Archiv der Kategorie: Beiträge Radio/Online

Türkei: Gülen-Bewegung über unsicheren Messenger enttarnt ?

Gestern haben wir über die Kompromittierung des Messenger-Dienstes Telegram im Iran gesprochen, heute sprechen wir über die Kompromittierung des Messenger-Dienstes ByLock in der Türkei. ByLock??? Nie gehört. Und das ist keine Bildungslücke – die App muss nämlich irgendeine Spezial-Anfertigung gewesen sein. Entweder tatsächlich von Anhängern der Gülen-Bewegung, die herkömmlichen Lösungen nicht getraut haben und dann den altbekannten Fehler gemacht haben: „Wir erfinden jetzt mal das Rad neu und tappen noch mal ganz frisch in die dreißig Fallen, in die andere Leute halt schon in den letzten Jahren getappt sind.“

Oder, was auch gar nicht so unplausibel ist (an sich steht die Gülen-Bewegung ja für Bildung…) – die App stammt in Wirklichkeit direkt vom türkischen (oder einem sonstigen…) Geheimdienst und die einstmals als breiter Teil der Gesellschaft mit der AKP verbündeten, jetzt aber natürlich alle zu Terrorismus-Monstern entarteten Wissenschaftler, Lehrer, Juristen, Journalisten und Soldaten sind auf eine nette kleine Spezial-Operation hereingefallen. Dass ByLock nicht sicher ist, das ist den Usern anscheinend nach ein paar Monaten auch aufgegangen, schon lange vor dem Putschversuch. Aber jetzt reicht die Benutzung für ein Ticket ins Gefängnis – oder schlimmer.

Ganz eindeutig, trotz der gerade wieder klargewordenen Schwächen: Telegram oder WhatsApp wäre die bessere Alternative gewesen. Die putschenden Soldaten haben ja in ihrer „Alles auf eine Karte“-Aktion dann letztlich auch auf diesen Kommunikationskanal gesetzt – der bei Bellingcat.com veröffentlichte Mitschnitt ihrer Chats von dem Ausrücken und der ausbleibenden Verstärkung im Stau von Istanbul bis hin zur Frage: „Wir sind verloren, was sollen wir tun?“ ist ein Dokument der Zeitgeschichte. Wenn Präsident Erdogan getötet worden wäre und ein größerer Teil der Armee und der Bevölkerung sich dem Putsch angeschlossen hätte, dann wäre es halt egal gewesen, dass jedes Smartphone eines Verschwörers direkt alle WhatsApp- und Putsch-Beteiligten identifiziert.

Aber es ist ja bekanntlich anders gekommen.

DRadio Wissen · Türkei: Gülen-Bewegung über unsicheren Messenger enttarnt

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 04.08.2016 (Moderation: Diane Hielscher)

Bitcoin-Börse Bitfinex gehackt – 70 Millionen Dollar gestohlen

Der letzte Schlag in die Nieren einer Cyberwährung – das Desaster beim Crowdfunding-Projekt und „Unternehmen aus purem Code“ DAO ist ja noch nicht verdaut, da geht die Branche und Coin-Anhängerschaft wieder einmal in den Shock-and-Awe-Modus über: Bitfinex gehackt, Bitcoins im Wert von rund 70 Millionen Dollar gestohlen (je nach dem, welchen Kurs man ansetzt, den vor dem Beutezug oder den nachher…). Und wieder einmal die Frage – ist das ein Super-GAU, der das grundlegende Konzept betrifft, oder „nur“ das Problem eines einzelnen Betreibers und seiner bedauernswerten Kunden?

Etwas größere Kreise zieht der Vorfall, weil auch kleinere Börsen bei Bitfinex Guthaben deponiert hatten, und neben den konkret Betroffenen sind natürlich auch alle mit-abgemolken, deren Bitcoins durch den Kursverlust eben mal ganz plötzlich weniger wert sind. Auch diesmal dürfte die Finanzkraft von Bitfinex nicht hinreichend sein, um die Anleger zu entschädigen, ob man die geklauten Bitcoins noch irgendwie zurückholen kann, ist fraglich, offenbar versucht der Hacker gerade, seine Beute zu waschen.

