Archiv der Kategorie: Beiträge Radio/Online

Wissenschaftler warnen: Entsperr-Geste bei Androidgeräten lässt sich „hacken“

Wissenschaftler von der Uni Lancaster haben ein Programm entwickelt, mit dem Diebe, böse Kollegen oder eifersüchtige Partner einen per Geste gesicherten Lockscreen, die Sperrfunktion von Android-Smartphones oder Tablets unbefugt aushebeln können. Dazu müssen sie allerdings zuvor einmal filmen, wie der rechtmäßige User sein Gerät entsperrt. Wer jetzt spontan denkt „so what?“, liegt daneben – mit „filmen“ ist selbstverständlich keine freie Sicht auf den Bildschirm und Finger gemeint. Das Ganze funktioniert vielmehr auch dann, wenn das Gerät gedreht, gekippt und abgewandt ist, solange die grundsätzliche Bewegung der Hand erkennbar bleibt.

The popular Pattern Lock system used to secure millions of Android phones can be cracked within just five attempts — and more complicated patterns are the easiest to crack, security experts reveal. Credit: Lancaster University

Anschließend setzt der Algorithmus die registrierten Bewegungen in Beziehung zur relativen Position des Gerätes – und erstellt eine Liste mit plausiblen Entsperrmustern, nach Wahrscheinlichkeit geordnet. Hilfreich ist dabei, dass die Punktmatrix beim Lockscreen die Anzahl der möglichen Varianten beschränkt, und paradoxerweise lassen sich komplizierte Gesten (die ja an sich einen besseren Schutz gegen das einfache Ausprobieren bieten…) sogar leichter „entschlüsseln“ als einfache. Auch wenn nicht jeder potentielle Dieb, böse Kollege oder eifersüchtige Partner sofort mit der Methode operieren wird – das Verfahren ist auf jeden Fall weit weniger aufwendig und daher plausibler als das Fingerabdruck-nachmachen vom Selfie-Foto 🙂 …

DRadio Wissen · Android-Smartphones: Wie Taschendiebe die Entsperrung knacken

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 24.01.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Die „Chan Zuckerberg Initiative“ kauft Wissenschafts-Suchmaschine Meta

Es gibt ja manche Menschen, die haben das sprichwörtliche Problem, dass sie nicht wissen, wohin mit ihrem Geld. Weil es eben so wahnsinnig viel ist. Warren Buffet, dann auch Bill und Melinda Gates – und eben auch Mark Zuckerberg und seine Frau Priscilla Chan. Allen gerade aufgezählten gemeinsam ist, dass sie ihre Milliarden – oder zumindest einen sehr erklecklichen Teil davon – wieder unter die Leute bringen wollen, und zwar zu wohltätigen Zwecken. Genauso wie die Gates-Stiftung, die sich bekanntlich den Kampf gegen Malaria auf die Fahnen geschrieben hat, nimmt auch die „Chan Zuckerberg Initiative“ Krankheiten ins Visier, die bislang schwer oder gar nicht heilbar sind – Priscilla Chan ist ja selbst Kinderärztin und insofern „vom Fach“.

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Die erste Firmenübernahme ihrer Stiftung fällt auf den ersten Blick ins Fach des Facebook-Gründers – aber Meta, 2014 unter dem Namen ScienceScape als Startup gegründet, ist keine normale Suchmaschine. Wenn nämlich Wissenschaftler oder Studenten nach wissenschaftlichen Fachartikeln suchen, haben sie zwei Probleme: Zum einen ist ein großer Teil gar nicht offen, kostenfrei verfügbar im Netz. Trotz des Trends zum „Open Access“-Modell ist das Publizieren und das fachliche Begutachten, das Peer-Review-Verfahren, immer noch eine Domäne von Wissenschaftsverlagen und ihren Fachzeitungen wie „Science“ oder „Nature“. Ein Artikel, der nicht offen im Netz steht, kann aber typischerweise auch nicht von einer normalen Suchmaschine wie Google indexiert werden.

