Archiv für den Monat: Juni 2016

Google-App “Motion Stills” bringt Ruhe ins bewegte Bild

Viele Besitzer eines neueren iPhones oder iPads, die mit ihrem Gerät fotografieren, wissen gar nicht, dass sie eigentlich filmen – minifilmen genauer gesagt. Denn wenn man das “Live Photo”-Feature nicht explizit ausschaltet, dann zeichnet die Kamera der Geräte auch vor und hinter einem Schnappschuss noch eineinhalb Sekündchen auf. Wer eifrig in Social Media unterwegs ist, der kennt den Clip-Hype natürlich – inklusive der spezialisierten Apps und der speziellen Ästhetik. Wobei man also sogar behaupten könnte: Das unperfekte, spontane, verwackelte gehört eigentlich dazu. Lomo-Motion sozusagen.

Aber genau wie auf YouTube stimmt das anders herum auch wieder gar nicht so ganz; auch die unperfekten Filmchen sind oft in Wahrheit viel durchdachter und aufwendiger produziert als es den Anschein hat. Und das gilt auch für die Sekundenclips und GIFs. Also ganz klarer Fall: Für eine App wie Googles “Motion Stills” gibt es durchaus Bedarf; auch wenn Apple ja selbst schon eine nachträgliche Bearbeitung der “Live Photos” durch die eigene Fotos-App vorsieht. “Motion Still” geht nämlich über eine “normale” Bildstabilisierung noch hinaus, außerdem bietet das Programm mehr Export-Möglichkeiten für den Clip bzw. das GIF. Die Resultate sind jedenfalls recht überzeugend:

Wackelfreie Gifs: Motion Stills bringt Ruhe ins bewegte Bild – SPIEGEL ONLINE

(Spiegel Online – Netzwelt vom 09.06.2016)

Schiff Wackel

 

 

 

Schiff Ruhig

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oder als Video:

 

Bodyguard-Apps für das Smartphone – Sicherheits-Illusion oder echter Schutz?

Unter Datenschutz- und Privacyaspekten kann man gar nicht genug darauf herumreiten, dass wir alle freiwillig mit einer Überwachungswanze durch die Gegend laufen – unserem Handy. Und auf der Tatsache, dass zumindest unser Mobilfunkprovider allerbestens über unser Leben Bescheid weiß – hinzu kommen natürlich dann auch noch die ganzen US-Firmen, deren Apps wir bereitwillig installiert haben. Und interessierte Kreise, die wiederum diese ganzen Daten abschnorcheln.

Aber es gibt ja Situationen, in denen man (bzw. frau…) ganz gerne überwacht wird: Beim nächtlichen Heimweg durch einen Park oder beim frühmorgendlichen Jogging im Grüngürtel etwa. Und da ist es ja sehr naheliegend, die verschiedenen Smartphone-Fähigkeiten in eine App zu packen, die dann so etwas wie ein digitaler Bodyguard sein will: Das Prinzip ist bei allen Lösungen auf dem Markt ähnlich: In der App ist ein Kreis von Kontakten hinterlegt, die sozusagen die “Beschützerfunktion” übernehmen – das können Freunde sein, oder aber eine Leitstelle, ein Dienstleister. Idealerweise rund um die Uhr mit garantiert ausreichenden Kapazitäten erreichbar – das kostet typischerweise dann auch etwas.

Wenn die App gestartet wird, bekommen die “Beschützer” die Geodaten des Smartphones übermittelt. Und dann gibt es eine “Ziel erreicht, alles in Ordnung”-Funktion – aber natürlich auch das Gegenteil, den Alarmknopf. Im Notfall wird direkt oder über den “Beschützer” die Polizei alarmiert – und die hat (im Gegensatz zu einem typischen telefonischen Anruf in Panik…) wenigstens schon einmal die genaue Ortsbeschreibung. Und kann insofern schnellstmöglich anrücken. Das bedeutet in Deutschland (wo die Apps im Gegensatz zu anderen Ländern noch nicht so gebräuchlich sind oder in ihren “Premium”-Varianten auch noch nicht verfügbar…): so ungefähr nach 10 Minuten ist Hilfe vor Ort; die genaue Zeit hängt natürlich von allen möglichen Faktoren ab.