Immer noch wird wild spekuliert, wie der Angriff verlaufen ist – aber es gibt erste plausible Hinweise darauf, dass ein eigentlich als Sicherheitsfeature eingeführtes Konzept bei Bitfinex bzw. BitGo eine Rolle gespielt hat. Die Börse hatte nämlich seit 2015 die Guthaben der Kunden nicht mehr einfach in einen gemeinsamen Blockchain-Topf geworfen (der ja dann von der Integrität des Betreiber-Passworts abhängig ist), sondern die einzelnen Depots mit einem individuellen Schlüssel signiert; für Transaktionen gab es dann aber auch noch digitale „Unterschriften“ des Betreibers und des „Wallet-Providers“ BitGo. Und offenbar wurden deren Signaturen wohl etwas lax erteilt, auch bei einer an sich durch ihre schiere Größe verdächtigen Transaktion wie dem Hack.

Manche Cyberwährungs-Experten machen sogar die Regulierungsbehörde mit verantwortlich, weil diese von Bitfinex ausdrücklich verlangt hatte, Bitcoin-Guthaben von einem „kalten“, dafür aber auch nicht angreifbaren Zustand in einen sichtbaren, handelbaren, „heißen“ Modus zu bringen. Im Sinne einer transparenten Preisbildung nachvollziehbar, hier möglicherweise für die Betroffenen fatal. Fazit – von einem System, das für Laien „einfach funktioniert“, sind Cyberwährungen immer noch weit entfernt. Womit ja nicht gesagt sein soll, dass nicht auch hinter einem (von einem italienischen Notenbank-Präsidenten gesteuerten…)  Euro in Wirklichkeit Abgründe lauern. 🙂

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 04.08.2016 (Moderation: Diane Hielscher)

P.S. 08.08.2016 – Die Betreiber haben eine recht originelle Vergesellschaftung des Schadens auf alle Guthabeninhaber – also nicht nur die eigentlichen Opfer des Hacks – vorgenommen. Das stand bestimmt auch so ganz ausdrücklich in der 500. Zeile des Kleingedruckten der Nutzungsbestimmungen von Bitfinex und entspricht ja schließlich auch der „Best-Practise“-Tradition der „richtigen“ Finanzwirtschaft. Warum soll es Cyberwährungs-Zockern besser gehen als stinknormalen Steuerzahlern?

Messengerdienst Telegram in Iran gehackt – über abgefangene SMS

An sich ist Zwei-Wege-Authentifizierung ja eine gute Idee und ein Sicherheitsfeature – und alle möglichen Netz-Dienste schicken also Bestätigungscodes per SMS an ein vorher registriertes Gerät, um irgendetwas zu beglaubigen – einen Passwortwechsel oder einen Kauf wie bei Apple oder Google, oder halt die erstmalige Verwendung eines neuen Gerätes. Die gute Idee wird allerdings zu einer ganz schlechten, wenn auch der vermeintlich sichere Alternativ-Kommunikationskanal in der Hand eines Angreifers ist. Dass das zum Beispiel im Iran so ist, davon hätte eigentlich auch Telegram ausgehen dürfen – und seine rund 20 Millionen User in dem von religiösen Eiferern gelenkten Staat vielleicht auch schon etwas klarer vor dem jetzt eingetretenen Szenario warnen können.

Telegram empfiehlt als Reaktion auf den Hack, sich eben nicht auf die Geräte-Authentifizierung per SMS zu verlassen, sondern stattdessen ein starkes Passwort einzurichten. Das allerdings kann man vergessen – und deswegen verschickt der Betreiber dann auf Anforderung eine Recovery-Mail. Wenn der Account, an den diese Mail geht, allerdings in der Hand eines Angreifers ist – dann haben wir den gleichen Salat wie bei der SMS. Da gibt es also offensichtlich mehr Fallstricke in heiklen Kommunikations-Situationen, als man sich zunächst klarmacht – auch mit End-zu-End-Verschlüsselung. Für die Masse der Telegram-User im Iran ist es vielleicht ein kleiner Trost, dass das Regime nicht die Kapazitäten haben dürfte, alle Accounts zu überwachen oder zu hacken.

Offenbar schafft es ja auch die NSA nicht, die Telegram-User beim IS mit genau der gleichen Methode komplett abzuschnorcheln. Müsste aber eigentlich gehen.

