt Science haben US-Forscher jetzt einmal vorgestellt, wer denn am meisten von solchen Online-Kursen profitiert – und das Ergebnis ihrer Studie ist ernüchternd, aber im Grunde nicht allzu überraschend: Die MOOC-Studenten, jedenfalls die US-amerikanischen, stammen eher aus feinen Gegenden als aus Problemvierteln – und wessen Eltern zur Uni gegangen sind, hat wesentlich bessere Chancen, einen Online-Kurs erfolgreich mit einem Zertifikat abzuschließen.

Natürlich bieten die MOOCs besonders begabten Studenten eine „Überflieger-Chance“. Aber die Masse der Lernbegierigen aus unterprivilegierten Schichten würde zusätzliche Unterstützung benötigen, um wirklich von den Kursen profitieren zu können. Das Fazit vom Autor der Studie, John D. Hansen:

Ich denke, es ist schwer vorherzusagen, ob der bessere Zugang zu Bildungstechnologie die Schere bei bestimmten Entwicklungen jetzt eher weiter oder enger werden lässt. Aber was wir zeigen konnten: Der Zugang allein scheint jedenfalls nicht zu garantieren, dass die ökonomische Kluft sich verringern oder schließen wird – da ist anscheinend auch genau das Gegenteil möglich.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 4.12.2015 (Moderation: Marlis Schaum)