Und bis dahin ist frau/man natürlich längst ausgeraubt, vergewaltigt, verblutet oder erstickt, um nur einmal die traurige Palette der Möglichkeiten aufzuzählen. Im Zweifelsfall – das fügt dann noch ungeahnte traumatische Erfahrungsmöglichkeiten mit hinzu – kann der Freund an seinem Smartphone oder der Dienstleister in der Leitstelle alles mit anhören. Denn direkt helfen kann er nicht – und auch nicht einen potenziellen Angreifer direkt abschrecken. Das ist eine banale Erkenntnis. Sollte man meinen. Tatsächlich droht hier aber eine zusätzliche Gefahr: Die nämlich, dass “Bodyguard”-App-User mit dem “gefühlten” Mehr an Sicherheit nun plötzlich eine andere Risikokalkulation anstellen als vorher. Und halt einen Gang in der Dunkelheit antreten, wo sie sonst ein Taxi genommen hätten.

Das ist keineswegs hypothetisch, sondern fast zwangsläufig – die unzähligen Erfahrungen mit hasardierenden Wanderern oder Kletterern seit der Verfügbarkeit von Handys geben da ein gutes Beispiel. Der psychologische Aspekt, dass die hinzugeblendete Virtualität und die Dauerkommunikation mit Freunden und Followern den Blick für nach wie vor existierende reale Gefahren völlig vernebelt, liess sich vor ein paar Tagen schön im Statement einer jungen Frau nach den Blitzeinschlägen bei “Rock am Ring” ablesen: “Das hätte ich nicht gedacht, dass es so schlimm wird.” Klar, auf dem Screen bei WhatsApp war die Welt ja auch in schönster Ordnung und man war ja schließlich Teil eines gerade livegestreamten und kommunizierten “Events”; und außerdem hatte die Wetter-Radar-App doch Hagel und Blitz 400 Meter weiter nördlich vorüberziehen lassen. 🙂

Das alles soll nicht heißen, dass die Security-Apps nicht ihren Wert haben. Aber wie bei allen anderen Errungenschaften der modernen Technik – Gehirn und gesunden Menschenverstand angeschaltet lassen hat nach wie vor allerhöchste Priorität.

“WayGuard”: Handy-App als Begleitschutz – SPIEGEL ONLINE

(Spiegel Online – Netzwelt vom 08.06.2016)

Google schmeißt antisemitische Chrome-Extension aus dem App-Store

Man kann ja den israelischen Premier für einen opportunistischen Unsympathen halten, die irrlichternden Vertreter kleinerer rechter/orthodoxer israelischer Parteien für komplette Vollidioten und Nazi-Wiedergänger mit verdrehtem Vorzeichen – wer aber andererseits der schönen Verschwörungstheorie von den geheimen Plänen des “Weltjudentums” zur Erlangung der Weltherrschaft frönt, ist komplett gehirnamputiert. Betrifft also größere Teile der Weltbevölkerung 🙂 …

Und für diese Klientel ist es natürlich auch schon eine aufklärerische Tat, Juden als Juden zu identifizieren – im Netz zum Beispiel. Weil, wer ein Jude ist, bei dem ist ja alles klar. Ob Investmentbanker, Politikerin oder Chef eines Internet-Unternehmens. Oder so. Und zur Kennzeichnung dieser Juden, bei denen ja dann alles klar ist, da gibt es halt die drei Klammern. Also z.B. (((Michael Gessat))) – da steht jetzt die innerste Klammer für: Juden zerstören die Familie. Die mittlere: Juden zerstören die Nation durch Immigration. Und die äußere steht für das internationale Judentum. So weit, so einleuchtend.