DRadio Wissen · Verschlüsselung: Messengerdienst Telegram in Iran gehackt

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 03.08.2016 (Moderation: Diane Hielscher)

Privacy? Pustekuchen: Tracking per Batteriestand und Audio-Fingerprint

Man kann ja noch darüber streiten, ob die Grundidee der Werbeindustrie im Netz eigentlich super-schlau oder super-beknackt ist – nämlich uns „maßgeschneiderte“ Angebote machen zu wollen. Nur wollen wir ja vielleicht auf einer Seite, die wir während der Arbeit ansteuern, während gerade der Chef neben einem steht, gar keine Werbung zu unserem pikanten, exotischen Hobby eingeblendet bekommen, auch wenn wir beim Spezialversender da vorgestern privat etwas angeguckt haben. Die eigentlich völlig geläufige Tatsache, dass wir in ganz unterschiedlichen Rollen online unterwegs sein können, die haben die Werbeheinis irgendwie nicht so ganz gecheckt.

Und deswegen versuchen sie uns überall zu verfolgen, zu identifizieren und aus dem möglichst kompletten Abgreifen unserer Surf- Kauf- und Suchhistory ein „komplettes“ Persönlichkeitsbild zu erstellen. Irgendwie scheint die Strategie ja auch einen gewissen Erfolg zu haben, vielleicht eine Steigerung der „Conversion Rate“ um ein paar Prozent – dass man dafür die Privatsphäre aller Internetnutzer verletzt; auch derer, die halt nicht auf die Werbung klicken oder mit Adblocker unterwegs sind – Kollateralschaden. Forscher der Princeton University haben einmal zusammengetragen, welches Ausmaß das Tracking mittlerweile hat und welche Methoden zum Einsatz kommen – ganz ausdrücklich appellieren sie auch an Medien und Aufsichtsbehörden, der Branche gegebenfalls auf die Finger zu klopfen.

Entdeckt haben sie „in freier Wildbahn“ zwei neue Varianten des „Canvas Printing„, eine davon überträgt das Prinzip auf Audio-Dateien. Auch der Batteriestand von Mobilgeräten wird abgefragt, um User identifizieren – manche Seiten spekulieren offenbar sogar auf eine höhere Zahlungsbereitschaft von Surfern, denen in Kürze der Saft ausgeht. 🙂

Tracking: Sie wissen, wo du surfst · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 03.08.2016 (Moderation: Diane Hielscher)

Mit 3D-Modellen zum perfekten Selfie

Es ist schon erstaunlich, was heutzutage alles geht bei der Bearbeitung von Photos oder Filmen. Ein Motor aller technischen Entwicklungen ist natürlich Hollywood – das „Capturing“ von Bewegungen, auch von der Mimik menschlicher Akteure und die anschließende Übertragung auf computergenerierte 3D-Modelle ist das Geheimnis vieler Produktionen. Und das Prinzip funktioniert halt mittlerweile frappierend gut, auch wenn das Ziel der übertragenen Bewegungen kein grünes Riesenmonster, sondern wiederum ein Mensch bzw. ein menschliches Modell ist.

Ein solches Modell zu erstellen, das ist kein ganz großes Kunststück, wenn man einen 3D-Scanner zur Verfügung hat, der Körper oder Gesicht unter idealen Bedingungen abtastet – gute Beleuchtung, die Haare streng nach hinten gesteckt, neutraler Gesichtsausdruck, neutraler Hintergrund. Aber aus einem einfachen Single-Shot-Foto mehr als die 2D-Informationen herauszuholen, das ist nach wie vor eine Gratwanderung. Die Idee ist relativ klar – man braucht nicht unbedingt die 3D- oder Tiefeninformationen für die konkret abgebildete Person, auch ein 3D-Modell eines „idealen“ oder interpolierten Gesichts hilft weiter, um die Bildinformation aufzupeppen.

Und dann ist die Frage, was man eigentlich will, erläutert Ohad Fried von der Princeton-Universität – wenn es um die Übertragung von Mimik geht, reicht es, sich auf die inneren Strukturen eines Gesichtes zu beschränken, auf die Veränderung von Mund, Augen, Augenbrauen. Wenn man – wie in der aktuellen Studie der Forscher beschrieben – Verzerrungen in Portraitfotos korrigieren oder im Gegenteil simulieren will und die subtilen, aber sehr charakteristischen Veränderungen der Gesichtsgeometrie, dann braucht man auch die Außenbegrenzungen des Kopfes wie Ohren und Schädelspitze. Der Algorithmus der Computergrafik-Spezialisten baut auf Vorgängerarbeiten auf, bringt aber zum ersten Mal auch die (tatsächliche bzw. fiktive…) Kameraposition mit in das zugrundeliegende 3D-Modell.