Das zweite Problem für einen Forscher oder Studenten – mit welchen Begriffen oder Wortkombinationen soll er oder sie eigentlich suchen? Meta setzt hier auf eine gar nicht einmal exklusive Idee: Ein KI-Algorithmus soll die Artikel aufarbeiten, semantisch katalogisieren, die Künstliche Intelligenz soll quasi „verstehen“, worum es in dem Artikel geht. Das würde dann auch umfassen, Querverbindungen zu erkennen und durchsuchbar zu machen – wenn also eine Arbeit eine Vorläuferarbeit zitiert, darauf aufbaut, einen Forschungsstand fortentwickelt oder vielleicht auch ältere Publikationen widerlegt.

Nach dem Kauf durch die Chan-Zuckerberg-Stiftung kann Meta auf die ursprünglich geplanten kostenpflichtigen Optionen verzichten – die Suchmaschine wird also Wissenschaftlern und Studenten kostenfrei zur Verfügung stehen.

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 24.01.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Donald Trump übernimmt Twitter-Account @potus – mit kleinen Pannen und „Alternative Facts“

Donald Trump ist der neue Herr im Weißen Haus, und er setzt da gleich vom ersten Moment an eigene Akzente, um das einmal sehr vorsichtig zu formulieren. Die Befehlsgewalt und den Atomkoffer hat er von seinem Vorgänger übernommen, natürlich. Aber die schöne Kinderschaukel, die die Obamas ihren Töchtern 2009 auf den Rasen gestellt hatten, die wollte Trump nicht geschenkt haben und stehen lassen, obwohl sein Sohn Barron William ja mit 10 Jahren eigentlich noch im besten Schaukelalter ist. Den schönen Twitteraccount @potus „President of the United States“, den hat er wiederum gern genommen, obwohl er ja selbst schon einen anderen schönen hat; @realdonaldtrump.

Praktischerweise durfte er die vorhandenen rund 14 Millionen Follower von @potus auch übernehmen, obwohl die ja nicht zwangsläufig Trump-Fans sind. Aber vielleicht interessieren die sich „grundsätzlich“ für das, was der US-Präsident von sich gibt – so ungefähr war wohl die Überlegung bei der „Transition“ des offiziellen Accounts. Die alten Follower und die alten Tweets hat Twitter übrigens unter @potus44 quasi archiviert – und wer Trump als Präsident nun absolut nicht mehr folgen mag (dafür gibt es einige gute Gründe…), muss aktiv „entfolgen“. Wenn das mal im richtigen Leben genauso einfach wäre wie auf Twitter!

Trumps neuer Social-Media-Manager Dan Scavino kennt sich bestens aus im Spannungsfeld zwischen Fakten und Verschwörungstheorien, Trumps neuer Pressesprecher Sean Spicer…

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…landete direkt zu Beginn seiner sicherlich glorreichen Karriere „unter dem Bus“ ; und Trumps „Beraterin“ und PR-Chefin Kellyann Conway kreierte gleich einmal ohne großes Zucken im Gesicht den epischen Memealternative Facts„.

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https://twitter.com/MerriamWebster/status/823221915171061760

Schwierig zu sagen, wer von beiden am ehesten und würdigsten mit „Baghdad Bob“ alias Muhammad as-Sahhaf konkurrieren kann.

Nun könnte man den ersten Auftritt der Trump-Vasallen ja als peinlichen Fehlstart von Dilettanten abheften – möglicherweise ist die Sache aber bereits viel grauenvoller; möglicherweise ist die Desinformation schon Teil einer Umdeutung der Wirklichkeit nach dem Vorbild von Trumps bestem Kumpel Vladimir Putin. Und wenn man Donald vor dem Ehrenmal der „gefallenen“ CIA-Mitarbeiter etwas über den „Krieg“ mit den Medien schwafeln hört, in dem „wir“, also er sich befindet, dann denkt man natürlich an Trumps zweiten besten Kumpel Recep Tayyip Erdoğan, der ja nicht nur einen ähnlichen gediegenen Geschmack hat, was die Einrichtung von Palästen oder Penthäusern betrifft, sondern in seiner schönen Türkei auch schon mal das durchexerziert, was Trump mit der renitenten US-Lügenpresse nun ebenfalls gerne durchexerzieren möchte.