Für die angesprochenen Gehirnamputierten ist da natürlich eine Browser-Extension wie „Coincidence Indicator“ ganz hilfreich – da weiß man eben schon beim Besuch auf irgendwelchen Webseiten: Jude, alles klar. Nach einem Bericht der Website mic letzte Woche hat nun allerdings Google die Extension aus dem App-Store geschmissen. Warum nur – was kann denn daran antisemitisch sein, einen Juden als Juden zu identifizieren? (Krokodiltränen-vergieß, naiver Augenaufschlag…) Genau. Um die Diskussion etwas zu befeuern – und um ein Zeichen gegen den antisemitischen Schwachsinn zu setzen, hat jetzt Brian Teeman von Joomla eine Gegenkampagne gestartet; hat selbst die drei Klammern um seinen Twitter-Usernamen ergänzt – mit der Aufforderung an alle, es ihm da gleich zu tun.

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 06.06.2016 (Moderation: Thilo Jahn)

Missbrauchsvorwürfe: Tor trennt sich von Jacob Appelbaum

Anonyme Beschuldigungen sind wohlfeil, auch oder gerade wenn sie mit großer Öffentlichkeitswirkung ins Netz gestellt werden. Wenn der Beschuldigte allerdings einer der Personen mit dem größten Impact-Faktor im Netz oder zumindest in der “Netzaktivisten”-Szene ist und ein Teil der Vorwürfe gerade darin besteht, er habe diese Meinungs- und Unterstützermacht immer wieder für Mobbingaktionen eingesetzt, für den Diebstahl der Ideen und Entwicklungen anderer? Wenn aus dem Kreis seiner Arbeitskollegen und Arbeitgeber verlautet, so richtig überraschend kämen die Vorwürfe nicht, da seien schon lange entsprechende Gerüchte im Umlauf gewesen? Wenn eine Anzahl von Leuten – nicht anonym, sondern ganz offen – diagnostizieren, die fragliche Person sei unverkennbar “persönlich schwierig“?

Dann beweist das immer noch nichts, gibt aber immerhin zu denken. Die Rede ist von Jacob Appelbaum, quasi der “Star” der Netzaktivistenszene – nach eigener Wahrnehmung und Inszenierung, so heißt es jetzt, aber auch in der Wahrnehmung der medialen Öffentlichkeit. Appelbaum soll sich nicht nur mit fremden Federn geschmückt haben, ihm werden sexuelle Übergriffe und Manipulationen vorgeworfen. Nach intensiver Diskussion hat sich das Tor-Projekt von seinem Aushängeschild getrennt – Betroffene werden aufgefordert, sich zu melden. Die sich selbst als “Opfer” empfindenden Berichterstatter auf der Website jacobappelbaum.net wollen vor allem eines erreichen – andere vor den manipulativen Kräften und Absichten eines Mannes mit Star-Status warnen.

Nun ist halt ein angeblicher oder tatsächlicher Missbrauch, der sich “fließend” aus einer einvernehmlichen sexuellen Beziehung heraus entwickelt, immer noch sehr viel schwieriger zu beurteilen, als wenn ein Maskierter im Park über eine Joggerin herfällt. Dass es da zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit (wenn es denn überhaupt eine objekte Wirklichkeit gibt…) Interpretationsspielraum gibt, ist klar – andererseits: “Nein” heißt “Nein”. Oder doch vielleicht auch nicht? Man denkt an den Fall Kachelmann, man denkt vor allem natürlich an den Fall Assange. Und damit ist dann auch noch die ganz spezielle Komponente im Spiel: Sind die ganzen Vorwürfe vielleicht eine abgekartete Geheimdienst-Operation, ganz nach der Blaupause der von Edward Snowden geleakten und von Jacob Appelbaum präsentierten NSA-Strategiepapiere?