Im Moment arbeitet das Team gerade an der Umsetzung des Programms in eine App-Version – die notwendige Rechenkraft könnten auch Smartphone-Prozessoren liefern. Und auch für viele Erweiterungen und Verbesserungen wäre noch Luft. Trotzdem, so sieht das auch Fried: Zwischen einem Demo-Programm einer Uni-Forschergruppe und einer Anwender-Software liegen noch Welten:

Wenn unser Programm etwa in 90% der Fälle gut funktioniert, ist das ein toller Erfolg. Wenn ein kommerzielles Software-Produkt in 10% der Fälle Probleme macht – das geht nicht…

Eine 3D-Darstellung, die auch hohen Ansprüchen wie im Spielfilm gerecht wird, die wird es in absehbarer Zeit auch nur mit 3D-Scans als Quelle geben, sagt Ohad Fried. Aber wenn ein bisschen Interpolation und ein paar Abstriche in den Details tolerierbar sind, dann haben die Computergrafik-Experten bald etwas sehr brauchbares anzubieten, um aus Fotos plötzlich eine Dimension mehr herauszukitzeln. Einen Markt gibt es dafür definitiv – wie man nämlich einen naturgetreuen 3D-Avatar von einem selbst oder vom Lieblings-Star produzieren könnte, (ohne als Top-Experte einen Monat lang in Programmen wie ZBrush herumzudoktern…), das ist seit Jahren die Frage Nummer eins in den entsprechenden Online-Foren.

Das wir dann irgendwann überhaupt keinem Bild mehr trauen können, ist noch mal eine ganz andere Sache.

Bildbearbeitung: Mit 3D-Modellen zum perfekten Selfie – SPIEGEL ONLINE

Hillary-Kampagne: Ein bisschen mehr Zurückhaltung, bitte. Danke.

Am Dienstag hab ich ja – egal, was da jetzt juristisch draus wird – mal eben 10 Dollar rübergechippt. An die über-direkte, jetzt auch offiziell nominierte Kandidatin der Demokraten. (Wie schon gesagt, die ist natürlich Establishment. Aber natürlich hätte der vielleicht moralisch und politisch integrere Bernie Sanders letztlich keine Chance gehabt, weil halt die Mehrzahl der wahlberechtigten Menschen in einer westlichen Demokratie keine linken Gerechtigkeits-Träumer sind. Sondern Idioten. Verführbare. Pragmatiker. Und so weiter. Das kann man bedauern. Ich bedaure das auch.

Aber wenn man diese Linie durchzieht, dann wird nicht der eigene linke Gerechtigkeits-Traum Realität, sondern das Votum der rechten Schwachmaten (die ja übrigens eine ganze Menge nachvollziehbarer Einwendungen haben gegen den linken Gerechtigkeits- und Political-Correctness-Traum…). Leuten wie dem Telepolis-Kolumnisten Tomasz Konicz kann man da eigentlich nur sagen – aufwachen, die Demokratie ist kein Ponyhof! Leider.

Aber mal zurück zur Hillary-App – das mit dem Frontalangriff auf meine Kohle war leider noch nicht das letzte Wort. Die nächste Mail kommt von Robby, dem Campaign Manager:

Marcel —

Hillary’s job is to make her case to as many people as possible for why she should be the next President of the United States. As her campaign manager, my job is to make sure that those people all get the chance to join this team.

Here’s how we do that: We build the biggest possible organization of donors, volunteers, voters, and supporters like you who share our vision for this country. Every donation, just like every phone call made and every door knocked, is a way of showing Hillary that you’re with her — and it all adds up to something pretty incredible.

I’m not going to waste your time. Will you, right now, stand with Hillary by chipping in $8?

Marcel, donate $8

Thanks, Marcel — you’re phenomenal.

Robby

Robby Mook
Campaign Manager
Hillary for America

Kein Dank für meine Kohle von gestern – ich bin zwar total phenomenal, aber der gute Mann will jetzt wirklich nicht meine (und seine…) Zeit verschwenden – ich soll noch mal was reinchippen. 8 Dollar. Sagt mal, Leute, wie kommt ihr eigentlich auf die Beträge? Gestern 1 Buck, heute 8? Steckt da ein Algorithmus hinter, eine KI? Oder ein menschlicher Zocker/Abzocker? Ein Zufallsgenerator? Jetzt bin ich echt ziemlich sauer.