Sein potentiell dritter bester Kumpel Kim Jong-Un hat da ziemlich ähnliche Vorstellungen und auch eine ähnlich problematische Frisur; allerdings ist Trump in Bezug auf asiatische Staatslenker doch wiederum bislang etwas skeptisch.

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Da muss man mal abwarten, wie sich die Sym- oder Antipathien letztlich einrenken. Bei Twitter ist das ja so ähnlich und vielleicht deshalb auch viel weniger dramatisch, als all die riesigen Zahlen suggerieren:  Wahrscheinlich haben die Trump-Follower und die Trump-Hasser gar keine Schnittmenge; das Fact-Faking und das Lügen-Aufdecken oder -verhohnepiepeln laufen auf unterschiedlichen Channeln. Und die Politiker-Accounts sind eh eine Einbahnstraße. Übrigens: Ich selbst komme doch auch schon nicht dazu, die Tweets von denen zu lesen, denen ich folge.  🙂 Und die Fake-Bots, die mir folgen, lesen mich natürlich schon erst recht nicht.

Ein Start mit Pannen · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 23.01.2017 (Moderation: Diane Hielscher)

Donald Trump braucht ein neues Handy. Eigentlich.

Manchmal werden Albträume wahr. Ein smarter, intelligenter, emotional authentischer und sportlich gutaussehender Mensch verlässt das Amt des „mächtigsten Mannes der Welt“ (auch wenn die tatsächliche Bilanz nach acht Jahren ernüchternd mager ausfällt, haut einen der Kontrast unfassbar aus den Latschen…) und ein unappetitlicher, infantiler, narzisstischer, rachsüchtiger, sexistischer und höchstwahrscheinlich intellektuell noch unterhalb der Bush-Grenze (* s.u.) daherschrammender Fatzke mit orangem Haupthaar übernimmt.

Ein ernster Tag für uns alle, ein ernster Tag aber auch für Donald Trump selbst. Zum einen stellt sich die Frage „wie bedient man eigentlich diesen komischen Atom-Koffer, wo ich doch schon meinen Videorekorder nicht programmieren kann“.

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Aber noch viel schlimmer: Der Reality-Darsteller und 45. US-Präsident muss „eigentlich“ sein Smartphone abgeben, auf dem er doch permanent und manisch herumtwittert. Weil Smartphones bekanntlich unsicher sind. Und speziell Android-Smartphones der Sicherheits-SuperGAU – ok, ein Modell aus Südkorea ist immer noch besser als eins aus China.

Aber vielleicht ist das vermeintliche Security-Problem bei Donald Trump erstmals gar keins. Der Mann ändert ja eh täglich seine Meinungen, Positionen, Drohungen oder Versprechungen. Was soll man da groß abhören und analysieren? Dem @realDonaldTrump folgen reicht ja völlig.

DRadio Wissen · US-Präsident muss sein Handy abgeben: Weg mit dem Trump-Phone

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 20.01.2017 (Moderation: Till Haase)

(*) Anmerkung 03.03.2017 – Ich nehme das zurück. Bush ist doch gar nicht so übel, wie ich dachte. Kommt eben immer auf den Vergleichsmaßstab an.

Facebook, Google, Apple, Microsoft: Last-Minute-Korb für NSA-Untersuchungsausschuss

Dass ein Untersuchungsausschuss des höchsten deutschen Volkssouveräns, des Deutschen Bundestages, nicht so ganz für voll genommen wird – das ist, um der Wahrheit die Ehre zu geben, nicht wirklich neu. Bei vielen Sujets geht es ja um Parteipolitisches oder um Parteipolitiker – da ist dann die „angeklagte“ (aber auch gleichzeitig teilnehmende…) Seite eh der Meinung, die ganze Veranstaltung sei eine Farce. Dann gibt es Herrschaften wie den „mein Name ist Hase“-Ex-VW-Vorstand Winterkorn, die die Statik des hohen Hauses durch Balkenbiegen strapazieren. Und (Ex-)Geheimdienst-Chefs, die die Welt halt eh etwas anders sehen als der Rest der Menschheit.