Kann theoretisch sein. Eignet sich aber andererseits wiederum möglicherweise als wohlfeile Ausrede, derer sich natürlich die “Ankläger” auch schon bewusst sind – mit ein Grund für sie, anonym zu bleiben. Letztlich ist das aber keine haltbare Strategie. Die Auseinandersetzung sollte mit offenem Visier stattfinden. Auch wenn man einen Bericht wie den von Nick Farr liest, bleiben Fragen offen – die angebliche Chancenlosigkeit einer Konfrontation mit einer anderen Person anzuerkennen (jetzt einmal von wirklich alternativlosen Situationen abgesehen…) heißt ja auch die eigene Opferrolle annehmen. Vielleicht herrscht in den “Netzaktivisten”-Kreisen tendenziell (subjektiv nachvollziehbarerweise…) eine verzerrte (und hier selbst-destruktive…) Weltwahrnehmung, dass die Zahl der Follower allen Ernstes den Wert und die Macht einer Person bestimmt.

Star der Netzaktivisten unter Beschuss · DRadio Wissen

DRadio Wissen – Schaum oder Haase vom 06.06.2016 (Moderation: Thilo Jahn)

Nachklapp zur Sendung: Inzwischen hat Jacob Appelbaum selbst zu den Vorwürfen Stellung bezogen. Die Anschuldigungen seien komplett haltlos, auch wenn es vielleicht “unausweichlich” Momente von unabsichtlichen Verletzungen der Gefühle anderer in professionellen oder privaten Situationen gegeben haben könnte. Dafür habe er sich entschuldigt, und er werde sich weiter entschuldigen und daran arbeiten, eine bessere Person zu werden.

FAZ und Anonymous-Faker fachen Verwirrung um “Anonymous-Kollektiv” an

Wenn ich die heutige FAZ-Ausgabe schon am Morgen gelesen hätte, wäre mir der Kaffeelöffel aus der Tasse gefallen. Jetzt ist mir fast noch das Gute-Nacht-Schokoeis im Hals stecken geblieben. Denn als wäre die Sache mit “Anonymous-Kollektiv” nicht schon unbegreiflich verwirrend genug für alle, die hinter jeder Guy-Fawkes-Maske unbegreiflich verwirrendes vermuten – nun werfen auch noch Qualitätspresse und unverantwortliche Zeitgenossen aus dem sogenannten “Internet” weitere Nebelkerzen in die aufgeheizte Gemengelage:

Fragt man bei Anonymous nach, so erfährt man, dass die Seite „Anonymous Kollektiv“ tatsächlich bis 2012 von drei Anonymous-Mitgliedern administriert worden sei …„Bei einem Streitthema wurden die drei Admins rausgeworfen“, teilt Anonymous auf Anfrage mit.

Dazu möchte ich festhalten – ich weiß nicht, wo genau Artikelautorin Andrea Diener nachgefragt bzw. ihre Anfrage gestellt hat. Bei Anonymous; genauer gesagt, beim echten Anonymous-Kollektiv jedenfalls definitiv nicht.

Der anonyme Pressesprecher von Anonymous vor dem Brandenburger Tor. (Thomas Wolf, www.foto-tw.de Montage: anonym)

Der anonyme Pressesprecher von Anonymous vor dem Brandenburger Tor. (Thomas Wolf, www.foto-tw.de CC BY-SA 3.0 Montage: anonym)

Anonymous-Sprecher N.N. teilt hierzu ganz offiziell folgendes mit:

“Die Seite “Anonymous-Kollektiv” ist weder bis 2012 noch sonst irgendwann von drei oder sonst wievielen Anonymous-Mitgliedern administriert worden. Das wüsste ich sonst schließlich. Die im Namen von Anonymous Erklärungen abgebenden angeblichen Anonymous-Vertreter tun dies zu Unrecht, sie sind überdies keine Mitglieder von Anonymous und waren dies auch nie. Eine Unterlassungserklärung an FAZ und Pseudo-Anonymous ist bereits unterwegs, erwartet sie. Wir sind Anonymous. Wir sind Legion. Und wir werden Desinformation in unserem Namen niemals zulassen.”