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Die Kampagne hat’s wohl geahnt – oder als Feedback zurückbekommen: Die nächste Mail ist da. Oh Wunder- diesmal kein Betteln um Geld:

Marcel —

I’ve been with Hillary since 1996. She’s been my boss, my mentor, and my friend.

My favorite part of working with Hillary is watching her translate the concerns of everyday families into concrete policies that makes peoples‘ lives better. From expanding access to health care for children to securing resources for the families and responders impacted by 9/11 — Hillary has been standing up for us her whole life.

Marcel, will you take a minute to fill out this short survey and let us know which issues matter most to you and your family?

People like you are shaping the conversation and policies of this campaign. Because of the stories Hillary has heard across the country, she has plans for tackling substance use disorders, working to find a cure for Alzheimer’s, and making our communities safer from the threat of gun violence.

Hillary wants to be the fighter you and your family deserve. Will you help her by letting us know what’s on your mind? Fill out this short supporter profile now:

Start now

Thanks,

Huma

Huma Abedin
Vice Chair
Hillary for America

Das klingt schon besser.

Email von Hillary Clinton: Hastu mal nen Dollar?

OK, das war klar, das ich Post bekommen würde. Als ich gestern die neue Hillary-Clinton-Unterstützer-App getestet habe, musste ich ja erstmal mit gefaketer US-Anschrift eine neue Apple-ID einrichten, um im US-Appstore „einkaufen“ zu können. Und dafür brauchte ich ja auch noch eine neue Emailadresse – die hab ich dann auch brav in der Clinton-App angegeben. Ich habe dann zuerst mal eine Mail von Apple bekommen – da sei ein App-Download mit meiner ID gemacht worden, und zwar aus Deutschland. Ob das in Ordnung sei. Ja, ist in Ordnung.

Und heute hat mir Hillary Clinton geschrieben. Höchstpersönlich. (Gestern hatte ich nämlich zunächst nur eine Mail vom „Hillary for America“-Team erhalten, dem Herausgeber der App.) Hillary, das muss man sagen, redet nicht lange um den heißen Brei herum. Denn die Situation ist bekanntlich sehr, sehr kritisch:

Marcel —

Thank you for being a part of this campaign. I’m thrilled to have you on my team, especially at such a critical time.

I’m counting on you to make sure we have the resources we need to take on Donald Trump. Can you chip in $1 right now?

It’s time to act on raising wages and reforming our immigration system. It’s time to change our gun laws and make education more affordable for our children. It’s time to make sure that all people are an equal part of our political process and our communities, regardless of your gender, race, or who you love.

It’s time we make sure that every single child has the chance to live up to their God-given potential.

We can’t wait any longer. I need you to stand with me by chipping in again to support that vision right now, Marcel. It’s the only way we can get this work done and keep Donald Trump out of the White House:

Donate $1

Thank you,

Hillary

Also ich mag ja, wenn Frauen direkt sind. Aber das ist jetzt doch etwas sehr direkt. Anstatt erstmal ein bisschen zu plaudern über die Situation, vielleicht über die App und was ich damit noch an Support leisten könnte, vielleicht über die politischen Interessen, die ich da per Slider eingestellt habe, vielleicht über das LGBT-Plakat oder über den Kühlschrank im Vintage-Look, die ich virtuell gekauft hab – nein, ich soll einen Dollar reinchippen. Einen Dollar? Einen lumpigen Dollar? In der App ging’s doch mit 3$ Untergrenze los? Irgendwie fühle ich mich da etwas beschmutzt. Wobei – Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist.

Aber ich habe eigentlich eher den Verdacht, das ist ein Fake-Check. Hillary will rauskriegen, ob es sich lohnt, mir weiter Mails zu schreiben. Ob ich nicht in Wirklichkeit doch ein verkappter Trump-Anhänger bin. Oder ein deutscher Journalist, der nur die App getestet hat. Das ist wie bei diesen 1-Cent-Testüberweisungen. Ganz bestimmt. Oder steht ihr das Wasser wirklich schon total bis zum Hals? Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich überhaupt was spenden darf, ohne Hillary am Ende in übelste Schwierigkeiten zu bringen. Wenn Donald rauskriegt, dass Marcel gar nicht Marcel heißt und seine Anschrift in Wirklichkeit die einer US-Universität ist.