Dass die geladenen Mark Zuckerberg (Facebook), Brad Smith (Microsoft), Eric Schmidt (vormals Google, nunmehr Alphabet) und Tim Cook (Apple) da komplett in trauter Runde anrücken, als Zeugen oder zumindest „Anhörpersonen“, das kann doch wirklich niemand ernsthaft angenommen haben. (Oder dass zumindest ihre „General Counsels“ kommen? Na ja, vielleicht.) Nachdem sich die Herren bis zum fristgemäßen 12. Januar nicht geräuspert hatten und die Hotelbuchungen ja offenbar auch nicht vorlagen, war die Sache doch wohl endgültig klar.

Aber auch wenn der „Last-Minute-Korb“ dann in Wirklichkeit ein Last-Week-Korb war – die Chuzpe der Unternehmen ist schon beachtlich. Dass mal eine Presseanfrage von kleinen Krauter-Journalisten wie mir nicht beantwortet wird, ist ja klar. Dass man eine popelige Klage von hergelaufenen österreichischen Jura-Studenten abperlen lässt, bis der EuGH die Sache bestätigt, auch klar. Und so komische Abgeordnete sollen sich auch mal nicht so aufplustern.

Die Arschloch-Palme gebührt ja, wenn die Pressemitteilung des Bundestages korrekt und vollständig ist, Apple. Die haben sich gleich mal überhaupt nicht zurückgemeldet. Da wäre es jetzt eigentlich die angemessene Reaktion der Parlamentarier, all ihre iPhones und iPads in einer Aufschrei-Plenarsitzung öffentlich kleinzuhacken.

DRadio Wissen · US-IT-Giganten meiden NSA-Untersuchungsausschuss: „Das Gehabe von Monopolisten“

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 20.01.2017 (Moderation: Till Haase)

Prügelei der Schmuddelkinder: Bild verklagt Focus.de wegen Content-Klau

Das ist ja hier mein privates Blog, deswegen mal im Klartext: Bild (und Bild.de und Bild plus…) ist ein widerlicher, erbärmlicher Schund, produziert von irgendwelchen Vollzynikern oder Arschlöchern oder Irren. Und Focus.de ist Clickbait-Scheiße. Da passt es natürlich allerbestens, dass ein ehemaliger Bild-„Journalist“ jetzt Focus.de leitet und ungeniert und möglicherweise mit der genretypischen gegelten Geschmeidigkeit genau haarscharf auf der Borderline der juristischen Interpretationsbandbreite den „Content“ („Fakten, Fakten, Fakten“) seines ehemaligen Arbeitgeber klaut, Entschuldigung, zitiert.

Wie sich die Schmuddel-Rasselbande bei Twitter beharkt, ist schon zum Schreien komisch; wenn die Vorstandsherren im gedeckten Tuch erst allen Ernstes ihrem wichtigsten Traffic-Lieferanten Google den schnöden Raub ihres hehren geistigen Eigentums vorwerfen und einen Schwachsinn wie das Leistungsschutzgesetz durch-lobbyieren, danach aber trotz ihrer Fantasy-VG wieder einknicken nach der Google-Drohung, ihre Schrott-Seiten rauszukicken; wie sie bzw. ihre Schmuddel-Schergen sich dann wieder gegenseitig die Klüten klauen, Entschuldigung, zitieren bzw. wie sie selbst geklauten (z.B. aus Facebook-Profilen…) oder witwengeschüttelten „Content“ an Schwachmaten verhökern wollen, das spottet jeder Beschreibung.

Eigentlich passt da doch so eine Klage überhaupt nicht, das ist doch gar nicht Boulevard-Style. Wie wärs denn mal mit einer Aussprache, einer Klärung so richtig unter Männern, die Bild-Bandidos gegen die Focus.de-Angels? Da hätten wir wenigstens eine schöne Schlagzeile am nächsten Tag.

