Gestern haben wir über die Kompromittierung des Messenger-Dienstes Telegram im Iran gesprochen, heute sprechen wir über die Kompromittierung des Messenger-Dienstes ByLock in der Türkei. ByLock??? Nie gehört. Und das ist keine Bildungslücke – die App muss nämlich irgendeine Spezial-Anfertigung gewesen sein. Entweder tatsächlich von Anhängern der Gülen-Bewegung, die herkömmlichen Lösungen nicht getraut haben und dann den altbekannten Fehler gemacht haben: “Wir erfinden jetzt mal das Rad neu und tappen noch mal ganz frisch in die dreißig Fallen, in die andere Leute halt schon in den letzten Jahren getappt sind.”
Oder, was auch gar nicht so unplausibel ist (an sich steht die Gülen-Bewegung ja für Bildung…) – die App stammt in Wirklichkeit direkt vom türkischen (oder einem sonstigen…) Geheimdienst und die einstmals als breiter Teil der Gesellschaft mit der AKP verbündeten, jetzt aber natürlich alle zu Terrorismus-Monstern entarteten Wissenschaftler, Lehrer, Juristen, Journalisten und Soldaten sind auf eine nette kleine Spezial-Operation hereingefallen. Dass ByLock nicht sicher ist, das ist den Usern anscheinend nach ein paar Monaten auch aufgegangen, schon lange vor dem Putschversuch. Aber jetzt reicht die Benutzung für ein Ticket ins Gefängnis – oder schlimmer.
Ganz eindeutig, trotz der gerade wieder klargewordenen Schwächen: Telegram oder WhatsApp wäre die bessere Alternative gewesen. Die putschenden Soldaten haben ja in ihrer “Alles auf eine Karte”-Aktion dann letztlich auch auf diesen Kommunikationskanal gesetzt – der bei Bellingcat.com veröffentlichte Mitschnitt ihrer Chats von dem Ausrücken und der ausbleibenden Verstärkung im Stau von Istanbul bis hin zur Frage: “Wir sind verloren, was sollen wir tun?” ist ein Dokument der Zeitgeschichte. Wenn Präsident Erdogan getötet worden wäre und ein größerer Teil der Armee und der Bevölkerung sich dem Putsch angeschlossen hätte, dann wäre es halt egal gewesen, dass jedes Smartphone eines Verschwörers direkt alle WhatsApp- und Putsch-Beteiligten identifiziert.
Aber es ist ja bekanntlich anders gekommen.
DRadio Wissen · Türkei: Gülen-Bewegung über unsicheren Messenger enttarnt
DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 04.08.2016 (Moderation: Diane Hielscher)