Wenn man auf den Link klickt, dann soll man plötzlich wieder 5$ abdrücken. Und man muss bestätigen, US-Bürger zu sein. Dachte ich es mir doch. Aber geht das nicht über einen Umweg, über diese Spenden-Sammelstellen, diese PACs? Ich glaube, ich probier das mal aus. Am Ende hab ich Weltgeschichte geschrieben und werde ins Weiße Haus eingeladen. Fragt sich nur noch, von wem. 🙂

Pokémon-Go-Alternativen: Das sind weitere Augmented-Reality-Apps

Ständig stößt man derzeit auf Bilder von Pokémon in der echten Welt – der Augmented-Reality-Funktion von „Pokémon Go“ sei dank. Doch das Spiel ist nicht das erste, das die Realität mit Virtuellem erweitert.

Pokémon-Go-Alternativen: Das sind weitere Augmented-Reality-Apps – SPIEGEL ONLINE

Spiegel Online – Netzwelt vom 26.07.2016

App „Hillary 2016“ – virtuelles Wahlkampfbüro für Clinton-Fans

Ein alternativer Account für den US-amerikanischen iOS-Appstore ist ja nicht so gaaanz konform mit den Nutzungsbedingungen von Apple, aber u.U. doch sehr praktisch. Wenn man z.B. Pokemon Go spielen will, bevor die App in Deutschland gelauncht wird. Oder wenn man mal – aus welchen Gründen auch immer – in den normalerweise dem amerikanischen Publikum vorbehaltenen Angeboten herumstöbern möchte. Zum Beispiel, um die Welt vor dem wahnsinnigen wandelnden Herrenwitz namens Donald Trump zu bewahren – und dafür lieber auch eine Vertreterin des Polit-Establishments zu unterstützen, die sicher ihre Schwächen hat, aber ganz bestimmt nicht wahnsinnig ist. (Das mit den charismatischen Lichtgestalten und Friedensnobelpreisträgern im Weißen Haus war ja auch schon etwas ernüchternd…)

Also eine GTA-V-Alternative ist die „Hillary 2016“-App jetzt nicht direkt geworden. Wäre ja auch gerade wenig opportun. Ein nettes Motivations- und Mobilisierungs-Vehikel für eh schon Überzeugte, die möglicherweise noch ein paar andere mobilisieren können, aber schon. Die LGBT-Plakate in der App habe ich übrigens „gekauft“, um den Aktivitäten von Peter Thiel und Milo Yiannopoulos etwas entgegenzuhalten. 🙂  Die beiden haben sich ja gerade aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen in ein Boot gesetzt mit Leuten, die ihnen aktuell nicht mal eine Hochzeitstorte verkaufen – und sie „an sich“ wahrscheinlich auch lieber gleich ertränken, teeren und federn würden, von wegen widernatürliche Unzucht und so. Ob der Donald sein Schutzversprechen auch nach der Wahl noch einhält? Oder vielleicht löst das toupierte Haupthaar ja bei den beiden auch irgendeinen Schlüsselreiz aus?

Alles Wahnsinn – „Hill is my girl“. Dummerweise haben ungebildete Nicht-Checker auch eine Stimme. Thiel ist ja auch für die Diktatur – jetzt läuft das aber hier in unverantwortlichen Zirkelschlüssen. Kohle abdrücken kann man in der App übrigens auch.

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Aber letzlich geht es eben um Menschen, die ihr Kreuzchen an der richtigen Stelle machen. Hoffentlich.

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App „Hillary 2016“ ausprobiert: Und welchen Unsinn hat Trump noch mal verzapft? – SPIEGEL ONLINE

Spiegel Online – Netzwelt vom 25.07.2016

Amok in München, die Medien und die Social Media

Es ist halt so ein gewisses Ritual bei mir, dass ich um 20 Uhr das Fernsehen einschalte, um die Tagesschau zu gucken (und dann ganz schnell auch wieder auszumachen, bevor eine launig-weichgespülte Intromusik signalisiert, dass nun etwas grässliches wie „Um Himmels Willen“ folgt…) – ich ziehe nach wie vor den vielleicht etwas steifen Gestus im Ersten der pseudo-lockeren Nachrichten“präsentation“ bei der Konkurrenz vor. Aber ob ich da wirklich beim richtigen Kanal bin, daran hatte ich gestern erhebliche Zweifel.