Zitat oder Content-Klau? · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Hielscher oder Haase vom 19.01.2017 (Moderation: Till Haase)

Forscher weisen erstmals vektorbasierte Navigations-Neuronen nach

Photo of an Egyptian fruit bat. Sarel et al. report on a new functional class of hippocampal neurons in bats, which encode the direction and distance to spatial goals – suggesting a novel neural mechanism for vector-based goal-directed navigation. [Credit: Steve Gettle]

Wenn Zugvögel zielsicher ihr Winterquartier aufsuchen und anschließend über tausende von Kilometern an ihre Brutplätze zurückkehren, wenn Bienen eine Wiese mit pollenreichen Blumen ansteuern und danach ebenso zielsicher wieder in den Stock zurückfliegen, wenn wir selbst – auch ohne Smartphone und GPS – täglich problemlos zur Arbeit und danach wieder nach Hause finden – dann ist dies alles das Werk von speziellen Neuronen in unseren Gehirnen. Wie die funktionieren, ist zum Teil schon bekannt; 2014 gab es dafür den Medizin- bzw. Physiologie-Nobelpreis. Im Fachblatt „Science“ weisen israelische Forscher bei Flughunden nun erstmals eine wichtige weitere Variante dieser Navigations-Neuronen nach.

Wie komme ich zuverlässig von Ort A zu Ort B und danach wieder zurück? Navigation ist eine der lebenswichtigen Hauptaufgaben für praktisch jedes Lebewesen – kein Wunder, dass sich die Evolution da ein paar sehr ausgeklügelte und bewährte Mechanismen hat einfallen lassen – egal, ob wir jetzt als Fledermaus, Biene oder Mensch unterwegs sind. Bislang konnten Forscher zwei Typen von Navigations-Neuronen identifizieren, sagt Nachum Ulanovsky vom Weizman Institute of Science in Rehovot:

Die „Ortszellen“ sagen ‘Ich bin hier am Punkt A’, und die „Rasterzellen“ sagen mir wie bei einem Millimeterpapier etwas über Entfernungen und absolute Richtungen. Aber – ich sitze jetzt hier in meinem Büro im Institut – ich weiß, wo die Cafeteria ist, auch wenn ich sie nicht sehe. Ich habe also in meinem Gehirn eine Repräsentation vom Ziel, vom Punkt B. Aber wie die im Detail funktioniert, war bislang unklar – das lässt sich mit dem bislang bekannten Konzept von Orts- und Rasterzellen nur schwer verstehen.    

Ulanovsky und seinen Mitarbeitern – allen voran seine Doktorandin Ayelet Sarel, die Hauptautorin der Science-Studie – gelang es, die Gehirn-Aktivitäten von Nilflughunden (Rousettus aegyptiacus) aufzuzeichnen, während diese zu einem zuvor antrainierten Rast- und Fressplatz im Labor der Wissenschaftler flogen. Dazu hatten die Forscher den Tieren Messsonden implantiert. Die registrierten die elektrischen Signale in der für die Navigation zuständigen Hirnregion, im Hippocampus – aufgelöst bis hin zum Feuern von einzelnen Nervenzellen.

Das technisch Neue dabei ist: Wir haben diese Sonden in den letzten Jahren so weiterentwickelt und verkleinert, dass wir drahtlos, ohne Kabel aufzeichnen können – also wirklich bei den fliegenden Tieren.       

Photo of an Egyptian fruit bat. Sarel et al. report on a new functional class of hippocampal neurons in bats, which encode the direction and distance to spatial goals – suggesting a novel neural mechanism for vector-based goal-directed navigation. [Credit: Haim Ziv]

Wie sich die Fledertiere im Raum bewegten, protokollierten die Forscher mit zwei Kameras. Und anschließend analysierten sie mit Computerhilfe, ob es einen systematischen Zusammenhang zwischen den Positionsdaten und den Gehirnaktivitäten gab.