Ich mache also völlig unvorbereitet oder uninformiert die Glotze an, zuerst läuft noch ein paar Sekunden Werbung (Bauhaus, wenns gut werden muss, soweit ich mich erinnere…) – der Eingangstrailer läuft, Jens Riewa sagt sein Sprüchlein auf („Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau“) – und dann geht es ohne jegliche Erklärung weiter: (Ein gekürzter Mitschnitt findet sich hier.) „Aktuelle Informationen zur Lage in München jetzt von meinem Kollegen Eckhart Querner. Herr Querner, wie erleben Sie die Lage in München zur Zeit?“ Hinter Jens Riewa sieht man einen Herrn mit Mikrofon, an dem aber ein anderer Herr noch hektisch herumzupft, dann verschwindet die Einblendung.

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Oha, da gibt es also irgendeine Lage in München – und das kann in diesen Zeiten und unter diesen Umständen ja auch nichts Gutes bedeuten. Herr Riewa schaut betreten drein und lauscht der Regieanweisung in seinem Ohrstecker – dann kommt das Bild im Hintergrund wieder, auf dem wiederum ein emsiger Technik-Kollege um den Reporter herumwieselt und zupft und verkabelt. Ganz offenbar ist Herr Querner noch nicht soweit, was Jens Riewa immer noch sehr souverän entschuldigt, während das Bild wieder weggenommen wird, jetzt erfahren wir immerhin auch, was überhaupt los ist, ein Anschlag nämlich. Nach diesen zusammenfassenden Informationen der nächste Versuch, und erneut die Frage (weil sie nun ja einmal so gut ist…) an Herrn Querner, wie er denn die Lage erlebt.

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Herr Querner schaut sich aber gerade um, guckt dann wieder in bzw. neben die Kamera, im Wartemodus halt und definitiv nicht im Bewusstsein, schon wieder mal auf Sendung zu sein. Neuer Versuch aus der Regie – Telefonschalte zum Kollegen Richard Gutjahr (der offenbar momentan bei allen Anschlägen in Europa als Augenzeuge vor Ort ist, das würde ein KI-Algorithmus für höchst verdächtig halten…) Herr Gutjahr kann aber auch im Moment nichts berichten, weil die Leitung offenbar noch nicht steht. Der arme Herr Riewa fragt noch einmal nach – immer noch mit bewundernswerter Gesichtsbeherrschung – irgendein falscher Ton wird reingeblendet, Herr Riewa bekommt neue Ansagen der Regie aufs Ohr, bittet noch mal um Entschuldigung, und dann, bei Minute 2’35, kommt die erste erlösende Rückmeldung von Herrn Gutjahr, wenn auch zunächst nicht verständlich, der „gerade noch rechtzeitig“ in das Krisengebiet hereingekommen ist, nachdem er im Auto in der Nähe unterwegs, von Schüssen und womöglich Toten erfahren hat.

Wer wie ich bei Rundfunk oder TV arbeitet, der kennt solche Albtraum-Situationen mit zusammengebrochenen Leitungen oder kaputten Sendepulten (oder eben mit Techniker- oder Regie-Fehlern, ich selbst habe da auch schon das eine oder andere Mal etwas verbockt) – wobei das Desaster in diesem Fall schon sensationelle Ausmaße hatte. Geschenkt. Aber das wirkliche Grauen, das ging ja nun erst richtig los. Nach dem ersten Telefonat mit Herrn Gutjahr ist Herr Querner nun zum vierten Male auf Sendung, die Frage wiederum „Herr Querner, wie erleben Sie die Lage dort?“ – und oh, Wunder, nach einer Schrecksekunde (im Gesicht von Herrn Riewa laufen ganze Romane ab…) beginnt Herr Querner auch zu reden, Er ist einen halben Kilometer vom Tatort entfernt und referiert das, was er vom Hörensagen weiß und von der Ansicht eines Handyvideos. Dann gibt er „mit diesen Informationen zurück an Jens Riewa.“

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Aber so einfach lässt der ihn nicht davonkommen – eine Nachfrage. Herr Querner steht wieder im Stand-By-Modus und sagt nix. Möglicherweise ahnt er schreckliches. Jetzt kommen nämlich alle mögliche Fragen, zu denen Herr Querner eigentlich absolut nichts sagen kann, jedenfalls nicht aufgrund der Tatsache, dass er da steht, wo er steht. Zwischendurch werden Bilder eingeblendet, wo Polizisten im Laufschritt mit gezückter Waffe Personen einen Bürgersteig entlang eskortieren – vorbei an den Kamerateams, die das in aller Seelenruhe und ohne jegliches Zeichen einer akuten Gefahr filmen und dabei wiederum gefilmt werden.