Dabei haben wir herausgefunden: Da sind tatsächlich Neuronen im Hippocampus, die den jeweiligen Winkel relativ zum Ziel repräsentieren. Also ein bestimmtes Neuron ist aktiv, wenn die Fledermaus genau auf das Ziel zufliegt, Winkel 0 Grad; ein anderes Neuron ist aktiv, wenn das Ziel rechts ist, also Winkel 90 Grad – und so weiter.

Damit gab es also erstmals einen Beleg für eine seit langer Zeit diskutierte und auch aufgrund von Verhaltensexperimenten naheliegende Hypothese:

Fast 20 Prozent der Neuronen im Hippocampus zeigten eine Repräsentation des Ziels, also wirklich eine große Anzahl. Einige Neuronen haben die Entfernung zum Ziel codiert, einige die Richtung, einige beides. Richtung und Entfernung zusammen bezeichnet man auch als Vektor – was wir also herausgefunden haben: Es gibt eine vektorbasierte Repräsentation eines Navigationsziels im Hippocampus der Fledertiere.

Dass es sich bei den entdeckten Neuronen wirklich um einen anderen Typ handelt als die bekannten Orts- und Rasterzellen, konnten die Forscher mit zwei Modifikationen ihres Experimentes zeigen.

Wir haben das Ziel einfach verschoben. Und dann haben die Neuronen, die auf die alte, trainierte Position ausgerichtet waren, aufgehört zu feuern. Und andere Neuronen passend zur neuen Position wurden aktiv – das ist also wirklich spezifisch auf den aktuellen Zielort bezogen.

In der zweiten Variante verhüllten die Wissenschaftler das Ziel mit einem Vorhang, der den Landeplatz auch für das Ultraschall-Sonar der Flughunde unsichtbar werden ließ. Davon ließen sich die Tiere aber nicht beirren, die Winkel- oder Vektor-Neuronen blieben weiterhin auf das zuvor trainierte Ziel hin ausgerichtet und aktiv:

Das zeigt, diese Repräsentation ist eine mentale, eine Gedächtnisleistung, sie basiert nicht einfach auf Sinneseindrücken – das ist großartig, denn das ist in der Tat genau das, was man für eine Navigation ohne Sicht zum Ziel braucht.

Wie das Ganze auf anatomischer Ebene funktioniert – ob die beteiligten Neuronen von ihrer Bauart her speziell konstruiert sind oder eben „speziell verschaltet“ – bei solchen Fragen müssen die Forscher momentan noch passen. Als nächstes wollen Nachum Ulanovsky und seine Mitarbeiter komplexere Navigations-Szenarien an den Flughunden erforschen – was ist, wenn es mehrere Ziele gibt, was, wenn das Tier seine Entscheidung für ein Ziel revidiert? Auf jeden Fall ist sich das Team ziemlich sicher, dass auch andere Lebewesen die vektorbasierten Neuronen im Hippocampus haben und vektorbasiert navigieren.

Möglicherweise wäre das in Jahrmillionen der Evolution erprobte Konzept auch etwas für Roboter:

Es gibt schon eine Reihe von Roboterwissenschaftlern, die Algorithmen implementiert haben nach dem Vorbild von Orts- und Rasterzellen. Das ist interessant für autonome Fahrzeuge oder auch für Büro-Roboter. Bislang hat natürlich noch niemand die ziel-orientierten, vektorbasierten Neuronen umgesetzt, die haben wir ja jetzt gerade erst publiziert. Aber auf jeden Fall sind solche biologisch inspirierten Algorithmen grundsätzlich sehr vielversprechend.

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 13.01.2017 (Moderation: Lennart Pyritz)

Kommentar-Spam von Flecken-Herbert

Der gute alte Herbertdem alias fleckiwecki findet diese Website eigentlich schon lange ganz super klasse und hat sich jetzt auch mal angemeldet. Er würde sich freuen, wenn ihr auch mal auf seiner Seite www.flecken-entfernen.net vorbeischaut.