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Herr Querner schildert, was wir gleichzeitig hinter ihm ohnehin sehen und hören. Er beschreibt die Situation als immer noch extrem angespannt, während hinter ihm Jugendliche hin und her durchs Bild latschen und wiederum das Kamerateam mit dem Smartphone filmen.

Zwischendurch kommt wieder Herr Gutjahr zu Wort, dann auch ein Experte, und die Fachsimpelei geht los, war es ein Terroranschlag oder ein Amoklauf, oder irgendwas mit „fließendem Übergang“? Und immer alle Einschätzungen mit den mittlerweile von allen Akteuren verinnerlichten Einschränkungen – „möglicherweise, vermutlich, wenn das so stimmen sollte“ – alles journalistisch korrekt. Fragt sich nur, warum man dann überhaupt „live“ dran bleibt am Ereignis und wie lange – wenn man offenbar einerseits keine neuen belastbaren Information mehr hat und über weniger belastbare nicht reden möchte.

Die gab es nämlich sehr früh – aus den Social Media. Zum einen kursierten spätestens gegen 18.18 Uhr Aufnahmen (von dem Zeitpunkt findet sich ein Screenshot des Facebook-Accounts der Münchener Polizei, wo das Video gemeldet wurde), die ganz offenbar den (oder einen) Täter auf dem Dach des Parkhauses zeigen, und das andere, schon von Herrn Querner referierte Video, das die ganz offenbar gleiche Person schießend vor der McDonalds-Filiale zeigt. Das dies nun eigentlich die „möglicherweise authentischen“ Quellen sind, über die man so schnell wie möglich und so fachkundig wie möglich reden müsste, das sieht man im Ersten anscheinend nicht so, oder es fehlten die personellen Kapazitäten.

In den Social Media kursiert sehr früh noch ein anderer Hinweis – dass nämlich über ein gehacktes oder gefaketes Facebook-Profil einer jungen Frau offenbar Mitteilungen verschickt worden waren; mit dem Ziel, junge Leute zu dem McDonalds-Restaurant zu locken. Und in dem später von Facebook gesperrten Profil identifiziert ein anderer User dann auch den Täter mit Vor- und Nachnamen. Jetzt, nach der Pressekonferenz der Münchner Polizei stellt sich heraus – das waren in diesem Fall die relevanten Informationen; der merkwürdige Gang des Täters, sein „Dialog“ auf dem Dach, das Anlocken von jungen Menschen, vielleicht sogar gezielt von solchen mit Migrationshintergrund. Auch wenn es zusätzlich die üblichen Fakes gab.

Und das Fazit? Es wäre vielleicht noch einmal an der Zeit, in den Redaktionen sehr gründlich darüber nachzudenken, wie man solche „Akutsituationen“ eigentlich abdecken will und kann. Das Tempo herausnehmen und sich auf bestätigte Informationen der Polizei verlassen wäre die eine Möglichkeit – da verliert man allerdings seine Kundschaft im Zweifelsfall an weniger zimperliche Konkurrenz. Ein rund um die Uhr verfügbares und auch noch sehr kompetent besetztes Team, das Onlinequellen sichtet und mit forensischen Methoden verifiziert, wäre eine andere Option – angesichts der finanziellen Realitäten in öffentlich-rechtlichen wie in privaten Medien eine ziemlich unrealistische.

Kleiner, großer Haken überdies: Eine forensisch abgesicherte und sachkundig eingeordnete „Live-Berichterstattung“ mit Netz-Quellen wäre zwar journalistisch wertvoll, würde aber u.U. der Polizei in die akute Arbeit hineinpfuschen – die sich wiederum fragen lassen muss, ob sie beim Monitoring und der Verifizierung von Net-Input schon auf der Höhe ist. Was ich selbst jedoch eigentlich nicht mehr sehen möchte: Vor-Ort-Live-Reporter, die mit zuversichtlichem oder verzweifeltem Gesicht über Dinge spekulieren, über die sie nichts wissen. Oder verpixelte Einspieler aus dem Netz, von denen man sich „journalistically correct“ distanziert, anstatt den Versuch einer Überprüfung und Bewertung zu machen.