Hallo,

interessante und informative Beiträge hier, super. Habe längere Zeit als stiller Gast nur mitgelesen und mich jetzt mal angemeldet.

Ich würde mich freuen, wenn ihr bei Gelegenheit auch einmal auf meinem Blog zum Thema Textilreinigung vorbeischauen würdet.

Alles Liebe

Herbert

Ganz klar, der Kampf gegen Flecken ist vielleicht noch ein bisschen vordringlicher gegenüber dem Zeug, was ich hier schreibe, lieber Herbert. Komisch nur, dass der Kommentar-Spam von einer IP-Adresse der Uni Essen-Duisburg kommt.

Affen könnten sprechen – wenn auch das Gehirn mitspielen würde

Gerade stand es in der neuen Ausgabe von „Science“: Zebrafinken haben offenbar von Geburt an ein neuronales Regelsystem, das ihnen dabei hilft, „gelungene“ von „schiefen“ Gesangs- bzw. Zwitscherstrophen zu unterscheiden. Ein Papagei kann problemlos Peinlichkeiten nach- oder ausplaudern oder die Feuerwehr bestellen, und selbst ein Seehund oder ein Beluga kann menschliche Sprache imitieren. Nur ausgerechnet Affen können uns Menschen nicht „nachäffen“, zumindest nicht vokal – und eine eigene Sprache mit Worten, Sätzen oder einer Grammatik haben sie im Verlauf der Evolution erst recht nicht entwickelt; trotz aller unbezweifelbarer Intelligenz.

Warum Wale, Elefanten oder Singvögel uns Menschen bei der spezifischen Fähigkeit zur vokalen Imitation, dem „call production learning“ näher sind, als unsere evolutionsbiologisch engsten Verwandten, darüber kann auch Prof. Tecumseh Fitch, Leiter der Abteilung Kognitionsbiologie an der Universität Wien, nur spekulieren. An grundsätzlichen und unüberwindbaren anatomischen Beschränkungen ihres Stimmapparates, ihres Vokaltraktes liegt es jedenfalls nicht – das ist das Ergebnis seiner in „Science Advances“ veröffentlichten Studie. Fitch und seine Kollegen knüpfen mit ihren neuen Experimenten an die paradigmatische Untersuchung von Philip Lieberman aus dem Jahr 1969 an.

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Dessen Ergebnisse seien aber erstens aufgrund schwächerer Eingangsdaten zustande gekommen – nämlich aufgrund einer Modellierung des Vokaltraktes eines toten Makaken – zweitens habe man anschließend Liebermans Schlussfolgerungen auch noch missverstanden oder fehlinterpretiert, so sieht es Tecumseh Fitch.  Sein Fazit: Makaken – und wahrscheinlich auch andere Primaten haben einen „sprechbereiten“ Stimmapparat – das Problem sind fehlende Steuerungs-Schaltkreise im Affengehirn. Völlig unumstritten sind die Schlussfolgerungen von Fitch und seinen Ko-Autoren noch nicht:

Die „New York Times“ zitiert die Sprachwissenschaftlerin Anna Barney von der Universität Southhampton – ihr zufolge blieben in Fitch’s Studie Fragen offen, etwa die, ob Makaken neben unterscheidbaren Vokalen auch die nötigen Konsonanten produzieren könnten. Da ist sich der Kognitionsbiologe allerdings recht sicher:

What we know for sure is that things like “pa, ba, ma, na”, all of those would be no problem as would “ha”; some version of “ka” and “ga” should be no problem. I think it would be extreme to say that monkeys could make all human consonants. But the point is they could easily make enough consonants to generate with this number of vowels to make thousands of words. I think the consonants have never been postulated to be to a large problem, a large limitation. The debate has always been about the vowels.

Und auch der mittlerweile emeritierte Philip Lieberman selbst meldet sich in der NYT und im „Christian Science Monitor“ noch einmal zu Wort – er ist nach wie vor der Meinung, dass bei der Evolution der menschlichen Sprache sowohl neuronale Veränderungen im Gehirn als auch anatomische im Vokaltrakt eine Rolle gespielt haben. Vielleicht klärt sich ja irgendwann durch genetische Eingriffe in das Erbgut von Affen, wer recht hat: Wenn durch einen wohl plazierten CRISPR-Schnipsel im Gehirn-Sprachkontrollzentrum Makaken oder Schimpansen plötzlich zu plaudern anfangen, war es Tecumseh Fitch. Wenn erst durch einen anderen Schnipsel der Kehlkopf anatomisch tiefer gelegt werden muss, war es Lieberman. 🙂

Sprachlose Primaten – Fehlende Kontrolle über Stimmtrakt

Deutschlandfunk – Forschung aktuell vom 12.12.2016 (Moderation: Arndt Reuning)

Erklärungen für Trumps Wahlsieg · DRadio Wissen

Mit der Vorhersage des Wahlergebnisses in den USA hat es ja bekanntlich nicht so besonders gut geklappt. Und ob das nun mit der Nachhersage, sprich, der Erklärung, warum Trump nun eigentlich gewonnen hat; ob das dabei besser klappen wird, das ist die Frage. Gedeutet und gedeutelt wir immer noch eifrig – angeblich oder tatsächlich hat das alles auch eine Menge mit dem Internet zu tun gehabt. Mit Filterblasen und Fake-News. Oder – das ist eine weitere These, mit Social-Network-Profiling, mit der ganz gezielten Ansprache von potentiellen Trump-Wählern.

Manchmal ist es ja komisch – meine Redakteurin mailt mir die Links zu einem Artikel bzw. den Kommentaren dazu, die gerade auf Twitter die Runde machen. Am Morgen kommt die nächste Redakteurin rein und fragt: Machst Du eigentlich das Ding mit dem Magazin-Artikel? Und dann kommt die Online-Chefin rein und fragt: Machst Du eigentlich das Ding mit dem Magazin-Artikel und dem angeblichen Trump-Sieg wegen Psychological-Social-Network-Targeting? Vielleicht ist das ja eine Filterblasen-Geschichte; speziell für die Filterblase von Journalisten.

Ein Artikel macht gerade bei Social-Media die Runde – weil er endlich eine Erklärung liefert, wie Donald Trump das mit dem Präsidenten-Coup gelungen ist.

MIttlerweile ist die Geschichte um den Zauberlehrling Michal Kosinski aber auch beim WDR (das mit der korrekten Statistik ist echt schwer – da klink ich mich jetzt auch mal kurz aus…) und in der FAZ. Meine eigene Version ist dabei: Klar funktioniert das Psycho-Werbe-Targeting „irgendwie“, bei Schokoriegeln genauso wie bei einem bis dato politisch vollkommen unbelecktem gold-gelockten Präsidentschaftskandidaten 🙂

Nur, wie genau und wie gut das funktioniert; das lässt sich halt an den Verkaufszahlen eines Schokoriegels viel genauer ablesen als am Wahlerfolg eines gold-gelockten Newcomers; da müsste man halt vorher-nachher-Resultate abwägen – die es aber nicht gibt. Dass die Marketing-Investitions-Entscheidung von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner gut war, will ich ja gar nicht bezweifeln…

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Aber das Versprechen von nachvollziehbar interessierten Kreisen wie Cambridge Analytica, so eine Wahl oder einen Brexit schon zu schaukeln und das Ergebnis „mal eben“ für sich zu reklamieren – das halte ich genauso wie Jens Scholz eher für Bullshit. Liebe Leute; auch eure angeblichen Follower lesen euch gar nicht jeden Tag. Kürzt euren Impact-Factor mal um 100 oder besser um 1000. Social-Media-Volksverdummung ist zwar schon ganz nett. Aber noch nicht wahlentscheidend. (Noch nicht. 🙂 )

Erklärungen für Trumps Wahlsieg · DRadio Wissen

DRadio Wissen -Hielscher oder Haase vom 05.12.2016 (Moderation: Till Haase)